Protocol of the Session on January 28, 2011

Für die FDP-Fraktion erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Christopher Vogt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank auch von mir für den Bericht des Ministers und auch vielen Dank an die Kollegen von den Grünen für die Beantragung dieses wichtigen Themas heute.

Meine Damen und Herren, wenn über die heutige Generation gesprochen wird, hört man oft Bewertungen wie die des Jugendforschers Professor Dr. Klaus Hurrelmann, dass wir es mit einer pragmatischen jungen Generation - wir haben das schon öfter gehört - zu tun haben, aber auch mit einer Generation unter Druck, wie Herr Hurrelmann in der Studie das beschrieben hat. Beides ist sicherlich richtig; die letzte Shell-Studie hat das auch umfangreich abgebildet.

Erfreulich ist aus meiner Sicht die weiterhin mehrheitlich vorhandene optimistische Grundhaltung bei den jungen Menschen, die zuletzt auch trotz der Wirtschafts- und Finanzkrise angestiegen ist. Als größte Unsicherheitsfaktoren beim Blick in die Zukunft sehen die Jugendlichen den Klimawandel und den demografischen Wandel an. Der jungen Generation ist bewusst, dass junge Menschen in den nächsten Jahrzehnten eine zunehmend kleinere Gruppe in der Gesellschaft bilden werden, und sie sehen die Gefahr für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Das zeigt sich auch darin, dass heute viele Jugendliche zum Ziel haben, den Lebensstandard ihrer Eltern zu halten, wie man in einigen Studien lesen kann. Es hat sich, glaube ich, in den letzten Jahrzehnten etwas verschoben. Ich war ja nicht dabei, aber ich glaube, in den letzten Jahrzehnten war es so, dass die junge Generation den

(Serpil Midyatli)

Lebensstandard ihrer Eltern steigern wollte, dass sie darüber hinaus kommen wollte. In dieser Generation ist es oft so, dass die Jugendlichen zum Ziel haben, diesen zu halten.

Auch wenn es politisch sehr unangenehm und sehr heikel ist und die Wählergruppe der Älteren, die leider aktiver ist als die der Jüngeren, immer größer wird und es in Zukunft auch nicht einfacher wird, teile ich die Einschätzung des Kollegen Habeck. Unsere sozialen Sicherungssysteme, gerade die Rentenversicherung und die Pflegeversicherung, sind überhaupt nicht auf die bestehenden Herausforderungen eingestellt. Wir haben schon jetzt keine Generationengerechtigkeit in den Sozialversicherungssystemen. Deshalb bin ich der Meinung, dass es parteiübergreifend an der Zeit ist, das nicht zum Wahlkampfschlager zu machen. Die Rentengarantie ist ein Beispiel. Ich denke, wir müssen einfach sehen, dass wir diese Debatte versachlichen und daran mitwirken, alle gemeinsam, dass das in Zukunft besser wird.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch wenn die Opposition das nicht so gern hört, die endlich angepackte Haushaltskonsolidierung ist von ganz elementarer Bedeutung für die Perspektiven der jungen Generation. Ich vermeide das Wort „Zukunftsperspektive“. Für mich ist Perspektive immer in die Zukunft gerichtet. Deswegen ist das eigentlich doppelt gemoppelt.

(Zuruf)

- Meinen Sie, ja? - Ein durch Überschuldung handlungsunfähig gewordener Staat trifft nie in erster Linie die Wohlhabenden, Herr Dr. Stegner, sondern immer erst die Schwächeren in der Gesellschaft. Ohne nachhaltige Finanzpolitik gibt es keine Generationengerechtigkeit.

(Zurufe)

- Es ist schön, dass Sie da zustimmen. Das freut mich. Man kann ja immer dazulernen.

Meine Damen und Herren, klar ist auch, dass die Unterschiede innerhalb dieser Generation größer als in der vorherigen Generation sind, was natürlich mit dem Auseinanderdriften der sozialen Milieus in unserer Gesellschaft zu tun hat. Das ist nicht nur ein jugendpolitisches Phänomen, das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Während die Jugend hierzulande interessanterweise heterogener geworden ist, wird sie sich europa- und weltweit immer ähnlicher. Ich finde, wir sind gut beraten, wenn wir vorhandene Austauschmöglichkeiten der Jugend

lichen in Europa und darüber hinaus weiter fördern und unterstützen.

Meine Damen und Herren, während meiner Schulzeit war eine der größten Sorgen der jungen Leute, dass man später einen Job bekommt. Das hat sich stark gewandelt. Der demografische Wandel hat ja nicht nur Nachteile für die junge Generation, sondern er hat ja auch Vorteile, weil sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren mit Sicherheit entspannen wird.

Insofern steht für uns fest, dass wir von dieser kleiner werdenden Gruppe, wovon wir jeden brauchen, gerade hinsichtlich der sozialen Sicherungssysteme, niemanden zurücklassen dürfen. Ich bin davon überzeugt, dass es richtig ist, dass wir niemanden zurücklassen dürfen.

Die präventiven Maßnahmen und Projekte der Landesregierung wurden ja in dem Bericht umfangreich dargestellt. Hinzu kommen neue bildungsund sozialpolitische Maßnahmen, in die das Land mit dem letzten Haushalt eingestiegen ist: Die Schulsozialarbeit und die schulvorbereitenden Kita-Modellprojekte sind ja ein Schritt hin zu mehr Prävention.

(Beifall bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, es war richtig - das wurde hier ja kritisiert -, dass wir es noch im Zuge der Haushaltsberatungen geschafft haben, die Kürzungen im Jugendbereich abzumildern. Die Jugendverbände in Schleswig-Holstein wissen, dass sie in Zukunft auch andere Quellen für ihre Finanzierung nutzen müssen. Aber sie brauchen Zeit dafür, um sich darauf einstellen zu können.

(Zuruf der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

- Frau Jansen, ich freue mich, dass Sie uns mit Ihrer Anwesenheit beehren. Aber Ihre Zwischenrufe sind wirklich nicht immer hilfreich. Wir sind hier nicht in der Lübecker Bürgerschaft.

Meine Damen und Herren, wir müssen insgesamt zu mehr Chancengerechtigkeit und Durchlässigkeit in unserer Gesellschaft sorgen. In der immer schneller voranschreitenden Globalisierung sehen die jungen Menschen mehr Chancen als Risiken. Auch darin unterscheiden sie sich von vielen der älteren Generation. Die junge Generation lebt wie selbstverständlich mit dem Internet. Insofern ist die schulische Vermittlung von Medienkompetenz gegenwärtig nicht immer in der Lage, mit diesem Fortschritt Schritt zu halten. Aber ich glaube, wir müssen gerade wegen der unbestritten vorhandenen

(Christopher Vogt)

Gefahren in den neuen Medien in den Schulen für Aufklärung sorgen. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Es gibt zahlreiche Fälle. In den USA sind gerade Jugendliche von der eigenen Schule ausspioniert worden, und zwar über ihre Laptops, über ihre Webcams. Und auch in Deutschland gibt es immer mehr Fälle, dass Jugendliche im Internet in Gefahr geraten. Es ist auch Aufgabe der Schule, darauf noch stärker hinzuweisen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat in ihrem Bericht die zahlreichen Maßnahmen und Projekte beschrieben, die natürlich fortgeführt werden, Frau Kollegin Midyatli. Insofern ist es erstaunlich, dass Sie so darauf einhämmern, dass im letzten Jahr nicht so viel Neues hinzugekommen ist, was aber gar nicht stimmt. Das zeigt ja, dass die SPD anscheinend nicht vorausschauend gearbeitet hat. Ich finde, es gibt viele nützliche Maßnahmen und Projekte der Landesregierung. Ich möchte hier vor allem das Handlungskonzept „Schule & Arbeitswelt“ und die Landespartnerschaft Schule und Wirtschaft ansprechen, die Bestandteil des Bündnisses für Ausbildung ist. Wir haben zum Glück eine verhältnismäßig geringe Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen in Schleswig-Holstein. Diese Maßnahmen sind wichtig, damit die Entwicklung junger Menschen gerade beim Übergang in den Beruf weiter unterstützt wird.

Meine Damen und Herren, die jungen Menschen wollen heute mehr denn je Familie und Karriere in Einklang bringen. Die Familie ist den jungen Menschen sehr wichtig. Neben dem beruflichen Erfolg wünschen sie sich ein sozial stabiles Umfeld, indem sie das Leben auch genießen können. Erfreulich ist für mich der aus der Studie ersichtliche wirklich ausgeprägte Wunsch, der in letzten Jahren noch stärker geworden ist, dass immer mehr junge Menschen später eine Familie haben wollen, Kinder haben wollen. Das sollte man nicht außer Acht lassen in dieser Debatte.

Meine Damen und Herren, ein großer Teil der jungen Menschen hat erkannt, dass Bildung der entscheidende Erfolgsfaktor für die Zukunft ist, der Unabhängigkeit und Sicherheit bringt. Bildung ist der Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe und ein erfolgreiches Berufsleben. Es sind vor allem die jungen Mädchen und jungen Frauen, die in diesem Bereich immer stärker auf dem Vormarsch sind. Das ist erfreulich. Allerdings müssen wir auch festhalten - das ist eine Entwicklung, die immer weiter voranschreitet -, dass die jungen Männer, dass die männlichen Kinder im Bildungssystem immer mehr Probleme haben.

(Heiterkeit und Zurufe)

- Bitte? Vielen Dank für den Hinweis, Herr Kollege Hamerich. Also, die Jungen und die männlichen Jugendlichen, Frau Kollegin Erdmann - nicht, dass wir da irgendwie durcheinanderkommen -, fallen immer weiter zurück im Bildungssystem. Diese Erkenntnis gibt es auch immer mehr in anderen Ländern. Insofern denke ich, sollten wir dafür sorgen, auch wenn es schwierig ist angesichts der finanziellen Rahmenbedingungen, dass der Erzieherberuf und der Beruf des Lehrers auch für Männer wieder attraktiver wird. Viele junge Menschen, gerade Jungen, Frau Kollegin Erdmann, haben leider zu Hause keine männliche Bezugsperson mehr. In der Schule sind auch wenig Männer vorhanden. Insofern ist es wissenschaftlich belegt, dass es förderlicher wäre, wenn mehr Männer den Beruf des Lehrers und des Erziehers ergreifen würden, Frau Erdmann. Das wäre für Jungen, glaube ich, eine gute Sache.

(Beifall bei FDP und CDU)

Insofern - das wurde schon angesprochen -

(Zurufe)

Das Wort hat der Abgeordnete Vogt!

Mein Gott, bleiben Sie doch geschmeidig. Dass es Sie so aus der Fassung bringt, dass ich „männliche Kinder“ gesagt habe, ist wirklich erstaunlich.

Meine Damen und Herren, die junge Generation ist häufig anders, als das von älteren Menschen oft angenommen wird. Sie fordert klare sozial-moralische Regeln; Frau Kollegin, Sie sind natürlich nicht gemeint. Sie wollen ihr Leben eigenverantwortlich und unabhängig gestalten. Immerhin 39 % der Befragten setzen sich selbst auch für soziale und gesellschaftliche Zwecke ein.

Meine Damen und Herren, dieser Generation sind Werte wie Hilfsbereitschaft, Verlässlichkeit und gesellschaftlicher Zusammenhalt wichtiger, als einige Ältere dies annehmen. Insofern ist es aus unserer Sicht unsere Aufgabe, weitere Integrationsmaßnahmen zu unterstützen, der Abwanderung vieler hochqualifizierter junger Menschen entgegenzuwirken und auch politischem Extremismus - auch das sollte an dieser Stelle angesprochen werden - entgegenzuwirken. Das sind große Herausforderungen,

(Christopher Vogt)

denen man sich nicht so eben mal mit einem Antrag stellt.

An dieser Stelle möchte ich kurz auf den Änderungsantrag der SPD eingehen. Zunächst war ich verwundert, als ich las, was Sie ändern wollen. Ich habe mir sagen lassen, dass man dazu Anträge stellen kann. Das ist auch in Ordnung. Ich finde allerdings, dass Ihr Antrag wenig zielführend ist. Das ist ein Sammelsurium an sozialdemokratischer Programmatik. Es ist ein sehr oberflächlicher Ritt durch unterschiedliche Politikbereiche.

Ich finde, wir sollten uns im Ausschuss damit befassen, obwohl ich den Antrag in der Form für wenig hilfreich halte. Vielleicht packen Sie das Thema im Ausschuss etwas ernster an. Insofern stimmen wir der Ausschussüberweisung zu. Wir werden uns dann im Ausschuss mit einem eigenen Antrag einbringen. Dann können wir uns gern darüber unterhalten. Ich freue mich darauf.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich der Fraktionsvorsitzenden, der Frau Abgeordneten Ranka Prante, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst kurz zu Ihnen, Herr Minister Garg. Ich möchte ein paar Zahlen richtigstellen, die Sie uns vorhin genannt haben, die auch in der Drucksache 17/1145 stehen. Ich zitiere daraus:

„Einzig bei Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien zeigt sich ein anderes Bild: hier ist nur ein Drittel (33 %) optimistisch.“

Es sind also nicht 6 %, wie Sie es vorhin dargestellt haben. Umgekehrt bedeutet das im Übrigen, dass sich 67 % der Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien unwohl fühlen.

Herr Potzahr, Sie reden von Jugendhilfe und vom Kinderschutzgesetz. Sie wissen, was Jugendhilfe beinhaltet. Jugendhilfe beinhaltet unter anderem, dass Eltern, die Schwierigkeiten mit ihren Kindern haben, zum Jugendamt gehen und dort sagen können: Ich habe Schwierigkeiten. Ich brauche Hilfe. Diese Hilfe können sie nach SGB VIII einfordern.

Haben Sie mitbekommen, dass im Kreis Pinneberg mittlerweile die Kommunen diese Hilfe nicht mehr zahlen können und nur noch bei Kindeswohlgefähr

dung zahlen? Ich denke, das sagt alles darüber aus, wie „ausreichend“ die Jugendhilfe ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Wovon hängt es ab, wie junge Menschen auf ihre Zukunft blicken? - Das hängt von ihrem Optimismus ab. Eine optimistische Grundeinstellung hilft auch, schwierige Lagen zu überbrücken. Das haben wir schon gehört. Eine optimistische Grundhaltung hängt aber wesentlich davon ab, welche Erfahrungen Menschen gemacht haben.