Protocol of the Session on January 28, 2011

a) Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU nach 2013

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/1071

b) Für eine grundlegende Reform der EUAgrarpolitik (GAP) ab 2013: Keine öffentlichen Gelder mehr für die Industrialisierung der Landwirtschaft

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1176

Für die soziale, ökonomische und ökologische Agrarpolitik und Entwicklung der ländlichen Räume

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/1229

c) Zukunft der Landwirtschaft nach der Kommissionsmitteilung der EU zur gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2013

Mündlicher Bericht der Landesregierung

Ich schlage vor, dass ich in der gemeinsamen Debatte dieser Tagesordnungspunkte - es wäre sehr schön, wenn ich ein bisschen mehr Aufmerksamkeit haben könnte - zunächst den Bericht der Landesregierung aufrufe und daran anschließend dann die Aussprache erfolgt, beginnend mit der Fraktion der CDU als erstgenannter Fraktion des Berichtsantrages in der Drucksache 17/1068. Darauf folgen

(Vizepräsidentin Herlich Marie Todsen-Reese)

dann die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN als Antragssteller zu a) und b).

Ich weise noch darauf hin, dass im Ältestenrat für die Landesregierung eine Redezeit von zehn Minuten und für die Fraktionen jeweils eine Redezeit von fünf Minuten vereinbart wurde.

Ich erteile jetzt somit zunächst das Wort für die Landesregierung der Ministerin für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Frau Dr. Juliane Rumpf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei diesem Punkt geht es um ein sehr wichtiges Thema für Schleswig-Holstein, nicht nur für unsere Landwirtschaft, sondern für die ländlichen Räume insgesamt. Ohne die finanzielle Unterstützung der EU in einer Größenordnung von mehreren 100 Millionen € pro Jahr würde sich das Gesicht unserer Landwirtschaft und unserer ländlichen Räume in Schleswig-Holstein stark verändern. Und das kann niemand, der sich mit diesem Thema ernsthaft auseinandergesetzt hat, wollen.

Ohne EU-Unterstützung kann die Landwirtschaft ihre Schlüsselrolle in unserer Gesellschaft nicht nachhaltig ausfüllen. Ich nenne nur die Stichworte Sicherung der Welternährung, Beitrag zum Energiemix, Erhalt der biologischen Vielfalt und der Kulturlandschaft. Daher müssen die anstehenden Weichenstellungen sehr sorgfältig diskutiert werden. Für mich ist klar: Ein einfaches „Weiter so” kann es nicht geben. Das geht aus der Mitteilung der Kommission klar hervor.

Es entspricht im Übrigen auch nicht dem agarpolitischen Leitbild, das in unserem Koalitionsvertrag verankert ist. Dort heißt es wörtlich:

„Im Zentrum [der Agrar-]Politik steht die Stärkung des unternehmerischen Landwirtes als Erzeuger von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen sowie als Landschaftspfleger.”

Diesem Leitbild sehe ich mich verpflichtet. Ich möchte eine vielfältige Landwirtschaft, in der unterschiedliche Betriebstypen und Betriebsgrößen ihren Platz finden. Ich wiederhole auch an dieser Stelle: Wir dürfen weder Groß und Klein noch Öko und Konventionell gegeneinander ausspielen. Sie alle sollen ihren Platz finden, am besten langfristig auch ohne Subventionen.

Ich stehe für eine familiengeführte Landwirtschaft mit qualitativ hochwertigen Produkten und gesellschaftlichen Leistungen, die honoriert werden müssen.

Meine Damen und Herren, gerade als Landwirtschafts- und Umweltministerin schätze ich die vielfältigen Leistungen der Landwirtschaft für den Erhalt unserer Kulturlandschaft, für Diversität und für Klimaschutz.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es ist deshalb richtig, dass die besondere Rolle der Landwirtschaft durch die EU finanziell honoriert wird. Und es ist ebenfalls nachvollziehbar, dass die EU-Kommission diese Zahlungen mit nachprüfbaren Leistungen für öffentliche Aufgaben verbinden will.

Vor diesem Hintergrund fühle ich mich durch die Kommissionsvorschläge durchaus bestätigt in dem, was ich schon seit Beginn meiner Amtszeit vorgeschlagen habe und was auch seinen Niederschlag in den Beschlüssen der Agrarministerkonferenz in 2010 und des Bundesrates gefunden hat. Auf diese Weise sichern wir nicht nur die gesellschaftliche Bedeutung und das Ansehen der Landwirte, sondern letzlich auch eine finanzielle Unterstützung in beträchtlicher Größenordnung.

Sowohl für die Zukunft des Berufsstandes als auch für unser Land muss die Grundausrichtung unserer Agrarpoltitik lauten: Hin zu mehr Marktwirtschaft und öffentlicher Vergütung von Leistungen, die durch den Markt nicht bezahlt werden. Nur so können wir die Ausgleichszahlungen langfristig rechtfertigen. Nur so öffnet die jetzige Diskussion auch Perspektiven über 2020 hinaus.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund sind einige Punkte der Kommissionsvorschläge abzulehnen, weil sie nicht zu der eben beschriebenen Grundausrichtung passen. Die Kappungsgrenze der Basisprämie ab einer bestimmten Betriebsgröße ist zum Beispiel nicht akzeptabel. Allenfalls ließe sich eine größenabhängige Degression betriebswirtschaftlich begründen. Auch der bürokratische Aufwand muss reduziert werden. Er passt einfach nicht zur notwendigen betrieblichen Entwicklung und zur unternehmerischen Freiheit.

Im Hinblick auf die zweite Säule ist wichtig, dass die Kofinanzierungsfrage für uns befriedigend gelöst werden muss. Eine Reform zulasten der finanzschwachen Länder und Regionen können wir nicht akzeptieren. Ich weiß mich in diesen Punkten einig mit fast allen meiner Länderkollegen und der Bun

(Vizepräsidentin Herlich Marie Todsen-Reese)

desregierung. Wir haben darüber im letzten Jahr intensiv diskutiert, und es liegt ein ausführlicher und guter Beschluss des Bundesrates vor. Dabei darf es aber nicht bleiben. Es kommt in den nächsten Monaten darauf an, dass Deutschland als großer Mitgliedstaat und als Nettozahler ein konkretes Modell entwickelt, das für die deutschen Landwirte und für die ländlichen Räume vorteilhaft ist, ohne die Landesfinanzen zu überfordern.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für Schleswig-Holstein müssen wir jetzt darüber nachdenken, was unter unseren Bedingungen das Beste für unser Land und für unsere Landwirtschaft wäre.

Meine Damen und Herren, im Detail handelt es sich um schwierige Fachfragen. Daher wäre es aus meiner Sicht gut, wenn wir uns darüber im Ausschuss unterhalten könnten und Zeit dafür nähmen. Wie von der CDU-Fraktion gewünscht, werde ich über den aktuellen Stand und die weitere Entwicklung auf EU-Ebene auch weiter berichten. Anfang Februar 2011 plane ich eine Reise nach Brüssel, bei der ich wichtige Vertreter der Kommission und Mitglieder des Europäischen Parlaments treffen werde.

Meine Damen und Herren, zum Antrag der Grünen muss ich aber doch klar sagen, er ist zum Teil in einer Art und Weise formuliert, dass ich Zweifel habe, ob die Fraktion der Grünen von der Landwirtschaft noch ernst genommen wird.

(Beifall bei CDU und FDP - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Sehr richtig!)

Die Agrarpolitik befindet sich seit Jahren bereits auf Reformkurs und hat dabei auch wirklich beachtliche Resultate vorzuweisen.

Der SPD-Antrag enthält aus meiner Sicht Positionen, die wir im Ausschuss und auch auf EU- und Bundesebene intensiv lösungsorientiert diskutieren sollten. Der Ansatz der SPD enthält aber auch Fallstricke, die uns gerade in Schleswig-Holstein erhebliche Nachteile bringen könnten. Es besteht die Gefahr, dass das Geld für die „Ökologisierungskomponente” gar nicht erst in Schleswig-Holstein ankommen würde, weil viele Landwirte sie schlicht nicht beantragen würden. Auch der Verwaltungsaufwand, der mit dem vorliegenden Modell verbunden wäre, muss aus meiner Sicht in der Diskussion behandelt werden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, auch Vorschläge, Mittel aus der ersten in die zweite Säule umzuschichten, um daraus das sogenannte Greening zu finanzieren, sehe ich kritisch. Das würde mehr Kofinanzierungsmittel aus dem Landeshaushalt erfordern und damit zumindest für unser Land nicht mehr finanzierbar sein. Es sei denn, man verzichtet auf wesentliche Fördermaßnahmen der zweiten Säule, wie zum Beispiel beim Vertragsnaturschutz oder bei den Aktivregionen. Das kann nicht unser Ziel sein. Daraus folgt für mich, dass die von der EU voll finanzierten Prämien in der ersten Säule im Planungszeitraum 2014 bis 2020 möglichst hoch und attraktiv ausgestaltet werden sollten, die nationale Kofinanzierung in der zweiten Säule flexibler würde und die Länder bei Maßnahmen mit hohem EUWert stärker entlastet würden.

Meine Damen und Herren, die Landwirtschaft nimmt eine Schlüsselrolle ein bei der Bereitstellung gesunder und qualitativ hochwertiger Lebensmittel sowie von Gemeinwohlleistungen für den Erhalt unserer Kulturlandschaft und der Umwelt. Gleichzeitig steht sie unter einem enormen Anpassungsdruck durch die internationalen Märkte. In diesem Spannungsfeld sollten wir gemeinsam an Lösungen arbeiten, die für Schleswig-Holstein vorteilhaft sind, aber gleichzeitig auch in Deutschland und in der EU mehrheitsfähig sind.

(Beifall bei CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Für die Fraktion der CDU erteile ich dem Kollegen Heiner Rickers das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hätte gern nach Herrn Voß gesprochen. Das kann jeder verstehen. Herr Voß, vielleicht hätten Sie zuerst die Chance ergreifen sollen, und ich hätte dann drauflegen können.

Auf der Grünen Woche waren Dioxin und GAP hochbrisante Themen. Insofern werde ich versuchen, einen kleinen Rückblick zu geben und einen Ausblick auf die Zukunft anzuschließen.

Frau Ministerin, vielen Dank für Ihren Bericht, den wir beantragt haben. Wir gehen in die gleiche Richtung.

Die heutige GAP stellt sich folgendermaßen dar: Sie ist gegliedert in zwei sich ergänzende Säulen. Die deutschen Betriebe bekommen eine entkoppelte

(Ministerin Dr. Juliane Rumpf)

finanzielle Unterstützung, die an anderweitige Verpflichtungen gebunden ist. Ich nenne das Stichwort Cross Compliance in der ersten Säule. Die Marktintervention beschränkt sich im Wesentlichen auf ein Sicherheitsnetz. Das ist gut so. Die ländlichen Räume werden mit Finanzmitteln und neuen Politikinstrumenten gestärkt in der sogenannten zweiten Säule.

Dadurch sind in der Vergangenheit folgende Verbesserungen erzielt worden: Überschüsse werden kaum noch erzeugt. Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe hat sich in einem globalen Markt angeglichen. Der EU-Haushalt stabilisiert sich seit Jahren im Bereich der Agrarausgaben. Durch festgelegte Standards ist die Landwirtschaft in der Wirtschaftsweise nachweislich nachhaltiger geworden. Ich nenne wieder das Stichwort Cross Compliance. Die ländlichen Räume werden zielgenau gefördert.

Die zukünftigen Herausforderungen für die Förderperiode bis 2020 in der erweiterten EU der 27 Mitgliedstaaten stellen sich zukünftig wie folgt dar: Dies sind die wirtschaftlichen Herausforderungen wie das Sicherstellen der Ernährung auf einem qualitativ hohen Niveau. Dies ist der Ausgleich von Preisschwankungen sowie das Absichern der landwirtschaftlichen Einkommen. Hinzu kommen die ökologischen Herausforderungen wie die Reduzierung der Treibhausgasemissionen, die Verbesserung der Wasser- und Luftqualität, der Erhalt der biologischen Vielfalt und die verbesserten Haltungsbedingungen für Nutztiere. Dies sind außerdem die räumlichen Herausforderungen, die für die Zukunft vergleichbare Lebensbedingungen auch für die ländlichen Gebiete - ermöglichen und gleichzeitig eine Vielfalt der Landwirtschaft in der EU sicherstellen.

Diese Herausforderungen in einem Gemenge von 27 Mitgliedstaaten gerecht umzusetzen, wird nicht einfach werden. Eine Beibehaltung des Status quo wird es also nicht geben. Das geht eindeutig aus der Mitteilung der Kommission hervor.

Aus schleswig-holsteinischer Sicht müssen wir nun versuchen, nicht nur für unsere aktive Landwirtschaft, sondern auch für unser Land eine zukunftsorientierte Politik mitzugestalten. Die Stärkung des wettbewerbsfähigen unternehmerisch handelnden Landwirtes als Erzeuger von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen - unter Einhaltung hoher ökologischer und tierschutzrechtlicher Standards - ist dabei unsere politische Zielsetzung.

(Beifall bei der CDU)