Ich werde in dieser Rede versuchen, mich einigen Anschuldigungen der Gentechnik gegenüber zu widmen, die schlichtweg einer sachlichen wissenschaftlichen Diskussion im Wege stehen. Man muss sich bei dieser Debatte bewusst machen, dass die Weiße Gentechnik seit Jahren einen anerkannten und wichtigen Beitrag leistet und in keinem Maße verteufelt wird. Nur als Beispiel sei hier die Herstellung von künstlichem Insulin genannt. Bei der Grünen Gentechnik müssen wir beginnen, jenseits emotionaler Aspekte auf sozialer, ökologischer und ökonomischer Ebene zu diskutieren. Ebenso müssen wir uns intensiv mit dem wichtigsten Faktor, dem mündigen Verbraucher, auseinandersetzen.
Die Grüne Gentechnik trägt schon heute in ihren derzeitigen Anbaugebieten zu einer preisgünstigen und vor allem sicheren Versorgung mit Lebensund Futtermitteln bei. In Anbetracht der demografischen Entwicklung der Weltbevölkerung und der generellen Güterknappheit dürfen wir uns nicht von vornherein Chancen verbauen, indem wir ethische Bedenken in diesen Bereich vorschieben. Ist es denn ethisch vertretbar, die Grüne Gentechnik generell zu verdammen, wenn man damit Hungersnöte verhindern könnte?
Für die FDP stellt die Grüne Gentechnik, begleitet durch sorgfältige Abwägung aller Kriterien, auch Chancen dar, die es dann auch unter Umständen zu nutzen gilt. Wer den Menschen in Afrika und Südostasien diese Chancen verwehrt, muss sich ebenfalls ethisch hinterfragen lassen. Wir müssen uns auch aus sozialer Sicht diesem Thema offen zeigen. Im Zeitraum von 1996 bis 2008 summierten sich die Mengenertragsgewinne auf 167 Millionen t, was bei den Erntemengen des Jahres 2008 eine Reduktion der Flächeninanspruchnahme gegenüber konventionellen Kulturen von 62,6 Millionen ha entspricht. Die ökologische Bedeutung einer derartigen Flächeneinsparung ist also enorm. Durch eine solche Verringerung der Bodennutzung konnten durch schonende Bodenbearbeitung 13,2 Millionen t Kohlendioxid im Boden gebunden werden.
Weiterhin bedeutet weniger Bedarf an schädlichen Pflanzenschutzmitteln in konventioneller Anbauweise eine deutlich geringere Belastung für Kleinbauern und Beschäftigte in der Landwirtschaft. Aus ökologischer Sicht wäre es fatal, auf die Erforschung und Entwicklung einer solchen Technik mit derartigem Potenzial zu verzichten.
Aus ökonomischer Sicht lässt sich von derselben Seite argumentieren. Die Ertragssteigerungen sprechen hier eine deutliche Sprache. Schleswig-Holstein wird es sich auf lange Sicht nicht leisten können, auf die Forschung und Nutzung in diesem Bereich zu verzichten. Ebenso wenig darf es Ziel sein, sich auf europäischer Ebene für Protektionismus einzusetzen.
Selbstverständlich akzeptieren auch wir die gemeinschaftsrechtliche Nulltoleranz. Dennoch müssen wir hinterfragen, ob mit diesem rechtlich umstrittenen Konstrukt der Nulltoleranz nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird.
Meine Damen und Herren, ich mache hier deutlich, dass diese Diskussion nicht die verschiedenen Wirtschaftsweisen diskreditieren soll. Konventionelle Betriebe und Biobetriebe wollen wir nebeneinander
haben. Dabei darf die Grüne Gentechnik nicht außen vor bleiben; denn am Ende entscheidet der Verbraucher.
Die Kritik an der Gentechnik durch Umwelt- und Verbraucherschutzverbände war in der Vergangenheit in ihrem Ausmaß nicht auf Europa beschränkt, hat jedoch nur hier derart tiefgreifende politische Folgen ausgelöst. Einfuhrrichtlinien erschweren es Produzenten außerhalb Europas erheblich, gentechnisch veränderte Produkte in Europa anzubieten. Wir müssen den Verbraucher bei dieser Diskussion mitnehmen und dürfen nicht durch Populismus Angst schüren. Einem mündigen, aufgeklärten Verbraucher muss die Politik auch nicht vorschreiben, welche Lebensmittel er kaufen soll. Information und Aufklärung sowie Vertrauen in die Mechanismen des Marktes sind für uns der richtige Weg.
Somit gilt es, der Grünen Gentechnik aus sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Sicht sowie vor allem aus Sicht der Verbraucher eine reelle Chancen zu geben. Deshalb sind unsere Position und unsere Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Umwelt- und Agrarausschusses nach wie vor gültig.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage mich manchmal, was wir in den letzten eineinhalb Jahren hier gemacht haben. Auch frage ich mich, wer Ihre heutigen Reden aufgeschrieben hat. Es kann nicht sein, dass wir Rote, Weiße und Grüne Gentechnik durcheinanderwerfen. Ich will gar nicht - ich darf das einmal so sagen: - auf all die krusen Zahlen eingehen, die uns soeben dargeboten wurden.
Herr Kollege Hay hat sehr vieles sehr deutlich gesagt. Bisher ist Schleswig-Holstein frei von Gentechnik. Gentechnisch veränderte Pflanzen werden in unserer Landwirtschaft nur zu Versuchszwecken angebaut, aber in Schleswig-Holstein gar nicht. Das ist Anlass zur Freude. Für Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft in unserem Land ist dies ein Standortvorteil, den wir unbedingt erhalten müssen.
Die große Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher lehnt Agro-Gentechnik ab. Landwirtinnen und Landwirte verlieren durch sie letztlich nur. Gewinner dieser Politik der Gentechnik sind im Grunde einzig die großen Saatgutunternehmen, die ihre Marktposition sichern und ihre weitreichende Vormachtstellung weiter ausbauen. Das kann überhaupt nicht die Position sein. Überall dort, wo Agro-Gentechnik eingesetzt wird, sehen wir, wer die Verlierer sind. Dass die Verbraucherinnen und Verbraucher Verlierer sind, sehen wir in den USA und Brasilien und auch in anderen Teilen der Welt. Wir sind bisher davon verschont geblieben, durch unsere Politik, durch die Politik vieler Verbände und Organisationen und durch Bürgerinitiativen.
Damit Landwirte gentechnisch veränderte Pflanzen nicht versehentlich mit verunreinigtem Saatgut ausbringen, gibt es bei uns im Land das Saatgut-Monitoring. Diese Woche durften wir in der Zeitung lesen, dass alle in diesem Jahr geprüften 88 Rapssorten zum Glück frei von Verunreinigungen waren. Darüber können wir uns freuen. Aber in der Vergangenheit gab es bereits massiv Fälle von Verunreinigung. Wir wissen alle, dass wir das nicht wieder einfegen, nicht wieder zusammentragen können, sodass wir dann - zum Beispiel beim Rapsanbau hier im Land - eine ökologische Katastrophe haben.
Sehen wir uns einmal die Kostenverteilung an. Biobetrieben und konventionellen Betrieben, die gentechnikfrei bleiben wollen, entstehen erhebliche Untersuchungskosten. Dies ist schlicht und einfach eine Umkehrung des Verursacherprinzips. Jene, die gentechnikfrei bleiben wollen, haben massive Kosten, um über die Untersuchungen zu beweisen, dass sie diese Gentechnikfreiheit auch einhalten.
Wir haben festgestellt, dass es inzwischen auf europäischer Ebene völlig andere Positionen gibt. Das, was Sie, Herr Rickers, hier dargestellt haben, erweckt den Eindruck, als hätten Sie, seitdem die Anträge hier eingegangen sind, also eineinhalb Jahre lang, überhaupt nicht aufgepasst. Auf europäischer Ebene gibt es die Freisetzungsrichtlinie, es gibt ein deutliches Votum des Parlaments, dass es das so, wie es die Kommission vorgeschlagen hat, nicht will. Um nur ein paar Punkte zu nennen: Sozioökonomische Kriterien sollen berücksichtigt werden, Regionen sollen sich als von Gentechnik frei erklären können, die Untersuchungen auf europäischer Ebene sollen erheblich verbessert werden,
was beinhaltet, dass wir endlich von dieser lobbygesteuerten EFSA, dieser Unterdrückungsbehörde, wegkommen müssen. Auf europäischer Ebene liegt es jetzt am Ministerrat, an den Vertretern der europäischen Länder, dass das, was das Parlament zum Glück beschlossen hat, nicht wieder eingesammelt wird, und wir brauchen ein starkes Parlament auf europäischer Ebene, das in diesen Fragen nicht wackelt.
Durch die Beschlüsse vom 5. Juli besteht jetzt die Situation, dass Gentechnik in Europa nicht mehr Wettbewerbsrecht ist, dass es jetzt nicht mehr heißt: Wir müssen es überall haben, wir müssen Wettbewerbsgerechtigkeit und Wettbewerbsgleichheit überall einführen. Vielmehr ist die Gentechnik nunmehr im Umweltrecht verankert. Von daher können wir jetzt mit ganz anderen Standards an die Sache herangehen. Dies ist ein Quantensprung, der uns künftig die Gentechnikfreiheit sichern kann.
(Beifall der Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Heinz-Werner Jezewski [DIE LINKE])
Die Anträge haben jetzt fast eineinhalb Jahre im Landtag geschmort. Wir haben öfter über sie debattiert. Es gab eine umfangreiche Anhörung, wobei ich mich allerdings frage, ob alle Kolleginnen und Kollegen auch da waren. In der Position des Europäischen Parlaments, der Kommission und des Ministerrats hat sich viel bewegt. Aber wie ich sehe, ziehen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, mit den Beschlussanträgen heute stur Ihre Position durch. Damit gefährden Sie nach wie vor die Gentechnikfreiheit der Produkte, die hier in Schleswig-Holstein angebaut werden.
Mit dieser Politik verursachen Sie hohe Untersuchungskosten für die Betriebe, die weiterhin gentechnikfrei erzeugen wollen. Das ist eine Umkehr des Verursacherprinzips. Es gibt keine Koexistenz. Das ist heute bereits mehrfach gesagt worden. Durch Ihre Politik der Beliebigkeit, die Sie uns gestern bereits mehrfach dargestellt haben, besteht immer die Gefahr, dass sich die Gentechnik hier im Land ausbreiten könnte. Wir würden dann einen Quantensprung in Verwaltungsarbeit, in Kontrollkosten und Untersuchungskosten erleben. Aber so weit wird es nicht kommen. Das Gesamtareal der gentechnisch veränderten Pflanzen in Anbau, Forschung und Versuchswesen beträgt bei 12 Millionen ha Ackerfläche, die wir in Deutschland haben, gerade einmal 7,3 ha. Vielleicht setzen Sie sich ein
mal gemütlich in Hamburg an die Binnenalster. Das entspricht nämlich lediglich der halben Binnenalster.
Ihre Politik war in dem Punkt der Durchsetzung der Gentechnik, die Sie hinter dem Begriff der Koexistenz und der Wahlfreiheit verbergen,
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Auch ich kann mich kurz fassen, aber nicht, weil wir schon so oft darüber gesprochen haben, sondern weil die Kollegen Lothar Hay und Bernd Voß fast alles Wichtige schon richtig gesagt haben. Wenn ich allerdings die Beiträge der Regierungskoalition höre, so kommt mir der Stoßseufzer in den Sinn: Herr, lass Hirn regnen! Zusätzlich fällt mir dann noch ein: Und nimm CDU und FDP bitte die Schirme weg!
Es gab vier Sitzungen des Fachausschusses, wir haben im Plenum diskutiert. Haben Sie etwas gelernt? Haben Sie etwas begriffen? Wir können zehnmal darüber reden, und Sie werden immer noch nichts begriffen haben. Sie hätten die Chance gehabt, Ihre Positionen zu korrigieren. Ich sage bewusst „korrigieren“, weil sie einfach falsch sind.
Es gibt hunderttausend Argumente. Wenn man sich mit dem Einsatz von Gentechnik beschäftigt, muss man zu dem Schluss kommen, dass der Eingriff in das Erbgut lebender Organismen nur falsch sein kann.
Es kann nicht funktionieren. Es gibt kein friedliches Nebeneinander, zumindest kein friedliches Neben
einander von gentechnisch veränderten und von natürlichen, von der Natur hervorgebrachten Organismen. Es kann nicht funktionieren. Lothar Hay hat es sehr schön erklärt. Wir haben es oft genug gehört. Es stört die Verbraucher.
Herr Brodersen, wenn Sie von mündigen Bürgern reden, sollten Sie zunächst einmal dafür sorgen, dass wir eine transparente und verpflichtende Kennzeichnungspflicht bekommen. Die gibt es nämlich nicht. Insofern ist der mündige Verbraucher etwas, was Sie anführen, weil es Ihnen hier taktisch in den Kram passt, aber kein Argument für die Veränderung von Organismen durch gentechnische Maßnahmen.
Eine Koexistenz kann es nicht geben. Fakt ist: Unsere Landwirtschaft wird mehr und mehr Pflanzen brauchen, die unter den veränderten Umweltbedingungen gedeihen können. Ich finde es ganz hervorragend, dass die FDP plötzlich ihre soziale Ader entdeckt. Ich würde mir aber wünschen, Herr Brodersen, dass Sie nicht nur an die Hungernden in Afrika denken, sondern auch in Schleswig-Holstein einmal soziale Initiativen anstoßen und unter die Leute bringen. Die könnten wir von der FDP ganz gut gebrauchen.
Es wird ein langer und zeitaufwendiger Weg werden, den Anforderungen, die die Natur uns stellt und die die Veränderungen der Natur uns stellen, im Einklang mit der Natur gerecht zu werden. Ein Freibrief für den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft können und dürfen diese Anforderungen aber auf keinen Fall sein. Ganz im Gegenteil, wir müssen sehen, dass die Agro-Gentechnik zumindest in Schleswig-Holstein und natürlich auch bundesweit und in Europa ausgeschlossen wird. Gentechnisch veränderte Pflanzen machen natürlich auch bei Kurså an der dänischen Grenze nicht Halt. Ihr Erbgut überträgt sich in gesundes Erbgut von anderen Pflanzen in Schleswig-Holstein. Dann haben wir die Sauerei.
Es ist nicht nur gesundheitlich ein Risiko, sondern auch wirtschaftlich. Noch leben die schleswig-holsteinischen Bauern von der hervorragenden Qualität ihrer Produkte. Wenn wir nicht wollen, dass das in zwei oder drei Jahren vorbei ist, sollten Sie endlich anfangen umzudenken. Unter den Bedingungen, die der Kollege Voß gerade genannt hat, unter den neuen Bedingungen in der Europäischen Gemeinschaft sollten wir gemeinsam versuchen, diesen Unsinn in Schleswig-Holstein ein für alle Mal abzuschaffen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anhörung im Umwelt- und Agrarausschuss hat wieder einmal deutlich gemacht, wie kontrovers das Thema Gentechnik in der Landwirtschaft ist. Auf der einen Seite werden die wirtschaftlichen Interessen und Chancen angeführt sowie die Schwierigkeit, sich in einer globalen Landwirtschaft völlig gegen die Einfuhr von gentechnisch veränderten Organismen zu wehren. Auf der anderen Seite sind die Auswirkungen auf Natur und Umwelt nicht hinlänglich bekannt, und der weitaus größte Teil der Verbraucher lehnt die grüne Gentechnik ab. Im Groben sind dies die Punkte, um die es hier geht.
Es gibt keine endgültige wissenschaftlich untermauerte Stellungnahme, die das eine oder andere ausschließt oder befürwortet. Solange es aber keine eindeutige Entwarnung in Bezug auf die Risiken gibt, muss die politische Aufgabe sein, den Umgang mit der Agro-Gentechnik gesetzlich so zu regeln, dass davon keine Gefahr für Mensch und Natur ausgeht. Was einmal losgetreten wurde, kann nicht wieder zurückgeholt werden. Aus Sicht des SSW sollten wir daher die Möglichkeit wahrnehmen und in Schleswig-Holstein den Anbau und die Verbreitung von GVO verbieten.