Chance haben, jemals Ministerpräsident des Landes zu werden. Nehmen Sie sich einmal ein Beispiel an dem Kollegen Scholz aus Hamburg.
- Ihre Prognosen der vergangenen 20 Jahre waren auch immer sensationell. Sie haben immer erklärt, die FDP werde es nicht mehr geben. Wir haben aber bei Wahlen regelmäßig zugelegt. Schauen Sie sich einmal Ihre Fraktion in Relation zu Ihrer früheren Fraktion an. Das ist eigentlich ein guter Weg. Unter Ihrer Führung kann man aus einer großen SPD auch eine kleine machen.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Robert Habeck, das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Debatte über politische Verantwortung und gutes Regieren greift meiner Ansicht nach weiter als nur eine Auseinandersetzung über die Leistungsbilanz der verschiedenen schwarz-gelben Regierungen oder ein Wühlen in der Vergangenheit.
- Das ist doch wahr, Herr Kubicki. Sie haben wie immer ausschließlich andere Bundesländer oder die Vergangenheit dieses Landes bemüht. Das hilft uns doch nicht weiter.
Diese Debatte ernsthaft zu führen, berührt den Vertrauensverlust, den politische Gremien und Akteure und Parteien in ihrer Gesamtheit erleiden. Geringe Wahlbeteiligungen sind ein Problem, jedoch das weitaus kleinere gegenüber einem Protestverhalten, wenn es sich nur destruktiv artikuliert. Andererseits zeigen die vielen Proteste auf den Straßen, dass sich die Menschen keineswegs weniger für Politik interessieren. Was also eine Debatte über politische Führung und Wahrnehmung schleswig-holsteinischer Interessen beantworten muss, ist die Frage, wie Vertrauen in die Politik wiederhergestellt werden kann.
Demokratie setzt stabile Verhältnisse voraus. Die erste Voraussetzung für eine intakte Demokratie ist Vertrauen. Vertrauen ist eine Vorleistung, und zwar eine notwendige Vorleistung; denn es gibt zu viele Informationen, und die politischen Prozesse sind zu komplex, als dass derjenige, der den ganzen Tag gearbeitet hat, oder derjenige, der sich den ganzen Tag um die Kinder gekümmert hat, allein noch abwägen kann, was gut und was richtig ist. Er verlässt sich auf andere oder delegiert seine freie Entscheidung auf die Organe der parlamentarischen Repräsentanz, also auf uns.
Meine Damen und Herren, Demokratie baut auf Vertrauen, und genau daran hapert es. Es hapert daran, obwohl vermutlich wir alle subjektiv der Meinung sind, im Ringen der Argumente, die unterschiedlich sein mögen, jeweils das Beste für die Menschen zu wollen. Das Problem guter Politik und der Wahrnehmung der Interessen des Landes ist, dass Vertrauen enttäuscht wird, obwohl wir uns alle bemühen - zugegebenermaßen verschieden -, dem gerecht zu werden.
Ich ziehe daraus den Schluss, dass es sich nicht um ein persönliches Problem handelt, wie wir es in den ersten 20 Minuten der Sitzung hören konnten, sondern um ein politisches Problem, auch wenn Unzulänglichkeiten eine Rolle spielen sollten. Es ist ein strukturelles beziehungsweise ein politisches Problem. Mit anderen Worten: Der Vertrauensverlust von Politik ist ein politisches Problem und muss deshalb politisch gelöst werden. Dazu vier Ansätze.
Grundsätzlich entsteht Vertrauen, wenn man glauben kann, dass sich die Dinge zum Guten entwickeln werden. Das ist offensichtlich und berechtigterweise in Zweifel zu ziehen. Der Klimawandel, die Schuldenkrise, die Unterfinanzierung der öffentlichen Hand, die demografische Auszehrung von Ehrenamt und die wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft sind Beispiele hierfür. Der Spardiskurs des vergangenen halben Jahres mag parteipolitisch mit dem Haushaltsbeschluss sein gutes Ende gefunden haben, gesellschaftspolitisch hat er aber Angst vor der Zukunft gemacht. Es ist nicht gelungen zu erklären, wie aus dem Sparen ein gelingendes Gemeinwesen entstehen kann. Ich füge hinzu, es konnte auch nicht gelingen, weil die Ausgabenseite viel zu einseitig nach vorn gestellt wurde, die Rechnung nicht nachvollziehbar aufging und vor allen Dingen nicht erklärt werden konnte, wie das Land eigentlich aussehen soll, wenn es die Hungerkur beendet hat.
So ist im vergangenen Jahr viel Vertrauen zerstört worden. Dies nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, ist ignorant. Wenn man dieses Vertrauen zurückgewinnen will, dann bedeutet gute Politik, eine Idee von der Gesellschaft zu haben, in der wir einmal leben wollen. Das ist Ihnen bisher nicht gelungen, und ich habe keinen Grund zur Annahme, dass es Ihnen künftig gelingen könnte.
Zweitens setzt Vertrauen das Vorhandensein von Handlungsalternativen voraus. Diese haben Sie zwar durch das sogenannte Bausteinsystem der Haushaltserstellung rhetorisch eingeführt - der Herr Finanzminister geht gerade; das ist schade -, aber allein einseitig und ungerecht interpretiert. Wenn keiner mehr weiter wusste, wurde das Unwort des Jahres von der Alternativlosigkeit aus dem Hut gezogen.
Es ist dieser Duktus der Überheblichkeit, des Closed Shops, das Ausschlagen von Mitarbeitsbereitschaft seitens der Opposition oder von Schulfriedensangeboten bei gleichzeitiger Beschwörung von Alternativlosigkeit, der Politik diskreditiert. Herr von Boetticher, es ist doch lächerlich, dass Sie jetzt, da das verkorkste Schulgesetz vorliegt, von Schulfrieden reden. Das ist doch wirklich Hohn.
Die Zeit für solche Vorstöße wäre vor vier oder fünf Monaten gewesen. Die Gelegenheit dazu war gegeben. Sie haben sie aber nicht genutzt. Deswegen kommt es zum Vertrauensverlust.
Herr Kollege Habeck, wären Sie so freundlich, uns zu erklären, was nach der Programmatik Ihrer Partei unter Schulfrieden zu verstehen ist?
- Unter Schulfrieden ist zu verstehen, dass sich die verschiedenen politischen Akteure gemeinsam zu Systemen verpflichten, die dann nur gemeinsam im Konsens geändert werden. Das heißt nicht, das
Schulgesetz nie wieder zu ändern, wie ich es jetzt interessanterweise von Herrn von Boetticher gehört habe, was gar nicht gehen kann. Das Schulgesetz muss natürlich immer wieder angepasst werden.
- Es muss angepasst werden. Schulfrieden - danach hat Herr Dr. Bernstein gefragt - bedeutet, dass man nicht parteipolitisch vorgeht, sondern dass man Prozesse von beispielsweise zehn Jahren gemeinsam verabredet.
Das heißt natürlich auch, dass die Opposition in der Pflicht steht, ein Programm mitzutragen, das nicht das Ihre ist. Das heißt, dass die Regierung, die möglicherweise bald Opposition ist, bereit ist, sich auf ein Verfahren einzulassen, das tatsächlich eine Neuerung in der parlamentarischen Kultur wäre. Damit hätten Sie gute politische Führung beweisen können.
Herr Dr. Habeck, können Sie bestätigen, dass die Idee des Schulfriedens eine Idee ist, die wir von der CDU der Hansestadt Bremen übernommen haben?
- Das ist in der Tat eine Idee, die die Opposition in Bremen ins Spiel gebracht hat. Die rot-grüne Regierung hat sich darauf eingelassen.
Als die Debatte über das Schulgesetz aufkam, haben wir gedacht: Was die CDU in Bremen kann, das kann die CDU in Schleswig-Holstein auch. Wir haben uns aber leider getäuscht.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU] - Unruhe)
Drittens agiert Politik - und das berührt den Vertrauensverlust, von dem ich rede - manchmal wie aus der Zeit gefallen, und manchmal weist sie auf dem Zeitpfeil auch noch zurück, wie die Pläne des
Der Psycho-Erlass, wie er genannt wird, ist nämlich nicht ein Ausrutscher. Er ist die Logik eines fehlerhaften Systems. Wir haben ein Gesetz, das angeblich Bürokratie abbauen soll und nicht anders denn als bürokratisch umgesetzt werden kann. Was wir also brauchen, ist eine Politik auf der Höhe der Zeit, die die alten Zöpfe abschneidet, vom Ehegattensplitting bis zum Bildungsföderalismus.
Viertens gibt es keine Kultur, Fehler auch eingestehen zu dürfen. Wenn man sich verrannt hat, dann muss man immer weiter mit dem Kopf durch die Wand.