Zweitens die europäische Energie- und Klimapolitik. Sie wird mit über den weiteren Ausbau unserer Energienetze und darüber entscheiden, wie schnell wir das Zeitalter der erneuerbaren Energien erreichen. Deswegen ist es eine Investition in die Zukunft, dass wir uns an RENREN, dem regionalen Netzwerk für erneuerbare Energien, beteiligen. Hier schließen sich die Regionen Europas zusammen, die besondere Kompetenz bei den erneuerbaren Energien besitzen. Ich will nur deutlich machen, dass es auch bei der Diskussion über die 600 und wie viel Kilometer an neuen Leitungen, die wir in Schleswig-Holstein als 380-kV-Leitungen an der Westküste verlegen, es selbstverständlich und notwendig ist, eine solche Leitung nicht an der Grenze aufhören zu lassen, sondern die Westküste insgesamt dort mit anzubinden. Ich habe dieses Angebot der dänischen Regierung gemacht, und sie hat es angenommen; gestern sind dort Wahlen gewesen
- heute, Entschuldigung -, und wir wissen nicht, wer dann Gesprächspartner sein wird. Aber das ist auch ganz gleich.
Schleswig-Holstein wird sich um diese Diskussion kümmern. Energie- und Klimapolitik greift in viele andere Bereiche ein. Als Beispiel nenne ich hier nur einmal die Diskussion, ob und inwieweit öffentliche Ausschreibungen in Zukunft „grüne“ Kriterien bei ihrer Vergabepolitik berücksichtigen müssen.
Drittens die Reform der EU-Strukturfonds. Die Strukturfonds bilden zusammen mit der Agrarpolitik das Rückgrat unserer Regional- und Strukturpolitik und unserer Politik für den ländlichen Raum. Diese Reform wird mit darüber entscheiden, welche Mittel nach 2013 dafür in SchleswigHolstein zur Verfügung stehen und welche Schwerpunkte und Ziele wir aktiv verwirklichen können.
Die Diskussion auf europäischer Ebene läuft bereits. Sie wird dort und auch bei uns konkreter werden, sobald absehbar ist, welche Mittel für welche Ziele zur Verfügung stehen. Die Reform wird auch darüber entscheiden, wie unsere grenzüberschreitende und interregionale Zusammenarbeit mit unseren Partnern im Ostseeraum und im skandinavischen Raum darüber hinaus aussehen wird.
Alle drei Themenfelder sind Felder im wahrsten Sinne des Wortes. Hier gibt es etwas zu bestellen, sie müssen beackert werden, hier besteht Handlungsbedarf nicht nur für uns als Landesregierung, sondern für alle wichtigen Akteure im Land, für die Wirtschaft, für die Wissenschaft und auch für die Kommunen.
Schleswig-Holstein ist dafür gut aufgestellt. Wir können uns einbringen, weil wir in Brüssel präsent sind. Schleswig-Holstein wirkt auf europäischer Ebene auf die politische Willensbildung ein – sei es durch das Hanse-Office, im Ausschuss der Regionen oder durch die Mitarbeit in Initiativen wie dem eben genannten RENREN. Ich meine, das sind gute Voraussetzungen, um optimistisch in unsere europäische Zukunft zu schauen - eine Zukunft, in der wir uns immer wieder fragen müssen: Sind wir gut genug aufgestellt, um künftige europäische Entwicklungen umzusetzen? Können wir unsere Interessen auf europäischer Ebene schnell genug und vor allem gut genug darlegen? Und vor allem: Können wir unseren Interessen auch zum Erfolg verhelfen? - Ich sage: Ja, das können wir.
aktuelle Debatte machen deutlich: Europa kann und darf uns hier in Schleswig-Holstein nicht egal sein. Europa ist mehr als nur eine gemeinsame Währung. Als Garant eines einigen Europas ist der Euro jedoch unverzichtbar. Dieses Europa der Freiheit und Demokratie ist unsere Heimat, denn die Zukunft Schleswig-Holsteins hängt an einem starken und an einem gesunden Europa. Dieses Signal können wir heute aussenden. Ich bitte Sie: Lassen Sie uns dieses Signal heute auch aussenden!
Herzlichen Dank, es tut mit leid, dass es etwas länger geworden ist, aber im Moment sind die Themen ein bisschen größer.
Ich eröffne die Aussprache. Der Ministerpräsident hat die verabredete Redezeit um viereinhalb Minuten überschritten. Diese Zeit steht nunmehr auch den Fraktionen zusätzlich zur Verfügung. Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Abgeordneter Dr. Ralf Stegner.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolleginnen! Wenn wir über Europa sprechen, das sich in einer schwierigen Lage befindet, dann ist es in der Tat wichtig, daran zu erinnern, was ich am Anfang meiner Rede auch tun will, dass meine Generation die erste Generation ist, die nach Jahrzehnten des Kriegs, des Hungers und der Diktaturen in Frieden, Freiheit und Wohlstand aufwachsen konnte. Das haben wir der europäischen Einigung und den Prozessen zu verdanken, die seit 1945 stattgefunden haben. Das bedeutet, dass man neben der Wertschätzung kluger Politiker - kluge Politikerinnen waren auch dabei - darauf hinweist, dass dies - wie übrigens auch die deutsche Einheit - in erster Linie ein Verdienst der Menschen ist, die sich für Freiheit eingesetzt haben und dies bewirkt haben. Das waren keine einsamen Entscheidungen der Politik, sondern das waren immer Entscheidungen von Menschen in Europa.
Unsere Vorstellung von Europa bringt Menschen zusammen, die aus der Vielfalt, die wir in Europa haben, ein starkes und gemeinsames Europa machen; ein Europa, das von Toleranz, von Menschenwürde und von dem Willen beseelt ist, dass alle die gleichen Chancen haben, das mitspielen und seiner Verantwortung in der Welt gegenüber den vielen
Völkern, denen es deutlich schlechter geht als uns Europäerinnen und Europäern, gerecht werden kann.
Herr Ministerpräsident, ich stimme Ihnen zu: Wenn wir heute über die Krise in Europa reden, dann gibt es keine einfachen Lösungen. In schwieriger Lage sind Seriosität, ein klarer Kurs und eine gemeinsame Verantwortung gefragt; eine Verantwortung, die sich übrigens auch in den Reden widerspiegeln muss, die in diesen Tagen zu Europa gehalten werden. Verantwortung heißt immer, dass man sich fragt, wie die Lage in Europa ist. Ich möchte dabei zu drei Punkten Stellung nehmen.
Erstens. Was ist Europa für uns Deutsche? Zweitens. Wodurch wird die europäische Idee bedroht? Drittens. Was könnten die Antworten sein, die wir zu geben haben?
Zunächst will ich sagen: Europa ist für uns Deutsche eine ungeheure Erfolgsgeschichte, weil sie uns aus den Irrungen und Wirrungen herausgeführt hat, die nicht zuletzt von Deutschland ausgegangen sind. Die Nachkriegsordnung hat etwas damit zu tun.
Deshalb ist unsere Verantwortung gefragt. Deutschland war immer Profiteur des europäischen Fortschritts. Die Behauptung, wir seien der Zahlmeister Europas, ist immer falsch gewesen. Wir haben als größtes Land in der Mitte Europas immer mehr davon profitiert als irgendein anderes Land.
Ein Land, das so vom Export abhängt, wie wir es tun, kann nur Exportweltmeister sein, wenn man einsieht, dass es falsch ist, den Menschen zu suggerieren, wir seien die Zahlmeister und würden dafür sorgen, dass Geld woandershin transferiert wird. Wir sind selbst in der Krise die Profiteure. Was glauben Sie, warum die Banken sich dazu entschlossen haben, weiterhin mit Griechenland Geschäfte zu machen? - Sie haben sich nicht dafür entschieden, weil sie den Altruismus für sich entdeckt hätten, sondern weil sie mit dem, was sie dafür bekommen, Geschäfte machen, die uns zu Milliardengewinnen führen werden. Auch hier sind Europa und auch Deutschland nicht etwa Zahlmeister, sondern Profiteure dieser Entwicklung.
Das muss man berücksichtigen, wenn man über diese Dinge spricht und den Menschen in Teilen Angst macht. Deshalb möchte ich mich ganz besonders mit der Fragestellung beschäftigten, wodurch die europäische Idee bedroht wird. Hier stimmen wir nicht überein: Es ist eben nicht in erster Linie eine Staatsschuldenkrise, über die wir hier reden.
- Das ist ein Aspekt, aber das ist nicht der zentrale Aspekt. Ich komme gleich zu der Begründung, warum ich das so sehe.
Die Situation in Griechenland ist nicht so, dass die Menschen dort weitgehend über ihre Verhältnisse leben. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dort arbeiten, leben nicht über ihre Verhältnisse.
Richtig ist, dass zum Beispiel die frühere konservative Regierung bei den Zahlen getrickst und betrogen hat. Das ist richtig.
Richtig ist auch dies: Wenn geholfen wird, dann sind selbstverständlich Gegenleistungen für die Hilfe notwendig, das ist klar. Dies soll aber bitte nicht in der Attitüde des deutschen Besserwissers geschehen, der den Menschen erzählt, was sie zu tun hätten.
In der Tat wünsche ich mir zum Beispiel, dass in Griechenland Steuern eingetrieben werden. Die Reichen und die Superreichen werden an den Dingen nicht beteiligt. Das wäre etwas, was helfen würde. Helfen würde auch, wenn wir weniger Rüstungsgüter nach Griechenland exportieren würden. Das wäre nicht ganz verkehrt, denn dafür gibt man dort mehr aus als in anderen Ländern, ohne stärker bedroht zu sein. Das sind Dinge, über die man reden kann. Ich warne aber davor, die Finanzkrise -
- Heute ist der dritte Jahrestag der Pleite von Lehman Brothers. Die Hauptbedrohung für die europäische Einigung sind der Marktradikalismus und die Zockerei der Finanzindustrie, also diejenigen, die uns die Krise eingebrockt haben.
Denken Sie an Irland. Sie haben uns erzählt, wie toll das dort ist: Löhne runter, Steuern runter, keine Regulierung der Finanzindustrie, sondern man hat sie sich entwickeln lassen. Was ist aus dem Superland Irland geworden? - Das Superland Irland ist ein Kandidat für Hilfe geworden, weil diese Rezepte immer falsch gewesen sind.
Deshalb war in der Finanzkrise nicht der Staat das Problem, sondern er war die Lösung der Probleme: Die Konjunkturpakete, die Frank Steinmeier und andere eingebracht haben, waren die Lösung. Die FDP war immer dagegen, um sich danach zu rühmen und zu sagen, das sei ein XXL-Aufschwung. Das ist der Beitrag der FDP.
Das, was die FDP dazu eingebracht hat, ist offenkundig. Es ist offenkundig, dass sie dagegen gewesen ist, dass der Staat solche Hilfen gibt. Ich muss sagen, ich bin weit davon entfernt, die Staatsgläubigkeit -
Ich stelle fest: Das, was der Kollege Kubicki gestern über seine Mutter gesagt hat, ist hier ungerügt geblieben. Ich will das Präsidium aber nicht kritisieren. Lassen Sie mich fortfahren!
Ich bin weit davon entfernt, die Staatsverherrlichung derer zu teilen, die sich auf dieser Seite des Parlaments gelegentlich dazu äußern. Das ist aber heute weniger das Problem, sondern die AntiStaatshaltung von Parteien wie der FDP, die immer noch nicht kapiert haben, dass Marktliberalismus und der Wettbewerbsfundamentalismus, den Sie gestern beim Glücksspielthema so gefeiert haben, nicht der richtige Weg für Europa sind und dass die Politik aufgefordert ist zu helfen, um die Krise zu beseitigen.