wir auch die Aufrufe so. Sie sollten es bitte nicht so darstellen, als ob man hier gemeinsame Sache mit den Extremisten macht. Das ist nicht der Fall. Das wissen Sie.
- Das nehme ich für die ganz überwiegende Zahl dieser Organisationen gern zur Kenntnis. Aber leider kommt es immer wieder zu Ausnahmen. Sie persönlich zählen nicht dazu, aber es gibt andere -
(Wolfgang Baasch [SPD]: Wer denn? Sag doch mal! - Zuruf von der SPD: Wer denn? - Zuruf von der SPD: Na und?)
- Schau doch einmal in die Zeitung! Da wird unterschrieben: Ja, wir stehen zu Blockaden; setzt euch dort hin; das ist alles in Ordnung; macht mit. Und darunter stehen Namen ehrenwerter Mitglieder dieses Landtags, aber daneben leider auch die Namen von Organisationen, die ich hier auf keinen Fall sehen möchte.
Es kann auch nicht angehen, dass unter dem Deckmantel des zivilen Ungehorsams die Grundprinzipien unseres Rechtsstaats Stück für Stück infrage gestellt werden. Was, meine Damen und Herren, sollen die Bürger denken, wenn sogar schon ein Mitglied am linken Rand unseres Landtags öffentlich zur Sachbeschädigung und daher auch dazu aufruft, Menschenleben zu gefährden? Nichts anderes ist es, wenn es heißt: „Castor? Schottern!“
- Es geht sogar noch weiter: Sich auch noch damit zu brüsten, dass man das Gewaltmonopol des Staats und polizeiliche Maßnahmen nicht anerkenne, ist wohl ein überdeutlicher Beleg dafür, dass das Verständnis für unseren Rechtsstaat nicht bei jedem angekommen ist.
DIE LINKE hat sich heute Morgen hier hingestellt und - ich darf zitieren - „eine Überwindung des herrschenden Systems“ gefordert und auch noch die deutsche Wiedervereinigung bedauert. Das spricht doch Bände.
- Ich habe ja nur zitiert. Sie müssten es gegebenenfalls selber richtigstellen und sagen, wie Sie es gemeint haben.
Meine Damen und Herren, in der linksextremistischen Szene brüstet man sich genau wie in der rechtsextremistischen immer noch mit vermeintlich erfolgreichen Aktionen gegen das sogenannte System oder „den repressiven Staat“. Selbstredend sind diese Aktionen bislang überhaupt nicht erfolgreich gewesen. Unser Staat ist stabil. Es steht keine Machtübernahme von links oder von rechts bevor. Deutschland ist gefestigt. Die überwältigende Mehrheit unserer Bevölkerung steht hinter unserer Staatsverfassung. Dass das so bleibt, ist eine immerwährende Aufgabe und im Einzelfall vielleicht nicht immer leicht. Für die Freiheit einzutreten, ist aber immer der richtige Weg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verfassungsschutzbericht liefert uns Politikerinnen und Politikern eine massiv wichtige Datenquelle. Er hilft uns dabei, Auskunft über extremistische Gruppen zu erhalten und anhand von beobachteten Internetaktivitäten thematische Schwerpunkte in dieser Szene festzustellen. Er liefert uns einen Bezug zur Gesamtsituation in Deutschland, und er macht es uns möglich, anhand von Übergriffen und Gewaltzahlen Vergleiche zu ziehen und eine Idee von regionalen Schwerpunkten zu bekommen.
Aber der Verfassungsschutzbericht ist lediglich eine Analyse dessen, was beobachtet werden konnte. Was dieser Verfassungsschutzbericht nicht liefert und nicht liefern kann, sind Ideen, wie man der extremistischen Gewalt in Schleswig-Holstein begegnen kann. Dazu habe ich leider auch gerade eben nichts gehört.
Dabei steht doch die Frage im Raum: Warum befassen wir uns mit diesem Bericht? Wir sind weder Polizei noch beobachtende Behörde, und wir sind auch nicht das Innenministerium. Wir sind das Parlament, und wir haben die Verpflichtung, aus all dem, was in dem Bericht steht, politische Handlungen abzuleiten. Deshalb begreift die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Verfassungsschutzbericht als politischen Arbeitsauftrag, und ich würde mir wünschen, dass alle Fraktionen dies täten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, ich weiß, dass Sie sich besonders Sorgen um den gewaltbereiten Linksextremismus machen. Das haben Ihre Pressemitteilungen in der Vergangenheit deutlich gezeigt. Ich sage Ihnen: Natürlich muss es uns Sorge bereiten, wenn vermehrt Jugendliche und junge Menschen ihren Ärger über Politik und Gesellschaft, ihren Protest, in Gewalt ausdrücken. Das ist in Form und Ausdruck absolut nicht hinnehmbar. Aber wir müssen uns auch die Frage stellen, warum das so ist. Das halte ich an dieser Stelle für ganz wichtig. Warum ist der Unmut über unsere Gesellschaft, über unser Wirtschaftssystem, über das politische System, über uns, die Politikerinnen und Politiker, eigentlich so groß? - Ganz ehrlich, unser Wirtschaftssystem zu kritisieren, gegen den Sozialabbau oder gegen beschlossene Auslandseinsätze zu protestieren, ist erst einmal nichts Verfassungsfeindliches,
Aber das hört auf, wenn der Verfassungsstaat, wenn die Demokratie, zur Disposition steht oder Gewalt als Mittel, um diese Kritik zum Ausdruck zu bringen, genutzt wird.
Herr Kollege Koch, ich wende mich jetzt aufgrund einer Pressemitteilung direkt an Sie. Sie können aufhören, mir über die Zeitungen zukommen zu lassen, dass wir an irgendeiner Stelle Bürgergewalt
oder Linksextremismus verharmlosen würden. Für uns Grüne steht überhaupt nicht zur Diskussion, dass der Kampf gegen Nazis nur auf demokratischem Boden und vor allem nur gewaltfrei gelingen kann.
Wir Grüne lehnen jede Form der Gewaltanwendung ab. Wir nehmen auch besorgt zur Kenntnis, dass es Extremismus von verschiedenen Seiten hier in Schleswig-Holstein gibt. So sagt der Bericht, dass es im Hinblick auf den Islamismus zwar keine festen Strukturen gibt, aber durchaus Einzelpersonen, von denen ein gewisses Bedrohungspotenzial ausgeht. In dem Bericht steht - bezogen auf die Salafiyya -, dass besonders junge Muslime aus schwierigen Lebenssituationen und in schwierigen Lebensverhältnissen steckend empfänglich werden können für diese Bedrohungen.
Für mich leitet sich daraus direkt etwas Politisches ab. Wir haben die Aufgabe, gemäßigten jungen Muslimen in Deutschland, die in ihrem Glauben keinen Widerspruch zu unserer Verfassung sehen, die überzeugte und sehr häufig auch politisch aktive Demokraten sind, zu stärken, sie aktiver am politischen Prozess zu beteiligen, deutlich zu machen, dass der Islam nicht gleich Islamismus ist, dass das eben nicht das Gleiche ist, und dass Gewalt an dieser Stelle auch für junge Menschen keine Lösung sein darf.
An anderer Stelle wurde auch nicht gezögert: Mit der Extremismusklausel - wir haben das hier diskutiert, und wir Grüne halten dieses für ein falsches Mittel - hat sich die konservativ-liberale Regierung in Bund und Land daran gemacht, sich von Demokratieinitiativen das Bekenntnis zur Demokratie sogar schriftlich geben zu lassen.
Auf der anderen Seite aber - und daher meine Wut, auf den - wie ich finde - hier vom Land ausgehenden fahrlässigen Umgang mit dem Thema Rechtsextremismus - war es möglich, dass eine Lehrerin, also eine Staatsbedienstete, es vermocht hat, jahrelang in Bredstedt Schülerinnen und Schüler für die NPD zu mobilisieren. Niemanden im Kollegium, niemanden, hat das interessiert. Auch heute noch darf an dieser Schule nicht über dieses Problem und diese Vorgänge gesprochen werden. Erst der Einsatz einer unglaublich mutigen Mutter hat diesen Fall aufgedeckt. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine krasse Bedrohung für unsere Demokratie. Herr Kalinka, Sie sprechen von Wachsamkeit.
Ich finde - das ist sozusagen die zentrale Kritik, die in meinem Redebeitrag enthalten ist -, dass das zeigt, dass wir an dieser Stelle zu wenig getan haben. Nazis bedrohen unser System in akutem Maße, weil wir kaum Strukturen gegen Rechtsextremismus haben und weil die dahinterstehende Ideologie unsere Demokratie kontinuierlich unterminiert. Sie bedrohen uns, weil sie Menschen das Existenzrecht absprechen, weil sie Menschen erster und zweiter Klasse erschaffen, weil sich ihr Hass und ihr Aktionsfeld gegen behinderte Menschen, Obdachlose, Homosexuelle, Migranten und Demokraten richtet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Ende steht eine Zahl, und die heißt 1.340. 1.340 Nazis in Schleswig-Holstein regen nicht zum Handeln an, sondern sie zwingen einen dazu.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Koch, Sie können gern die Debatte von heute Morgen verdrehen wie Sie wollen, ich werde versuchen, Ihnen das noch einmal zu erklären. DIE LINKE, die hier sitzt, würde es nicht geben, wenn wir kein größeres Deutschland hätten. Selbstverständlich sind wir dafür, dass wir dieses Deutschland haben. Wir hätten uns bloß gewünscht, dass das nicht nach Artikel 23 Grundgesetz erfolgt wäre, sondern dass wir nach Artikel 146 Grundgesetz - wie es damals übrigens auch die Grünen gefordert haben Deutschland neu organisiert hätten.
Meine Damen und Herren, gern hätte ich auch schon letztes Jahr hier im Plenum über den Verfassungsschutzbericht geredet. Leider sollte es nicht sein. Das war damals der 50. Jahrestag der Gründung des Verfassungsschutzes. Gern hätte ich anlässlich dieses Jahrestages zum Beispiel auch darüber diskutiert, welche Rolle der Verfassungsschutz in den Skandalen der Nachkriegszeit gespielt hat Stichwort Heyde-Sawade-Affäre -, aus welchen Kreisen sich die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in Schleswig-Holstein in den Nachkriegsjahren
zusammengesetzt haben. Das hätte viel erklärt und würde viel erklären. Aber das ist nicht Thema des heutigen Tages. Der Bericht, der uns heute hier vorgelegt wird, ist aus unserer Sicht so unsinnig wie die Arbeit des Verfassungsschutzes in SchleswigHolstein.
In der Öffentlichkeit ist ja in der letzten Zeit viel übers Abschreiben gesprochen worden. Auch der jetzige Bericht ist zu großen Teilen ein Aufguss aus dem letzten Jahr, Herr Innenminister. Das betrifft nicht nur den sogenannten Linksextremismus. Auch im Abschnitt Rechtsextremismus findet man nichts, was nicht auch auf den einschlägigen Internetseiten der Faschisten zu lesen ist. Auch die neuen Erkenntnisse über extremistische Bestrebungen mit Auslandsbezug halten sich unserer Meinung nach sehr in Grenzen.
Im Folgenden möchte ich hier nur auf zwei Bereiche eingehen. Ich komme zuerst zum Rechtsextremismus, Frau Amtsberg. Ich bin immer noch entsetzt über Ihre Rede, die ich hier am 29. Juni 2011 im Landtag zum NPD-Verbot hören musste. Sie haben dort gesagt, dass sich die gewaltbereiten Nazis zunehmend in autonomen Gruppen engagierten und nichts mehr mit der „weichgespülten NPD“ zu tun haben wollten. Frau Amtsberg, das steht nicht einmal so im Verfassungsschutzbericht. Warum nehmen Sie nicht endlich einmal zur Kenntnis, dass NPD und auch die sogenannten autonomen Nationalisten in Schleswig-Holstein Seit’ an Seit’ marschieren - zum Beispiel auch am 1. Mai diesen Jahres in Husum? Warum nehmen Sie nicht zur Kenntnis, was in unserem Nachbarland MecklenburgVorpommern abgeht? Auch dort gibt es einen Schulterschluss. Übrigens gibt es dort auch eine Kameradschaft, eine freie, die sogar dieses schreckliche Attentat in Norwegen gutgeheißen hat.