Protocol of the Session on February 22, 2012

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja, genau!)

Sie müssen die Sicherheit bekommen, dass die geplante Streichung von 300 Lehrerstellen zum Sommer 2012 rückgängig gemacht wird. Handfeste Politik statt Wahlversprechen, Nachtragshaushalt statt Pflasterpolitik - das wäre doch einmal ein reelles Angebot an die Wählerinnen und Wähler.

Meine Fraktion hält es für vertretbar, zur Finanzierung der Lehrerstellen eingesparte Zinsausgaben zu nutzen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die Sie einge- spart haben!)

Ja, wir halten die Schuldenbremse für richtig und wollen sie einhalten. Aber von uns gibt es auch ein Ja dazu, dass Zukunftsgestaltung und Bildungsinvestitionen zwangsläufig zusammengehören.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Rein buchhalterisch werden sie die Probleme des Haushalts nicht lösen.

Deshalb haben wir heute zusammen mit unseren Kolleginnen und Kollegen von SSW und SPD einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht zu einem Gesetz, das vom Landesrechnungshof bereits angemahnt wurde.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Meine Fraktion ist nicht damit einverstanden, wenn Sie dem Land einen härteren Sparkurs aufzwingen wollen, als es der Bundesgesetzgeber vorgegeben hat.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Gegenruf des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Es wäre verantwortungslos, dass Sparkorsett so eng zu schnüren, dass das Land keine Luft zum Atmen hat.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Erkennen Sie doch endlich die Realitäten an! Der Weg zur Neuverschuldung null ist kein Spaziergang, er ist ein Balanceakt auf dem Drahtseil, der Versuch, Konsolidierung und Zukunftsgestaltung miteinander zu vereinbaren. Prognostizierte Einnahmen sind noch keine tatsächlichen Einnahmen. Der Abbau von 10 % aller Stellen hat gerade erst begonnen. Küstenschutzabgabe und weitere Kürzungen sind noch nicht konkretisiert. Dafür haben Sie noch keine Antwort. Auf die Zinsproblematik hat Herr Wiegard hingewiesen.

Meine Damen und Herren, noch immer macht die FDP in Berlin Druck auf Steuersenkungen, die uns den Einnahmeboden wegreißen. Sie haben nicht einmal den Mut, eine Bundesratsinitiative zu starten, um diese unsägliche Mövenpicksteuer, die die Hotels reich und das Land arm macht, wieder zu canceln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Meine Damen und Herren, was wir in dieser schwierigen Haushaltssituation des Landes am allerwenigsten brauchen, sind zusätzliche schwarzgelbe Wackersteine im eh schon schweren Rucksack.

(Christopher Vogt [FDP]: Finden Sie das nicht peinlich, Ihre ganzen Steuersenkun- gen?)

Deshalb ist der Gesetzentwurf der Landesregierung falsch. Denn er würde die Höhe der nach Bundesgesetzgebung möglichen strukturellen Neuverschuldung allein im nächsten Doppelhaushalt um weitere 250 Millionen € reduzieren.

Die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW schlagen dagegen vor, sich an die Zahlen in der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Land zu halten. Wenn Sie hier behaupten, wir würden mit unserem Vorschlag die Schuldenbremse reißen, dann setzen Sie doch nur noch -

(Zuruf von der CDU: Nein!)

Es ist ja schön, wenn wir uns einig sind. Unser Gesetzentwurf erfüllt die Schuldenbremse genau wie Ihr Gesetzentwurf.

(Monika Heinold)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Es handelt sich um eine Obergrenze, die wir setzen. Darunter bleiben ist immer noch möglich.

(Lachen bei der CDU)

Und ich glaube, jede und jeder wird zukünftig diesen Ergeiz entwickeln.

Unser Vorschlag bindet die Landesregierung nicht an ein Verfahren zur Aufstellung der Finanzplanung. Das Land ist also weiterhin frei, mit eigenen belastbaren Steuerprognosen in die Finanzaufstellung zu gehen. Unser Gesetzentwurf ist also genau so umsetzbar und praktikabel wie der Gesetzentwurf der Landesregierung. Der Unterschied zwischen Ihrem und unserem Entwurf ist ein politischer. Für uns steht fest: Solide Haushaltspolitik und Bildungsinvestitionen müssen Hand in Hand gehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Für Sie steht fest: Die Übererfüllung des Sparziels ist wichtiger als die Ausstattung der Schulen mit Lehrerinnen und Lehrern. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen, alles ist unterfinanziert, Fachkräftemangel und Transfergeldempfänger sind vorprogrammiert. Wenn wir immer darauf hoffen und mahnen, dass uns der Bund bei der Bildung unterstützt, dann müssen wir auch die Kraft haben, jeden Cent im Land zu mobilisieren, um in die Bildung zu investieren und um mit kleinen Verbesserungen voranzukommen.

Meine Damen und Herren, im Zweifel auch um den Preis, dass wir die Schuldenbremse nur nach Vorgabe erreichen, finden wir, dass unser Gesetzentwurf der bessere ist. Wir wollen nicht Klassenbeste sein, sondern wir wollen in einem Land leben, das in die Bildung unserer Kinder investiert.

(Lebhafter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist einer der seltenen Momente, in denen ich mal merke, dass ich mit vielen Reden auch heute hier übereinstimmen kann. Ich freue mich darüber. Darauf komme ich dann später noch einmal konkret zu sprechen.

Schleswig-Holstein hatte 2010 eine Staatsverschuldung zwischen 26 Milliarden und 27,5 Milliarden €, je nachdem, ob man dem Vortrag des Finanzministers glaubt oder dem Statistischen Bundesamt. Übrigens gibt es hier im Landtag nur eine Fraktion, Herr Wiegard, die unschuldig ist an der Verschuldung des Landes, und das ist nicht die CDU.

Auf der Ebene des politischen Bekenntnisses wird viel geredet über die Schuldenbremse. Sie haben die Schuldenbremse gemeinsam gegen unser Votum durchgestimmt und in die Verfassung aufgenommen. Auch nach dem Überganszeitraum bis 2020 - dazu steht ja nichts in dem Änderungsantrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW wird Schleswig-Holstein aus der Abwärtsspirale des Kürzens und Streichens nicht herauskommen. Das Land muss dann seine gesamte Zinslast dauerhaft durch Haushaltsüberschüsse finanzieren.

Wenn wir 2011 noch 920 Millionen € an Ausgaben zu leisten hatten, werden es nach Ihren Schätzungen, Herr Minister Wiegard, im Jahr 2016 bereits über 1,4 Milliarden € sein. Das heißt, wir brauchen dann allein deswegen einen Überschuss in dieser Höhe, um zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen.

Wir haben zwar nichts gegen derartige Überschüsse, aber wir halten es für im höchsten Maße kontraproduktiv, dass mit der Schuldenbremse dafür gesorgt wird, dass diese Ausgaben vor allem einer Gruppe in der Bevölkerung zugute kommt, nämlich den Besitzern von Staatsanleihen und den Banken.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit der Schuldenbremse wird nicht der Sparende belohnt, und die Schuldenbremse enthält auch kein Hinweis darüber, wie die Haushaltskonsolidierung vorangetrieben wird. Das wird übrigens auch im Jahresabschluss 2011 deutlich.

In Brandenburg wird dem linken Finanzminister die Beendigung der Neuverschuldung bereits im Jahre 2014 gelingen. Und auf eine Übernahme der Schuldenbremse in die Landesverfassung ist dort auf Betreiben der LINKEN verzichtet worden, während die SPD hier in Schleswig-Holstein leider dem

(Monika Heinold)

Schuldenbremsenfundamentalismus der CDU auf den Leim gegangen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch Grüne und SSW geben im Hinblick auf die Schuldenbremse gern Bekenntnisse ab, anstatt Verantwortung für die unabweisbaren Konsequenzen zu übernehmen, nämlich ab 2020 jährlich 1,5 Milliarden € aus dem Haushalt herauszuschneiden zugunsten des Schuldendienstes. Das ist umso fataler, als der Ausgangspunkt der rasanten Steigerung der Staatsverschuldung nach 2008 die enormen Kosten für die Bankenrettung und die nötigen Konjunkturprogramme waren.

Wenn Sie, Herr Wiegard, heute wieder davon sprechen, dass es seit 1970 eine charakterlose Verschuldung gegeben hätte, jetzt in modifizierter Form, dann disqualifiziert sich diese Rede auch selbst, zumal Sie selbst als Aufsichtsratsmitglied der HSH Nordbank für einen Abschreibungsverlust auf den Wert der Landesanteile in Höhe von 1,7 Milliarden € verantwortlich sind. Herr de Jager hatte dann noch einmal fast 700 Millionen € in 2010 folgen lassen.

Unzweifelhaft waren die Konjunkturprogramme zielführend. Sie haben die Zerstörung von menschlicher Arbeitskraft durch lange Arbeitslosigkeit verhindert. Aber, Herr Minister, ich darf Sie auch daran erinnern, dass Sie es waren, der dagegen gesprochen hat. Sie warnten vor den finanziellen Folgen der Konjunkturprogramme. Ich zitiere mit Erlaubnis noch einmal aus Dezember 2008 hier im Landtag:

„Für Schleswig-Holstein bedeutet das einen Beitrag von 600 Millionen € und damit die Verdopplung der Neuverschuldung.“

Noch 2008 war es hier im Haus übrigens Konsens, dass das strukturelle Defizit des Landes bei 600 Millionen € liegt, und 2010 waren es auf einmal 1,25 Milliarden €. Wer ist denn dafür verantwortlich, Herr Carstensen? - Zum einen die jetzige und die Vorgängerregierung, die im Bundesrat die Steuerrechtsänderung hat passieren lassen, und zum anderen selbstverständlich auch Ihre Haushaltspolitik.