Protocol of the Session on August 26, 2011

Fragen Sie die Beschäftigten. Besuchen Sie zum Beispiel die Pflegekräfte am Arbeitsplatz. Das haben wir getan. Die SPD-Fraktion hat im Juni ein Pflegepraktikum durchgeführt. Machen Sie es wie wir, hören und sehen Sie gut zu. Wir haben deutlich vor Augen geführt bekommen, was Pflegearbeit bedeutet. Schließen Sie sich uns an und sehen Sie sich durch die Brille der Beschäftigten und der Patientinnen und Patienten die stationären Arbeitsbedingungen an. Wir haben das getan, und wir sind entsetzt, meine Damen und Herren.

Reine Begrüßungsformeln von Scheinlösungen oder ein Beschluss des Bundesrates, auch wenn dieser jetzt von Rot-Grün dominiert wird, helfen bisher nicht weiter. Als Claqueure stehen wir für die Erfolge Dritter zulasten der Menschen in Schleswig-Holstein nicht zur Verfügung. Da sind wir auch gern bereit, uns mit unseren Genossinnen und Genossen in anderen Bundesländern anzulegen. So kann man mit Schleswig-Holstein nicht umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist uns nach wie vor unverständlich, warum die CDU die Gemeinsamkeiten der Großen Koalition so schnell preisgegeben hat. Nach wie vor sind mindestens 20 eingeplante Millionen € im Rahmen

(Ursula Sassen)

der Konvergenzentwicklung jährlich futsch. Wir erwarten die Intervention direkt an der Wurzel im liberalen Gesundheitsministerium in Berlin.

Das Statistische Bundesamt hatte den Auftrag bekommen, Vorschläge für die Ermittlung von Orientierungswerten für die Realfinanzierung von Krankenhäusern zu finden. Sie haben den Auftrag erfüllt, sehr schön, aber nun halten die Minister Rösler und jetzt Bahr diese vielleicht weisen Erkenntnisse unter Verschluss. Was soll denn das? Wir haben die Daten irgendwo in Berlin, und wir kommen nicht heran. Die Große Koalition hat auch noch mehr auf den Weg gebracht. Das Bundesprogramm für zusätzliche pflegerische Fachkräfte, eine gute Idee unserer ehemaligen Bundesgesundheitsministerin, wird nicht verlängert. Warum das? - Das ist in der jetzigen Situation unverantwortlich. Ich hoffe, das kriegen Sie wieder hin, Herr Minister. Was jedenfalls fehlt, ist eine dauerhafte Regelung der Personalbemessung in der Pflege. Tragen Sie Ihren Bundeskollegen Bahr zum Jagen, Herr Minister!

Was wir noch brauchen, ist schließlich der Ausbau unserer solidarischen Krankenversicherung. Wir wollen eine moderne, umfassende Bürgerversicherung mit umfassenden Spielräumen für die Überwindung von Sektorengrenzen mit echten Kooperationen für die Sicherstellung ambulanter medizinischer Versorgung. Im September mehr dazu.

Nun noch kurz zu den Anträgen: Leider ist der Antrag der LINKEN eigentlich gar kein Antrag, sondern eine Stellungnahme mit Handlungsidee. Das ist schön. Aber wir verstehen Ihr Anliegen sehr wohl und haben daraus einen richtigen Antrag gemacht. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie diesen Antrag wenigstens in den Sozial- und Gesundheitsausschuss überweisen, damit wir gemeinsam mit den Krankenhäusern und ihren Personalvertretungen nach Lösungswegen suchen. Oder lehnen Sie unsere Anträge auch gern ab, damit wenigstens die Betroffenen da draußen wissen, wem sie am 6. Mai 2012 noch vertrauen können.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Letzter Satz, Frau Präsidentin. - Viel Seegang, viel Wind, viel zu tun, guter Antrag, „klar zur Wende“.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Da wir Liberale und ganz besonders Gesundheitsminister Dr. Garg sich schon seit Langem für eine bessere finanzielle Situation unserer Krankenhäuser einsetzen, freut es mich ganz besonders, dass die Linken dieses Thema wieder einmal in die Öffentlichkeit bringen und diese Forderung noch einmal stellen. Ich finde es außerordentlich gut, dass Sie sich so frühzeitig und rechtzeitig in diese Diskussion einmischen. Ich freue mich auch über die Anträge der restlichen Opposition, die ihre Anträge, wie wir sehen, gern nach Demonstrationslage stellt.

In diesem Zusammenhang verweise ich so wie meine Kollegin Ursula Sassen gern auf die im Oktober 2010 geführte Landtagsdebatte zum Thema „Gleiches Geld für gleiche Leistung“. Alle Fraktionen haben sich im Schleswig-Holsteinischen Landtag in dieser Debatte einstimmig für den CDU- und FDPAntrag ausgesprochen und der Landesregierung bei ihren Bemühungen, einen bundesweiten einheitlichen Basisfallwert herbeizuführen, ihre Unterstützung zugesichert. Auf Initiative Schleswig-Holsteins hat dann der Bundesrat einen entsprechenden Beschluss herbeigeführt.

Es ist Ihnen doch bekannt, dass Bayern, aber auch andere Südländer aus rein regionalem Interesse keine Gleichstellung der Krankenhäuser mit den schleswig-holsteinischen haben wollten und deswegen das Ganze blockiert haben. Diese politische Gemengelage ist auch nicht neu und bestand auch schon in der Zeit, als die linke Opposition noch Regierungsverantwortung trug. Sie müssen sich doch einmal fragen, warum Sie dieses Problem nicht lösen konnten, oder mehr noch, wer dieses Problem gefördert hat. Die jahrelang verfehlte Gesundheitspolitik von Ulla Schmidt hat doch die Krankenhäuser in die Situation geführt, in der sie jetzt stecken. Die SPD hat das Gesundheitssystem an die Wand gefahren. Auch das wissen die Menschen draußen.

(Beifall bei der FDP)

Schwarz-Gelb muss doch den Karren aus dem Dreck ziehen und die Milliardenlöcher jetzt stopfen, die Sie uns hinterlassen haben. Bezeichnenderweise sagen Sie in Ihren Anträgen - auch das will ich gern hervorheben - kein Wort zur Finanzierung,

(Bernd Heinemann)

gar nichts. Sie stellen Forderungen, Sie versprechen, eben wieder gehört, auf höchstem Niveau. Und wie soll es bezahlt werden? Dann sagen Sie den Menschen draußen auch, dass das nur durch hohe Beiträge und ich weiß nicht wie geht. Auch das gehört zur Wahrheit. Man kann auch nicht so tun, als ob man im luftleeren Raum hängt. Gerade in dieser Frage geht es doch um erhebliche Geldmittel bundesweit. Ganz ehrlich, die Menschen draußen haben eine bessere, ehrlichere Politik verdient. Ich dachte, gerade die Grünen wollten sich von dieser Art von Politik verabschieden, zumindest habe ich der Presse entnommen, dass Sie sich an diesem Wochenende der Realität nähern wollten. Das sage ich einmal etwas vorsichtiger.

(Ulrich Schippels [DIE LINKE]: Das ist Ihre Realität!)

Jedenfalls ist einigen bei Ihnen wohl klar geworden, dass all ihre Wunschvorstellungen sich so nicht realisieren und finanzieren lassen. Da sage ich ganz schlicht und einfach: Es hat ein bisschen gedauert - willkommen im Club!

Ich spreche Dr. Garg meinen persönlichen Dank aus, dass er dieses Thema mit Nachdruck im Bund immer wieder auf die Tagesordnung bringt - zuletzt in der Gesundheitsministerkonferenz im Zusammenhang mit der EHEC-Krise - und mit besonderem persönlichen Einsatz für die Krankenhäuser des Landes kämpft. Insofern ist es auch ein Erfolg des Bundesgesundheitsministeriums - Frau Sassen hat es erwähnt -, dass es jetzt eine Studie in Auftrag gegeben hat, die analysiert, warum wir die unterschiedlichen Länderbasisfallwerte haben.

Eines ist auch klar: Die prekäre Finanzsituation der schleswig-holsteinischen Krankenhäuser lässt sich nicht allein mit einem bundesweit einheitlichen Basisfallwert lösen. Es ist der richtige Schritt in die richtige Richtung, und hier wird den betroffenen Menschen auch ein Gefühl von Gerechtigkeit gegeben. Aber der Investitionsstau bei den Häusern ist auf mangelnde Finanzausstattung und wegweisende Fehlentscheidungen der vergangenen Regierungen zurückzuführen. Themen wie Personalstandards und Gehälter sind aus meiner Sicht originäre Themen von Gewerkschaften bei Tarifverhandlungen.

Ein letztes Wort zum Problem Basisfallwert: Ich glaube, der erfolgversprechendste Ansatz wäre, um die ganz große Lösung herbeizuführen, dies im Paket mit einer Neuordnung des Länderfinanzausgleichs zu regeln und so auch die Südländer zu beteiligen.

(Lachen bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich als gesundheitspolitische Sprecherin meiner Fraktion noch einmal den Beschäftigten in Schleswig-Holsteins Kliniken meinen Dank und meine Anerkennung für ihre Arbeit aussprechen. Diese Menschen bringen jeden Tag volle Leistung, häufig unter wirklich schwierigen Rahmenbedingungen. Wir sollten zusehen, dass hier bald eine langfristige Lösung gefunden wird. Da Sie uns immer gern unterstellen, dass wir keine Ahnung haben, was in den Krankenhäusern stattfindet, möchte ich Ihnen einmal ganz klar sagen: Wer kann mehr Ahnung haben, was im Krankenhaus stattfindet, als eine Mutter, die acht Wochen mit ihrem Kind dort verbracht hat - rund um die Uhr - und mitbekommen hat, was dort stattfindet, und Gespräche geführt hat?

Ich betone an dieser Stelle gern noch einmal: Die Regierungskoalition hat sich stets und wird sich auch weiterhin für eine Angleichung der Basisfallwerte einsetzen.

Ich beantrage Abstimmung in der Sache. Ebenso beantrage ich, den Antrag der Koalition zu einem eigenständigen Antrag zu erklären.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Dr. Marret Bohn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines vorab: Es läuft nicht rund, es läuft nicht gut, und vor allen Dingen läuft es nicht schnell genug.

24 Stunden am Tag sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenhäuser in Schleswig-Holstein für die Patienten da. Egal bei welcher Witterung, tags, nachts, am Sonntag und an Heiligabend. Egal wann, immer ist für die Patienten gut gesorgt. Wir haben eine gute medizinische Versorgung in Schleswig-Holstein. Wir alle sollten dafür kämpfen, dass das auch so bleibt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ein gutes Beispiel ist die EHEC-Krise gewesen. Wir haben die Krise überstanden. Das haben wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Kran

(Anita Klahn)

kenhäusern, Laboren und dem öffentlichen Gesundheitswesen zu verdanken. Dafür haben sie alle unseren Dank und unsere Anerkennung verdient und auch bekommen. Jetzt zur Tagesordnung überzugehen, wäre jedoch falsch. Was wird aus den unzähligen Überstunden, die geleistet worden sind, wie geht es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern weiter? - Ich sage Ihnen einmal, wie es weitergeht. Ich kenne es aus zehnjähriger Berufserfahrung im FEK Neumünster. Seit Jahren nimmt der Druck auf die Krankenhäuser zu. Immer mehr Patienten, immer kürzere Liegezeiten. Die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern werden von Jahr zu Jahr schlechter, und die Mitarbeiter werden ausgequetscht wie eine Zitrone. Damit muss endlich Schluss sein!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Wir Grüne unterstützen die Forderung. Wir haben den Antrag aber, liebe Kollegen von der FDP, schon eingereicht, als die Demonstration draußen noch nicht lief. Ich würde mir noch einmal überlegen, was Sie gerade gesagt haben. Wir unterstützen die Forderung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Wir wollen den bundesweit einheitlichen Basisfallwert. Die Arbeit in Schleswig-Holstein ist ganz genauso viel wert wie die in Rheinland-Pfalz.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bis Ende letzten Jahres sahen die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein beim Thema Basisfallwert Licht am Ende des Tunnels. Dann kam der damalige Bundesgesundheitsminister Rösler von der FDP und knipste das Licht aus. Seine Gesetzesänderung hat die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein etwa 20 Millionen € gekostet.

Dann hat sich Herr Rösler vom Acker gemacht. Es kam Minister Bahr. Der zeigt genauso wenig Interesse, die Lage nachhaltig zu verbessern, wie sein Vorgänger. Die Krankenhäuser schauen nach wie vor in die Röhre. Das kann so nicht bleiben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hatten schon einmal eine ähnliche Situation. Damals ist es Gesundheitsministerin Frau Dr. Trauernicht gelungen, eine Angleichung für unsere Krankenhäuser zu erreichen. Dafür haben Sie, liebe Kollegin Dr. Trauernicht, meine volle Anerkennung und meinen vol

len Respekt. Das war bestimmt keine einfache Verhandlung, die Sie da geführt haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Auch Herr Minister Garg hat versucht, eine Angleichung für Schleswig-Holsteins Krankenhäuser zu erreichen. Leider ist ihm das bis zum heutigen Tage nicht gelungen. Das ist sehr bedauerlich.

Unser Antrag beschäftigt sich im Übrigen nicht nur mit den Landesbasisfallwerten. Liebe Kollegin Sassen, ich bin mir sicher, dass Sie das, was wir im dritten und vierten Absatz fordern, im Grunde inhaltlich unterstützen.

Damit komme ich zur zweiten Forderung, die lautet: Wir müssen die Spirale der Arbeitsverdichtung durchbrechen, die zum Burnout bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führt. Es muss Schluss sein mit der Unterfinanzierung der Personalkosten. Wir Grüne wollen daher die Umsetzung des Orientierungswerts. Auch insoweit wäre mehr Initiative gefordert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun zu unserer dritten Forderung. Es gibt ein Programm für zusätzliche Pflegekräfte, die sogenannten Ulla-Schwestern, benannt nach der ehemaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Wir Grüne wollen die Ulla-Schwestern behalten. Das würde den Krankenhäusern in Schleswig-Holstein ein kleines bisschen mehr Luft zum Atmen geben. Schauen Sie sich das noch einmal an. Das ist eine klare Forderung, die Sie unterstützen sollten.