Protocol of the Session on June 29, 2011

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Ulrich Schippels für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Leider hat mein Kollege Heinz-Werner Jezewski zu kurz geredet. Ich wollte mir nämlich gerade eben noch einmal die Plenarprotokolle angucken. Ich kann mich gut daran erinnern. Ich war am 19. März 2010 hier im Plenum und habe zu diesem Thema gesprochen. Sie hatten eine Zwischenfrage gestellt, und zwar haben Sie wirklich gefragt - wir müssen uns das noch einmal angucken - ob wir denn wollen, dass Polen und Türken - das war eine Zwischenfrage von Ihnen auf meinen Redebeitrag, bei den Polen bin ich mir sehr sicher, bei den Türken bin ich mir nicht so sicher -, ob wir wirklich wollen, dass die Polen auch in die Verfassung aufgenommen werden, wobei ich dann geantwortet habe: Herr Kalinka, es geht hier um autochthone Minderheiten und nicht um andere Minderheiten. Deswegen steht das hier gar nicht zur Debatte. Das möchte ich noch einmal in den Raum stellen, wohl wissend, dass ich das noch einmal überprüfen will und muss.

Nichtsdestotrotz finde ich schon, dass dann ziemlich deutlich für mich wird, was ich erschreckend finde und was ich auch bei der Rede von Herrn von Boetticher so empfunden habe, wenn er von der Verfassung als Sammelsurium spricht. Sorry, ich finde, es ist ein starkes Stück für den Fraktionsvorsitzenden der CDU zu sagen, die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein sei an dieser Stelle ein Sammelsurium. Dann hätte ich mir gewünscht, dass schon länger darauf reagiert worden wäre, wenn es wirklich so dramatisch ist, und eine entsprechende Änderung hier vorgenommen worden wäre. Ich muss wirklich sagen: Ich bin hier mit einem Bild im Kopf hereingekommen. Ich muss wirklich sagen, die CDU ist nicht mehr die CDU von 1950, wir haben vorhin beim Denkmalschutz darüber gesprochen.

(Zuruf)

- Nicht leider, zum Glück, sage ich, Herr Arp. Es ist offensichtlich auch so, weil Sie sich enthalten. Aber ich muss schon sagen, manchmal wurde in mir der Eindruck erweckt, dass da doch noch ein paar Wirkkräfte vielleicht auch in Ihrem kulturellen Erbe enthalten sind, die mich ein wenig erschrecken.

(Heinz-Werner Jezewski)

Ich hoffe, dass in der nächsten Legislaturperiode der Landtag so zusammengesetzt sein wird, dass erstens die CDU weniger als ein Drittel der Abgeordneten stellt und sie zweitens nicht in Regierungsverantwortung ist,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Da sind Sie nicht mehr dabei!)

sodass wir unabhängig davon, wer im Landtag sitzt, - Herr Kubicki, vielleicht sind Sie auch nicht dabei, vielleicht sind wir nicht dabei, vielleicht sind die Grünen nicht dabei, man weiß ja nicht, was innerhalb des Jahres passiert -, tatsächlich dazu kommen, dieses Problem anzugehen. Ich finde wirklich, um noch einmal darauf zurückzukommen: Dem Leid, das wir in Schleswig-Holstein

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

den Sinti und Roma zugefügt haben, müssen wir Rechnung tragen. Wir müssen versuchen, da wirklich ein deutliches Zeichen zu setzen. Das kann man eigentlich wirklich nur über die Änderung der Verfassung machen, damit so etwas in unserem Land nie wieder vorkommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen hoffe ich, dass es, wenn wir es heute nicht schaffen, in einem Jahr schon klappen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Peter Eichstädt von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kalinka, ich weiß, Sie sind ein wahrheitsliebender Mensch. Ich will Ihnen gern dabei auf die Sprünge helfen, diesen Ansprüchen auch am heutigen Tage gerecht zu werden. Es geht um die Frage, mit der Sie sich eben auch auseinandergesetzt haben, ob Sie hier im März 2010 in einer Rede die türkischen und die polnischen Staatsbürger in eine Abwägung zu den Sinti und Roma gebracht haben.

(Zuruf des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Mit der Genehmigung der Präsidentin zitierte ich aus dem Protokoll der 16. Sitzung vom Freitag, dem 19. März 2010. Da haben Sie gesagt:

„Die Volksgruppe des Sinti und Roma umfasst in unserem Land heute etwa 5.000 Menschen. Mit welchem Argument wollen wir dann in der Zukunft den rund 33.000 türkischen Staatsbürgern in unserem Bundesland verwehren, explizit in der Landesverfassung genannt zu werden? Mit welchem Argument wollen wir den 11.000 Polen, die bei uns in Schleswig-Holstein leben, sagen, dass auch sie nicht den ganz besonderen Schutz und eine besondere Förderung genießen sollen?“

Darauf eine Zwischenfrage des Kollegen Dolgner:

„Lieber Kollege Kalinka, kann es sein, dass bei Ihnen gerade etwas durcheinandergekommen ist, indem Sie die 33.000 Menschen mit türkischem Pass mit den Sinti und Roma in einen Topf geworfen haben? Welchen Pass haben denn die Angehörigen der Sinti und Roma?“

Und auch hier verpassen Sie Ihre letzte Chance für eine Kurve:

„Herr Kollege, ich werfe überhaupt nichts in einen Topf. Ich erwähne nur die Güterabwägung, um die es geht.“

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist namentliche Abstimmung beantragt worden. Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung muss eine namentliche Abstimmung stattfinden, wenn sie von 18 Abgeordneten verlangt wird. Daher werde ich darüber jetzt abstimmen lassen. Wer den Antrag auf namentliche Abstimmung unterstützen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich stelle fest, dass das erforderliche Quorum erreicht wurde. Wir kommen dann zur namentlichen Abstimmung.

Der Ausschuss empfiehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfs Drucksache 17/268. Ich schlage vor, in der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst abzustimmen und weise darauf hin, dass mit dem Gesetzentwurf die Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein vorgesehen ist. Diese ist nach Artikel 40 Abs. 2 der Landesverfassung nur mit der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder - das sind 64 Abgeordnete - möglich.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Wer dem Gesetzentwurf Drucksache 17/268 zustimmen will

(Ulrich Schippels)

1 Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung liegt als Anlage bei

das wird gleich namentlich aufgerufen - erklärt dies in der namentlichen Abstimmung mit Ja. Das andere wäre Nein oder Enthaltung. Ich bitte, die Namen aufzurufen.

(Namentliche Abstimmung) 1 Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe das Ergebnis bekannt: 45 Abgeordnete haben dem Gesetzentwurf Drucksache 17/268 zugestimmt, 46 Abgeordnete haben sich enthalten. Damit ist die qualifizierte Mehrheit verfehlt und der Gesetzentwurf abgelehnt worden. (Zurufe)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen - Initiative für ein erneutes NPD-Verbotsverfahren!

Antrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/1487

Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/1550

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich gebe einen geschäftsleitenden Hinweis: Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat in Absprache im Ältestenrat 10 Minuten Redezeit erhalten, die Fraktion DIE LINKE kann ihre Redezeit bis zu einer Gesamtzeit von 10 Minuten ausnutzen, alle übrigen Fraktionen haben 5 Minuten Redezeit beantragt. Ich sage dies nur, damit es keinerlei Irritationen gibt. Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Abgeordneter Ulrich Schippels das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ruhe nach der letzten Abstimmung ist ein positives Signal, und ich hoffe, dass wir wirklich bald zu besseren Lösungen kommen.

Am 1. Mai dieses Jahres - es ist noch nicht lange her - überfielen bis zu 60 Neonazis die Kundgebung der Gewerkschaften zum Tag der Arbeit in Husum. Auf der Homepage der sogenannten „Freien Nationalisten“ - sie nennen sich manchmal auch „Nationaler Widerstand“ - gibt es einen Bericht zu dem Angriff. Das wird dort offen dargestellt. In diesem Bericht werden die Mai-Kundgebungen des DGB als „heuchlerisch“ diffamiert, weitere Zitate

erspare ich mir und Ihnen; ich will ihnen ja nicht auch noch eine Plattform geben.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Bei der Aktion wurde ein Gewerkschafter, der übrigens Mitglied meiner Partei ist, verletzt, viele Infostände wurden zerstört, Info-Materialien landeten im Husumer Hafen und wurden zerrissen. Auf der besagten Homepage der Rechtsextremen wird auch über das Verhältnis zur NPD diskutiert. Die NPD so wird dort formuliert; der Bericht datiert vom 15. Mai dieses Jahres und ist also noch sehr frisch gehöre auch zum besagten „Nationalen Widerstand“. Gerade in Schleswig-Holstein sei man auf dem richtigen Weg, da hier „die Partei“ - gemeint ist die NPD - „und die freien Kräfte an einem Strang ziehen“. Das trifft übrigens auch auf den Überfall auf der Kundgebung am 1. Mai in Husum zu. Bei den Angreifern dabei war Jens Lütke. Jens Lütke ist der Landesvorsitzende der NPD.

Die Zusammenarbeit zwischen den sogenannten Freien Nationalisten und der hiesigen NPD wird auch von der NPD betont, zum Beispiel vom sogenannten Landespressesprecher Jörn Lemke auf der Homepage der NPD. Jörn Lemke ist historisch übrigens eindeutig dem Spektrum der sogenannten „Freien Nationalen“ zuzuordnen.

Die NPD hetzt, sie prügelt, sie diffamiert, sie ist rassistisch, sie steht in der unseligen Kontinuität der 1.000 Jahre zwischen 1933 und 1945. Ich verweise hier auf die gemeinsame Veröffentlichung unseres damaligen Innenministers Hay mit vier weiteren Innenministern vom Mai 2009 mit dem damals wie heute richtigen Titel „Verfassungsfeind NPD“. Umso kläglicher war damals das Scheitern des ersten Versuchs vor dem Bundesverfassungsgericht, die NPD zu verbieten aufgrund der Tatsache, dass der Staat V-Leute in der NPD hat.

Seit einigen Monaten arbeiten nun einige Bundesländer - das ist der Grund dafür, dass wir das hier auf die Tagesordnung gesetzt haben -, von Bayern bis Hamburg, von Mecklenburg-Vorpommern bis Rheinland-Pfalz, an einem erneuten Anlauf zum Verbot der NPD. Unsere Landesregierung will offensichtlich leider erst einmal abwarten, anstatt schon jetzt bei der notwendigen Initiative aktiv mitzuarbeiten. Das ist uns nicht genug.

Die Erfahrung aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 mahnt uns, überall dort, wo faschistische Ideologien auftauchen, gegen diese vorzugehen.

(Vizepräsidentin Herlich Marie Todsen-Reese)

(Beifall bei der LINKEN)

Ein NPD-Verbot würde die Logistik der Neonazis entscheidend schwächen. Es gäbe keine Finanzierung der Partei durch den Staat - Stichwort Wahlkampfmittel, auch wenn das nicht der technisch richtige Begriff ist -, sie hätten es schwerer, sich im öffentlichen Raum zu behaupten und mit ihren ewig gestrigen Parolen die Köpfe zu verwirren. Durch ein Verbot der NPD wären die rechten Gedanken nicht einfach verschwunden - das ist richtig -, der braune Geist würde weiter in den meist hohlen Köpfen rumwabern, aber der Handlungsspielraum der rechtsextremen Kräfte wäre entscheidend geschwächt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich weiß nicht, ob Sie die Debatte in der NPD oder bei den offen rechtsextremen Kräften zur Zusammenarbeit beziehungsweise zum Zusammengehen mit der DVU kennen. Es gibt viele Kräfte, die davor warnen, das zu machen, denn nach einem Verbot der NPD könnte man die Struktur der DVU nicht mehr nutzen. Das heißt, sie erkennen durchaus an, wie wichtig es ist, eine nicht verbotene Organisation, eine nicht verbotene Partei zu haben. Wir müssen alles dafür tun, dass sie diese Möglichkeiten durch eine solche Partei nicht bekommen.

Ein Verbot von faschistischen Parteien entbindet uns nicht von der Pflicht, gegen die Gedanken und Ideologien weiter vorzugehen. Die sind ja nicht weg. Dazu brauchen wir unabhängig von dem Verbot Beratungsstrukturen, wir brauchen die Stärkung von zivilgesellschaftlichen Initiativen, wir brauchen selbstbewusste Menschen in unserem Land.