Protocol of the Session on December 16, 2011

Für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Tobias Koch das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eine beschlossenen Doppelhaushalt 2011/2012, und wir haben im nächsten Jahr Landtagswahlen.

(Peter Eichstädt [SPD]: Das stimmt!)

Hätten wir zum jetzigen Zeitpunkt eine rot-grüne Landesregierung, dann hätte dieser Doppelhaushalt mit der Realität wenig zu tun. Es wäre ein reiner Wahlkampfhaushalt mit lauter Wahlversprechen, der einen Tag nach der Landtagswahl mit einem großen Loch in sich zusammenfallen würde, genauso wie wir es 2005 erlebt haben. Das war nämlich Ihre Form von konkreter und transparenter und vor allen Dingen ehrlicher Haushaltspolitik, so wie Sie es damals gemacht haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Was machen wir dagegen? Wir verabschieden nicht nur einen Doppelhaushalt, wir legen auf Basis der Verwaltungsvereinbarung zur Schuldenbremse jetzt einen Maßnahmenkatalog vor, der bis zum Jahr 2016 reicht, über unsere Verantwortungszeit weit hinaus.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das stimmt!)

Sie hätten einen schriftlichen Bericht nicht nur beantragen sollen, Frau Heinold, sondern Sie hätten den schriftlichen Bericht auch einmal lesen sollen. Sie finden dort seitenweise Maßnahmen beschrieben, Sie finden Tabellenanhänge, wo das auf einzelne Maßnahmen heruntergebrochen ist. Sie werden sich freuen können, dass die einzelbetriebliche Förderung eingestellt wird, mit konkret benannten Zahlen wird sie in den nächsten Jahren weiterentwickelt, Sie werden sich freuen können, dass wir bei der Landwirtschaftskammer weiter kürzen. Auch das sind dann konkrete Zahlen. Sie werden uns dafür angreifen können, dass wir bei den Landesforsten weiter kürzen, dass wir bei der TASH kürzen. Noch konkreter geht es nun wirklich nicht.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Heinold?

(Lars Harms)

Sehr gern, Frau Präsidentin.

Herr Koch, nur um mir auf die Sprünge zu helfen: Würden Sie mir, sagen wir einmal, drei Maßnahmen aus Ihrer Tabelle nennen, die über die Beschlüsse der Haushaltsstrukturkommission hinausgehen?

- Ich kann verstehen, Frau Kollegin, dass Sie jetzt enttäuscht sind, dass Sie keine neue Munition für den Wahlkampf bekommen. Aber Sie können doch uns nicht vorwerfen, dass wir unsere Hausaufgaben schon gemacht haben, dass wir diese Mammutaufgabe im letzten Jahr schon abgearbeitet haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir haben die Entscheidungen bereits getroffen. Wir haben die Maßnahmen eingeleitet. Das wirkt sich jetzt in den nächsten Jahren weiter aus. Wir bauen das Personal weiter ab, wir setzen die Kürzungen weiter um, die wir beschlossen haben. Wir brauchen eben keine neuen Maßnahmen, weil wir unsere Aufgaben erledigt haben.

Ich kann jetzt meine Rede fortsetzen oder weiter auf Ihre Frage antworten, das ist eigentlich egal. Die Frage ist doch: Was maßen Sie sich eigentlich an? Sind Sie die letzte moralische Instanz in diesem Land, wenn Sie sagen, das reicht alles nicht, das ist nicht konkret genug? Sind es nicht die anderen Bundesländer, die uns Geld geben, um uns bei unserer Konsolidierung zu helfen? Wenn diese anderen Länder, die eigenes Geld einsetzen, um Schleswig-Holstein zu helfen, sich dieses Maßnahmenpaket anschauen und zu dem Ergebnis kommen: Ja, wir erfüllen die Auflagen, wie legen ein Sanierungspaket vor, das bis 2016 durchfinanziert ist, wenn sie uns das Siegel geben und sagen: Ja, genehmigt, dieses Sanierungsprogramm erfüllt die Anforderungen, dann können Sie hier doch nicht sagen: Das ist alles zu unkonkret, das reicht nicht, wir Grünen sind damit nicht zufrieden.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Sie können es schon!)

- Ja, wie man sieht.

Herr Koch, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Heinold?

Ja, gern.

Herr Koch, ist es richtig, dass ich meiner Partei auf dem Parteitag nicht die Wahrheit gesagt habe, wenn ich dort gesagt habe: Wir werden auch in Zukunft weiter sparen müssen, es wird weitere Einschnitte geben müssen?

- Frau Kollegin, das ist richtig. Damit haben Sie recht. Genau das tun wir auch, und das ist hier auch beschrieben.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Sie wollen es nicht verstehen!)

Die Maßnahmen sind hier aufgeführt, sie sind alle benannt. Ich glaube, das ist die heutige Kernbotschaft. Wir als Haushaltsstrukturkommission, als CDU/FDP-Koalition, haben im vergangenen Jahr nicht nur den Haushalt 2011/2012 erledigt, wir haben die Arbeit bis 2016 hinbekommen. Das ist die eigentliche Leistung dieser Koalition, und das wird uns vom Stabilitätsrat schriftlich bestätigt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, ich schließe die Beratung. Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 17/2029 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. Es ist kein Antrag gestellt worden, der Tagesordnungspunkt ist erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Zwölf Jahre Bologna-Prozess - Ergebnisse und Perspektiven der Studienreform

Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/1539

Antwort der Landesregierung Drucksache 17/1921

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Zur Beantwortung der Großen Anfrage erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Antwort auf die Große Anfrage zum BolognaProzess legt die Landesregierung dem Landtag sehr umfangreiches Material zur Umsetzung der Studienreform sowie zu den Hintergründen und Perspektiven vor. Ich bin nicht jemand, der glaubt, dass sich die Qualität der Antwort auf Große Anfragen auf die Menge des Materials bezieht, aber dieser Umfang allein deutet schon darauf hin, dass es in der Tat ein sehr großes Rad ist, das in den vergangenen Jahren an den Hochschulen Schleswig-Holsteins und überall in Deutschland gedreht wurde. Er zeigt, und das ist der inhaltliche Teil, dass wir in Schleswig-Holstein auf einem sehr guten Weg sind, was die Umsetzung der Bologna-Reform anbelangt.

Kernstücke der Reformmaßnahmen sind die Umstellung der Studiengänge auf das zweistufige Studiensystem und die Einführung der international vergleichbaren Abschlüsse Bachelor und Master. Auf diesem Gebiet haben die Hochschulen insgesamt in Deutschland, aber vor allem in SchleswigHolstein beachtliches geleistet. Bundesweit sind 82 % aller Studiengänge umgestellt. In SchleswigHolstein beträgt der prozentuale Anteil der Bachelor- und Master-Studiengänge an dem Gesamtstudienangebot sogar 95 %. Von diesen 95 % sind 98 % akkreditiert. Dies erwähne ich, weil sich im Zusammenhang mit der Akkreditierung immer wieder eine Diskussion darüber entzündet, ob sie nicht zu aufwendig sei. Das mag sein. Ich werde in einem späteren Teil meiner Rede noch darauf eingehen. Ich möchte aber voranstellen, dass aus meiner Sicht einer der großen Vorteile der Einführung der Bologna-Reform darin gelegen hat, dass es durch sie endlich ein Instrument der Qualitätssicherung für Studiengänge gegeben hat, das es vorher nicht gegeben hat.

Im Fall der Universität Flensburg haben wir dies, was die Lehramtsstudiengänge anbelangt, leidvoll erfahren. Das war aber eine Qualitätssicherung, die am Ende dazu geführt hat, dass sich die Zustände dort verbessert haben. Insofern ist das ein klares Bekenntnis zu den Qualitätssicherungsmaßnahmen, die damit einhergehen.

Bei den Studiengängen an den Kunst- und Musikhochschulen ist Schleswig-Holstein bundesweit sogar führend. Wir haben dort eine Vorreiterrolle eingenommen und umgesetzt. Laut Ländercheck des Stiftungsverbandes in Schleswig-Holstein haben

wir im bundesweiten Vergleich bei der Herstellung des Praxisbezugs eine hervorragende Stellung.

Nicht zufriedenstellend ist bisher die Einbindung der Staatsexamensstudiengänge. Dieses Thema ist ein Wiedergänger der wissenschaftspolitischen Diskussion, nämlich die Frage, ob es richtig ist, dass der Staat eine Studienreform einführt, die Studiengänge aber, die zur Ausbildung seiner eigenen Berufe führt, von vornherein ausnimmt. Ich habe dazu eine klare Auffassung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich bin der Auffassung, dass es keinen Grund gibt, irgendwelche Studiengänge von dem Bologna-Prozess auszunehmen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich habe aber gelernt, dass es schwierig ist, sich gegen die Standesinteressen bestimmter Berufe zu stellen. Insofern braucht gut Ding offenbar Weile.

Meine Damen und Herren, ich möchte auf einen anderen Punkt eingehen, der immer wieder im Zusammenhang mit der Bologna-Reform besprochen wird. Es ist die Frage, ob diejenigen, die Bachelorund Master-Abschlüsse haben, auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen haben als die Inhaber der ehemaligen Abschlüsse. Dies lässt sich statistisch nicht beweisen. Wir haben eine neue Statistik des Hochschulinformationssystems, HIS, vorliegen. Dort wird gesagt, dass in einem Bemessungszeitraum von einem Jahr nach Abschluss weniger als drei Prozent der Bachelor-Absolventen von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Bei den alten Studiengängen waren es 4 %. Das heißt, die Situation ist sogar ein Stück weit besser geworden. Vor allen aber ist die Situation nicht schlechter geworden. Die These, die Bachelor- und auch die Master-Studiengänge würden auf dem Arbeitsmarkt keine Akzeptanz finden, kann man daher nicht belegen. Ich glaube, das ist ein Punkt, auf den wir Bezug nehmen sollten, wenn wir eine nüchterne Debatte über diese Fragen führen.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Habersaat [SPD])

Ein letzter Punkt ist die Frage der Zufriedenheit der Studierenden selbst. Diese Frage ist deshalb in die Diskussion geraten, weil es 2009 Proteste der Studierenden gegeben hat, die sich zum Teil gegen das Bachelor- und Mastersystem gestellt haben. Überwiegend galten die Proteste jedoch der Einführung von Studiengebühren. Das war die Erfahrung, die

wir bundesweit gemacht haben. Insofern ist es interessant, auf die Befragung zu gucken, die es in Schleswig-Holstein gibt. Die Studierendenbefragung der Christian-Albrechts-Universität, die eine solche Umfrage zum Beispiel immer durchführt, sagt, dass es eine sehr große - von über 70 % der Studierenden geäußerte - Zufriedenheit mit diesen Studiengängen gibt. Insofern glaube ich, dass wir auch sagen können, dass dies eine Reform ist, die am Ende bei den Studierenden angekommen ist.

Gleichwohl wäre es falsch zu verhehlen, dass es bei der Einführung dieser Studiengänge zu Geburtswehen und zu Schwierigkeiten gekommen ist. Dies hängt damit zusammen, dass wir am Ende feststellen mussten, dass es bei der Einführung zu einer Prüfungsdichte gekommen ist, die für die Studierenden in der Tat nachteilig gewesen ist. Wir haben mit einer kleinen Novelle des Hochschulgesetzes darauf reagiert und die Prüfungsdichte per Gesetz zurückgenommen.

Wir reden über die Frage, wie aufwendig Akkreditierungsverfahren sein sollen, und wir reden mit den Hochschulen über das, was aus meiner Sicht eigentlich das größte Problem der bisherigen Bologna-Reform gewesen ist, nämlich dass die Mobilität von Studierenden durch diese Reform nicht zugenommen hat, obwohl dies ein erklärtes Ziel der Bologna-Reform gewesen ist. Insofern geht es darum, dass wir die Mobilität und damit die Anerkennung von erbrachten Studienleistungen innerhalb Deutschlands - und innerhalb Schleswig-Holsteins erhöhen müssen. Nach wie vor glaube ich, dass es leichter ist, von der Universität Flensburg nach Konstanz zu wechseln als nach Kiel. Insofern müssen wir über diese Frage noch einmal reden. Unabhängig vom Bologna-Prozess müssen wir mit unseren Hochschulen auch darüber reden, dass zu wenig schleswig-holsteinische Studierende den Weg ins Ausland finden und auch zu wenig ausländische Studierende den Weg nach Schleswig-Holstein finden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Bei- fall des Abgeordneten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dies ist aber eine Frage, die unabhängig von der Bologna-Reform ist. Vielmehr ist die Frage, welche Internationalisierungsstrategien und welche Internationalisierungsbereitschaft gibt. Mein Fazit als Antwort auf diese Große Anfrage lautet insofern, dass die Bologna-Reform in der Umsetzung gut funktioniert hat, dass wir Studienangebote haben, die von den Studierenden genauso akzeptiert werden wie von dem Arbeitsmarkt, dass es aber noch des

Schweißes der Edlen bedarf, um alle Ziele, die mit dieser Studienreform proklamiert worden sind, tatsächlich zu erreichen.

(Beifall bei CDU und FDP)