Protocol of the Session on March 22, 2012

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Dr. Stegner, ich weiß ja, dass Sie die Grünen sehr umwerben. Aber führt das dazu, dass Sie jetzt das Sprachrohr der Grünen sind?

Meine Damen und Herren, der Landesentwicklungsplan sieht vor, die Windeignungsflächen in Schleswig-Holstein auf 1,5 % der Landesfläche zu erhöhen. Damit einhergehend ist der Ausbau der Netzinfrastruktur mit 900 km zu beziffern. Schleswig-Holstein soll das Energieland Deutschlands werden. die jetzige Ausgleichsregelung führt aber dazu, dass viele Windparks unwirtschaftlich werden, weil Millionenbeträge für den Ausgleich aufgewandt werden müssen. Hier müssen wir Alternativen zur bisher praktizierten Regelung finden.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und CDU)

Es ist wichtig und richtig, dass das Bundesnaturschutzgesetz und das Landesnaturschutzgesetz, flankiert durch die Arbeitsgruppe der Umweltministerkonferenz, sich jetzt der Eingriffsbewältigung auch beim Netzausbau widmen und den Naturschutz nicht außer Acht lassen.

Wenn man aber in Zeiten der Nahrungsmittelknappheit in großen Teilen der Erde eine Ausgleichsflächenregelung fokussiert, die, auf Schleswig-Holstein umgerechnet, den Verlust von 10.000 ha bester Anbaufläche bedeutet, dann läuft hier etwas mächtig verkehrt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Meine Damen und Herren, Energiewende ja, aber behindern, wo es nur geht; Netzausbau ja, aber vor jedem Strommast protestieren; Biogasanlagen ja,

aber den Bauern Maisanbau verbieten, weil dieser nicht in das hübsche Bild des Landes passt; Welthungerhilfe fördern, im eigenen Land aber lieber Ackerland in einem übertriebenen Maße aus der landwirtschaftlichen Produktion herausnehmen das ist egoistische Politik, das ist Politik durch die grüne Brille.

(Zuruf der Abgeordneten Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Verehrte Frau Fritzen, bei Ihrer Verhinderungspolitik muss man fragen, ob Sie die Energiewende um der Energiewende wegen propagieren oder um eine massenhafte Vernössung von Nutzflächen zu erreichen. Wie eine effiziente Nutzung der Flächen unseres Landes betrieben werden kann, zeigt uns ja das grüne BIP: Überflutete Fläche ist produktiver als wirtschaftlich genutzte Agrarfläche. Zu Ende gedacht heißt das: Nieder mit den Deichen, und Schleswig-Holstein steigert seine Produktivität ins Unermessliche. Wer so über unsere Landesfläche denkt, der sollte sich zu einer solch sensiblen Thematik wie der Begrenzung der Herausnahme von Flächen aus der landwirtschaftlichen Produktion lieber nicht äußern und erst recht nicht in Verantwortung kommen.

Meine Damen und Herren, eine mögliche Alternative zur Ausweisung von Ausgleichsflächen besteht in der Nutzung von Ökokonten. Ökokonten sind bei der Beantragung des Vorhabens schon existent und werden vom Flächeneigentümer selbst ausgewiesen. Dieses konfliktfreie Anbieten von Kompensationsflächen, das an gesetzliche Vorgaben gebunden ist, stellt für uns eine liberale Lösung dar. Ebenso gilt es, die Möglichkeit von Ersatzzahlungen im Einklang mit dem Naturschutz weiterhin zu verfolgen.

In Anbetracht der Tatsache, dass aktuell nicht prognostizierbar ist, welchen genauen Flächenbedarf neue Windkraftanlagen in Schleswig-Holstein hervorrufen werden, gilt es, alternative Lösungen zur Ausgleichsflächenregelung, wie sie bisher angewandt wird, zu verfolgen. Wir wollen gemeinsam mit den verantwortlichen Ministerien zügig für alle Betroffenen vertretbare Lösungen auf den Weg bringen. Wir werden handeln und nicht nur reden.

(Beifall bei FDP und CDU). Präsident Torsten Geerdts: Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Marlies Fritzen. (Carsten-Peter Brodersen)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank für den Bericht.

Sehr geehrter Herr Kollege Brodersen, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ihre Rede war auch nicht wirklich ein Anlass, sie im Einzelnen noch einmal durchzugehen. Nur ein Punkt, um zu zeigen, dass Sie wirklich überhaupt keine Ahnung haben: Ihre Aussage, Windenergieausbau führt zu flächenhaftem Ausgleich. Lesen Sie sich den aktuellen Windenergieerlass durch. Darin wird deutlich, dass vor allem der Ausgleich für die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes zu leisten ist. Diesen kann man nicht flächenhaft machen. Er wird auch heute schon in Ersatzgeld gezahlt. Vielleicht lassen Sie sich das einmal erklären, bevor Sie hier weiter solche Ammenmärchen und so einen Quatsch erzählen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Verpflichtung zum Ausgleich von Eingriffen in den Naturhaushalt und das Landschaftsbild ist das mit Abstand bedeutendste Instrument des Naturschutzes. Wenn wir unseren Kindern und Enkeln ein lebenswertes Land mit einer vielfältigen Landschaft hinterlassen wollen, dann können wir auf diese Form der Wiedergutmachung für entstandene Schäden an der Natur nicht verzichten. Im Prinzip haben Sie jetzt auch alle gesagt, dass Sie dahinterstehen. Die Frage ist nur, wie.

Umweltverbände warnen zu Recht vor dem Verlust an Vielfalt in der Normallandschaft - ich betone: Normallandschaft. Immer mehr sogenannte Allerweltsarten der Agrarlandschaft wie Feldhase, Rebhuhn und Lerche tauchen auf den roten Listen auf. Von dem Ziel, den Artenschwund aufzuhalten, zu dem wir uns international verpflichtet haben, sind wir noch meilenweit entfernt.

Meine Damen und Herren, die Eingriffsregelung hilft, den Flächenverbrauch einzudämmen. Die Verpflichtung zum Ausgleich ist ein Anreiz, mit der Ressource Fläche sparsam umzugehen. Damit dient sie letzten Endes auch dem Schutz vor weiterem Verlust landwirtschaftlicher Fläche.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sich die Statistiken anschauen, dann stellen Sie fest - die Ministerin hat ja noch einmal bestätigt -, dass diese Flächen nicht verloren gegangen sind - sie sind im Übrigen ja auch noch da, das ist allein schon ein Quatsch -, sie sind nicht ver

braucht worden für Brachflächen, sondern sie sind verbraucht worden für Siedlungen, Gewerbeflächen und vor allem für Verkehrsflächen. In Schleswig-Holstein werden heute noch - Herr von Abercron hat es gesagt - 4 ha jeden Tag versiegelt; das sind mehr als 40 Fußballfelder.

Genau an dieser Stelle erwarte ich den Aufschrei des Bauernverbandes. Hier sollte er gemeinsam mit dem Naturschutz seine Stimme erheben. Ich wünschte mir sehr - das ist meine Vorstellung von Kooperation -, dass wir mit den Bauern und Bäuerinnen im Land gemeinsam Strategien gegen diese Flächenpolitik entwickeln können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Die Landesentwicklungsplanung hat sich ja soeben davon verabschiedet, überhaupt einen Blick auf dieses Thema zu werfen. Die unselige und, ich finde, in der Tat völlig verlogene „Landfraß-Kampagne“ löst das Problem jedenfalls nicht. Sie heizt die alte Feindschaft zwischen Naturschützern und Landnutzern weiter und völlig unnötig an.

Deshalb danke ich an dieser Stelle, dass die Ministerin Information statt Ideologie gegeben hat. Nur 1,6 % der Landesfläche sind Ausgleichsflächen. Sie werden zu einem großen Teil weiter landwirtschaftlich, zumeist als extensiv bewirtschaftetes Grünland, genutzt. Keiner - Sie wissen das ganz genau, die Sie die Fläche bewirtschaften - soll sich hinstellen und sagen, dass das hochwertige Ackerböden sind, die man dann als Ausgleichsfläche bekommt. Die Landwirte bekommen Direktzahlungen für diese Flächen; völlig richtig und in Ordnung. Nur 37 % dieser Flächen, das sind 0,6 Prozent der Landesfläche, sind ungenutzt: vorwiegend Sukzessionsflächen, Moore oder naturnahe Wälder. Sie befinden sich allesamt im Eigentum des Landes und sind keinem Bauern weggenommen worden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Angesichts dieser Zahlen wird klar, Herr Brodersen, welchen Popanz Sie hier gemeinsam mit dem Bauernverband aufbauen, wenn dann behauptet wird, der Naturschutz und die vielen, vielen Brachflächen im Land gefährdeten die Sicherstellung der Welternährung. Sie verkaufen die Leute für dumm. Ich muss hier ein Wort wählen, für das ich nicht gerügt werde.

Das ist Ihnen auch gelungen. Aber ich würde Sie trotzdem gern fragen -

Ich muss angesichts der Zeit sehen, dass ich fertig werde.

Keine Zwischenfrage!

Schleswig-Holstein war beim Naturschutz führend. Frau Ministerin, Sie haben es gesagt. Es gab 1973 das erste Mal eine solche Ausgleichsregelung. Das war ein Meilenstein für den Naturschutz; das gebe ich gern zu. Es war auch ein Meilenstein für die CDU, denn sie stellte damals den Minister.

Heute sind wir wieder führend, allerdings sind wir führend bei der schwungvollen Rolle rückwärts. Diese Landesregierung hat wie keine vor ihr die Ausgleichsregelungen verwässert.

Ich möchte noch einmal kurz auf den Maisanbau zurückkommen. 950 km² Mais werden hier angebaut. Viermal weniger Ausgleichsfläche haben wir hier, und davon sind noch einmal zehnmal weniger Flächen, die tatsächlich nicht genutzt werden.

Also noch einmal: Wir brauchen weiterhin den flächenhaften Ausgleich. Wir brauchen ihn nicht so, wie Sie ihn definieren, indem Sie sagen: Wir hübschen die Flächen, die wir ohnehin schon für den Naturschutz vorbehalten haben, immer noch ein bisschen auf und peppen hier und peppen da. Nein, wenn wir wirklich Flächen nicht verloren gehen lassen wollen, dann müssen wir sie schützen, und dann müssen wir dafür sorgen, dass sie auch dem Naturhaushalt ausgeglichenermaßen wieder zurückgegeben werden. Das ist, wie Frau Redmann gesagt hat, eine der vornehmsten Aufgaben der nächsten Landesregierung. Wir Grüne sind gern dabei.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels.

Vielen Dank, Herr Präsident! - Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich für den Bericht bedanken. Im Artikel 14 des Grundgesetzes heißt es ich zitiere mit Erlaubnis -:

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Eine diesem Grundsatz folgende Regelung vermissen wir leider im Landesnaturschutzgesetz. Dort heißt es:

„Der Schutz der Natur und Landschaft auf privaten Flächen berücksichtigt den besonderen Wert des privaten Eigentums und der sich daraus ergebenden Verantwortung für die Erreichung der in § 1 BNatSchG genannten Ziele.“

Es müsste dort eigentlich stehen: „Der Schutz der Natur und Landschaft auf privaten Flächen berücksichtigt die besondere Verpflichtung des privaten Eigentums, die Ziele des § 1 BNaSchG zu erreichen.“

(Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Das steht dort leider nicht drin.

DIE LINKE will die Neuinanspruchnahme landwirtschaftlicher Nutzflächen für Verkehrswege, Siedlungen und Rohstoffabbau einschränken.

(Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Die Zersiedelung - das wurde von allen genannt muss endlich gestoppt werden. 4 ha jeden Tag in unserem schönen Land - das ist doch Wahnsinn.

Ich komme auf die Mammutprojekte, die Dinosaurierprojekte wie die Fehmarnbelt-Querung, Autobahnausbau - alles sinnlos, zu teuer und auf Kosten der Natur. Wir müssen bei allen Projekten, die wir machen, genau hingucken, welche langfristigen wirtschaftlichen und ökologischen Wirkungen zu erwarten sind.

Ganz entschieden wenden wir uns gegen einen unreflektierenden Wachstumsfetischismus.

(Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Was nutzt uns und vor allen Dingen den zukünftigen Generationen ein Industrieland, das unbewohnbar ist, in dem es keine Vielfalt der Flora, keine Vielfalt der Fauna mehr gibt? - Die Realität ist hier