Protocol of the Session on March 23, 2012

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen, damit wir mit der Sitzung beginnen können. - Guten Morgen, meine Damen und Herren! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle sehr herzlich. Ich wünsche uns allen einen erfolgreichen Tag und spannende Debatten.

Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, möchte ich Ihnen bekanntgeben, dass die Kollegin Susanne Herold, der Kollege Olaf Schulze sowie der Kollege Bernd Schröder erkrankt sind. Ihnen allen wünschen wir von dieser Stelle aus gute Besserung.

(Beifall)

Darüber hinaus möchte ich Ihnen mitteilen, dass Herr Abgeordneter Dr. Stegner sowie Herr Ministerpräsident Peter Harry Carstensen für diesen Tag beurlaubt sind.

Ich möchte Sie bitten, mit mir gemeinsam Schülerinnen und Schüler sowie ihre Lehrkräfte des Gymnasiums Altenholz sowie des Johann-HeinrichVoß-Gymnasiums Eutin auf der Tribüne zu begrüßen. - Seien Sie uns alle herzlich willkommen im Kieler Landeshaus!

(Beifall)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 18, 28, 40 und 42 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zum Mindestlohngesetz für das Land Schleswig-Holstein

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/2380

b) Gleicher Lohn für Leiharbeiter

Antrag der Fraktionen von SSW und SPD Drucksache 17/2330 (neu)

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/2394

c) Schleswig-Holstein garantiert faire Löhne

Antrag der Fraktionen von SPD und SSW Drucksache 17/2376

d) Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit

Antrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/2378

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich erteile dem Kollegen Lars Harms von der SSW-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleiche Arbeit, gleicher Lohn, das sollte eigentlich in unserem Land eine Selbstverständlichkeit sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb ist es umso schockierender, dass die Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat anscheinend genau diese Auffassung nicht vertritt. Wie anders ist es zu erklären, dass die schwarz-gelbe Mehrheit trotz vorliegender entsprechender Gesetzentwürfe sich nicht durchringen konnte, bei der letzten Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes diesen Grundsatz mit in den Gesetzestext aufzunehmen! Immer noch ist es so, dass Leiharbeiter schlechter bezahlt werden können als die Kollegen, die zur Stammbelegschaft gehören. Für uns als SSW ist das ein unhaltbarer Zustand, der umgehend geändert werden muss.

(Beifall beim SSW)

Deshalb wollen wir, dass die Landesregierung eine Initiative im Bundesrat startet, die diesen Grundsatz von gleicher Arbeit, gleichem Lohn auch für Leiharbeiter einfordert. Im Gegensatz zu der LINKEN verteufeln wir die Leiharbeit nicht. Sie kann dazu beitragen, Produktionsspitzen kurzfristig abzudecken, und sie kann auch dazu beitragen, dem einzelnen Arbeitnehmer gesicherte Perspektiven zu bieten. Sie kann das aber nur, wenn der Leiharbeiter den gleichen Lohn erhält wie der Angehörige der Stammbelegschaft. Nur dann wird Lohndumping als Triebfeder der Leiharbeit ausgeschlossen, und nur dann kann Leiharbeit ihren eigentlichen Auftrag erfüllen, nämlich ausschließlich eine von vornherein zeitlich begrenzte Ergänzung zur dauerhaften Beschäftigung zu sein.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Rund 65.000 der gut 820.000 Leiharbeiter in Deutschland sind Aufstocker. Dies kann man auf zweierlei Art und Weise deuten. Viele können von ihrer Arbeit durchaus existieren und sind auch in der Leiharbeit nicht auf staatliche Transferleistungen angewiesen. Das heißt, man kann Leiharbeit auch vernünftig organisieren. Gleichwohl sagt dies noch nichts über Lohngerechtigkeit aus, denn wenn man kein Aufstocker ist, dann heißt das noch lange nicht, dass man den gleichen Lohn wie der fest beschäftigte Kollege erhält. Der Gerechtigkeitsaspekt muss also losgelöst von der Frage des Aufstockens gesehen werden.

Es ist schockierend, dass auch in der Leiharbeitsbranche das Aufstocken durchaus gang und gäbe ist. Das ist nicht auf diese Branche beschränkt, sondern dies ist ein gesellschaftliches Problem, das grundsätzlich angegangen werden muss. Es kann nicht sein, dass der Staat mit dem Steuergeld seiner Bürger Unternehmen subventioniert, die nur Dumpinglöhne zahlen wollen. Hier muss etwas getan werden, und hier muss es einen flächendeckenden Mindestlohn geben.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das würde im Übrigen auch das Problem mit den Werkverträgen besser lösen, als die Vorschläge, die im Antrag der LINKEN vorgelegt worden sind, es könnten. Deshalb fordern wir gemeinsam mit der SPD, dass ein flächendeckender bundesweiter Mindestlohn eingeführt wird, der in regelmäßigen Abständen durch eine unabhängige Expertenkommission aus Tarifparteien und Wissenschaft überprüft und angepasst wird.

Es gibt rechtliche Bedenken dahin gehend, ob man Mindestlöhne auf Landesebene gleich welcher Art gesetzlich festlegen kann, wie es der Gesetzentwurf der Grünen vorsieht. Was wir aber können, ist, so weitgehend wie möglich selbst mit gutem Beispiel voranzugehen. Deshalb begrüßen wir es gemeinsam mit der SPD, dass das Land für seine Mitarbeiter mehr zahlt als die 8,50 €, die die Grünen verlangen, nämlich 8,92 €. Deshalb wollen wir, dass die Vertreter des Landes in den Unternehmen und Einrichtungen, in denen wir den beherrschenden Einfluss haben, diese Lohnuntergrenze von 8,92 € ebenfalls durchsetzen.

Ebenfalls wollen wir, dass ein Mindestentgelt eingehalten wird, wenn wir als Land Leistungen von Dritten einkaufen. Wir meinen, dass dies eine Selbstverständlichkeit ist, wenn es um verantwortli

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

che und nachhaltige Beschaffung geht. Auch das können wir selbst politisch bestimmen, wenn wir es denn wollen. Wir vom SSW und die Kolleginnen und Kollegen von der SPD wollen das in jedem Fall.

Weiterhin wollen wir prüfen, ob auch Zuwendungen des Landes an eine gerechte Bezahlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Begünstigten gekoppelt werden können. Es ist nicht nachvollziehbar, dass ein Unternehmen eine Zuwendung des Landes erhält und dann quasi als Dankeschön Dumpinglöhne bezahlt. Auch hier gibt es dringenden Handlungsbedarf, auch wenn wir wissen, dass dies - rechtlich gesehen - schwierig umzusetzen sein könnte. Trotzdem muss der Versuch gemacht werden. Deshalb muss genau geprüft werden, wie wir diese Ungerechtigkeit beseitigen können.

Mit der Zustimmung zu unseren gemeinsamen Anträgen mit der SPD stimmen Sie für mehr Gerechtigkeit bei den Löhnen und gegen eine staatliche Subventionierung von Unternehmen, die ihren Beschäftigten faire Löhne vorenthalten. Meine Damen und Herren, wenn Sie für unsere Anträge stimmen, stimmen Sie also für eine gute Sache. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu den Anträgen.

(Beifall bei SSW und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Kollegen Dr. Andreas Tietze das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehen Sie es mir bitte nach, meine Stimme hat etwas gelitten, ich bin erkältet, versuche aber trotzdem, hier meine Pflicht zu tun.

(Christopher Vogt [FDP]: Wir wissen, wo du warst!)

- Nein, das war gestern Abend nur Kamillentee.

Die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn kann sich auf eine breite Verankerung in der Gesellschaft stützen. Working Poor ist der falsche Weg. Aktuelle Studien belegen: 8 Millionen Menschen arbeiten im Niedriglohnsektor und müssen von Löhnen von unter 7 € leben. Das ist ein gesellschaftlicher Skandal. Wir haben heute - am EqualPay-Day - zur Kenntnis zu nehmen, dass der Niedriglohn weiblich ist.

Ein wichtiges Instrument, um diese falsche Entwicklung zu stoppen, ist die Einführung einer allgemeinen gesetzlichen Lohnuntergrenze. Die Lohnspirale nach unten muss gebremst und der Staat muss vor Subventionierung der Niedriglöhne entlastet werden. Die Forderung nach 8,50 € ist für uns der Mindeststandard, der Mindestlohn, den wir flächendeckend brauchen. Wir müssen aber auch Schluss machen mit Lippenbekenntnissen. Gesetzliche Mindestlöhne und Lohndumping - und damit verbunden indirekte Subventionierung von Unternehmen durch staatliche Transferzahlungen - müssen aufhören.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen endlich Taten statt Worte. Wir wissen - das muss man einmal sehr deutlich sagen -: Schleswig-Holstein verfügt nicht über die Gesetzgebungskompetenz, einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland einzuführen. Mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes zu vereinbaren hingegen ist ein Landesgesetz, das sich darauf konzentriert, uns selbst Vorgaben zum Mindestlohn zu machen und uns selbst entsprechende Handlungsverpflichtungen aufzuerlegen. Das ist in der Tat ein starkes Signal für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Dienstleistungen, die wir hier als Schleswig-Holstein anbieten. Wir wären Vorbild. Das hätte eine echt starke Wirkung. Wir alle gehen jeden Tag durch das Portal ins Landeshaus. Reden Sie dort einmal mit den Pförtnern und fragen einmal, wie da die Bezahlung ist! Sie werden feststellen, dass die einen 8,24 € und die anderen einen Lohn bekommen, der durch die Gehaltsliste des Landes festgelegt ist. Das ist ein Unterschied und eine Lohnungerechtigkeit.

Wir wollen, dass die Bezahlung von 8,50 € ein Mindeststandard sein muss - für alle Dienstleistungen, die wir anbieten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir zeigen, lieber Lars Harms, dass es geht. Deshalb sind wir uns auch nicht einig geworden, sonst hätte es einen gemeinsamen Antrag gegeben. Wir wollten diesen Gesetzentwurf einbringen. Dieser Gesetzentwurf ist der erste Versuch, in einem Bundesland - Bremen - ein Mindestlohngesetz auf den Weg zu bringen. Rot-Grün hat es in Bremen auf den Weg gebracht. Es befindet sich derzeit vor der zweiten Lesung in der Anhörung. Es zeigt, dass es geht, man kann sich beschränken.

In unserem Gesetzentwurf geht es genau darum, dass wir die Peripherie mit in den Blick nehmen,

(Lars Harms)

beispielsweise auch die Beschäftigten an den Hochschulen. Das Land Schleswig-Holstein muss doch sagen: Ihr wollt von uns Zuschüsse haben, ihr wollt von uns Geld haben. Das bekommt ihr auch sehr gern, aber dann habt ihr euch an einen bestimmten Standard zu halten, nämlich dass gerechte Löhne gezahlt werden. - Deshalb haben wir in unserem Gesetzentwurf aufgenommen, dass gerade auch bei Zuwendungen des Landes ein Mindestlohn von 8,50 € eine Voraussetzung ist. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit.

Wir erleben doch gerade bei sozialen Unternehmen - das muss man hier in aller Deutlichkeit sagen; ich will sie gar nicht alle nennen -, dass Dienstleistungen ausgegliedert werden und es immer die Schwächsten in der Beschäftigungskette trifft, die dann Löhne unter 7 oder 6 € bekommen. Das muss in diesem Land aufhören. Wir sind dafür verantwortlich, nicht irgendjemand.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und der Abgeordneten Ranka Prante [DIE LINKE])