Protocol of the Session on December 16, 2009

Es wird bei einem Haus vielleicht nicht unbemerkt bleiben, wenn das Landesamt für Denkmalschutz im Vorgarten steht. Der Gesetzentwurf sieht aber ausdrücklich nur vor, dass ein Eigentümer vorher von der Absicht der Eintragung informiert beziehungsweise benachrichtigt wird. Es ist aber nicht vorgesehen - was ich für zwingend erforderlich halte -, dass mit ihm gesprochen wird, dass Verhandlungen mit ihm geführt und seine Einwände berücksichtigt werden, dass diese Einwände gegen die Belange des Denkmalschutzes abgewogen werden und dann eine Entscheidung getroffen wird.

(Beifall bei FDP und CDU)

§ 6 dieses Gesetzes sagt stattdessen ziemlich unkonkret - es handelt sich dabei um die kürzeste Vorschrift des ganzen Gesetzes -:

„Bei allen Maßnahmen ist auf die berechtigten Belange der Verpflichteten Rücksicht zu nehmen.“

Schön. Rücksichtnahme. Das ist mir angesichts der detaillierten anderen Vorschriften, die im Entwurf stehen, zu mager. Das ist erst recht angesichts der Tatsache viel zu mager, dass schlimmstenfalls über die Interessen des Eigentümers einfach hinweggegangen werden kann und es ihm oder ihr überlassen bleibt, gegen die Eintragung in das Denkmalbuch Widerspruch einzulegen und gegebenenfalls anschließend zu klagen. So hat ein betroffener Eigentümer von Anfang an die schwierigere Position. Ich weiß, wovon ich spreche, wenn von Klagen die Rede ist.

Der Gebrauch des Eigentums, aber auch der Denkmalschutz sollen der Allgemeinheit dienen. Dazu gehört aber nicht allein, nur die Allgemeinheit im Auge zu haben. Dazu gehört es genauso, jeden Ei

gentümer im Auge zu behalten, dessen Eigentum von der Unterdenkmalschutzstellung bedroht ist.

Ich denke daher nicht, dass dieser Gesetzentwurf die Mehrheit des Hauses finden wird. Weiteres können wir dann im Ausschuss diskutieren.

(Glocke der Präsidentin)

- Ich bin gleich fertig.

Zum Gesetzentwurf der Koalition verweise ich auf die ausdrückliche und ausführliche Begründung zum Gesetzentwurf, damit wir Denkmalbereiche und Grabungsschutzgebiete weiter schützen können.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Dr. Habeck das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich mache mir ein bisschen Sorgen, weil ich glaube, einerseits gibt es ziemlichen Handlungsbedarf - das werden alle im Haus so sehen -, andererseits verdribbeln wir uns gerade in einer unfruchtbaren - weil ideologischen - Debatte. Deswegen werde ich versuchen, zuerst einmal das Problem herauszuarbeiten und dann einen Lösungsvorschlag zu machen, der vielleicht zum Tragen kommt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Hui!)

- Ich hoffe, Sie hören zu, Herr Kubicki.

Es ist nämlich kein Wunder, dass wir hier so emotional werden. Anders als der Naturschutz oder auch der Tierschutz ist der Denkmalschutz als kulturelle oder ästhetische Frage extrem ermessensabhängig. Es hängt letztendlich an den Menschen und weniger an den Gesetzestexten, wie er ausgefüllt und gelebt wird. Das ist einerseits eine Chance und andererseits ein Risiko. Ich befürchte, das Unwohlsein der FDP beim Denkmalschutz kommt weniger aus einem Unwohlsein mit dem Gesetzentwurf, sondern aus einem Unwohlsein mit den Menschen. Wir haben gerade ein Beispiel erlebt. Einige stören sich an Sponsorentexten an Denkmalen, andere stören sich nicht daran. Es ist eine Ermessensfrage.

Der Gesetzentwurf der SPD beziehungsweise der ehemalige Entwurf von SPD und CDU sieht im Kern eine Umkehr der Begründungslast vor.

(Christina Musculus-Stahnke)

Nicht mehr der Staat muss jetzt einem Eigentümer nachweisen, dass etwas nicht geht. Nach diesem Gesetzentwurf muss der Eigentümer nachweisen, dass etwas möglich ist. Damit geht der neue Gesetzentwurf zunächst einmal zulasten von Eigentümern. Das muss man zugestehen.

Wenn die FDP noch eingreift, geht er gegebenenfalls auch noch zulasten der Transparenz. Bürokratieabbau bedeutet doch immer, dass etwas nicht geprüft wird. Was soll es sonst sein? Das ist im Umkehrschluss wahrscheinlich eine Verschlechterung für die Eigentümer, aber doch eine Verbesserung des Denkmalschutzes. Auch die ist dringend geboten. Wir kennen den Stau; wir kennen die Zahlen.

Im Denkmalschutz wird das nachrichtliche Listenverfahren verankert, das in vielen Bundesländern gang und gäbe ist. Es ist in so vielen Ländern Praxis, dass man sagen könnte, wir übernehmen es einfach. Aber wir gehen in Schleswig-Holstein häufig anders vor. Das kann auch eine Tugend sein.

Der Denkmalschutz wird durch dieses nachträgliche Verfahren effizienter und stärker. Ob er aber wirklich stark wird, weiß auch ich nicht ganz genau; denn seine Akzeptanz wird wahrscheinlich leiden. Das deutet sich in dieser Debatte an. Die reflexartige Reaktion der FDP, gleich Enteignung zu rufen, zeigt es.

Aus meiner Sicht ist das Listenverfahren gut und sehr geeignet, um die langwierige Genehmigung zu beenden. Das logische Problem besteht allerdings in den Sanktionsmechanismen, die durch die Umkehr der Begründungslast jetzt scheinbar verschärft daherkommen. Der Genehmigungsstau im Denkmalschutz wird - so der Vorwurf - autoritär aufgelöst. Es scheint im Vergleich zum jetzt gültigen Gesetzestext auch so zu sein. Das trägt dem Denkmalschutz den Vorwurf der Obrigkeitsstaatlichkeit ein, den wir eben schon hören mussten.

Zum allgemeinen Hintergrund: Wir haben in Deutschland aufgrund der räumlichen Enge eine starke Tradition der Raum- und Bauplanung, einer staatlichen Raum- und Bauordnung. Ich will hervorheben, dass das ein Vorzug ist. Osteuropa und die USA haben eine andere Tradition, haben andere Räume und Weiten. Dort sieht man an den wuchernden Städten und an der Innenstadtverarmung was passiert, wenn man keine staatliche Kontrolle bei diesen Sachen hat. Auch bei uns hat die Tendenz zur Auslagerung von Einkaufszentren auf die grüne Wiese Einzug gehalten. Das ist faktisch die Aufgabe der lebenskulturellen Gemeinsamkeit

von Wohnen, Arbeiten und Einkaufen an einem Ort, die Schleswig-Holstein lebenswert gemacht hat.

Bei allem Bekenntnis zu staatlicher Verantwortung sollte man sich aber nicht unnötig Feinde machen. Deswegen schlagen wir vor, bei dieser Umstellung der Richtlinie einen Moment der Wahlfreiheit einzuführen.

Wie bei der SPD vorgesehen, sollte man alle schützenswerten Gebäude tatsächlich per Begründungsumkehr unter Denkmalschutz stellen. Dann werden die Eigentümer über die erheblichen steuerlichen Vergünstigungen informiert. Sie sehen also, was sie bekommen. Sollten sie das nicht wünschen, wird ihnen im Rahmen der Umstellung angeboten, ihr Gebäude für einen Übergangszeitraum nicht nach der neuen, sondern nach der alten, der bürokratischeren Regelung zu behandeln. Sie werden natürlich nicht freigestellt, aber sie können sich quasi für einen gewissen Zeitraum frei entscheiden, nach welchem Gesetz sie behandelt werden wollen. Das heißt, sie müssen nicht den Klageweg beschreiten.

Durch diese Geste, durch diesen Mut, ihnen die Entscheidung zuzubilligen, wird der Denkmalschutz einen anderen Nimbus bekommen, nämlich einen weniger bürokratischen, einen weniger staatlichen und weniger bevormundenden. Das wird dazu führen, dass nur eine sehr geringe Zahl von Leuten davon Gebrauch machen wird, die Umstellung auf das neue Gesetz nicht mitzumachen. Das wiederum würde bedeuten, dass die übrig gebliebenen Verfahren sehr schnell abgearbeitet werden können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann hätte man das erreicht, was die SPD will, und zwar mit Mitteln, die die FDP und vielleicht auch die CDU mitgehen kann. Eine zeitweilige Zweigleisigkeit würde sicherlich für ein oder zwei Jahre etwas mehr Bürokratie bedeuten. Danach hätte man aber eine straffe Struktur. Man hätte das Problem gelöst. Letztendlich könnte man durch die Vereinfachung der Verfahren sogar die unteren Denkmalschutzbehörden abschaffen, sodass CDU und FDP bei ihrem Vorhaben, Stellenabbau und Aufgabenkritik voranzutreiben, geholfen wäre, und zwar nicht durch einen schwachen, sondern durch einen starken Denkmalschutz.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die LINKEN hat Herr Abgeordneter Werner Jezewski das Wort.

(Dr. Robert Habeck)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Denkmalschutz stand in den letzten Jahren nicht gerade selten auf der Tagesordnung dieses Hauses. Dass wir es heute erneut beraten, und zwar mit genau mit dem Gesetzestext der SPD, sagt mehr über das Verhältnis der ehemaligen Koalitionspartner aus als über die Wichtigkeit des Themas Denkmalschutz. Im Interesse des Landes wünsche ich mir, dass sich dieses Verhältnis der beiden großen Parteien in diesem Parlament langsam wieder normalisiert.

Nichtsdestotrotz werden wir den angesprochenen Gesetzentwurf der SPD unterstützen, weil er in den Punkten, die gerade angesprochen worden sind, unserer Ansicht nach besser ist als der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen.

Denkmalschutzgesetze werden nicht für Häuser, für archäologische Fundstücke oder für Sammlungen historischer Computer gemacht, sondern für Menschen. Wir sollten das nicht vergessen. Der Denkmalschutz dient zuvorderst den Menschen, denen dadurch der Zugriff und auch das Verständnis für ihr kulturelles Erbe gesichert werden soll. Es fällt uns schwer zu erkennen, wer wir sind, wenn wir nicht wissen, wo wir herkommen und wie wir früher waren. So ist Denkmalschutz niemals Selbstzweck, sondern immer Mittel zum Zweck. Wenn wir aber den Anspruch, einen erlebbaren Zugriff auf die eigene Geschichte zu haben, anerkennen, ergibt sich zwangsläufig auch die Notwendigkeit, diesen Anspruch gesetzlich zu regeln und - damit das an dieser Stelle nicht vergessen wird - auch zu finanzieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Denkmalschutz, der zwar verordnet, aber nicht ausreichend finanziert wird, verpufft. Die Fraktion DIE LINKE hält es für richtig, dass private Eigentümer für den Denkmalschutz in die Pflicht genommen werden. Das entlässt das Land aber keineswegs aus derselben. Wir möchten im Laufe der Ausschussberatung dieses Gesetzentwurfs, die ich hier keineswegs vorwegnehmen will, nicht nur die Verpflichtung der privaten Eigentümer von Objekten, die unter dem Schutz dieses Gesetzes stehen, deutlich machen, sondern auch die Verpflichtung des Landes, sich an den Kosten dieses Schutzes zu beteiligen - ebenso wie die Verpflichtung von Land und Kommunen, mindestens den gleichen Schutz zu gewährleisten, wie andere, private Eigentümer das tun.

Auf der einen Seite zu gewährleisten, dass Denkmäler und Denkmale in angemessener Weise erhalten, gepflegt und auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, und auf der anderen Seite die Kosten dafür nicht ausschließlich auf die Menschen, denen diese Objekte gehören, abzuwälzen, das wird der schwierige Spagat bei diesem Gesetz werden.

Ich denke, hier und heute ist der richtige Ort und auch die passende Zeit, einmal einen Dank an all jene auszusprechen, die seit Langem nicht über Denkmalschutz reden, sondern ihn praktizieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Tausende Bürgerinnen und Bürger in SchleswigHolstein praktizieren ihn tagtäglich, ob als ehrenamtliche Helfer oder als Eigentümer denkmalgeschützter Objekte. Ihnen gilt mein Dank, denn ohne sie bräuchten wir hier gar nicht zu reden. Ohne sie gäbe es mittlerweile nichts mehr, was zu schützen wäre.

Wenn ich zu Anfang gesagt habe, der Denkmalschutz diene nicht den Denkmälern, sondern den Menschen, dann gilt das nicht nur für die, die sich dort erinnern und lernen, sondern auch die, die uns bei der Bewahrung dieser Erinnerungsorte und -stücke behilflich sind. Das möchte ich mit in die Ausschussberatungen tragen.

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Für die Fraktion des SSW hat Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass der vorliegende SPD-Gesetzentwurf fasst haargenau dem entspricht, was die Große Koalition in der letzten Legislaturperiode einbrachte, wissen wir. Das ist heute schon in jeder Rede gesagt worden. Es ist aber auch wichtig, noch einmal daran zu erinnern, dass es nicht an der vorgezogenen Neuwahl lag, dass dieses Gesetz der Diskontinuität anheimfiel, denn schon im Juni 2009 lief eine lapidare Pressemitteilung des Kollegen Wengler über den Ticker, die besagte, dass die CDU-Fraktion nunmehr beschlossen hatte, von einem neuen Denkmalschutzgesetz die Finger zu lassen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Was hinter den Kulissen vor sich gegangen ist, können wir nur erraten. Unter dem Strich bleibt die Feststellung, dass die CDU-Landtagsfraktion mit dem genannten Beschluss dem Ministerpräsidenten, der ja Kultur zur Chefsache gemacht hatte, in den Rücken fiel.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich!)

Die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes war ein kulturpolitisches Flaggschiff der Staatskanzlei. Dass es gewissen Kreisen innerhalb und außerhalb der CDU-Fraktion gelang, dieses Flaggschiff zu versenken, ist und bleibt ein Skandal.