Protocol of the Session on January 25, 2012

Die FDP ist davon überzeugt, dass in SchleswigHolstein die Landwirtschaft verantwortungsvoll mit dem Einsatz von Antibiotika umgeht. Bevor nicht eine belastbare Datenerhebung in Schleswig-Holstein stattgefunden hat,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

wird es mit uns keine pauschale Vorverurteilung der Landwirtschaft geben.

Auch wenn es schwarze Schafe in diesem Bereich geben sollte, ist davon auszugehen, dass der Großteil der Landwirte ordnungsgemäß arbeitet. Per se zu sagen, nur weil ein Betrieb groß sei, arbeite er auch nicht verantwortungsvoll, ist uns zu einfach. Groß sei schlecht, klein sei gut - wie die Betriebe ihr notwendiges Einkommen erwirtschaften, scheint Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, egal zu sein.

(Heiner Rickers)

Schon jetzt besteht für jeden Betrieb die Dokumentationspflicht bei jeglichem Antibiotika-Einsatz. Sollte es im Rahmen der derzeitigen Betriebskontrollen zu Unstimmigkeiten kommen, führt das schon heute zu erheblichen Prämienkürzungen. Schon aus rein wirtschaftlichen Gründen wird ein korrekt wirtschaftender Landwirt hier verantwortungsvoll handeln. Es ist nicht die Frage von groß oder klein, sondern eine klare Frage des Managements. Wie wir alle wissen, ist gesetzlich bis ins Detail geregelt, wie viel Platz einem Schwein, einem Huhn oder einer Pute zur Verfügung stehen muss, egal ob tausend oder zehntausend Tiere. Die Betriebsgröße kann in der Antibiotikadebatte also lediglich eine untergeordnete Rolle spielen. Die Größe als Begründung anzuführen, ist wenig zielführend. Wir brauchen ein verbessertes Hygienemanagement und ein besseres Futtermittelmanagement.

In der Schweinehaltung gibt es Betriebe, die das in sogenannten geschlossenen Systemen vormachen, das heißt: Selber produzieren, selber mästen, eigenes Futter einsetzen. Kein externes Tier kommt in den Betrieb. In der Seuchenprophylaxe und im Bereich des Hygienestandards sind das enorme Vorteile. Das ist moderne Ursachenbekämpfung in den Händen des Betriebsmanagements.

Wir müssen aber trotzdem leider immer wieder feststellen, dass erhebliche Probleme durch übermäßigen Einsatz von Antibiotika entstehen. An erster Stelle ist hier die Resistenz von Keimen zu nennen. Hier gibt es das Beispiel aus NordrheinWestfalen, wo MRSA-Keime nachgewiesen wurden. Es muss aber auch die andere Seite der Medaille betrachtet werden. Nachgewiesen ist, dass sich auch MRSA-Keime bilden, weil in der Humanmedizin nicht sorgfältig mit Antibiotika umgegangen wurde beziehungsweise wird. Hier ist die Gesundheitspolitik gefragt. Es besteht also durchaus ein erheblicher Bedarf an einem ganzheitlichen Ansatz.

(Unruhe)

Wir dürfen in einer weltweit wachsenden Gesellschaft ein Arzneimittel wie Antibiotikum nicht in seiner Wirksamkeit schwächen.

Herr Kollege, einen kleinen Augenblick bitte. - Ich bitte um mehr Aufmerksamkeit für den Redner. Wenn dringend Gespräche geführt werden müssen, bitte ich, diese draußen zu führen.

Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Wir dürfen in einer weltweit wachsenden Gesellschaft ein Arzneimittel wie Antibiotikum nicht in seiner Wirksamkeit schwächen, indem wir eine Ausbreitung resistenter Bakterienstämme möglich machen.

Die Beschlüsse der Bundesregierung zur besseren Dokumentation von Antibiotika-Einsätzen unterstützen wir. Ein Minimierungskonzept für den Einsatz von Antibiotika ist unserer Auffassung nach auch sehr zu begrüßen. Mit dem Wissen, dass sich auf Bundesebene etwas tut - und da es sich um ein unbestritten wichtiges Thema handelt -, plädieren wir dafür, die Anträge in den Ausschuss zu überweisen.

Um im Ausschuss wirklich mit belastbaren Zahlen diskutieren zu können, bitten wir die Landesregierung, sich ein umfassendes Bild über den aktuell praktizierten Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung in Schleswig-Holstein zu machen. Nur so können wir wirklich mit einer belastbaren Grundlage über dieses Thema in unserem Bundesland reden. Ohne eine umfassende empirische Datenbasis ist aus unserer Sicht ein verbessertes Konzept für Schleswig-Holstein nur schwerlich zu realisieren.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Heinz-Werner Jezewski das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Brodersen, Sie haben mich mit Ihren abschließenden Worten ja noch beruhigt. Vorher hat mich schon das Fehlen von Sachwissen sehr erschreckt.

Wieso reden wir überhaupt über den AntibiotikaEinsatz in der Tierhaltung? - Wir können uns einmal die reinen Zahlen angucken. Das Bundesamt für Verbraucherschutz gibt für das Jahr 2008 die an Menschen verabreichte Menge von Antibiotika in Deutschland mit 250 bis 300 t an. Das sind über den Daumen 3,125 g reiner Wirkstoff pro Person und Jahr. Im gleichen Jahr wurden laut Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - das ist die vorgesetzte Dienststelle des Bundesamtes für Verbraucherschutz, das ich gerade genannt habe - in Deutschland 784 t Ve

(Carsten-Peter Brodersen)

terinärantibiotika verkauft und eingesetzt. Das sind 9,8 g pro Person und Jahr.

Wenn wir das nächste Mal erkältet sind und der Arzt uns eine Tablette verschreibt, sollten wir vielleicht daran denken, dass auf jede Tablette, die wir nehmen, durch die Nahrungskette noch einmal drei Tabletten hinzukommen. Dadurch sehen wir die Dimension des Problems. Denn nicht allein der Verzehr der Tierleichen durch uns Menschen bringt die Antibiotika in den menschlichen Körper, auch die Ausbringung der tierischen Rückstände, etwa als Gülle, trägt in erheblichem Maße dazu bei. Sie trägt auch bei den Menschen dazu bei, die keine Tierleichen verzehren. Das ist das eigentlich gemeine.

Dabei ist die ständig zunehmende Resistenz von Bakterien gegen bestimmte Stämme von Antibiotika in ganz Europa mittlerweile ein riesiges Problem. Bereits 2005 - so berichtete das angesehene Magazin „Technology Review“, infizierten sich etwa 2 Millionen Europäer mit multiresistenten Keimen. Etwa 50.000 starben daran. Die Zahl derjenigen, die sich mit Keimen infizierten und wenigstens gegen einen oder mehrere Antibiotika resistent sind, ist nicht genau ermittelt, liegt nach Expertenmeinung aber deutlich im zweistelligen Millionenbereich.

Nun wird niemand dieses erschreckenden Zahlen allein auf den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zurückführen, aber, Kollege Brodersen, es auf menschliches Verhalten und auf die Einnahme von menschlichen Antibiotika zurückzuführen, ist eine sehr gewagte These. Es wird aber auch niemand bestreiten, dass der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung einen erheblichen Anteil an diesem Problem hat.

Niemand spricht sich in der LINKEN gegen einen veterinärmedizinisch sinnvollen Einsatz von Antibiotika aus. Ganz im Gegenteil: Gerade die Tiere, die wir halten, um sie anschließend zu töten und um ihre Kadaver zu verzehren, haben das Recht, ihre kurze Lebenszeit möglichst gesund zu verbringen. Das gilt selbstverständlich auch für Tiere, die wir zu Gebrauchszwecken oder zu unserem Vergnügen halten.

Das Problem ist aber, dass wir die Nebenwirkungen des Antibiotika-Einsatzes in der Nutztierhaltung nicht in den Griff bekommen. Es ist nun einmal so, dass Antibiotika entweder die Milchproduktion steigern oder den Masterfolg fördern. Auf gut Deutsch: Für den Landwirt, der Massentierhaltung betreibt, kann es durchaus lohnen, wenn eines sei

ner Tiere an einer bakteriellen Erkrankung leidet. Dann darf er nämlich den gesamten Bestand seiner Tiere mit Antibiotika behandeln. Kollege Brodersen, da macht es natürlich einen Unterschied, ob ich 80 Hühner mit Antibiotika behandele oder 800.000.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Behandlung mit Antibiotika hat den „Nebeneffekt“, dass die Profite durch eine erhöhte Produktion wachsen. Dieses Verfahren, die sogenannte Metaphylaxe, sollten wir äußerst kritisch betrachten. Denn in einem gesunden Bestand von zum Beispiel acht Milchkühen wird sich dabei überhaupt kein Problem auftun. Auch der Landwirt, der 50 oder 100 Hühner in seinem Bestand hat, ist nicht das Problem. Gesundheitsgefährdend werden Bestände mit 100 oder mehr Milchkühen oder Geflügelmastbetrieben mit Tausenden, Zehntausenden oder gar Hunderttausenden von Hühnern.

Die Landesregierung hat in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage, Drucksache 17/2053, mitgeteilt, dass sie so gut wie gar nichts weiß. Immerhin wissen wir jetzt, dass wir über 36 Betriebe mit insgesamt 2.533.500 Mastplätzen für Geflügel reden. Dabei geht es um 4.000 bis 250.000 Tiere pro Einzelbetrieb.

Ich bin Realist genug, um zu sehen, dass es derzeit keine Mehrheit dafür gibt, die tierquälerische Haltungsform der Massentierhaltung zu verbieten und das Problem somit an der Wurzel zu packen. Auch für die nächstliegende Forderung, nämlich das Verbot, Produkte von mit Antibiotika behandelten Tieren in den Umlauf zu bringen, gibt es derzeit keine Mehrheit.

Das, was DIE LINKE in dem vorliegenden Antrag fordert, ist gerade einmal die Minimalforderung. Es geht um die effektive Kontrolle und die damit verbundene Senkung des Einsatzes von Antibiotika in der Nutztierhaltung. Es geht uns darum, Menschen vor gefährlichen und nicht behandelbaren Krankheiten zu schützen sowie Tiere, die ohnehin schon unvorstellbar leiden, nicht noch mehr zu quälen.

(Beifall bei der LINKEN)

Insofern begrüße ich die Überweisung der Anträge in den Ausschuss, weil ich den gleichen Ansatz auch in den Anträgen von Grünen und SPD sehe. Ich hoffe, dass wir da fachlich weiterkommen.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Heinz-Werner Jezewski)

Für die Fraktion des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nachgewiesen, dass die Antibiotikaresistenz bei Menschen unterschiedliche Ursachen haben kann. Es ist eine natürliche Resistenz oder eine erworbene Resistenz. Ein Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Antibiotika in der Tierproduktion und der Antibiotikaresistenzen beim Menschen lässt sich aber nicht leugnen. Seit Jahren ist es hinlänglich bekannt, dass der verantwortungslose Antibiotika-Einsatz in der Tiermast verheerende Folgen für den Menschen haben kann. Resistenzen führen dazu, dass Patienten auf die Vergabe von Antibiotika nicht mehr ansprechen und der Genesungsprozess gefährdet wird.

Wie bereits gesagt, das Problem ist seit Jahren bekannt und ist auch schon früher in diesem Haus diskutiert worden. Zuletzt wurde die Diskussion neu entfacht, nachdem eine Studie zum Medikamenteneinsatz in der Hähnchenmast in Nordrhein-Westfalen ergeben hat, dass über 96 % - 96 %! - der Tiere mit Antibiotika behandelt wurden. Antibiotika als Mastbeschleuniger bei Hähnchen ist leider eine traurige Realität - auch wenn der Einsatz als Leistungsförderer EU-weit verboten ist. Zuletzt kritisierte der EU-Verbraucherkommissar diese Praxis auf der Grünen Woche in Berlin. Er stellte klar, dass neue Wege gefunden werden müssen.

Die Frage bleibt aber, wenn es Regelungen hinsichtlich Futtermittelzusatzstoffen gibt: Warum hält sich keiner daran, beziehungsweise warum wird es nicht schärfer kontrolliert? Es geht nicht darum, den Einsatz von Antibiotika gänzlich zu verbieten. Erkrankte Tiere sollen weiterhin behandelt werden. Aber eine präventive Verabreichung von Antibiotika darf es ganz einfach nicht geben.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Daher müssen die Betriebe stärker als bisher kontrolliert werden.

Die Aussage von Herrn Sonnleitner, dass Eingriffe am Tier nach Möglichkeiten ganz unterbleiben sollen, wird von uns voll und ganz unterstützt. Seine Einschränkung aber, dass dies nicht von heute auf morgen gehe, teilen wir nicht. Wir brauchen endlich restriktive Regelungen, die keinen Spielraum

mehr zulassen. Wir brauchen Kontroll- und Überwachungssysteme, die mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet sind. Es geht jetzt darum, eingeleitete Schritte in die Tat umzusetzen und sie weiterzuentwickeln. Es darf jedoch keine Schlupflöcher geben, die den Einsatz von Antibiotika durch die kalte Küche zulassen.

Darüber hinaus geht es auch um den Einsatz von Medikamenten, Hormonen und Psychopharmaka bei Tieren. Auch hier muss es klare Regelungen geben. Hier ist die Gesetzgebung gefragt. Es geht in dieser Diskussion vor allem um den Verbraucherschutz, und es geht darum, dass der Verbraucher Anspruch auf sichere Lebensmittel hat. Daher muss der Verbraucherschutz in dieser Diskussion stärker in den Vordergrund gerückt werden.

Ich möchte ganz klarstellen: Es geht nicht darum, die Landwirtschaft in Misskredit zu bringen. Es geht um Aufklärung in dieser Sache, und es geht darum, Maßnahmen zu ergreifen und umzusetzen, dass solche Verstöße ganz einfach nicht mehr vorkommen. Das muss auch das ureigene Interesse der Landwirtschaft sein. Nur so kann sie endlich aus den negativen Schlagzeilen herauskommen. Das müsste sich jeder Landwirt stärker als bisher verinnerlichen. Die Devise muss lauten: nicht Masse, sondern Klasse. Das schafft man auch ohne Großbetriebe.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Dr. Juliane Rumpf das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Antibiotika-Einsatz in der Nutztierhaltung ist ein aktuelles Thema, das jetzt gerade durch die erwähnten Studien aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen an Brisanz gewonnen hat. In der Diskussion der Studien wird einiges durcheinandergebracht. Herr Hay, Sie haben auch darauf hingewiesen. Ich möchte zunächst einmal feststellen, dass Fazit beider Studien auch ist, dass es nicht um die illegale Verabreichung verbotener Stoffe geht, sondern um die legale Verschreibung und Anwendung von Arzneimitteln, die für die medizinische Behandlung von Tierarten zugelassen sind.

Herr Jezewski, es muss auch deutlich gesagt werden, dass es hier in Schleswig-Holstein keine Rückstandsprobleme gibt. Die Untersuchungsergebnisse zeigen das. Die Mäster haben die vorgeschriebenen Wartezeiten beachtet.

Trotzdem bin ich wie Sie der Auffassung, dass neue Wege gefunden und gegangen werden müssen, damit diese für Menschen und Tiere wichtigen Arzneimittel nicht durch die Entwicklung und Ausbreitung resistenter Bakterienstämme ihre Wirksamkeit verlieren. Es ist deshalb - Herr Brodersen, da stimme ich mit Ihnen überein - neben den in der Humanmedizin zu treffenden Maßnahmen auch notwendig, den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zu überdenken und auf das zur Behandlung ernsthafter Infektionskrankeiten unerlässliche Maß zu minimieren. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es meines Erachtens aber nicht erforderlich, weitere landesweite Studien durchzuführen, sondern Lösungsansätze zu finden, die länder- und mitgliedstaatenübergreifend wirksam sind.