Protocol of the Session on August 25, 2011

Für die FDP-Fraktion hat Frau Abgeordnete Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vielen Dank, Minister Dr. Garg, für den ausführlichen Bericht und für die deutliche Darstellung, aus welchem Grund die Umstellung der Fördermittelvergabe aus dem Sozialvertrag II ab Januar 2012 nicht nur sinnvoll, sondern auch dringend ist.

Vielen Dank auch noch einmal für die Klarstellung, dass keine Kürzungen erfolgen. Da muss ich Sie,

(Peter Eichstädt)

Frau Jansen, einfach einmal bitten, reinzugucken, was in welchem Bereich gekürzt wurde. Soweit mir bekannt ist, ist an den Projekten gar nichts gekürzt wurden. Es ging um Organisationskürzungen, bei denen wir nach wie vor auf eine deutliche Antwort und Erklärung warten, was die Verbände dort für ein Problem sehen. Diese Antwort ist man uns bislang schuldig geblieben.

Lassen Sie mich mit einigen grundsätzlichen Ausführungen beginnen. Die Konsolidierung der Landesfinanzen ist das wichtigste Ziel dieser Koalition. Ich hoffe auch auf Einsicht der Opposition, dass auch ihr wichtigstes Ziel ist. Wir Liberale lassen es jedenfalls nicht zu, dass die Belastung für künftige Generationen unerträglich wird. Mittel dafür sind neben dem Schaffen von Voraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklung und eine Begrenzung von Ausgaben auch Strukturveränderungen. Unsere Zielsetzung ist es, eine optimale Hilfegewährung für die Betroffenen zu gewährleisten. Der Minister hat es dargestellt. Verwaltungswege sollen vereinfacht und Kompetenzen sollen gebündelt werden. Es geht um eine effektivere Prozessgestaltung. Eine Umleitung der Mittel über die Wohlfahrtsverbände ist nicht zielführend. Unnötige Doppelstrukturen, insbesondere im Verwaltungsbereich, sind dringend zu vermeiden. Die Kommunen sind für die Wahrnehmung der Aufgaben zuständig. Alle Mittel müssen dort ankommen, wo sie hingehören. Die umfängliche Planung sozialer Angebote ist am Besten auf kommunaler Ebene angesiedelt.

Da ich auch im Kommunalparlament tätig bin, weiß ich, um was es geht. Ich kenne auch durchaus die Diskussion, wenn private kleinere Anbieter kommen und weiß, wie schwer sie es haben, sich gegen große Verbände durchzusetzen.

Wie Minister Dr. Garg ausgeführt hat, gehören die Bereiche der Suchberatung und der dezentralen Psychiatrieversorgung zu den freiwilligen Aufgaben der Kommunen und unterliegen nicht - wie von den Antragstellern irreführend dargestellt - einer Steuerpflicht des Landes. Im Gegenteil entscheiden die Gemeinden selbstständig, ob und wie sie diese freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen wollen. Sie tragen dafür auch die finanzielle Verantwortung mit bis zu 60 %. Ich bin der Überzeugung, dass das ein ganz wichtiger Grund ist, warum sie auch die Entscheidungsfreiheit haben sollten. Gerade weil es um kommunale Leistungen geht, ist es aus liberaler Sicht mehr als richtig, dass die Kommunen zukünftig auch wieder die maßgeblichen Entscheidungsträger für die Angebotsstruktur und Mittelverwendung sind.

Natürlich kann damit einhergehen, dass vor Ort die Entscheidung getroffen wird, dass zum Bespiel in einem kleinen besinnlichen Städtchen eine einzige Suchtberatungsstelle ausreichend ist, während es an einem anderen Standort dafür drei Angebote sein müssen.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD])

Aber genau das sollen sie vor Ort entscheiden. Im Gegensatz zur Opposition habe ich Vertrauen in die Kompetenz der kommunalen Selbstverwaltung und deren Entscheidungsträger, bedarfsgerechte Angebotsstrukturen zu schaffen. Falls die Opposition der LINKEN der Meinung ist, dass diese Aufgaben wieder zentral auf Landesebene geregelt werden sollten, erwarte ich auch, dass sie uns erklärt, welche Vorteile dies gegenüber der geplanten Kommunalisierung bringt, und vor allem - das hat auch der Minister dargestellt -, wie das mit dem Personaleinsparkonzept in Verbindung zu bringen ist.

Ich betone es noch einmal: Der Unterschied zu RotGrün ist, dass die FDP es für wichtig hält, die Selbstverwaltung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu stärken und nicht nur zu einer Pseudobeteiligung zu degradieren. Für uns hat sich der Sozialvertrag II in dieser Form nicht bewährt, und wir sprechen uns ausdrücklich für eine Kommunalisierung des Sozialvertrages II aus. Ich unterstütze die Anträge und Pläne der Landesregierung.

Kollege Eichstädt, dass Sie gegenüber dem Ministerium bemängeln, keine Detailinformationen zu den Verträgen zwischen kommunalen Landesverbänden, Wohlfahrtsverbänden und dem Ministerium zu bekommen, kann ich nicht nachvollziehen. Es sollte möglich sein, dass dort vertraulich verhandelt werden kann und wir erst danach ein Ergebnis bekommen. Ich finde es einfach nur fair, dass sich Minister Dr. Garg an diese Absprachen hält.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass zukünftig aus dem Abgabeaufkommen aus dem Glücksspiel den Sucht-, Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen 5 % zur Verfügung gestellt werden wird. Sie sehen also, wir nehmen unsere Verantwortung ernst.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Frau Abgeordnete Dr. Marret Bohn das Wort.

(Anita Klahn)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch im Namen meiner Fraktion: Vielen Dank für diesen Bericht, Herr Minister.

Wir haben in Schleswig-Holstein 114 ambulante Suchthilfeeinrichtungen. 52 davon wurden bisher im Rahmen des Sozialvertrages II vom Land finanziell unterstützt. CDU und FDP haben angekündigt, diese Mittel zum 1. Januar 2012 zu kommunalisieren.

Nun sind wir Grüne bekanntermaßen große Anhänger starker Kommunen, die die Daseinsvorsorge gewährleisten. Dann müssen die Kommunen allerdings auch finanziell in der Lage sein, diese Daseinsvorsorge zu leisten. Dass sie das nicht sind, dürfte doch allen hier im Haus bekannt sein.

Wir Grüne wollen bei diesem Thema kein Kompetenzgerangel und keinen Verschiebebahnhof zulasten der Suchtkranken, wir wollen, dass das Land mit den Kommunen auf Augenhöhe zusammenarbeitet. Die Ausführung mag Sache der Kommunen sein, aber trotzdem darf sich das Land dabei nicht aus der Verantwortung stehlen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Wenn es um Verkehrsprojekte geht, will die Landesregierung alles und tut so, als habe sie von einer Schuldenbremse noch nie gehört. Wenn es um soziale Einrichtungen oder Bildung geht, dann sagt die Landesregierung: Wir haben eine Schuldenbremse, wir haben eine Verantwortung für andere Generationen, wir sparen und machen den Rücken gerade. Das Problem ist nur, dass Sie gleichzeitig die Augen zumachen. So sehen Sie nicht, dass Sie den zweiten Schritt vor dem ersten getan haben. Da kann ich dem Kollegen Eichstädt nur recht geben.

Wenn Sie eine Umstrukturierung für richtig halten darüber kann man diskutieren -, dann führen Sie doch erst die Gespräche mit den Zuständigen und sorgen dann für die Umstrukturierung. So haben Sie den zweiten Schritt vor dem ersten getan. Das führt zu Verunsicherung bei den Suchtkranken, das führt zu Verunsicherung bei denjenigen, die in den Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe arbeiten. Die Sorge ist, dass die Folgekosten - falls es hier in den nächsten Jahren doch zu Einsparungen kommen sollte, weil die Kommunen in einer finanziell schlechten Lage sind - höher sein werden. Ich sage Ihnen jetzt schon, die Folgekosten werden höher sein. Da sind sich die Fachleute einig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 17. Mai 2011 wurde der Suchtbericht der Bundesregierung veröffentlicht. Alkohol, insbesondere Komasaufen, Nikotin und übermäßiger Internetkonsum können zu Krankheit und Abhängigkeit führen. Daher brauchen wir ein flächendeckendes Angebot der Suchtkrankenhilfe in Schleswig-Holstein. Diese Erkrankungen gehen quer durch alle Gesellschaftsschichten, sie gehen uns alle an. Daher begrüßen wir die Initiative der LINKEN.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD, der LINKEN und SSW)

Für die Fraktion des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Mädchentreff in Schleswig ist zu. Er musste schließen, weil die Landeszuschüsse gekappt wurden. Konkret bedeutet das, dass ein niedrigschwelliges Suchthilfeangebot ersatzlos gestrichen wurde. Bei Bulimie, Magersucht oder autoaggressivem Verhalten - das befürchtet man zumindest am betroffenen Standort - werden die Mädchen erst dann Hilfe bekommen, wenn ihre Probleme so groß werden, dass sie stationär aufgenommen werden können. Die Sätze sind hier unterschiedlich, liegen aber wohl mindestens bei 200 € pro Tag.

Diese Mehrkosten scheinen bei der Landesregierung bei der Haushaltskonsolidierung keine Rolle zu spielen, denn dafür ist ja ein anderer Träger kostenpflichtig, nämlich die Krankenkassen, also die Beitragszahler. Ein derartiger Verschiebebahnhof auf Kosten der Mädchen spricht den Grundsätzen ,,ambulant vor stationär“ und ,,Prävention vor Therapie“ Hohn. Die Probleme der Mädchen verschwinden ja nicht, bloß weil ihr Mädchentreff geschlossen wurde.

So ähnlich geht es den 52 Beratungsstellen, die Landesmittel über den so genannten Sozialvertrag II erhalten. Sie werden ihr Angebot erheblich einschränken müssen. Generell gehen die Wohlfahrtsverbände davon aus, dass sie die Suchtpräven

tionsarbeit mit Jugendlichen überhaupt nicht mehr anbieten können.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Fraktionsvorsitzenden der CDU?

Herr Kollege Meyer, ist Ihnen bekannt, ob und in welcher Weise für das Angebot, das der Mädchentreff in Schleswig bisher unterbreitet hat, Alternativen geprüft und eventuell auch möglich gewesen wären?

- Nach den Informationen, die ich in Schleswig bekommen habe, gibt es in der Tat keine alternativen Angebote.

- Die Frage war, ob Alternativmöglichkeiten geprüft worden sind.

- Darauf kann ich nicht antworten.

(Zuruf von der SPD: Das muss er doch nicht wissen! - Johannes Callsen [CDU]: Ich weiß, dass es so etwas gegeben hat und auch, dass sie nicht angenommen worden sind!)

Das ist hier keine Diskussion, sondern es geht um eine Frage und eine Antwort. - Herr Abgeordneter, fahren Sie bitte in Ihrer Rede fort.

Generell gehen die Wohlfahrtsverbände davon aus, dass sie die Suchtpräventionsarbeit nicht mehr anbieten können. Somit ist die Daseinsvorsorge in diesem Bereich nicht mehr gewährleistet. Das Land zieht sich aus seiner Verantwortung für eine gute Erreichbarkeit der Suchtberatung zurück. Die komplizierten Verhandlungen zwischen Landesregierung und Verbänden vor drei Jahren zum Sozialvertrag II hätte man sich also sparen können.

Ich möchte noch auf eine andere Konsequenz hinweisen. Wer den klammen Kommunen die Bürde der Suchtberatung auflädt, riskiert Ungleichheit. Ab 2012 spielt es nämlich eine Rolle, wo man wohnt: in einer Kommune mit solidem Haushalt, die die ambulante Suchtberatung noch finanzieren kann, oder in einer armen Kommune ohne Suchtberatungsstelle oder nur mit einer zeitlich stark einge

schränkten Beratung. Das Land lässt die Suchtkranken und ihre Familien im Stich. Wunsch- und Wahlrecht sind de facto ausgehebelt.

Vergleichsweise kleine Einsparungen bei den Beratungsstellen richten großen Schaden an und führen zu regionaler Ungerechtigkeit. Kleine Summen, teilweise sogar im vierstelligen Bereich, entziehen den Beratungsstellen ihre Existenzgrundlage, ohne dabei den Landeshaushalt merkbar zu entlasten.

Dies kann auch nicht unter Spargerechtigkeit verbucht werde, denn tatsächlich ist die ambulante Suchthilfe bereits zum zweiten Mal nach 2002 massiven Streichungen ausgesetzt. Damit wird eine Schwelle erreicht, die nach der Einsparung mittelfristig Mehrkosten verursachen wird.

Die Wohlfahrtsverbände sprechen von erheblichen Folgekosten dieses Kahlschlages. Der SSW hat schon immer gesagt, dass jede Kürzung auf ihre Folgekosten hin untersucht werden muss.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Antje Jansen [DIE LINKE])

Wenn wir von Folgekosten reden, dann meinen wir nicht nur die finanziellen Folgekosten, sondern auch alle menschliche Folgekosten. Auch die müssen auf den Prüfstand gestellt werden. Wie viel menschliches Leid durch ein niedrigschwelliges Suchthilfeangebot zu vermeiden ist, kann man zahlenmäßig nicht darstellen, aber diese Seite muss man berücksichtigen. Schulden für die kommenden Generationen lassen sich nicht nur am Geld messen. Wir sind auch verpflichtet, kommenden Generationen eine sozial gerechte Gesellschaftsstruktur zu übergeben.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag in der Drucksache 17/1618 durch die Berichterstattung durch die Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. Damit ist der Tagesordnungspunkt insgesamt erledigt.