Protocol of the Session on October 6, 2011

(Beifall bei der FDP)

Auch die Forderung von SPD und Grünen zur Anpassung des Landesbasisfallwertes an einen bundeseinheitlichen Basisfallwert ist nicht neu. Die Landesregierung ist in dieser Frage aktiv. Der Minister hat die Maßnahmen aufgeführt, mit denen die Erlössituation unserer Krankenhäuser verbessert werden soll. Ich wiederhole sie gern, damit sie auch Ihnen im Gedächtnis bleiben: Neuregelung der Mehrleistungsabschläge, Streichung der gedeckelten Veränderungsrate sowie Neuregelung der Konvergenzphase beim Landesbasisfallwert. Diese Maßnahmen werden bereits im nächsten Jahr dazu führen, dass sich die Situation in Schleswig-Holstein verbessert.

Meine Damen und Herren, FDP und CDU haben sich entschieden für die Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen eingesetzt. Wir brauchen aber auch die Unterstützung der Selbstverwaltung und der Kommunen bei der Umsetzung. So können Kommunen attraktive Rahmenbedingungen vor Ort schaffen. Es gibt bereits viele gute Ansätze, wie man kreativ vorgehen kann. Ein Beispiel ist die Gemeinde Joldelund in Nordfriesland, die Praxisräume bereitstellt. Ähnliche Beispiele sind die Gemeinden Pahlen und Dörpling in Dithmarschen.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Sassen [CDU])

Aber auch gute familienfreundliche Arbeitsbedingungen sind eine zentrale Forderung der Studentinnen und Studenten, wie wir neulich hörten. Auch die Einkommenssicherheit ist eine wichtige Frage gewesen. Mit der Reform der Abstaffelung kommen wir dem sicherlich ein wenig näher, auch wenn Sie das immer wieder gern abstreiten.

Die KVSH hat hier bereits vieles in Bewegung gesetzt. Es gibt die Kampagne „Landarztleben“, es gibt die finanzielle Förderung der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin ebenso wie die Verbundweiterbildung. Für diese Initiativen möchte ich mich im Namen der FDP bedanken.

(Anita Klahn)

Die ersten Schritte sind gemacht. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, um mehr junge Ärzte für den ländlichen Raum zu gewinnen.

Die Forderungen des Antrags sind, wie ausgeführt, durch den vorliegenden Gesetzentwurf inhaltlich erfüllt, beziehungsweise der Antrag zeigt mir keine sinnvollen Ergänzungen. Somit sehe ich eine Ausschussüberweisung als nicht zielführend an. Ich beantrage daher Abstimmung in der Sache. Die FDP wird den Antrag ablehnen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Kollegin Dr. Marret Bohn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für den Bericht, Herr Minister. Es gibt eine Reihe von Veränderungen. Dass das Land Schleswig-Holstein künftig ein größeres Mitspracherecht hat, begrüßen wir Grünen ausdrücklich. Ob auf Föhr, auf Fehmarn oder anderswo - flexible Leistungen finden sich vor Ort und nicht in Berlin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wussten Sie, dass Ihre Hausärztin beziehungsweise Ihr Hausarzt den Wohnort bisher nicht frei wählen durfte? Diese Wahl wird durch die sogenannte Residenzpflicht eingeschränkt. Was für Asylbewerberinnen und Asylbewerber falsch ist, das ist auch für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte falsch. Daher begrüßen wir Grünen die Diskussion über die Abschaffung der Residenzpflicht.

Beim Versorgungsstrukturgesetz gibt es demnach ein bisschen Licht. Das ist sehr erfreulich. Allerdings gibt es auch viel Schatten.

Wie schaffen wir es, in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein überall, auch im ländlichen Raum, eine qualitativ gute medizinische und pflegerische Versorgung zu gewährleisten? Das ist die Frage, die wir in den nächsten Jahren beantworten müssen. Hierüber sind wir uns ausnahmsweise einmal einig. Ich hoffe, dass jene, die jetzt nicht hier sein können, in ihren Wahlkreisen auch einmal nachfragen, wie denn die Lage vor Ort ist.

In einer älter werdenden Gesellschaft steigt die Nachfrage nach medizinischen und pflegerischen Leistungen. Das ist so sicher wie das Amen in der

Kirche. Der demografische Wandel ist aber im vorliegenden Entwurf nicht ausreichend berücksichtigt. Dafür gibt es nur einen Ausdruck: Das ist kurzsichtig, und das ist fahrlässig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Wir Grünen fordern Sie auf: Bessern Sie an dieser Stelle nach! Was wir heute nicht säen, können wir morgen nicht ernten. Was wir heute nicht aufbauen, wird die heutige junge Generation morgen allein leisten müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen wir zur Situation der freiberuflichen Hebammen in Schleswig-Holstein. Auch darüber haben wir in den letzten Monaten schon mehrfach debattiert. Alle reden von Familienfreundlichkeit, aber beim Thema Geburtshilfe verschließen CDU und FDP die Augen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die Haftpflichtprämien für Hebammen sind enorm gestiegen. Jede fünfte Hebamme in Schleswig-Holstein hat seitdem ihre freiberufliche geburtshilfliche Tätigkeit aufgegeben. Wir Grünen wollen eine Absicherung der Hebammen über die gesetzliche Krankenversicherung. Das haben CDU und FDP abgelehnt. Aber was ist denn Ihre Alternative? Was ist Ihr Lösungsvorschlag? Das frage ich mich.

(Beifall des Abgeordneten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie können das Problem doch nicht einfach aussitzen. Auch hier fordern wir Grünen auf: Handeln Sie endlich, es ist höchste Zeit!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen wir zu den Psychotherapeutinnen und -therapeuten. Burn-out ist inzwischen fast zu einer Volkskrankheit geworden. Fußballtrainer, Lehrkräfte, Pflegepersonal - quer durch alle Berufsbilder nimmt Burn-out deutlich zu. Immenses persönliches Leiden für die Betroffenen bis hin zum Selbstmord auf der einen Seite, immense volkswirtschaftliche Folgekosten auf der anderen Seite, das ist die Realität. Der vorliegende Gesetzentwurf könnte aber dazu führen, dass wir künftig weniger psychotherapeutische Therapieangebote haben werden. Das ist ein Kunstfehler, liebe Kolleginnen und Kollegen. Auch hier muss nachgebessert werden. Wir brauchen nicht weniger Psychotherapeutinnen und -therapeuten, wir brauchen mehr Psychotherapeutinnen und -therapeuten.

(Anita Klahn)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum krönenden Abschluss möchte der Bundesgesundheitsminister auch noch etwas gegen die Wartezeiten für Kassenpatienten tun. Was macht er? Er droht den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten damit, dass die Kassenpatienten im Krankenhaus behandelt werden. Da frage ich mich glatt: Hat der Bundesgesundheitsminister jetzt einen völligen Blackout? Die Krankenhäuser sind hierfür personell und strukturell überhaupt nicht ausgestattet, schon gar nicht die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein. Erst wird den Krankenhäusern bei den Basisfallwerten der Sauerstoff abgedreht, und dann sollen sie zusätzliche Leistungen erbringen. Das kann überhaupt nicht angehen. Auch das muss hier noch einmal gesagt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo viel Licht ist, ist viel Schatten. Der Gesetzentwurf hat wenig Licht und viel Schatten. Wir Grünen wollen nicht, dass die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein noch mehr belastet werden. Wir wollen, dass die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte die Patientinnen und Patienten der Reihe nach behandeln, und wir wollen das Ende der Zwei-Klassen-Medizin. Deswegen haben wir mit der SPD gemeinsam einen erneuten Antrag eingebracht, dem wir selbstverständlich zustimmen werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort hat die Frau Kollegin Antje Jansen von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich bedanke mich zunächst bei der Landesregierung für ihren Bericht zum Stand des Verfahrens zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz.

Die Diskussion um die Sicherstellung einer flächendeckenden, bedarfsgerechten und wohnortnahen medizinischen Versorgung der Bevölkerung ist in diesem Haus seit Längerem im Gange. Fast jeder zweite Hausarzt in Schleswig-Holstein wird bis 2015 seine Praxis aus Altersgründen aufgeben. Um diese Ärzte zu ersetzen, werden in den nächsten Jahren 900 junge Ärztinnen und Ärzte für die Übernahme einer Hausarztpraxis gesucht. Gleichzeitig wird die Nachfrage nach ärztlicher Versorgung durch den demografischen Wandel

steigen. Dazu hat meine Vorrednerin bereits Stellung genommen. Für unsere älter werdende Bevölkerung droht sich in der wohnortnahen hausärztlichen Versorgung eine Schere zu öffnen. Denn zugleich mit der altersbedingt wachsenden Nachfrage nach ärztlicher Leistung sinkt die Mobilität.

Wir reden hier übrigens nicht von der Zukunft. Schon heute gibt es Krankenhäuer, die Probleme haben, ärztliches Personal zu finden. Das gilt erst recht für den Ersatz von Landärzten. Die Umfeldbedingungen stimmen nicht. Es mangelt an flexiblen Unterbringungs- und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder. Es mangelt gerade in Flächenregionen an wohnortnaher schulischer Infrastruktur. Es mangelt an einem leicht erreichbaren attraktiven kulturellen Umfeld.

Ob Sie es hören mögen oder nicht - Ihre Politik der Haushaltskonsolidierung und deren Verlängerung in die Kreise und Kommunen verringert die soziale Wohn- und Lebensqualität in der Fläche gerade für Hochqualifizierte.

Die Frage ist doch: Erfüllt das GKV-Versorgungsstrukturgesetz die Forderungen, die hier im Landtag zur flächendeckenden hausärztlichen Versorgung, zur Kooperation von ambulanter und stationärer Versorgung und zur Krankenhausfinanzierung hier im Landtag formuliert wurden? - Die Antwort von uns ist: Nein, das Gesetz erfüllt diesen Zweck nicht.

Herr Minister Garg hat am 23. September verlautbart - ich zitiere mit Ihrer Genehmigung -:

„Gesundheitsversorgung muss dezentral statt zentralistisch sein … Es muss Schluss sein mit der Ideologie, Versorgung ließe sich zentral planen, zentral steuern und zentral sichern.“

Der Minister fordert die Stärkung der Länderkompetenzen, um regionale Handlungsspielräume zu erlangen. Ist aber das, was der Gesetzentwurf zum Mitspracherecht der Länder im Gemeinsamen Bundesausschuss und in den Länderausschüssen enthält, eine echte Stärkung der Länderkompetenzen? Öffnet sich hier der Weg zu kleinräumiger Bedarfsplanung, die sich an den wirklichen Erfordernissen der medizinischen und ärztlichen Versorgung der Region ausrichtet. Was wir bräuchten, sind verlässliche Zahlen, die uns sagen, wie viele Ärztinnen und Ärzte, aber auch wie viel Pflegepersonal, wie viele Psychotherapeuten, Hebammen und so weiter für die Versorgung einer Region notwendig sind.

(Dr. Marret Bohn)

(Beifall bei der LINKEN)

Unabhängig davon, ob wir nun zu viele oder zu wenig Ärzte haben, fest steht, dass die Regionen unterschiedlich gut versorgt sind. Es müssen Ärztinnen und Ärzte in die unterversorgten Gebiete Schleswig-Holsteins. Nach Ansicht der Bundesregierung reicht es aus, vor allem finanzielle Anreize zu schaffen, damit Ärztinnen und Ärzte vermehrt in unterversorgte ländliche Bereiche gehen. Eine wissenschaftliche Studie hat aber gezeigt, dass man sie nicht mit Geld auf das Land locken kann. Uns geht es um Daseinsvorsorge.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man die Versorgung der Rechte organisieren will, muss man tatsächlich auch an die Strukturen heran. Wir brauchen generell befristete Kassenzulassungen, und es muss vielmehr auf angestellte Ärztinnen und Ärzte gesetzt werden.

Natürlich muss die Landarzttätigkeit mit ihren vielen Hausbesuchen und langen Anfahrtswegen, aber auch mit ihren sozialen Funktionen angemessen vergütet werden. Der Vorschlag, die Abstaffelung der Leistungsmenge für Ärzte in unterversorgten Gebieten, bringt aber keinen Arzt zusätzlich auf das Land. Was wir brauchen, ist eine dauerhaft aufwandsdeckende Vergütung der Landärzte.

Der Gesundheitsminister Dr. Garg findet es nicht nur ökonomisch vertretbar, sondern auch gesundheitspolitisch geboten, die Erlössituation der Krankenhäuser wenigstens etwas zu entspannen. Da haben Sie auch ein bisschen recht, Herr Minister.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Das genügt aber nicht. Was wir brauchen, ist eine solide Refinanzierung der Krankenhäuser. Damit wären wir bei der Forderung nach der Einführung eines bundesweit einheitlichen Basisfallwertes. Das wäre nicht nur Ihr, sondern auch unser Vorschlag. Wir hoffen, dass Sie sich dabei für Schleswig-Holstein auch einmal durchsetzen können.

(Beifall bei der LINKEN)