Protocol of the Session on October 5, 2011

Nach der Hauptursache muss man übrigens nicht lange suchen. Während Rendsburg 15 % seiner Einnahmen für soziale Leistungen aufwenden muss, sind es in Büdelsdorf nur 1 %. Direkte Nachbarschaft! Die Defizite sind also nicht die Ursache, wie eben dargestellt worden ist, sondern die Folge.

Der Begriff der „strukturellen Besonderheit“ in der Begründung -

(Zuruf des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP])

- Zur Strukturpolitik spricht der Bürgermeister einer kleinen Gemeinde. Ich könnte ganz viel zu den entsprechenden Wegzugs-, Auszugs- und sonstigen Effekte sagen.

Der Begriff der „strukturellen Besonderheit“ in der Begründung, die strukturellen Rahmenbedingungen vor Ort und auch der Zwischenruf von eben suggerieren, dass die Kommunen das zumindest langfristig ändern könnten. Soll der Rendsburger Stadtrat beschließen, dass gefälligst 1.000 KdU-Empfänger nach Büdelsdorf umziehen sollen? Ist das damit gemeint?

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Sie alle wissen, wie soziale Wanderungsbewegungen funktionieren. Selbst wenn das ginge, würde das das Problem nur innerhalb der kommunalen Familie verschieben.

Natürlich sind auch vor Ort Fehler gemacht worden. Das ist doch gar keine Frage. Auch Gemeindeund Stadträte machen nicht alles richtig. Aber der Kern des Problems, die Hauptursache für das Defizit bleibt, dass die Kommunen vom Landes- und vor allem vom Bundesgesetzgeber vielfältige Aufgaben zugewiesen bekommen haben, die nicht ausfinanziert sind.

(Beifall bei der SPD - Tobias Koch [CDU]: Die haben wir alle bekommen!)

- Die Aufgaben ja, aber nicht die Leistungsempfänger. Wer diese Aufgaben besonders umfangreich wahrnehmen muss, weil er zum Beispiel einen überdurchschnittlichen Anteil von Leistungsempfängern in seiner Wohnbevölkerung hat - das ist der Unterschied zwischen Büdelsdorf und Rendsburg -, muss sich dann auch noch den Vorwurf der Verschwendung gefallen lassen. Deshalb müssen bei einer kommunalen Entschuldung, so wichtig sie ist, die von der Selbstverwaltung nicht beeinflussbaren Kostensteigerungen herausgerechnet werden. Das wäre fair.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zusammenfassend bleibt zu sagen: Ein goldener Zügel - hier ist es eher ein vergoldeter - kann durchaus ein vernünftiges Steuerungsinstrument sein, er darf nur nicht die kommunalen Zugpferde strangulieren.

Herr Dr. Dolgner, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kalinka zu?

Aber gern doch.

Herr Kollege, können Sie nach Ihrer Logik erklären, warum von den rund 1.100 Städten und Gemeinden in Schleswig-Holstein etwa 950 keine strukturellen Probleme haben?

- Herr Kollege Kalinka, ich fordere Sie einfach einmal auf, von diesen 950 Gemeinden den Anteil an Sozialkosten, Sozialleistungen, die der Bundesgesetzgeber festgelegt hat, zu summieren. Dann werden Sie feststellen - noch einmal -, dass Büdelsdorf nur 0,2 Millionen € und Rendsburg 6 Millionen € bei einer nur zweieinhalbfach größeren Einwohnerzahl aufwenden muss. Daran und auch an den strukturellen Problemen hat übrigens auch die kurz

(Dr. Kai Dolgner)

fristige CDU-Mehrheit im Rat nichts ändern können. Wir haben über „Soziale Stadt“ und so weiter gesprochen. Das alles sind Effekte, die dazu führen, dass sich Menschen in bestimmten Einkommensgruppen in gewisse Bereiche begeben. Das ist altbekannt. Ich kann Ihnen nachher noch einmal eine kleine Führung durch den Rendsburger Bereich geben. Auf den Plöner Bereich vertrauen Sie ja nicht so. Das haben Sie ja gerade gesagt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich komme zum Schluss. Den umfangreichen Anforderungen, welche der Gesetzentwurf den Städten und Kommunen abverlangt, muss zumindest ein Rechtsanspruch auf Planungssicherheit gegenübergestellt werden. Also: Wenn ihr das erfüllt, habt ihr einen Rechtsanspruch auf die Konsolidierungshilfen. Es darf nicht nur eine Kann-Bestimmung sein. Eine kommunale Entschuldung ist richtig. Aber wenn man das zum übergroßen Teil mit eigenem Geld der Kommunen macht, ist man nicht unbedingt der Held, sondern muss sich Mogelei oder - um im Bild zu bleiben - einen gewissen Hang zur Rosstäuscherei vorhalten lassen.

(Anhaltender Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie alle wissen, auch wir in Schleswig-Holstein befinden uns in einer Schuldenkrise. Wir haben in der Vergangenheit immer wesentlich mehr ausgegeben, als wir eingenommen haben. Dabei ist nicht nur das Land in einer angespannten Haushaltslage, auch viele Kommunen im Land teilen ein ähnliches Schicksal. Die FDP - und mit ihr die Landesregierung und die Koalition - unternimmt alles Mögliche, um künftigen Generationen nicht einen erdrückenden Schuldenberg zu vererben.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Alles Mögliche, da haben Sie recht!)

Wir haben uns für die Installation einer Schuldenbremse in die Landesverfassung eingesetzt und begrüßen die Entwicklung in einigen Kommunen, die für sich eine ähnliche Selbstverpflichtung durch Beschlüsse in den Vertretungen festgeschrieben haben, sehr.

(Beifall bei der FDP)

Der vorliegende Gesetzentwurf zur Konsolidierung kommunaler Haushalte ist ein weiterer Beitrag zur Sanierung der Haushalte in Schleswig-Holstein.

Dabei stellt sich die finanzielle Situation der Kommunen Schleswig-Holsteins sehr unterschiedlich dar. Ich verweise insoweit auf den Bericht der Landesregierung über die finanzielle Situation der Kommunen in Schleswig-Holstein. Es gibt Kommunen, die in den vergangenen Jahren verantwortungsvoll und umsichtig mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln umgegangen sind und nach wie vor umgehen; andere befinden sich trotz aller Bemühungen in einer sehr angespannten Lage.

Die Gründe sind so vielfältig wie die Kommunen selbst. Ein Grund ist sicherlich allen gemein: zu geringe Finanzmittel für zu viele Aufgaben. Auf eine Bewertung möchte ich an dieser Stelle verzichten. Wir müssen nach vorn sehen und uns vielmehr die Frage stellen, was wir als Landesparlamentarier unternehmen können, damit die betroffenen Gemeinden, Städte und Kreise bei der Bewältigung ihrer Schulden nicht alleingelassen werden und gezielte, nachhaltige Unterstützung bekommen, ohne Anreize für weiteres Schuldenmachen zu setzen und ohne die wirtschaftlich gut dastehenden Kommunen zu belasten; denn diese dürfen für ihr Verhalten nicht bestraft werden.

Wie erreichen wir nun das Ziel, die entstandenen Defizite langfristig abzubauen und strukturell ausgeglichene Haushalte nicht nur auf Landesebene, sondern auch in den Kommunen zu erreichen? Für die zu bewältigenden Probleme der betroffenen Kommunen reicht das bestehende Instrument des kommunalen Bedarfsfonds nicht aus; es sind zusätzliche Konsolidierungshilfen notwendig. Der Gesetzentwurf sieht zur Erreichung dieses Ziels zusätzliche Mittel in Höhe von insgesamt 95 Millionen € vor. Neben den 15 Millionen € aus der letzten Änderung des Finanzausgleichs und zusätzlichen 15 Millionen € aus dem Aufkommen der erhöhten Grunderwerbsteuer stellt das Land aus eigenen Landeshaushaltsmitteln insgesamt 30 Millionen € den notleidenden Kommunen zur Konsolidierung ihrer Haushalte zur Verfügung. Das ist ein respektabler Betrag, mit dem das Land seine Verantwortung für die Kommunen wahrnimmt.

Dieser zusätzliche finanzielle Beitrag des Landes ist allerdings - ähnlich wie bei der Konsolidierungshilfe für unser Land - an Auflagen gebunden, die mit dem Innenministerium abgestimmt und in ei

(Dr. Kai Dolgner)

nem Vertrag vereinbart werden. Einen Blankoscheck für zusätzliche Hilfen kann es nicht geben.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die Hilfe ist zeitlich begrenzt - auf zehn Jahre -, setzt große Anstrengungen der hilfeempfangenden Kommunen voraus und darf keine weitere Verschuldung mittel- und langfristig zulassen. Die Mittel sollen als Hilfestellung gewährt werden; die großen Anstrengungen müssen die Kommunen erbringen. Die Übernahme der Schulden durch das Land durch eine 100-%-Finanzierung kommt nicht infrage. Das würde zu einer Ungleichbehandlung führen und falsche Signale senden.

Wir wollen die Kommunen auch nicht bevormunden. Sie müssen dieses Hilfsangebot nicht annehmen; sie können es allerdings.

Wenn Herr Albig in den „Kieler Nachrichten“ vom 22. September dieses Jahres erklärt, wir wollten den verschuldeten Kommunen Daumenschrauben anlegen oder sie in ihrer Autonomie einschränken, dann ist das Populismus - oder Quatsch - und wird der Lage nicht gerecht. Nach wie vor haben die betroffenen Kommunen selbst die Möglichkeit, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen - auch ohne Hilfe des Landes. Es stellt sich nur die Frage, wie wichtig die eigene Unabhängigkeit genommen wird. Wir vom Land erwarten für zusätzliche finanzielle Zuwendungen im Gegenzug lediglich das Aufzeigen von Maßnahmen, die auch vertraglich fixiert sind, mit denen ein Zustand erreicht werden kann, der diese Hilfen künftig - spätestens nach zehn Jahren überflüssig macht.

Um die Konsolidierungshilfe zu erhalten, müssen natürlich bestimmte Kriterien erfüllt sein: Mindestens die Hälfte der Jahresabschlüsse aus den Jahren 2002 bis 2009 muss negativ sein, und der aufgelaufene Fehlbetrag muss mindestens 5 Millionen € betragen. Immerhin erfassen wir mit diesen Kriterien 90 % des insgesamt bei den Kommunen aufgelaufenen Defizits.

Ob die berechtigten Kommunen diesen Weg beschreiten, bleibt ihnen überlassen; ansonsten muss die obere Kommunalaufsicht auf andere Art und Weise ihre Verantwortung wahrnehmen.

Ich bin gespannt, wie die Anhörung und die Beratungen im Ausschuss erfolgen, und hoffe, dass wir zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Immer mehr Kommunen können ihre Haushalte nur über Kredite ausgleichen, geraten in eine immer höhere Verschuldung und schieben notwendige Investitionen vor sich her. Deshalb hält meine Fraktion den Grundgedanken eines kommunalen Konsolidierungsprogramms für richtig.

(Tobias Koch [CDU]: Sehr gut!)

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf will die Landesregierung denjenigen Kommunen helfen, die die höchsten Schulden haben. Dabei wird die neue Schuldenhilfe ebenfalls kreditfinanziert sein. Der durchaus achtbare - Zuschuss des Landes von 15 Millionen € muss am Kapitalmarkt aufgenommen werden und kostet uns bereits im ersten Jahr 450.000 € Zinsen. Deshalb sollte man sehr genau überlegen, ob das Gesetz tatsächlich seinen Zweck erfüllt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Den Großteil des 95-Millionen-€-Pakets zahlen aber die Kommunen selbst, weshalb ihre Skepsis verständlich ist.

Aus kommunaler Sicht ist die neue Schuldenhilfe „rechte Tasche - linke Tasche“. Nur, meine Damen und Herren: Wenn die Kommunen das Geld aus der linken Tasche wieder herausholen wollen, steht der Innenminister als Kontrolleur davor. Deshalb muss klar sein: Wenn sich eine Kommune auf den Konsolidierungspfad einlässt, darf sie sich anschließend nicht schlechterstellen als vorher.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist richtig, dass Solidarität keine Einbahnstraße sein darf. Deshalb ist es konsequent, neue Hilfen mit neuen Sparanstrengungen zu verknüpfen.

Aber der Gesetzentwurf enthält eine Reihe von offenen Fragen: Ist es gerecht, wenn nur große Kommunen mit einem aufgelaufenen Fehlbetrag von über 5 Millionen € Hilfe aus dem Topf erhalten? Ist bei der geplanten Verteilung der Mittel letztlich derjenige der Dumme, der in den vergangenen Jahren bereits solide gewirtschaftet hat? Stimmt es, dass die Landeshauptstadt Kiel im Vergleich zum jetzigen System mehrere Millionen Euro verlieren