Protocol of the Session on December 14, 2011

Das Land Brandenburg beispielsweise plant, einen Sorbenbeauftragten einzuführen. Wir beraten die Kollegen dabei. Angehende Diplomaten werden nach Schleswig-Holstein geschickt, um den vorbildlichen Umgang entlang einer nationalen Grenze kennenzulernen. Das European Centre for Minority Issues (ECMI) und die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) sind herausragende Minderheitenakteure auf internationalem Parkett. Das ECMI besteht nun seit 15 Jahren. Seine Expertise ist gerade im Kosovo und in Georgien stark gefragt. Viele nationale Regierungen arbeiten mit unserem Institut zusammen.

Den Stellenwert, den der Fraktionsvorsitzende der SPD dieser Debatte beimisst, erkennt man daran, dass er noch nicht einmal zehn Minuten zuhören kann.

(Zuruf von der SPD: Das sagt der Richtige!)

Die FUEV vertritt 90 Mitgliedsverbände und ist ein wichtiges Sprachrohr der nationalen Minderheiten in Europa. Deshalb werden wir die Arbeiten des ECMI und der FUEV weiterhin unterstützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das alles bestätigt: Schleswig-Holstein ist ein Beispiel dafür, wie es gehen kann. Unser Modell der Minderheitenarbeit hat sich bewährt. Ich danke allen von Herzen, die daran mitgewirkt haben und weiter daran mitwirken.

Ethnische Spannungen und Konflikte an vielen Stellen in Europa zeigen, welche Folgen nicht gelöste Minderheitenfragen haben können. Umso mehr sollten wir uns über unser gutes Zusammenleben in Schleswig-Holstein freuen.

Hinsichtlich des Gesetzentwurfs zur Minderheitenund Sprachenförderung im kommunalen Bereich verweise ich auf die Rede des Kollegen Schlie vom 19. Mai 2010 anlässlich der ersten Lesung und bedanke mich für die weitgehende Aufmerksamkeit.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion des SSW erteile ich der Frau Fraktionsvorsitzenden Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass wir mit dem vorliegenden Minderheitenbericht heute auch den 25. Geburtstag dieses Instruments der schleswig-holsteinischen Minderheitenpolitik hätten feiern können. Leider gibt es aber nichts zu feiern; denn fast wie aus einer anderen Welt liest sich heute das Vorwort des damaligen Landtagspräsidenten Rudolf Titzck zur Dokumentation der Landtagsdebatte vom 26. Oktober 1986.

Titzck bescheinigte dem Parlament, die Aussprache zum ersten Minderheitenbericht habe in augenfälliger Weise deutlich gemacht, dass der Geist der Kieler und der Bonn/Kopenhagener Erklärungen lebt. Gewürdigt wurde in dieser Debatte auch ausdrücklich, dass die Schulkinder der dänischen Minderheit ab 1986 nach den gleichen Sätzen gefördert werden wie Schulkinder an den öffentlichen Schulen.

(Beifall bei SSW, der LINKEN und verein- zelt bei der SPD)

Damit hatte die CDU-geführte Landesregierung einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Maßstab für die Minderheitenpolitik war nun die Gleichstellung. Ein Mitglied der dänischen Minderheit sollte Anspruch auf die gleiche finanzielle Förderung von seinem Land haben wie alle anderen.

Gleichzeitig wurde anerkannt, dass die Schulen der dänischen Minderheit mit den öffentlichen Schulen gleichzusetzen sind, weil diese für die Angehörigen der Minderheit quasi die öffentlichen Schulen darstellen, auch wenn sie sich nach 1945 in freier Trägerschaft befanden.

War der erste Minderheitenbericht 1986 eine Sternstunde der schleswig-holsteinischen Minderheitenpolitik, dann markiert der Minderheitenbericht 2011 einen absoluten Tiefpunkt.

(Beifall bei SSW, SPD und der LINKEN)

(Stellvertreter des Ministerpräsidenten Dr. Heiner Garg)

Dabei gab der Regierungswechsel 2009 zunächst keinen Anlass zu der Erwartung, dass es zu einer Kehrtwende in der Minderheitenpolitik kommen würde. Noch im Minderheitenbericht 2008 hob Ministerpräsident Carstensen die Gleichstellung der dänischen Schulen ausdrücklich hervor. Heute schert ihn sein Geschwätz von gestern nicht mehr.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Dreh- und Angelpunkt seines Minderheitenberichts 2011 ist die Behauptung, mit der Einführung einer Schuldenbremse in der Landesverfassung habe sich das Fundament der Minderheitenförderung grundlegend geändert, sodass auch die Minderheiten nicht von Sparzwängen ausgenommen werden können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Argumentation der Landesregierung ist perfide; denn sie unterstellt, dass derjenige, der am Gleichstellungsprinzip festhält, nicht sparen will. Dabei wird verschwiegen, dass die Gleichstellung geradezu automatisch zu einem Sparbeitrag führt. Wenn an den öffentlichen Schulen gespart wird, sinken die Schülerkostensätze und damit auch die Zuschüsse für die dänischen Schulen.

Zudem wird verschleiert, dass die Angehörigen der nationalen Minderheiten natürlich immer betroffen sind, wenn gespart wird, nämlich als Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins, aber auch durch Kürzungen und Überrollungen bei den Einrichtungen, Vereinen und Verbänden der Minderheiten.

Stellvertretend sei hier die prekäre Situation des Nordfriisk Instituut genannt: Anstatt für Planungssicherheit zu sorgen und entsprechende Zielvereinbarungen mit dem Institut abzuschließen, verweigert sich das Land. Stattdessen wird die finanzielle Schlinge weiter zugezogen: Nachhaltige Minderheitenpolitik sieht anders aus.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der LINKEN)

Die Minderheiten wollen auch ihren gerechten Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten. Das Einzige, wogegen wir uns wehren, sind einseitige Kürzungen, die nur die Minderheit treffen. Trotzdem ist der Ministerpräsident nicht müde geworden, gebetsmühlenartig die Kürzungen bei den dänischen Schulen mit dem Verweis auf die Schuldenbremse und die Griechenlandkrise zu begründen. Schleswig-Holstein - so seine Botschaft - kann sich im Gegensatz zu Dänemark keine richtige Minderheitenpolitik mehr leisten. Dass er bei sei

nem Besuch in Kopenhagen Anfang 2010 vehement noch eine andere Sichtweise vertrat, übergeht er dabei. Dieser plötzliche Sinnes- und Prinzipienwandel verärgert nicht nur viele Menschen in Schleswig-Holstein, er wird auch in Kopenhagen zu Recht als Vertrauensbruch eingestuft. Der Ministerpräsident kann noch so oft behaupten, dass das Verhältnis zu Dänemark gut und vertrauensvoll ist und dass es durch seine Minderheitenpolitik nicht getrübt wird, es bleibt die Unwahrheit.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die Enttäuschung über seine Prinzipienlosigkeit in der Minderheitenpolitik ist in Kopenhagen parteiübergreifend. Sie ist auch nicht dadurch geringer geworden, dass diese Position im aktuellen Minderheitenbericht verschwiegen wird,

(Rolf Fischer [SPD]: Hört, hört!)

oder auch dadurch, dass die dänische Mitarbeit in der deutsch-dänischen Arbeitsgruppe auch noch für die Argumentation der Landesregierung vereinnahmt wurde. Daran vermag auch die eilig nachgeschobene Korrektur nur wenig ändern, zumal sie sich auch nur auf eine von mehreren Passagen bezieht.

Für das offizielle Dänemark steht weiterhin fest, dass es keine Alternative zu einer Gleichstellung bei den Schülerkostensätzen gibt, zumal die ausgesprochene Kürzung die Balance bei der Finanzierung der Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland weiter zulasten Dänemarks verschiebt.

Und um gleich der nächsten Mär des Ministerpräsidenten vorzubeugen: Auch Dänemark hat die fetten Jahre hinter sich und muss ebenso hart sparen. Der Unterschied ist nur, die Konservativen, Liberalen, Sozialdemokraten und Sozialisten in Kopenhagen haben alle das Rückgrat, trotzdem nicht ihre minderheitenpolitischen Prinzipien zu verkaufen.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der LINKEN)

Das Rückgrat unserer Landesregierung reicht nicht einmal für das Eingeständnis, hier einen kapitalen Fehler begangen zu haben. Stattdessen will man nun durch eine Umetikettierung den gleichen verdorbenen Inhalt als Neuware verkaufen. Der angekündigte Plan, zum 1. Januar 2013 die 100 % im Schulgesetz wieder einzufügen, aber gleichzeitig die Berechnungsgrundlage in Bezug auf die Altersversorgung so zu manipulieren, dass am Ende das Gleiche dabei herauskommt, ist - um es in der Ter

(Anke Spoorendonk)

minologie des Ministerpräsidenten auszudrücken „eine Ferkelei“.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

Das System des Dänischen Schulvereins ist voll mit der öffentlichen Versorgung vergleichbar und unterliegt den gleichen demografischen Veränderungen. Die Konklusion des Minderheitenberichts, für den Dänischen Schulverein würde durch die Bestandteile der Schülerkostensätze eine „Besserstellung“ erreicht, ist somit wieder einmal eine Unwahrheit.

Ich möchte noch einmal betonen: Der SSW hat die Schuldenbremse mit verabschiedet, und die dänische Minderheit hat sich ganz klar dazu bekannt, solidarisch mit sparen zu wollen, solange nicht einseitig bei der Minderheit gespart wird. Uns ist durchaus bewusst, dass in den kommenden Jahren auch wenig Aussicht darauf besteht, die Gleichstellung auf weitere Bereiche auszudehnen. Das darf aber nicht heißen, dass die Minderheitenpolitik nun allein mit dem Taschenrechner geführt wird und dass jegliche konzeptionelle Weiterentwicklung unterbleibt. Das Land sollte im Gegenteil die Chance nutzen, seine Minderheitenpolitik qualitativ weiterzuentwickeln. Dazu gehört auch die Frage, wie im öffentlichen Raum mit den Minderheiten- und Regionalsprachen umgegangen wird.

Diese Ambition, Minderheitenpolitik konzeptionell neu zu denken, war Mutter der SSW-Initiative für eine Sprachenpolitik für die Minderheiten- und Regionalsprachen. Der Gesetzentwurf des SSW wird heute leider von der schwarz-gelben Koalition abgelehnt werden, was aus unserer Sicht einmal mehr deutlich macht, dass weder CDU noch FDP irgendwelche Ambitionen in Bezug auf die Minderheitenpolitik in Schleswig-Holstein haben.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Das lässt sich leider auch in Bezug auf das Friesische feststellen. Zwar hat das Land mit dem ursprünglich von uns eingebrachten Friesisch-Gesetz eine gesetzliche Grundlage für die Sprachenpolitik. Dieses muss aber auch konsequent verfolgt werden. Im Schulbereich war es in der Tat ein großer Schritt nach vorne, dass auf Initiative des SSW ein Erlass zum Friesisch-Unterricht erarbeitet wurde. Dennoch wirken sich die Schulschließungen im ländlichen Raum negativ auf den Schulunterricht in friesischer Sprache aus. Im Minderheitenbericht wird deutlich gemacht, dass dieser Unterricht freiwillig

ist, was zur Folge hat, dass hier keine Zuverlässigkeit gegeben ist. Es gilt also, neue Strukturen für den Friesisch-Unterricht zu schaffen. Wir meinen, dass in einem ersten Schritt der Friesisch-Unterricht an einigen Schwerpunktschulen obligatorisch sein sollte mit dem Ziel, den Friesisch-Unterricht insgesamt verbindlich zu gestalten.

(Beifall beim SSW)

Eine weitere Baustelle ist der Bereich Rundfunk und Fernsehen. Trotz der Einrichtung eines friesischen Radiosenders auf Föhr kommen die Friesen in Schleswig-Holstein - gemessen an internationalen Standards - medienmäßig weiterhin zu kurz. Deshalb komme ich auch heute nicht an der Aufforderung an den NDR vorbei, mehr auf Friesisch zu senden. Der Friisk Funk zeigt, dass es funktioniert. Eben dieser Friisk Funk - und das richtet sich wiederum an dieses Haus - ist aber nicht zum Nulltarif zu haben. Die Projektfinanzierung ist auf fünf Jahre begrenzt. Dann wird eine dauerhafte Finanzierung notwendig sein, und damit wird dann auch das Land Schleswig-Holstein seiner Verpflichtung nachkommen müssen.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Die 17. Wahlperiode stellt für die Minderheitenpolitik in Schleswig-Holstein einen historischen Rückschritt dar. Gleichzeitig hat die CDU/ FDP-Mehrheit wesentliche qualitative Verbesserungen abgelehnt. Das gilt nicht nur für die Sprachenpolitik, sondern in hohem Maße auch für die Anerkennung der dritten autochthonen Minderheit in Schleswig-Holstein. Dass es abermals nicht gelungen ist, eine Zweidrittelmehrheit für die Aufnahme der Sinti und Roma in den Minderheitenartikel in der Landesverfassung zusammenzubekommen, ist ein Armutszeugnis sondergleichen.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Liebe Frau Kollegin Spoorendonk, ich will hier nur sagen, dass der Begriff, den Sie eben benutzt haben, „Ferkelei“ - von wem auch immer er hier im Parlament benutzt wird -, unparlamentarisch ist.

Jetzt erteile ich für die CDU-Fraktion Frau Abgeordneter Susanne Herold das Wort.

(Anke Spoorendonk)