Protocol of the Session on March 23, 2012

Zum anderen scheinen Sie nun doch zu der Auffassung gekommen zu sein, dass eine Kürzung des Landesblindengeldes, wenn es auch schmerzlich ist, anscheinend doch zu vertreten ist. Zur Kürzung des Landesblindengeldes bleibt festzustellen, dass es sich hierbei um eine einkommensunabhängige Leistung gehandelt hat. Vor dem Hintergrund der Situation des Landeshaushaltes, für den die Steuerzahler aufkommen müssen, müssen gerade Leistungen, die sich nicht an den individuellen Bedarfen des Einzelnen orientieren, hinterfragt und zur Disposition gestellt werden.

Aber warum soll es eigentlich lediglich einen Fonds für Barrierefreiheit für die Blinden und Sehgeschädigten geben? Wenn man schon einen solchen Fonds einrichten will, dann kann man das nicht nur auf eine Behinderung beschränken. Also wenn ein Fonds für Barrierefreiheit eingerichtet wird, dann für alle, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind. Das werden Sie auch in unserem Wahlprogramm wiederfinden.

Die CDU stand und steht dafür ein, dass Barrierefreiheit ein zentrales Element der Inklusion ist. Wir wollen die Ausgaben im Sozialbereich dahin gehend überprüfen, ob man nicht die Mittel, die derzeit für Inklusion zur Verfügung gestellt werden, stärker auf den Bereich der Barrierefreiheit vor Ort fokussieren kann.

Alle Ziele, die Sie in Ihrem Antrag beschrieben haben wie gleichwertige Lebensbedingungen, barrierefreier Lebensraumgestaltung oder auch der Zugang zu Informations- und Kommunikationssystemen beschränken sich doch nicht ausschließlich auf eine einzige Behinderung, sondern auf die Bedürfnisse aller Menschen mit Behinderung in diesem Land. Wir werden der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses folgen und Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Mir ist eben ein Irrtum unterlaufen. Es hätte zunächst die antragstellende Fraktion reden müssen, das ist die Fraktion DIE LINKE. Dafür entschuldige ich mich. Das Wort hat Herr Abgeordneter Schippels.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Das wäre auch gut gewesen, weil Frau Franzen ihre Rede dann wahrscheinlich nicht so gehalten hätte, wie sie sie gehal

(Präsident Torsten Geerdts)

ten hat. Frau Franzen, wenn Sie etwas zur Gegenfinanzierung hören wollen, verweise ich auf die Aussage Ihres finanzpolitischen Experten Herrn Koch in der vorletzten Finanzausschusssitzung. Er hat gesagt, dass wir im kommenden Doppelhaushalt ungefähr noch die Möglichkeit und Spielräume positiver Art von 300 Millionen € haben - so weit Herr Koch. Dann kommt noch die andere Interpretation der Notwendigkeit durch die Schuldenbremse hinzu - durch SPD, Grüne und SSW. Da kommen noch einmal ein paar Millionen € heraus. Es gibt also durchaus noch den einen oder anderen Euro, der irgendwo eingesetzt werden kann.

Frau Franzen, es geht hier nur um 400.000 €. Wir können zum Beispiel auch anfangen, die Diäten zu kürzen. Das wäre überhaupt kein Problem. Wir sind auf jeden Fall dabei, Frau Franzen.

(Zuruf des Abgeordneten Hartmut Hamerich [CDU])

Den Blindenfonds hatten wir übrigens schon, und wir hatten ihn so, wie wir ihn gerade beantragt haben. Sie waren es damals, die dafür gestimmt hat. Deshalb verstehe ich jetzt Ihre Kritik an unseren Vorstellungen nicht. Sie wissen selbst, dass Sie 2006 400.000 € eingestellt haben. Er lief, weil er zunächst nur für fünf Jahre gedacht war, mit dem Haushaltsjahr 2010 aus. Bekannt an dem Wegfall ist, dass er 2006 als Kompensation, als Ausgleich für eine Kürzung des Landesblindengeldes eingerichtet worden ist. 2011 fiel er jetzt weg - parallel mit einem Beschluss zur Halbierung des Landesblindengeldes. Das ist wohl der Unterschied zwischen einer schwarz-roten und einer schwarz-gelben Regierung: Beide kürzen beim Sozialen, die ersten weniger, die letzten erbarmungsloser.

Die schreiende Ungerechtigkeit, die hinter der Kürzung im Doppelhaushalt 2011/2012 steckt, fand auch ihr Echo im Proteststurm der betroffenen blinden Menschen und ihrer Verbände.

Schleswig-Holstein hat sich beim Landesblindengeld als Schlusslicht der Bundesländer hinten angestellt und dann auch noch den Blindenfonds mit über Bord geworfen. Haushaltspolitisch war das nicht notwendig.

(Unruhe)

Wenn Sie mir das eingangs Gesagte nicht glauben aber Sie hören mir auch nicht mehr zu -, dann verweise ich auf den Jahresabschluss 2011. Sie wissen, dass wir ihn mit 700 Millionen € besser abgeschlossen haben als ursprünglich geplant.

Die schwarz-gelbe Mehrheit hat trotzdem die Kürzungen durchgedrückt. Wir finden, dass das ein Skandal ist. Sie argumentieren übrigens bei der Kürzung des Landesblindengeldes - wir sind überhaupt nicht für die Kürzung des Landesblindengeldes, Frau Franzen, das möchte ich hier noch einmal deutlich sagen -,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sind sie nicht?)

dass man nur einen Teil der Mittel tatsächlich einspare, die andere Hälfte der Kürzung werde über die Blindenhilfe kompensiert.

Der Rechtsanspruch auf Blindenhilfe nach dem SGB XII unterscheidet sich - das wissen wir alle substanziell vom Landesblindengeld. Das Landesblindengeld ist ein unbürokratischer Nachteilsausgleich für die besondere Schwierigkeit blinder Menschen bei der Organisation ihres Alltags und der Teilhabe am Leben der Gesellschaft.

Das Landesblindengeld wird deshalb auch aus gutem Grund, Frau Franzen, ohne Einkommensüberprüfung gewährt. Aus Gesprächen mit blinden Menschen und ihren Vertreterinnen und Vertretern wissen wir, dass sie es als besondere Ungerechtigkeit empfinden, wenn sie sich jetzt einer Bedürftigkeitsprüfung unterziehen sollen, um Leistungen aus der Blindenhilfe zu beziehen. Man kann das auch nicht einfach beiseiteschieben. Jede Bedürftigkeitsprüfung ist eine Prozedur mit entwürdigendem und stigmatisierendem Anteil.

Deswegen wollen wir zumindest den Blindenfonds wieder einrichten. Der Blindenfonds ist eine gute und notwendige Sache. Dies wäre auch ein kleines Zeichen, dass uns das Schicksal der Menschen mit Sehbehinderung nicht egal ist.

Es war ein politischer Fehler, den Fonds auslaufen zu lassen. Wir wollen, dass dieser Fehler der schwarz-gelben Regierungsmehrheit möglichst schnell berichtigt wird.

Ein Wort noch zu den finanziellen Auswirkungen: In der Tat weiß man nicht, ob die zusätzlichen Gelder, die für die Blindenhilfe eingestellt worden sind, tatsächlich in Anspruch genommen werden. Wir glauben, es gibt eine begründete Annahme, dass das eben nicht so erfolgt, wie Sie das vorgesehen haben, weil viele blinde Menschen auf die Antragstellung für eine Blindenhilfe verzichtet haben, da sie den Verweis dahin als eine grobe Ungerechtigkeit empfinden.

Die Kürzung des Landesblindengelds war genau das falsche Signal, wenn es auch um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in

(Ulrich Schippels)

Schleswig-Holstein geht. Das Gleiche gilt für den Wegfall des Blindenfonds, der für ein Mehr an Barrierefreiheit im öffentlichen Raum geschaffen wurde. Darüber hinaus hatte dieser den Vorteil, dass die betroffenen Menschen in die Entscheidung über die Verwendung dieser Mittel einbezogen waren.

Wir bitten deshalb noch einmal um Zustimmung zu unserem Antrag. Der Blindenfonds hat sich bewährt. Der Blindenfonds ist notwendig. Es ist ein Zeichen der Menschlichkeit. Wir wollen, dass die Blinden und Sehbehinderten in unserem Land ein bisschen mehr Autonomie, ein bisschen mehr Freiheit erhalten. Geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie unserem Antrag doch noch zu!

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Blindenfonds ist eingerichtet worden in einer Zeit, als das Blindengeld gekürzt worden ist, um bestimmte Sachen zu kompensieren. Vor allem ist dieser für alle Menschen, die blind und sehbehindert sind, eingerichtet worden, also nicht nur für die, die in diesem Land leben, sondern auch für die, die in diesem Land Urlaub machen, Freunde besuchen, sich hier aufhalten. Diese haben dann auch etwas davon.

Dieser Fonds hat natürlich dazu geführt, dass in vielen Bereichen von touristische Projekten, sei es auf den Halligen oder bei dem Sandskulpturenfestival in Lübeck, vieles getan worden ist, um dafür zu sorgen, dass diese Menschen Teilhabe erleben können.

Dieser Fonds hat Gutes geleistet. Ehrlicherweise muss man aber hinzufügen, dass dieser Fonds nie in seiner vollen Höhe ausgeschöpft worden ist. Deshalb haben wir in den Haushaltsberatungen beantragt, die Mittel zu halbieren beziehungsweise die Mittel auf 250.000 € zu reduzieren, um sich den Realitäten zu nähern.

Gleichwohl bleibt es richtig, dass wir die Kürzung des Landesblindengeldes um mehr als 10 Millionen € nach wie vor für nicht richtig finden. Es ist auch nach wie vor zu verurteilen, dass die blinden und sehbehinderten Menschen mit diesen 10 % weniger überproportional an den Einsparungen beteiligt sind. Das ist nicht gerecht. Die vielen Demon

strationen und Aktivitäten des Blinden- und Sehbehindertenverbandes haben deutlich gemacht, dass die Betroffenen nicht einverstanden sind, wie mit ihrem Nachteilausgleich umgegangen wird.

Insofern ist es richtig, sich nach der Landtagswahl darüber zu verständigen, wie wir für die Menschen, die blind oder sehbehindert sind, diesen Nachteilsausgleich wieder auf ein vernünftiges Maß korrigieren können. Es darf nicht mehr nur darum gehen, blinden und sehbehinderten Menschen zu helfen, sondern es müssen Barrieren beseitigt werden, die im öffentlichen Raum, in der Kommunikation, im Verkehr, beim Wohnen, im Internet, aber auch im Gesundheitswesen vorzufinden sind. Insofern ist es richtig, einen Fonds einzurichten, mit dem man auf diese Barrieren im Bereich der Behindertenpolitik reagieren kann, um die Lebensqualität der Menschen, die blind oder sehbehindert sind, zu verbessern.

Unsere zukünftige politische Handlungsweise lautet: Keine Kürzungen mehr beim Landesblindengeld. Wir müssen überlegen, wie wir gemeinsam diese Kürzungen zurücknehmen können. Wir müssen dafür sorgen, dass es einen Fonds gibt, mit dem generell Barrieren beseitigt werden können. Ansonsten müssen wir vor allem dafür sorgen, dass mit den Betroffenen geredet wird und nicht über sie hinweg entschieden wird.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Anita Klahn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Barrierefreiheit ist ein wesentlicher Bestandteil für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Im öffentlichen Raum ist die Gesellschaft gefordert, entsprechende Anpassungsleistungen zu erbringen. Denn Barrierefreiheit ermöglicht es den Menschen, in ihrer gewohnten Umgebung alt zu werden.

Der Hintergrund für die Streichung des Blindenfonds ist allen bekannt. Ich glaube, hierüber brauche ich keine weiteren Ausführungen zu machen. Die Koalition musste diesen Schritt aus finanzpolitischen Gründen gehen.

Wir müssen aber in dieser Debatte auch einen weiteren Aspekt betrachten. Ich unterstütze die von der

(Ulrich Schippels)

Kollegin Franzen dargestellte Position, dass es in der heutigen Zeit nicht mehr vermittelbar ist, warum sich der Fonds allein an blinde Menschen richtet. Aus meiner Sicht entspricht es auch nicht dem Geist der UN-Konvention für Menschen mit Behinderung. Müssen wir nicht vielmehr den Gedanken aufgreifen, dass wir Barrierefreiheit für jegliche Form der Behinderung erlangen können? Die inhaltliche Verengung auf die Behinderung Blindheit wurde schon immer kritisiert. Es ist gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Teilhabe von allen Menschen mit Behinderung sicherzustellen.

Die Koalition hatte deswegen das Vorhaben, den Blindenfonds zu einem Fonds für Barrierefreiheit weiterzuentwickeln, damit er ein Baustein in einem Gesamtgeflecht bilden kann. Leider waren uns bisher die Hände gebunden, dieses Vorhaben umzusetzen, aber die Idee bleibt.

Der Antrag der LINKEN ist wieder einmal reiner Populismus. Ohne Darstellung der Finanzierung wird in unverantwortlicher Art und Weise suggeriert: Man bräuchte einfach nur mal den Geldsack aufmachen und schon können Wohltaten frei nach dem Motto „Reichtum für alle“ verteilt werden. Meine Damen und Herren, so funktioniert es nicht.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Wenn das Land Schleswig-Holstein jemals wieder finanziell handlungsfähig sein und jemals wieder politische Gestaltungsspielräume haben soll, dann müssen wir alle Leistungen und insbesondere die freiwilligen Leistungen einer kritischen Überprüfung unterziehen.

Sie blenden in Ihrem Antrag auch völlig aus, welche anderen Maßnahmen durch die Koalition umgesetzt worden sind. Die Herstellung von Barrierefreiheit ist eine Querschnittsaufgabe für alle Bereiche des öffentlichen Lebens und muss deswegen in allen Politikfeldern berücksichtigt werden. Die barrierefreie Gestaltung des privaten und öffentlichen Umfeldes wurde von uns weiter vorangetrieben. So war die Reform der Eingliederungshilfe ein wichtiger Schritt in diesem Bereich. Die Finanzierungssystematik wurde grundlegend angepasst. Der individuelle Bedarf des Einzelnen steht jetzt im Mittelpunkt. Ein Umsteuern in ambulante Maßnahmen wird möglich.

Eine weitere maßgebliche Änderung - das will ich besonders hervorheben - besteht darin, dass aus den vom Land bereitgestellten Mitteln auch sozialräumliche Angebote für Menschen mit Behinderung gefördert werden können. Infrastrukturelle, wohnortnahe und niedrigschwellige Angebote, die Men

schen mit verschiedenen Bedarfslagen zugänglich sind, können jetzt durch die Kommunen entwickelt werden.