Protocol of the Session on December 18, 2009

Die DDR-Geschichte muss als Thema der historisch-politischen Bildung mehr als bisher in den Schulen behandelt werden, nicht zuletzt, um immer wieder freiheits- und demokratiefeindlichen Tendenzen entschieden vorzubeugen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Insofern sind die vorliegenden Beschlüsse anzunehmen und in den Lehrplänen umzusetzen. Ich freue mich über die breite Zustimmung zumindest zu diesem Thema.

(Beifall bei FDP und CDU)

Auf der Besuchertribüne begrüße ich Vertreterinnen und Vertreter des Gesundheitsministeriums mit Gewinnerinnen und Gewinnern des Schleswig-Holstein Präventionspreises Nichtraucherschutz 2009 aus Sportvereinen und -verbänden. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Landeshaus!

(Beifall)

Das Wort hat die Frau Kollegin Ines Strehlau.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Haus besteht kein Dissens darüber, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Das habe ich zumindest so wahrgenommen. Ich hoffe, dass die organisatorischen Schwierigkeiten künftig nicht mehr auftreten, Beteiligte für einen Antrag zu finden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser interfraktionelle Antrag ist ein Erbe aus der vergangenen Legislaturperiode. Er wurde im Juli 2009 vom Plenum ohne Aussprache an den Bildungsausschuss überwiesen. Auch im Bildungsausschuss ist nicht wirklich intensiv darüber diskutiert worden. Es ist nur eine Frage an Minister Dr. Biel gerichtet worden. Dieser sagte daraufhin, es würden bereits sämtliche Maßnahmen ergriffen, und es würden bereits Fachtagungen zur DDR-Geschichte durchgeführt.

Dennoch haben wir diesen Antrag gestellt, weil wir vielleicht die BRD etwas mehr in unseren Fokus genommen haben und die DDR - auch wenn es in den Lehrplänen steht - nicht so richtig berücksichtigt haben.

Ich habe etwas gestutzt, als ich den Titel des Antrags las. Im Titel ist lediglich von einer zeitgemäßen Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte an schleswig-holsteinischen Schulen die Rede. Im

Beschlusstext hingegen ist zumindest im ersten Absatz von der Nachkriegsentwicklung Deutschlands die Rede. Das halte ich für wichtig. Wir müssen DDR und BRD gemeinsam analysieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenso notwendig ist die Betrachtung der Nachkriegsentwicklung als Folge der Nazi-Diktatur und der Einflüsse der Siegermächte. Wichtig dabei ist, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Dazu muss man die Fehler benennen und aufarbeiten.

Das haben die Schulen in den vergangenen Jahren auch getan. Wenn man sich die Lehrpläne zur Geschichte, zur Weltkunde und zur Gemeinschaftskunde anschaut, dann stellt man fest, dass das Thema des geteilten Deutschlands bis hin zur friedlichen Revolution im Jahr 1989 in den Lehrplänen aller Schularten unter verschiedenen Titeln auftaucht. In der Hauptschule in Klasse neun, in der Realschule und im Gymnasium in der Klasse zehn und dann noch einmal in der Oberstufe in der Klasse zwölf.

Mit dem vorliegenden Antrag soll die Betrachtung der DDR genauso in den Mittelpunkt gestellt werden wie die Betrachtung der BRD. Derzeit ist es so, dass die BRD das Übergewicht hat und die Strukturen der DDR nicht genügend in den Mittelpunkt gestellt worden sind.

Hierbei Zeitzeugen zu hören oder außerschulische Lernorte zu suchen, ist sicher ein gutes Vorgehen, um Leben und Strukturen der DDR zu begreifen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wird auch bei anderen Themen in der Schule mit gutem Erfolg getan. Ich bin sicher, dass die Schulen eine differenzierte Bearbeitung des Themas umsetzen, also keine Schwarzweißmalerei betreiben. Nur so kann man die bereits jetzt im Lehrplan Geschichte geforderte „Fähigkeit, historische Phänomene im Zusammenhang der Bedingungen ihrer Zeit zu sehen und ihre Bedeutung für die Gegenwart einzuschätzen“, auch erreichen.

Vielleicht werden dann Kieler Schulklassen auch das Mauerstück neben dem Landeshaus als Anschauungsobjekt betrachten. Sie werden dann die Zeilen darunter lesen, nämlich dass Axel Springer mit seiner „Bild“-Zeitung ein Kämpfer für die Wiedervereinigung war. Sie werden sich dann nach den Zusammenhängen fragen und werden die Rolle von Axel Springer und der „Bild“-Zeitung im Kalten Krieg erforschen und sich ihre Meinung bilden. Diese wird sicherlich anders ausfallen, als sich dies die „Bild“-Zeitung wünscht.

(Cornelia Conrad)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich dem Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe am 18. November 2002 aufgehört zu rauchen. Meine Damen und Herren auf der Tribüne, ich hoffe, dass Sie es auch durchhalten.

Die Aufarbeitung der Nachkriegsgeschichte in Ost und West ist Bestandteil der Lehrpläne in Schleswig-Holstein. Auch uns erschreckt, dass die Statistiken zeigen, dass unsere Schulen offensichtlich Schwierigkeiten damit haben, elementares historisches Wissen zu vermitteln. Wenn ich mir die Ergebnisse des sogenannten Bildungsgipfels anschaue, dann fürchte ich, dass dies auch so bleiben wird, auch wenn wir den Antrag heute im Landtag positiv bescheiden werden.

Wenn etwas gegen die zu beklagenden Defizite in der Schulbildung unternommen werden soll, so packen Sie es doch an, und erhöhen Sie endlich die Bildungsausgaben auf 10 % des Bruttoinlandprodukts, aber bitte ohne Taschenspielertricks. Das schönt nur die Statistik und entlastet den Landesund den Bundeshaushalt. Das hilft aber nicht den Schülerinnen und Schülern in unserem Land.

Um die Situation an den Schulen zu verbessern und um die Lernerfolge zu verbessern, ist in erster Linie mehr Geld im Bildungssystem erforderlich.

Wir sind der Meinung, dass der Antrag im Ansatz eine brauchbare Grundlage bietet, um den schleswig-holsteinischen Schülerinnen und Schülern die Geschichte näherzubringen. Berichte von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, Treffen mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, Lernen an historischen Orten und Klassenfahrten, all das sind Methoden der Pädagogik, die den Unterricht befruchten und den Lernerfolg verbessern.

Wir begrüßen vor allem die im Antrag empfohlenen gemeinsamen Veranstaltungen mit Klassen aus ostdeutschen Partnerstädten und hoffen, dass die schleswig-holsteinischen Schulen auch die finanziellen Mittel erhalten werden, um ein solches Programm umzusetzen, Herr Klug.

Wichtig und richtig finde ich den Ansatz, die Nachkriegsentwicklung Deutschlands vor allem aus der

widerständischen Perspektive aufzuzeigen, nicht nur aus der Perspektive der Herrschenden in Ost und West. Dies kommt vor allem im ersten Spiegelstrich des Antrags zum Ausdruck.

Die DDR ist zu Recht gescheitert. Sie ist an ihren inneren Widersprüchen gescheitert. Sie hat es nicht vermocht, neben den sozialen Menschenrechten auch individuelle Freiheitsrechte und bürgerliche Menschenrechte zu realisieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Oppositionelle und solche, die für Gegner der DDR gehalten wurden, wurden bespitzelt und ins Gefängnis geworfen. Es gab weder eine unabhängige Justiz noch ausreichenden Rechtsschutz gegen staatliche Maßnahmen. Die Medien waren gleichgeschaltet.

Problematisch am vorliegenden Antrag finde ich vor allem zwei Aspekte. Zum einen kommen mir die sogenannten Blockparteien ein wenig zu gut weg. Sie werden allein in der Begründung erwähnt, und es wird gesagt, sie seien durch Umwandlung neutralisiert worden. In meinen Augen waren die Mitglieder der Blockparteien nicht nur Opfer beziehungsweise Objekte des politischen Diskurses in der DDR, sondern hatten durchaus Spielraum und waren Rädchen im Getriebe des Systems.

(Beifall bei der LINKEN sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Abgesehen davon gab es in der DDR keine Pflicht zur Mitgliedschaft in einer Partei.

Eine weitere Lücke in dem Antrag finde ich viel gravierender. Die für mich wichtigste Phase der DDR, nämlich die Zeit zwischen November 1989 und dem Beitritt zur Bundesrepublik, kommt zu kurz. Diese Zeit ist meines Erachtens extrem spannend und lehrreich. Innerhalb dieser kurzen Zeitspanne hat sich innerhalb kürzester Zeit in der DDR eine eigene basisdemokratische Kultur entwickelt, die zwar historisch keine Chance gegenüber dem verlockenden Angebot der D-Mark hatte, die aber auch für das größer gewordene Deutschland viele Ideen und Anregungen geboten hat und immer noch bietet.

Die Zeit zwischen Ende 1989 und Frühjahr 1990 war geprägt durch basisdemokratische Aufbrüche, durch Diskussionen in den Schulen zwischen Schülerinnen und Schülern, die die Autorität der Lehrkräfte hinterfragten, durch Diskussionen in den Betrieben, durch runde Tische und durch Debatten über zukünftige basisdemokratische Ent

(Ines Strehlau)

scheidungsstrukturen in der Gesellschaft und in der Wirtschaft.

Ein Ergebnis dieser Debatten war der Verfassungsentwurf des Runden Tisches, der leider schnell in Vergessenheit geriet beziehungsweise schnell in den Schubladen verschwunden ist. Ich finde es extrem bedauerlich, dass diese Phase des demokratischen Aufbruchs in dem vorliegenden Antrag vollständig ausgeblendet wird. Gerade von der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die auch noch den Namen „BÜNDNIS 90“ tragen, hätte ich erwartet, die Aufmerksamkeit bei einer zeitgemäßen Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte nicht nur, aber auch auf diese Ereignisse zu richten. Ihre Vertreterinnen haben die Debatten im historischen Zeitraum maßgeblich mitbestimmt. Der brandenburgische Ministerpräsident war Mitglied des zentralen Runden Tisches.

(Beifall bei der LINKEN und SSW)

Der Runde Tisch der DDR hat versucht, die sozialen Menschenrechte mit den individuellen Freiheitsrechten zu vereinbaren. Er wollte Freiheit und Gerechtigkeit in Solidarität zusammenführen. Dies sind für uns richtungsweisende Gedanken und Leitlinien unserer Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Loedige, Freiheit und Gerechtigkeit sind für uns kein Gegensatz. Freiheit und Gerechtigkeit, die sozialen und die individuellen Menschenrechte gehören zusammen. Das findet sich leider nicht in diesem Antrag. Das liegt vielleicht auch daran, dass wir nicht beteiligt waren. Vielleicht hätten wir es tatsächlich geschafft, gemeinsam einen Antrag zu realisieren, der auch dies zum Inhalt hat. Dem war leider nicht so. Aus diesem inhaltlichen Grund werden wir uns bei der Abstimmung enthalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW erteile ich der Frau Kollegin Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wichtig und notwendig, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. Die Geschichte der DDR ist ein Teil unserer Geschichte. Es ist mit anderen Worten bequem, aber völlig falsch, die Jahrzehnte der DDR von 1949 bis 1989 als etwas abzutun, was mit 40 Jahren Bundesrepublik rein gar

nichts zu tun habe. Dass es immer noch große Defizite in der Aufarbeitung der DDR-Geschichte gibt, lässt sich anhand von Umfrageergebnissen immer wieder dingfest machen. Zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall zeigt sich, welche fatalen Folgen diese fehlende Beschäftigung mit der DDR-Geschichte hat. Die DDR wird vielfach nostalgisch verklärt, aber größtenteils schlichtweg ignoriert.