Protocol of the Session on February 23, 2012

(Beifall bei der LINKEN)

Sie werden als Konsumentinnen kriminalisiert und müssen sich häufig prostituieren, was weitere Gewalterfahrungen mit sich bringt. Zur Beschaffung müssen sie zu Diebstahl und Hehlerei greifen.

Ihre gesundheitliche Situation ist oft katastrophal. Wir, DIE LINKE, wünschen uns, dass wir fraktionsübergreifend im Innen- und Rechtsausschuss über diese und weitere massive Defizite sprechen. Konsequenzen im Strafvollzug wie in der Rechtspolitik müssen gezogen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Barbara Ostmeier das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst der Landesregierung und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr herzlich für die Arbeit danken, die sie hier geleistet haben. In diesem Bericht steckt sehr viel Arbeit, denn er bildet praktisch einmal das gesamte Leben und den Tagesablauf eines Menschen, nur bezogen auf den Strafvollzug von Frauen und Mädchen, ab. Über Wesen und Wert der hier dargestellten Erkenntnisse gibt es - das werden Sie im Verlaufe meiner Rede gleich merken - sicherlich ganz unterschiedliche Einschätzungen und Gewichtungen.

Abgesehen davon, dass es natürlich immer gut ist, solche Zahlen zu haben, möchte ich ehrlicherweise schon sagen, dass ich den dringenden Handlungsbedarf für eine solche Große Anfrage zunächst nicht gesehen habe. Und jetzt, nach Durchsicht der vielen zum Teil sehr detaillierten Antworten der Landesregierung, festigt sich meine Meinung, dass hier in der Tat auch keine besonders schwerwiegenden Probleme liegen.

Im Mittelpunkt des umfangreichen Fragenkatalogs steht neben der räumlichen Unterbringung, der Personalausstattung, der therapeutischen und sozialen Hilfsangebote auch die Bewältigung der familiären Bindungen - genauer die Mutter-Kind-Beziehung während des Strafvollzugs.

Was die Haftbedingungen weiblicher Straffälliger angeht, so belegt der Bericht, dass der Vollzug in Schleswig-Holstein in allen Ebenen - Strafvollzug, Jugendhaft, Abschiebehaft und Maßregelvollzug darauf angelegt ist, den besonderen Bedürfnissen von Frauen und Mädchen gerecht zu werden.

Es ist unstreitig, dass Frauen und Männer im Strafvollzug eigens untergebracht werden müssen. Dies ist, wie der Bericht zeigt, gewährleistet, wenn auch aufgrund der geringen Zahl der Betroffenen an zentralen Standorten.

In allen Einrichtungen kann dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Gewaltbereitschaft von Frauen vergleichsweise gering ist. Lange Aufschlusszeiten, Tragen von Privatkleidung auch während der Arbeitszeit, großzügige Haftraumausstattung mit eigenen Gegenständen sind nur einige der daraus resultierenden Besonderheiten im Frauenvollzug.

(Ranka Prante)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bericht der Landesregierung zeigt, dass die Aufgaben eines geschlossenen und offenen Frauenvollzugs mit der aktuellen Personalausstattung angemessen erfüllt werden können. Nun ist angemessen nicht überdurchschnittlich viel, aber - bei allem Respekt eine angemessene Personalausstattung ist eine gute, bedarfsgerechte Personalausstattung.

Viele Probleme, die Sie eben angesprochen haben, sind - mit Verlaub - nicht unbedingt geschlechterspezifische Probleme. Ich weiß nicht, warum Frauen, die Einbruchdelikte oder Diebstahldelikte begangen haben, mehr Hilfe brauchen als Männer; es tut mir leid. Ich denke, das muss man gleichwertig sehen. Hier sehe ich nicht unbedingt ein geschlechterspezifisches Problem.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die einzige geschlechterspezifische Problemlage liegt in der Frage: Wie werden mögliche Schwangerschaften, Geburten, die Mutter-Kind-Beziehung während des Strafvollzugs bewältigt? Hier gilt es sowohl möglichen psychischen Belastungen der Inhaftierten als auch den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden.

Auch wenn es Mutter-Kind-Plätze in schleswigholsteinischen Haftanstalten nicht gibt, so entnehme ich dem Bericht, dass diese besonders kritische Problemlage korrekt und mit Augenmaß gelöst wird. In Anbetracht der geringen Fallzahlen kann dem Anspruch eines Kindes auf kindgerechtes Aufwachsen im Strafvollzug eben nicht Rechnung getragen werden. Haftgründe und -notwendigkeiten werden bei erziehungsberechtigten Müttern in ganz anderer, viel intensiverer Weise geprüft als bei Männern. Auch hier kommen wir, glaube ich, langsam in eine Situation, dass wir auch erziehungsberechtigte Väter haben. Ich meine, die Zeiten haben sich ein bisschen geändert. Insbesondere im Frauenvollzug werden nach Möglichkeit Sonderbesuchszeiten für Kinder und Familie eingeräumt.

Zusammenfassend belegt der immerhin knapp 80 Seiten lange Bericht der Landesregierung, dass in Schleswig-Holstein für Frauen im Strafvollzug Bedingungen geschaffen wurden, die der besonderen Problemlage der Straffälligen gerecht werden. Unser Strafvollzugssystem ist eben nicht in erster Linie auf Männer ausgerichtet. Daran ändern auch noch so viele ausgefeilte Fragen nichts. Es gibt eine geschlechtsspezifische Differenzierung schon heute und schon seit Langem. Ich für meinen Teil möchte es nicht ausprobieren, bin aber überzeugt, dass die Bedingungen gut sind.

Sollte hier dennoch eine Ausschussberatung beantragt werden, so werden wir uns dieser nicht verschließen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Siegrid Tenor-Alschausky das Wort.

Auch von uns zunächst der Dank für den umfangreichen Bericht. Aus der Fülle der Einzelthemen lassen sich im Rahmen der Redezeit nur einige Aspekte näher betrachten.

Zunächst das Positive: Frauen werden signifikant weniger straffällig als Männer. Der Anteil der weiblichen Strafgefangenen betrug in den letzten Jahren nur rund 4 % an der Gesamtzahl. Die absoluten Zahlen für 2011: 1.069 männliche Strafgefangene, nur 44 weibliche. Auch die Strafdauer ist bemerkenswert: 2011 verbüßten nur zwei Frauen eine Strafe über fünf Jahre. Insgesamt - wir haben es schon gehört - begehen Frauen weniger schwere Delikte.

Welche Delikte wurden begangen? - Auf die Deliktgruppe gewaltfreier Eigentums- und Vermögensdelikte entfallen 50 %. Wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz waren 20 %, wegen Raubes circa 10 % inhaftiert. Eine Frau verbüßt eine Haftstrafe wegen Totschlags.

Die Antworten der Landesregierung auf entsprechende Fragen lassen den Schluss zu, alles sei bestens: die Hafträume gut, Personal ausreichend vorhanden, das Konzept des Abteilungssystems habe sich bewährt. Aber was heißt die Aussage, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten daran, ,,den Anliegen der Gefangenen mit den Möglichkeiten der Anstalt und der externen Fachdienste gerecht zu werden“? Für die Betreuung steht eine Betreuungszeit von circa 3,7 Stunden pro Frau im Monat zur Verfügung. Ist das ausreichend? Wie wird das evaluiert? Denn gleichrangig neben der Sicherheit der Allgemeinheit steht das Vollzugsziel Resozialisierung.

Etwa die Hälfte der Frauen ist suchtmittelabhängig. Vielfach ist Beschaffungskriminalität ursächlich für die Inhaftierung. Eine Therapie ist unter den Bedingungen des Vollzugs nicht möglich. Reicht die Perspektive einer Therapie im Anschluss an die Haft aus, oder müssen hier nicht andere Wege zur Resozialisierung beschritten werden? Ist eine drogen

(Barbara Ostmeier)

freie Anstalt realistisch - wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

Der Strafvollzug ist also so auszugestalten, dass persönliche Defizite erkannt und aufgearbeitet werden können, Bildungs- und Berufsabschlüsse erworben werden und soziale Kompetenzen erlernt werden können.

Wie sieht es mit dem Erwerb beruflicher Qualifikationen aus? - Acht Plätze in EDV-Kursen, die in einzelne Module unterteilt sind, scheinen ein Angebot zu sein, das den Frauen nach Ende ihrer Haft einen Einstieg in ein eigenständiges Berufsleben erleichtert. Aber gilt das auch für die Plätze der ,,Teilqualifizierung Textil“?

Nun ist es ja so, dass die Landesregierung nur die Fragen zu beantworten hat, die ihr auch gestellt wurden. Im Zusammenhang mit einer beruflichen Qualifizierung fehlt mir hier die Frage nach dem Erfolg der Maßnahmen. Im Klartext: Ermöglichen die im Strafvollzug erworbenen Teilqualifikationen den Frauen eine Erwerbsaufnahme in diesen Berufsfeldern? Werden sie vor ihrer Entlassung entsprechend begleitet, und werden ihnen gegebenenfalls Möglichkeiten eröffnet, auch nach ihrer Haftentlassung ihre berufliche Qualifizierung fortzusetzen? Gibt es ein auf die Bedürfnisse von Frauen abgestimmtes Entlassungsmanagement?

Auf eine entsprechende Frage zur Wiedereingliederung antwortet die Landesregierung:

,,Der Behandlungsvollzug ist darauf ausgerichtet, die Reintegration der betroffenen Frauen in die Gesellschaft nach der Haftentlassung zu ermöglichen. Dazu gehört das ganze Spektrum der Maßnahmen, welches auch durch Externe innerhalb des Vollzugs angeboten wird, wie zum Beispiel Therapieanbahnung, Sucht- und Schuldnerberatung, Arbeit und Qualifizierung und, spezifisch für Frauen, das Angebot der Frauenberatungsstelle, die sich hauptsächlich für Missbrauchsopfer engagiert.“

Hier stellt sich uns die Frage, ob diese wichtigen Angebote noch hinreichend finanziell ausgestattet sind. Die Landeszuschüsse an freie Träger wurden seit 2010 drastisch gekürzt. Die Kommunen können dies durch sogenannte freiwillige Leistungen nicht mehr auffangen.

Gleiches gilt für Maßnahmen der Kriminalprävention. Einschränkungen zum Beispiel in der offenen Jugendarbeit, lange Wartelisten bei Schuldnerberatungsstellen - all dies kann dazu führen, dass Men

schen straffällig werden, was hätte verhindert werden können, wenn ausreichende Präventionsangebote vorhanden gewesen wären.

(Beifall bei der SPD)

Einen weiteren Aspekt möchte ich noch aufgreifen: die Beziehung inhaftierter Mütter zu ihren Kindern. Die Landesregierung verweist auf Besuchsregelungen und darauf, dass bei besonderen Problemlagen der Kinder auf Antrag der Gefangenen außerhalb der üblichen Besuchszeit Sonderbesuch gewährt werden könne. Auch könne es geeigneten Frauen im Rahmen des Freigangs ermöglicht werden, die Betreuung ihrer Kinder tagsüber wahrzunehmen. Diese Antwort klingt gut. Doch wie realistisch ist ein solches Angebot für Frauen, die ebenso wie ihre Kinder ihren Wohnsitz nicht in Lübeck haben, und in wie vielen Fällen sind Frauen geeignet?

Positiv aus unserer Sicht ist, dass der Ansatz des Gender Mainstreaming weiter verfolgt wird, dass man hier auf Maßnahmen und Ansätze zurückgreift, die noch zu Zeiten rot-grüner oder auch schwarz-roter Mehrheiten initiiert wurden. So freuen wir uns darüber, dass hier inhaltlich keine Rolle rückwärts vollzogen wurde. Es bleibt für uns die Forderung, Maßnahmen zu evaluieren und die Bewährungs- und Straffälligenhilfe finanziell so auszustatten, dass die dort Tätigen ihren Aufgaben auch nachkommen können.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Ingrid Brand-Hückstädt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich danke zunächst dem Justizministerium für die Arbeit. Sie haben sehr genau recherchiert und sich auch nicht gescheut, Fakten über Nordrhein-Westfalen festzustellen. Ich darf das mal im Detail sagen, was Herr Schmalfuß nur angedeutet hat. Der Fragenkomplex 5, Frage 8, lautet:

„Wo findet eine Unterbringung von weiblichen Abschiebehäftlingen statt, wenn in Nordrhein-Westfalen keine Plätze zur Verfügung stehen?“

(Heiterkeit)

(Siegrid Tenor-Alschausky)

„Schleswig-Holstein nutzt in der Regel keine Haftplätze für weibliche Abschiebehäftlinge in Nordrhein-Westfalen. Im Berichtszeitraum wurden weibliche Abschiebehäftlinge aus Schleswig-Holstein dort nicht untergebracht.“

(Beifall bei FDP und CDU)

Die verquere Frage - das wissen wir ja - war wohl der Tatsache geschuldet, dass die Linken die Anfrage komplett von ihren Kollegen aus NordrheinWestfalen abgeschrieben haben. Die schmallippige, trockene Antwort des Justizministeriums zeigt allerdings, dass dort Humor herrscht. Vielen Dank!

(Beifall bei FDP und CDU)

Die Anfrage der LINKEN zeigt aber in ihrer Detailfreudigkeit auch, dass Sie offenbar auch nach über 20 Jahren DDR-Vergangenheit immer noch davon ausgehen, dass ein Staat, eine Regierung alles über einen Menschen, über seine Bürger weiß oder wissen muss, was ihn ausmacht. Datenschutz null, wie damals!