Protocol of the Session on August 26, 2011

Bei uns besteht, wie eingangs erwähnt, mit 28 Einrichtungen und insgesamt 4.130 Plätzen ein großes Angebot, das auf die Belegung durch andere Bundesländer angewiesen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Mehrheit der Anspruchsberechtigten aus Schleswig-Holstein die jeweilige Maßnahme in einem anderen Bundesland durchführen möchte.

Eigene Erhebungen des Müttergenesungswerkes in den Beratungs- und Erhebungsstellen zeigen auf, dass die Anzahl der Bewilligungsanträge in den letzten Jahren gesunken ist.

Zu den häufigsten Ablehnungsgründen zählt der Verweis auf die Teilnahme an ambulanten Behandlungsformen. Diese seien ausreichend, zumal keine Vorsorgebedürftigkeit vorhanden sei und mütterspezifische Belastungen nicht vorlägen. Zudem häuft sich der Verweis auf die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers.

Wir begrüßen es, dass sich Schleswig-Holstein seit Jahren eingehend mit der Situation der Mutter-/ Vater-Kind-Kuren und deren Einrichtungen befasst. Auch wir sagen, dass kranke und überlastete Mütter und Väter diese Art von Unterstützung dringender denn je benötigen. Sie leiden häufiger als andere an ständigem Zeitdruck, beruflicher Belastung, mangelnder Unterstützung und fehlender Anerkennung. Allzu häufig ist das schroffe Ablehnungsverfahren der Krankenkassen missachtend, teilweise sogar gesetzeswidrig.

Wir tragen die politische Verantwortung für die Familien, deren Schutz und deren Möglichkeiten, gesunde und gleiche Lebensverhältnisse vorzufinden. Das Land unterstützt besondere Schulungsangebote für Haus- und Kinderärzte. Es gibt Informationen und fördert die fachliche Fortbildung im Hinblick auf Mutter-/Vater-Kind-Kuren. Dass weiterer Handlungsbedarf besteht, ist offensichtlich. Die „Begutachtungsrichtlinie Vorsorge und Rehabi

litation“ des MDK und der Begutachtungsleitfaden müssen dringend überarbeitet werden.

Wir begrüßen es ebenfalls, dass seitens des zuständigen Bundesministeriums Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern von Leistungserbringern und Leistungsträgern von Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen, insbesondere von Mutter-/VaterKind-Kuren, durchgeführt werden.

Weiterhin sind wir sehr gespannt auf die Ergebnisse der Beratungen des Gesundheitsausschusses des Bundestages, der einen überparteilichen Entschließungsantrag zu Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen eingebracht hat. Der MDK und der GKV-Spitzenverband werden darin aufgefordert, die Maßnahmen umzusetzen, die für die Verwirklichung des Anspruchs auf diese Kuren notwendig sind. Wir beantragen die Überweisung an den Ausschuss. Dort wollen wir uns weiter darüber unterhalten.

(Beifall bei der CDU - Auf den Tischen eini- ger Mitglieder der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN liegen Zitrusfrüchte)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in der Debatte fortfahren, eine weitere geschäftsleitende Bemerkung: Obst gehört üblicherweise nicht zu den Dingen, die in unseren Plenarsaal gehören, Obst mit Botschaften schon gar nicht. - Ich erkenne bei einigen schon eine Reaktion. - Lieber Herr Kollege Dr. Tietze, wer den Vitaminstoß braucht, der möge sich dieses saftige Vergnügen vor der Tür gönnen und ansonsten bitte von den Tischen entfernen. Herzlichen Dank für das Verständnis.

Ich erteile jetzt für die FDP-Fraktion der Frau Abgeordneten Anita Klahn das Wort.

Ich könnte jetzt sagen: Wir gut, dass ich keine Zitrone bekommen habe. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben den Bericht der Landesregierung gehört; vielen Dank, Herr Dr. Garg. Die Fragen existieren schon lange, auch viele Antworten sind uns im Kern schon bekannt gewesen. Mutter-/Vater-KindMaßnahmen stellen einen wichtigen Teil unseres Gesundheitswesens dar und haben durchaus ihre Berechtigung. Leider entsteht der Eindruck, dass die Krankenkassen diese Einschätzung nicht teilen. Antragsstellerinnen und Antragssteller sehen sich in der Praxis mit einer Reihe von Barrieren

(Katja Rathje-Hoffmann)

konfrontiert. Das beginnt damit, dass viele Antragssteller nicht einmal die Antragsformulare von ihrer Kasse zugesandt bekommen, sondern schon im Vorfeld abgewürgt werden.

Es freut mich, dass der Bericht der Landesregierung nun offiziell mit dem Mythos von der Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers aufräumt. Bisher war das ein beliebtes Totschlagargument der Kassen. Auch die Inhalte des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes sprechen eine klare Sprache. Das Prinzip „ambulant vor stationär“ ist hier nicht mehr anzuwenden und kann somit auch nicht mehr als Ausrede gelten. Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass hier das geltende Recht angewandt wird; denn bei diesen Kuren handelt es sich um Pflichtleistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen.

Welche Möglichkeiten haben wir als Landtag nun, an dieser für alle Seiten unbefriedigenden Situation etwas zu ändern? - In dem Bericht wird festgestellt, dass die Einrichtungen nicht der Aufsicht des Landes Schleswig-Holstein unterliegen. Ein weiterer Punkt ist der MDK. Wir müssen sicherstellen, dass die Quote von jedem vierten Antrag, welchen der MDK prüfen muss, eingehalten wird. Die Praxis, jeden Antrag dem MDK zur Prüfung vorzulegen, darf so nicht weitergehen. Laut § 275 Abs. 5 SGB V sind die Ärzte des MDK nur ihrem Gewissen unterworfen; als Aufsicht des MDK müssen wir dies sicherstellen. Es darf nicht sein, dass die sparpolitischen Ziele der Krankenkassen dort umgesetzt werden. Die Prüfung der Anträge muss unter rein medizinischen und gesetzlichen Gesichtspunkten erfolgen.

Eine wichtige Aufgabe in diesem Zusammenhang ist für uns die Aufklärungsarbeit. Patienten müssen über ihre Rechte Bescheid wissen und auch über die Pflichten von Leistungsträgern informiert werden. Ein informierter Patient wird sich nicht von den zuvor zitierten Ausreden beeindrucken lassen.

Aber auch Ärzte müssen beim Verordnen von Kuren über Formalien informiert sein. Zudem ist zu überdenken, ob eine klarere, vielleicht sogar vereinheitlichte Antragsstellung sinnvoller ist als die jetzige Praxis. Dies fordern - jedenfalls nach meinen Informationen - die beteiligten Ärzte und auch Kassen ein.

Was die Auslastung einzelner Einrichtungen angeht, so sind uns von politischer Seite die Hände gebunden. Man kann hier nur die in dem Bericht enthaltene Aussage hervorheben, dass das Land keine Planungskompetenz besitzt und selbstver

ständlich nicht in das freie Marktgeschehen eingreifen wird. Unsere einzige Chance besteht darin, dass wir konstruktiv daran mitwirken, dass schnell eine bundesweit einheitliche Bewilligungspraxis durchgesetzt wird. Man kann sich nur der Kritik des Bundesrechnungshofs anschließen, dass die aktuelle Praxis nicht nachvollziehbar ist.

Es ist positiv hervorzuheben, dass die schwarz-gelbe Regierungskoalition in Berlin einen Entschließungsantrag zur Förderung der Mutter-/Vater-KindKuren angeschoben hat. Die zentralen Forderungen des Antrags sind nur zu unterstützen.

(Beifall der Abgeordneten Kirstin Funke [FDP])

In aller Kürze: Das sind die Verbesserung der Entscheidungsgrundlage im Hinblick auf Transparenz, nachvollziehbare Begründungen und größere Einheitlichkeit, Überarbeitung der entsprechenden Begutachtungsrichtlinie und Vereinheitlichung der Antragsformulare sowie das Abstellen formaler Mängel wie zum Beispiel die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung.

Weiterhin wird von den Kassen verlangt, bis Frühjahr 2012 über die getroffenen Maßnahmen zu informieren. Die höchst unterschiedliche Bewilligungspraxis der Kassen verunsichert Väter und Mütter und ist in dieser Form unhaltbar. Das Land hat seine Zuständigkeit im Bericht klar dargelegt, und die getroffenen Maßnahmen im Bund lassen erwarten, dass es zügig zu einer Verbesserung der Situation kommen wird, was in unser aller Interesse ist. Ich beantrage daher die Ausschussüberweisung.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Dr. Marret Bohn das Wort.

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Reif für die Insel“ sind jedes Jahr viele Urlauberinnen und Urlauber in Schleswig-Holstein. Reif für eine Mutter-/Vater-Kind-Kur sind viele Eltern. In Schleswig-Holstein gibt es eine Reihe von Einrichtungen, das haben wir gerade schon gehört, besonders an der Nord- und Ostsee. Hier wird eine für die Familien wichtige Arbeit geleistet. Die Nachfrage nach Elternkuren ist groß. Im Durchschnitt wird jedoch jeder dritte Antrag abgelehnt. Auch das haben wir gerade eben schon ausführlich

(Anita Klahn)

gehört. Da müssen wir uns schon die Frage stellen, wie es für diese Eltern weitergeht, wenn so ein Antrag abgelehnt wird. Der Kollege Heinemann hat es gerade eben ausgeführt. Viele von ihnen gehen nicht ins Widerspruchsverfahren, obwohl gerade für das Widerspruchsverfahren bekannt ist, dass die Erfolgsquote deutlich besser geworden ist.

Das Gleiche gilt für diejenigen Eltern, die die drei Wochen der Mutter-Kind-Kuren oder Vater-KindKuren bewilligt bekommen haben. Wie geht es danach weiter? - Das eine ist die Maßnahme, die durchgeführt wird. Danach geht es um die ambulante Weiterbetreuung. Wir müssen uns auch fragen: Was wäre passiert, wenn nicht rechtzeitig eine Eltern-Kur bewilligt worden wäre? Was wäre dann mit den Kindern passiert? Was wäre mit den Eltern passiert? Welche körperlichen und seelischen Auswirkungen hat es, wenn eigentlich eine Maßnahme gewünscht und von den Therapeutinnen und Therapeuten auch unterstützt wird, aber dann nicht zustande kommt?

Für uns Grüne ist klar: Es muss insgesamt die Situation der Familien und der Alleinerziehenden in Schleswig-Holstein verbessert werden.

Die Elternkuren sind ein Mosaikstein zur Verbesserung der Situation. Das Land hat aber - auch das haben wir gerade eben von der Kollegin RathjeHoffmann noch einmal deutlich gehört - keine direkte Zuständigkeit. Aufgrund der vielen abgewiesenen Anträge hat der Haushaltsausschuss des Bundestags den Bundesrechnungshof um Prüfung gebeten. Bisher liegt das Ergebnis noch nicht vor. Wir Grüne möchten jedoch auch wissen, zu welcher Einschätzung der Prüfbericht kommt, und wir würden auch gern wissen, welche Schlüsse denn daraus gezogen werden. Denn eine Elternkur steht immer am Ende einer Kette. Die Frage ist, ob es nicht viel klüger wäre, wenn wir präventiv früher ansetzen würden und nicht nur demjenigen, der eine Elternkur bewilligt bekommt, sondern auch allen anderen Eltern die Möglichkeit geben würden, hieran teilzuhaben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ein Hinweis ist mir noch ganz wichtig: Eine Dauer von drei Wochen reicht bei vielen der genannten Beschwerden in der Regel nicht aus. Wir werden gern den Bereich ambulanter Nachbetreuung bei den Beratungen im Ausschuss mit Ihnen weiter vertiefen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich der Frau Abgeordneten Antje Jansen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer in Familienverantwortung steht, hat Anspruch auf eine medizinische Vorsorge oder Reha-Maßnahme. Das gilt besonders für Mütter, aber auch für Väter. Hierbei können Kuren erwiesenermaßen helfen, wenn die Grenze der Belastbarkeit für Mütter sowie Väter durch den Alltag überschritten ist. Zu Recht ist die stationäre Mutter-Kind-Kur von einer freiwilligen Maßnahme zu einer Pflichtleistung der Krankenversicherung geworden. Zweifellos muss hierzu die Notwendigkeit der Maßnahme medizinisch festgestellt werden. Dabei haben ambulante Maßnahmen keinen Vorrang vor stationären. Die Krankenkassen haben also laut Gesetz keinerlei Ermessensspielraum, medizinisch notwendige Kuren gerade bei Mutter-Kind-Kuren - zu verweigern. Ein Anspruch auf eine Kurmaßnahme besteht, wenn sich der Gesundheitszustand der Betroffenen verschlechtert und in absehbarer Zeit zu einer ernsthaften Krankheit führen kann. An erster Stelle geht es bei dieser Vorsorgemaßnahme darum, einer möglichen Gefährdung des Gesundheitszustandes der Betroffenen entgegenzuwirken, Krankheiten zu verhüten und deren Verschlimmerung zu vermeiden. So weit der gute Wille des Gesetzgebers.

Aber in der praktischen Umsetzung dieser Maßnahmen besteht aus unserer Sicht dringender Handlungsbedarf, das haben meine Vorrednerinnen auch schon bekräftigt. Das ist in diesem Bericht enthalten, für den ich mich im Namen der Fraktion auch bedanke.

Aber der Prüfbericht des Bundesrechnungshofs stellt dazu unter anderem fest, dass eine Gleichbehandlung der Versicherten nicht gewährleistet ist, weil die Krankenkassen bei der Bewilligung und bei der Ablehnung der Anträge von Mutter-/VaterKind-Kuren nicht transparent vorgehen. Die Ergebnisse der Begutachtung werden nicht hinreichend begründet. Hier ist der Umgang mit Widerspruchsverfahren der Krankenkassen bei diesen Kuren teilweise nicht gesetzeskonform und beeinträchtigt die Versicherten in ihrer Rechtsausübung.

Leider ist die Datenlage bezogen auf SchleswigHolstein nicht so gut wie in Bezug auf das gesamte Bundesgebiet, aber die Tendenz scheint auch hier die gleiche zu sein: Es gab einen Anstieg der Kuren in den Jahren 2007 und 2008 nach der Einführung

(Dr. Marret Bohn)

des Gesetzes und danach wieder einen rapiden Rückgang um etwa 9 % auf das Niveau vor der Einführung des Gesetzes im Jahr 2006.

Auch in Schleswig-Holstein müssen wir feststellen, dass die Krankenkassen die neue Gesetzeslage nicht dauerhaft in die Praxis umsetzen. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Der Gesetzgeber - so meinen wir - darf es sich nicht gefallen lassen, dass die Krankenkassen ihm auf der Nase herumtanzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind auch der Meinung, dass auch Gespräche mit den Krankenkassen geführt werden können, anders mit diesen Kuren und der Beanspruchung umzugehen.

Außerdem müssen die Krankenkassen an dieser Stelle mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, dass es sich bei den Mutter-Kind-Kuren nicht um Urlaub oder desgleichen handelt, sondern um Maßnahmen, die der Vorbeugung von Erkrankungen dienen. Es geht also darum, die Betroffenen nachhaltig vor einer Erkrankung zu bewahren beziehungsweise ihre Genesung sicherzustellen.

Die Praxis der Krankenkassen ist also nicht nur nichtgesetzkonform, sie ist außerdem kurzsichtig, weil sie längerfristig sogar höhere Ausgaben zur Folge hat. Das hat meine Vorrednerin von den Grünen auch schon erläutert.

(Beifall bei der LINKEN)

Ganz abgesehen davon, ist die derartige Praxis den Betroffenen gegenüber zynisch, weil sie ohne Not deren Leid in Kauf nimmt, obwohl inzwischen der Wert der Mutter-Kind-Kuren für den Gesundheitszustand der Betroffenen erwiesen ist. Hier ist ein beherztes Handeln gefragt und keine Beschwichtigung. DIE LINKE fordert transparente Bewilligungskriterien und Prüfung der Krankenkassen wenn es möglich ist - auf Einhaltung gesetzlicher Regelungen sowie eine regelmäßige Berichterstattung an den Landtag.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern umgehend ein Ende der Verhöhnung der Mütter und Väter, denen notwendige Kuren von den Krankenkassen verwehrt werden. Ich freue mich auf eine lebendige Auseinandersetzung im Ausschuss darüber.