Protocol of the Session on February 22, 2012

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir haben es hier mit Gemeinsamkeiten der Sozialdemokraten zu tun, die wir auch aus anderen Bereichen kennen. Der SPD geht an dieser Stelle Parteiinteresse vor Landesinteresse. Das sind wir gewohnt. Auch in diesem Haus haben wir bei der Diskussion um die HUSUM Wind deutlich gehört und

(Markus Matthießen)

gesehen, dass Hamburg die Interessen unseres Landes schlicht übergeht - und die schleswig-holsteinische SPD applaudiert noch dazu.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Auch das Scheitern der Länderklausel beim CCSGesetz trägt die Handschrift der Nord-SPD, ganz konkret der Hamburger SPD, die sich der Länderklausel verweigert hat. Diese Hamburger Alleingänge zulasten seiner Nachbarn lassen sich auch durch das Wahlkampfmanöver für einen Gemeinsamen Ausschusses nicht übertünchen.

(Martin Habersaat [SPD]: Immer feste drauf!)

Meine Damen und Herren, für uns geht es in der Zukunft in Hinsicht auf Kooperation um folgende konkrete Punkte:

Ein Grundlagenstaatsvertrag zwischen den norddeutschen Ländern, in dem die Rahmenbedingungen für künftige Kooperationen festgeschrieben werden, soll Zielsetzung der fortlaufenden Gespräche und Verhandlungen sein. Die Parlamente sind dabei zu beteiligen.

Wir wollen einen Prüfautomatismus bei Gesetzesvorhaben einführen, der mögliche Kooperation bei jeder neuen Aufgabe beziehungsweise Regelung überprüft, damit es mittelfristig zu einer Angleichung der Gesetze und Verordnungen in Norddeutschland kommt.

Und wir stehen für eine in Norddeutschland besser koordinierte Landes- und Regionalplanung. Hierfür wollen wir gemeinsame Rahmenbedingungen erarbeiten.

In der Verkehrspolitik soll eine Aktualisierung der „Ahrensburger Liste“ vorgenommen werden. Wir wollen gemeinsam für Infrastrukturmaßnahmen werben, die im Interesse des Nordens sind. Um eine gute und partnerschaftliche Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum dauerhaft zu erreichen, ist die Bereitschaft beider Partner erforderlich. Wir sind zu einer Allianz für den Norden auf Augenhöhe und in Partnerschaft bereit.

(Beifall bei CDU und FDP - Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Dr. Gitta Trauernicht.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ergebnisse der Enquetekommission „Norddeutsche Kooperation“ liegen nun auf dem Tisch, und eines ist klar: Eine engere Kooperation im Norden tut not.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Experten haben deutlich gemacht: In einer engeren Kooperation liegen Chancen, die wir nutzen müssen - im Interesse der Menschen, im Interesse des Wohlstands unseres Landes. Dies ist auch eine Frage der politischen Klugheit, der Weitsicht, der Weltoffenheit und nicht zuletzt eine Frage der Verantwortung für unsere Heimat. Was wir brauchen, ist gute Nachbarschaft für eine starke Allianz im Norden.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Wir brauchen eine neue Qualität in der Kooperation mit Hamburg und der norddeutschen Länder untereinander.

Was aber, Herr Ministerpräsident, ist die derzeitige Lage? - Ein Tiefstand in den Beziehungen zu Hamburg ist erreicht. Die Zahl der Konflikte steigt ständig.

(Zuruf von der CDU)

Ob HUSUM Wind oder Gastschulabkommen, ob Sicherungsverwahrung oder Asbesttransport - die Landesregierung läuft diesen Konflikten hinterher. Andere politische Großthemen liegen brach. Sie sind ungelöst oder gar nicht erst angepackt. Es gibt keine gemeinsame norddeutsche Hafen- beziehungsweise Flughafenpolitik, es gibt keine norddeutsche Energieoffensive, keinen gemeinsamen Vorstoß bei offensichtlichen Benachteiligungen gegenüber dem Bund, es gibt keine Vision, gar nichts.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gute Nachbarschaft und eine starke Allianz im Norden das geht anders. Es muss Schluss sein mit dem Hinterherhecheln bei Problemen, Schluss mit den schwelenden Konflikten, mit hektischen Symbolaktionen oder gar - wie zuletzt - mit beleidigtem, kleinlichem Verweigern der ausgestreckten Hand unseres Nachbarn.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

(Johannes Callsen)

Der Konflikt um die Idee eines Gemeinsamen Ausschusses mit der Hamburgischen Bürgerschaft ist mehr als ein Konflikt um Verfahren, ist mehr als ein Randthema.

(Zuruf des Abgeordneten Johannes Callsen [CDU])

Er verweist auf unterschiedliche Haltungen. Das ist in der Rede von Herrn Callsen noch einmal sehr deutlich geworden.

Es ist nicht Halbherzigkeit und Kleinteiligkeit gefragt, sondern der Wille zu einer Umkehr in der Nachbarschaftspolitik. Wir müssen norddeutsch denken und handeln. Die Grenzen müssen fallen in den Köpfen der Menschen, aber auch im realen Alltag. Dazu brauchen wir keine Nordstaatdebatte, aber den Mut zu gemeinsamer Politik.

(Zuruf der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Zum Beispiel in der Bildung: Unser Ziel ist die freie Schulwahl im Norden. Dazu brauchen wir eine gemeinsame Schulentwicklungsplanung. Wir brauchen ein politisch abgestimmtes, kompatibles Schulsystem und eine stimmige Finanzierung.

Oder in der Energiepolitik: Ohne den Norden wird es keine Energiewende geben. Unser Know-how wird gebraucht, aber im Miteinander, nicht im Gegeneinander. Eine norddeutsche Netzagentur, ein norddeutsches Gesamtkonzept zur Energiewende, gemeinsam formulierte Ziele - all das ist mit den bisherigen Instrumenten und Haltungen nicht zu haben.

Wenn der Norden gemeinsam auftritt, mit einer Stimme spricht - das macht der Bericht der Enquetekommission deutlich -, stärkt dies seine Chancen im föderalen Wettbewerb in Deutschland, in Europa und darüber hinaus.

Ein enger Verbund im Norden - das zeigt der Bericht der Enquetekommission ebenfalls - kann die Wirtschaft ankurbeln, den gesamten Standort stärken, Haushalte entlasten und die Durchsetzung gemeinsamer Interesse erleichtern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPD hat verstanden: Wir haben uns auf den Weg gemacht. Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz, der zukünftige Ministerpräsident Torsten Albig,

(Lachen bei der CDU)

die Senatoren, die Bürgerschaftspräsidentin, wir als SPD-Fraktionen in der Bürgerschaft und hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag, wir sind die

einzige Partei, die eine vernünftige Nachbarschaft mit Hamburg will und pflegt.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen, was wir wollen. Wir wollen eine kluge Politik für eine starke Allianz im Norden. Selbstbewusst und auf gleicher Augenhöhe mit Hamburg werden wir neue Wege gehen. Wir werden mit Hamburg einen Gemeinsamen Ausschuss einrichten und dafür die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Vor allen Dingen aber werden wir am 6. Mai die Mehrheiten für eine neue Kooperation im Norden schaffen. Das ist wichtig für die Menschen in unserer Heimat.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] - Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Aschermittwoch! Da ist alles vorbei!)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Ingrid Brand-Hückstädt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kooperation bedeutet eine politische, wirtschaftliche oder soziale Strategie, die auf Zusammenarbeit und Austausch mit anderen basiert und zielgerichtet den möglichen eigenen Nutzen auf den Nutzen der Kooperationspartner abstimmt. Die Kommission hatte keine Zusammenarbeit, geschweige denn einen Austausch mit anderen, und sie konnte deshalb auch nicht zielgerichtet den möglichen eigenen Nutzen mit dem Nutzen für die anderen Kooperationspartner abstimmen. Das ist bedauerlich.

Deshalb ist das Fazit richtig: Nach der intensiven eigenen Nabelschau und der Berichtserstellung über den Istzustand von Kooperationen, den man übrigens wahrscheinlich auch über eine Große Anfrage bekommen hätte, kann und muss die richtige Arbeit erst beginnen. Die heißt: Kontaktaufnahme mit den anderen norddeutschen Bundesländern, zielgerichtet den eigenen Nutzen mit denen der anderen abgleichen und sich über mögliche Projekte der Zusammenarbeit, bei denen gleiche Interesse bestehen, abstimmen, und am besten ein Abkommen darüber abschließen, in dem Rahmenbedingungen für Kooperationen festgeschrieben werden.

Mehr Kooperation im Norden im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich - das hat auch für die FDP-Fraktion nie außer Frage gestanden. Sie ist aber kein Selbstzweck und ersetzt keine eigenen

(Dr. Gitta Trauernicht)

Sparmaßnahmen beziehungsweise Strukturveränderungen, geschweige denn ist sie ein Allheilmittel für eigene Probleme. Kooperation ist dort richtig, wo sie den Partnern nützt - organisatorisch, strukturell und am besten auch finanziell. Wo das nicht der Fall ist - zum Beispiel beim Tourismus oder auch in der Forschung -, kann es sein, dass Wettbewerb allen Beteiligten mehr nützt.

Eine solche Kosten-Nutzen-Rechnung macht jedes am Markt agierende Unternehmen, bevor es sich für eine freundliche oder unfreundliche Übernahme eines anderen Unternehmens entscheidet. Ich weiß, dass das Beispiel hinkt: Zwei oder mehr Länder entscheiden nicht, ob sie Schleswig-Holstein übernehmen - die Zeiten sind Gott sei Dank vorbei.

Der Konfrontationsgedanke ist dem Kooperationsgedanken gewichen, und das ist gut so. Ein Ergebnis der Kommission ist für uns, dass dieser Gedanke zu institutionalisieren ist. Bei jedem Projekt, bei jedem Gesetzesvorhaben - sei es bei der Verkehrsplanung oder bei der Landesplanung - ist zu fragen: Geht das auch mit anderen Ländern zusammen, und wenn ja, ist es sinnvoll?

Es ist natürlich zu begrüßen, dass die SPD nach fast zwei Jahren Enquete feststellt, dass wir „norddeutsch denken und handeln“ müssen - das ist ein Zitat von Frau Trauernicht. Nun, es hätte mich auch etwas erschreckt, wenn die Erkenntnis gelautet hätte, wir müssten bayerisch denken oder handeln.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])