Protocol of the Session on March 22, 2012

Was nutzt uns und vor allen Dingen den zukünftigen Generationen ein Industrieland, das unbewohnbar ist, in dem es keine Vielfalt der Flora, keine Vielfalt der Fauna mehr gibt? - Die Realität ist hier

leider schon beschrieben worden. Die Realität in Schleswig-Holstein sieht anders aus. Wenn man einmal ins Land fährt, sieht man überall Monokulturen, Maisanbau, Grünlandumbruch. Das ist leider die Realität. Das bereitet uns sehr große Probleme.

DIE LINKE will die Akzeptanz für Kompensationsmaßnahmen durch eine sinnvolle Aufwertung der Landschaft, durch eine stärkere Wertschätzung der natürlichen Lebensgrundlagen erhöhen. Wir wollen nicht nur finanzielle Kompensation, sondern vor allem reale ökologische Kompensation. Und wenn das den Villenbau am See verteuert, kann man nur sagen: Gut so!

DIE LINKE will die notorisch klammen Kommunen finanziell in die Lage versetzen, potenzielle Kompensationsflächen über Flächenerwerb dauerhaft zu sichern. Das bedeutet die Aufstockung des kommunalen Finanzausgleichs um die entsprechend benötigten Summen. Kommunen, die ihre Brachflächen revitalisieren wollen, müssen auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt bekommen. Die Gemeinden brauchen neue Reaktionsmöglichkeiten. Dazu zählen die Förderung des Flächenerwerbs und Vorkaufsrechte zur Flächenaufwertung. Das alles kostet Geld, und dieses Geld ist auch reichlich da. Uns unterscheidet - ich gucke einmal in die rechte Richtung -, dass Sie es gut finden, wenn sich das Geld in den Händen von Privaten befindet. Wir finden es gut, wenn die öffentlichen Hände finanziell gut durchblutet sind.

Sie gehen, wie wir meinen, einen falschen Weg. Die Ökonomisierung der Ökologie durch CO2-Zertifikate auf Bundesebene und Ökokonten auf Landesebene führen unserer Meinung nach in die falsche Richtung. Wie soll denn tatsächlich der Verlust auch nur einer Tierart finanziell bewertet werden, die unwiederbringlich nicht mehr in unserer Natur vorkommt?

(Beifall der Abgeordneten Sandra Redmann [SPD])

Das kann man doch nicht in Geld aufwerten.

Wir wollen ein buntes, wir wollen ein vielfältiges Schleswig-Holstein nicht nur bei den Menschen, nicht nur in der Kultur, sondern auch in der Natur.

(Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Es wäre schön, wenn wir alle in uns gingen und diesem wahnsinnigen Flächenfraß in SchleswigHolstein den Kampf ansagten.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE] und Sandra Red- mann [SPD])

Das Wort für die SSW-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Flemming Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Homepage des Bundesumweltamtes ist nachzulesen, dass der tägliche Flächenverbrauch in Deutschland bei rund 100 ha am Tag liegt. Hauptsächlich ist damit die Umwandlung von landwirtschaftlichen genutzten Flächen in Wohn-, Verkehrs- und Wirtschaftsflächen gemeint. Mit der Versiegelung gehen der völlige Verlust der Bodenfunktionen sowie die Zerstörung des Bodens einher. Neben der Zerstörung des Lebensraumes Boden hat die Versiegelung aber auch noch andere negative Auswirkungen auf Natur und Landschaft. Daher ist es das erklärte Ziel der Bundesregierung, die tägliche Umwidmung von unversiegelten Flächen bis zum Jahr 2020 auf 30 ha zu senken.

Eingriffe in den Naturhaushalt müssen ausgeglichen werden. Dafür gibt es das Instrument der Eingriffs-/Ausgleichsregelung. Mit diesem Instrument sollen die Beeinträchtigungen auf Natur und Landschaft vermindert und minimiert werden. Soll heißen: Der Natur wird auf der einen Seite etwas genommen, und dafür muss auf der anderen Seite eine Kompensation stattfinden. Damit ist die Eingriffsregelung kein Selbstzweck. Sie hat ihre Berechtigung zum Schutz von Natur und Landschaft.

Nun kann man durchaus sagen, dass der Landwirtschaft zweimal Flächen entzogen werden, zum einen für die Versiegelung und zum anderen für den Ausgleich.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Michael von Abercron [CDU])

Der Bauernverband in Schleswig-Holstein geht davon aus, dass für beide Maßnahmen zusammen rund 10 ha pro Tag verbraucht werden. Aus diesem Grund lautet die Parole der Landwirtschaft: ,,Stoppt Landfraß“. Sowohl der Deutsche Bauernverband als auch der Bauernverband in Schleswig-Holstein fordern nun gesetzliche Änderungen zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen.

Derartige Forderungen sind vordergründig durchaus nachvollziehbar. Aber dann müssen wir

(Ulrich Schippels)

uns auch darüber unterhalten, wie die Versiegelung von Flächen vermindert werden soll. Der Eingriff in die Natur und Landschaft muss weiterhin ausgeglichen werden. Daran wird der SSW immer festhalten.

(Beifall beim SSW, vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall der Abgeord- neten Sandra Redmann [SPD])

Hier möchte ich aber noch einmal klarstellen, dass für uns als SSW die land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung nicht als Eingriff angesehen wird. Ebenso sind wir der Auffassung, dass Küstenschutzmaßnahmen nicht als Eingriff in die Natur oder in das Landschaftsbild zu werten sind und von daher auch nicht auszugleichen sind.

(Beifall bei SSW und CDU)

Ich komme noch einmal auf die Landwirtschaft zurück. So richtet sich die Forderung des Bauernverbandes hauptsächlich gegen die ,,übermäßige“ Ausweisung von Ausgleichsflächen, die damit für die landwirtschaftliche Produktion verloren gehen. Dies ist aus Sicht des SSW eine einseitige Sicht auf die Problematik - gerade, wenn ich an den enormen Anstieg der Flächen für Energiemais denke. Natürlich sollen auch Landwirte einen Beitrag zur Energiewende leisten. Aber der Anbau von Energiemais ist komplett aus dem Ruder gelaufen. Diese Ackerflächen sind auch aus der Lebensmittelproduktion rausgefallen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass der Bauernverband hier eine vergleichbare Initiative gestartet hat. Man gewinnt klar den Eindruck, als ob man hier mit zweierlei Maß misst.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Sandra Redmann [SPD])

Das Naturschutzrecht wurde dahin gehend geändert, dass Entwicklungs- und Pflegemaßnahmen auf Naturschutzflächen sowie die Entsiegelung und die Vernetzung von Lebensräumen als Ausgleich anerkannt werden. Dies wurde gemacht, um landwirtschaftlich genutzte Flächen in der landwirtschaftlichen Nutzung zu belassen. Es ist also durchaus so, dass auf die Landwirtschaft Rücksicht genommen worden ist. Nichtsdestotrotz halten wir daran fest, dass Eingriffe in Natur und Landschaft kompensiert werden müssen - ohne Wenn und Aber.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Kollegen Dr. Christian von Boetticher.

(Zuruf: Da ist er wieder, die Geheimwaffe!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fakten tun ja immer weh. Das weiß ich. Wir verlieren im Augenblick auf der Welt pro Jahr 10 Millionen ha an Fläche - nicht durch Autobahnbau, nicht durch Industriebau, sondern schlichtweg durch Erosion. Ich weiß nicht, Frau Fritzen, ob Sie ein ungefähres Gefühl für Größenordnungen haben.

(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein!)

Ich weiß nicht, ob Sie wissen, wie viel Hektar wir in Schleswig-Holstein oder in Deutschland bebauen. Wahrscheinlich nicht. Sie lesen Ihre Reden hier vorn ja nur ab. Das hat man Ihnen wahrscheinlich nicht aufgeschrieben.

Wir haben 16 Millionen ha landwirtschaftliche Fläche in Deutschland. Das heißt, alle zwei Jahre verlieren wir weltweit die Anbaufläche von ganz Deutschland und noch etwas darüber hinaus. Und da sagen Sie, eine solche Entwicklung, wo man langfristig sich Gedanken über die Welternährung machen muss, existiere gar nicht. Wo leben Sie eigentlich, Frau Fritzen? - Offenbar Lichtjahre hinter dem Mond.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Wir haben gleichzeitig eine Zunahme der Weltbevölkerung, und zwar eine erhebliche Zunahme gerade in den Ländern, die Schwellenländer sind und die immer mehr Nahrungsmittel nachfragen. Wo bitte schön, Frau Fritzen, soll das produziert werden?

(Zurufe der Abgeordneten Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Im Augenblick tragen Europa und Amerika die Last. Wollen Sie das mit Ihren Biobauern leisten, wollen Sie mit denen wirklich zur Welternährung beitragen? Ist das Ihre Überzeugung? - Meine ist es nicht. Darum hat das auch etwas miteinander zu tun.

Ich sage noch etwas zur Ausgleichsregelung, Frau Fritzen. - Lachen Sie nicht so, Sie sollten vielleicht einfach zuhören, Sie können auch noch etwas lernen.

(Zurufe - Glocke des Präsidenten)

(Flemming Meyer)

Liebe Frau Kollegin Redmann, die Ausgleichsregelung, die wir jetzt im Bundesnaturschutzgesetz haben, ist eine Regelung, die von uns aus Schleswig-Holstein vorgeschlagen worden ist. Sie ist in das Bundesnaturschutzgesetz in einer Zeit aufgenommen worden, in der CDU und SPD gemeinsam regiert haben. Es ist unsere Formulierung. Tun Sie also nicht so, als wären wir jetzt so furchtbar rückständig, denn wir haben hier einen unglaublich modernen Vorschlag auch für das Bundesnaturschutzgesetz vorgelegt.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Ach, Herr Stegner. Ich weiß, Sie sind jetzt auch noch Landwirtschaftsexperte. Sie sind Experte für alles.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und FDP)

Ich finde es ergötzend, ich finde es erbaulich. Gehen Sie einmal raus, nicht nur bei sich vor die Haustür, machen Sie sich über die Landwirtschaft in diesem Land ein bisschen schlau, dann können Sie auch einen qualifizierten Beitrag leisten!

Wir haben also eine durchaus moderne Regelung, die hier in Schleswig-Holstein zur Anwendung kommt.

Ich möchte noch eines zu den Monokulturen wie Mais sagen. Liebe Frau Fritzen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wir haben uns alle im Laufe der Jahre nicht nur darüber geärgert, sondern wir haben uns auch massiv dafür eingesetzt wie Sie wissen - im Bundesrat gegenüber den anderen Landesregierungen, zum Teil sind das auch rotgrün regierte Länder, um unsere Initiative zur Änderung des EEG durchzusetzen. Aber sie haben diese Änderung des EEG nicht mitgetragen. Die Grünen in NRW haben den Weg raus aus dem Mais im EEG nicht mitgetragen. Wir wären heute schon ganz woanders, wir hätten diese Vermaisung nicht, wenn wir aus den anderen Bundesländern, auch von Rot-Grün, Unterstützung erhalten hätten.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Aber eines sage ich Ihnen ganz deutlich: Die, die diesen Unsinn erst eingeführt haben, die, die sich hier hingestellt und den Bauern gesagt haben: „Baut Mais an, geht in die Biogasanlagen, ihr werdet die Scheichs von morgen sein!“, das waren die Grünen, das war Frau Künast.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Wenn man diese Historie hat, sollte man ein wenig bescheidener auftreten, wenn es heute um diese Rügen geht.