Protocol of the Session on November 20, 2009

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Mit Steuersenkun- gen geht es am besten!)

(Minister Rainer Wiegard)

- Herr Kollege Stegner, der größte Steuersenker in der Geschichte ist offensichtlich Herr Steinbrück. Er hat uns in Schleswig-Holstein Mindereinnahmen in der Größenordnung von 300 Millionen € beschert und sich dann mit der Nachricht verabschiedet, dass es für Steuersenkungen keinen Spielraum gibt. Das ist eine bemerkenswerte Logik, Herr Kollege.

(Beifall bei CDU und FDP - Zurufe)

- Meine Damen und Herren, ich komme zurück zu denen, die der Meinung sind, dass wir ohne Reduzierung des Personalbestandes und ohne Kürzung öffentlicher Leistungen einen ausgeglichenen Haushalt herstellen können. Wer dies will, muss jährlich etwa 2 Milliarden € mehr einnehmen, als wir ohnehin in der durchschnittlichen Entwicklung bereits unterstellt haben. Politischer Wille ersetzt nun einmal nicht die vier Grundrechenarten. Nur damit diejenigen, die sich mit diesen Gedanken befassen, annähernd wissen, worüber sie eigentlich reden: Um dies zu erreichen, müssten Sie zum Beispiel die Umsatzsteuer verdoppeln auf etwa 36 %, oder sie müssten die Lohnsteuer verdoppeln.

(Zurufe)

Auch die nun aus der Mottenkiste herausgeholte Vermögensteuer, die zu reaktivieren wäre, ist keine Lösung.

(Andreas Beran [SPD]: Trägt aber dazu bei!)

Ihr Aufkommen müssten Sie verzwanzigfachen, um eine entsprechende Wirkung zu erzielen. Das hätte zur Folge, dass Sie das nicht dauerhaft machen können, sondern nur fünf Jahre, dann sind die Vermögen weg, und dann gibt es aus den Vermögen keine Erträge mehr.

(Zurufe von der SPD)

Dann gibt es auch keine Steuern auf diese Erträge mehr. Dann ist das Ziel einer ganzen Reihe von Salonsozialisten, Herr Kollege Stegner, erreicht: Alle sind gleichermaßen arm.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Kollege, deshalb warne ich dringend davor, die Ausgaben für immer mehr öffentliche Aufgaben relativ an das Bruttoinlandsprodukt zu koppeln. Es ist inzwischen Mode geworden, alles am BIP zu orientieren, auch wenn der Zusammenhang nicht wirklich erkennbar ist. Es kann doch nicht Ziel sein, dass mit einer für alle geltenden ExcelTabelle die Verteilung der Ausgaben bis hin zu den Gemeinden festgelegt wird, während wir hier noch darüber diskutieren, ob wir eine Verschuldungsre

gel im Grundgesetz oder in der Landesverfassung festlegen wollen.

Deshalb glaube ich, dass sehr viel mehr Ernsthaftigkeit notwendig sein wird. Wir haben eine gewaltige Aufgabe vor uns. Ich weiß nicht, ob jeder bereits die Dimensionen überschaut hat. Ich bin auch davon überzeugt: Wir werden diese Aufgabe nur gemeinsam lösen, nicht gegeneinander.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Landesregierung hat vier Minuten über die verabredete Redezeit genutzt. Diese vier Minuten stehen jetzt allen Fraktionen zusätzlich zu den verabredeten zehn Minuten zur Verfügung. Ich erlaube mir den kleinen Hinweis: Sie müssen ja nicht genutzt werden.

Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion als Antragstellerin des Hauptantrages hat Frau Abgeordnete Birgit Herdejürgen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich werde versuchen, die 14 Minuten nicht komplett auszunutzen. Mal sehen, ob das gelingt.

Wir haben ein Neuverschuldungsverbot im Grundgesetz verankert. Das gilt für uns. Die SPD hat sich immer für eine wirksame Schuldenbegrenzung ausgesprochen, allerdings - auch das war für uns immer klar, und darüber waren sich alle Fraktionen zumindest zeitweise in der beendeten Legislaturperiode einig -: Sie gehört in unsere Landesverfassung und nicht ins Grundgesetz.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb hat der Landtag seinerzeit beschlossen, sowohl eine Schuldenregelung in die eigene Verfassung zu schreiben als auch dagegen zu klagen, dass der Bund die Handlungsspielräume des schleswigholsteinischen Haushaltsgesetzgebers beschneidet.

Vor zwei Monaten konnte es der CDU gar nicht schnell genug gehen:

,,Das Jamaika-Bündnis aus CDU/FDP und Grünen ist heute mit dem verantwortungsbewussten Versuch, eine Schuldenbremse in die Landesverfassung einzuziehen, an der SPD gescheitert“,

polterte der frühere CDU-Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul am 16. September im Landtag, und das nur, weil die SPD darauf bestanden hatte, eine

(Minister Rainer Wiegard)

Schuldenbremse nicht im Schnelldurchgang vor der Landtagswahl durchzupeitschen, sondern dem Ernst eines substanziellen Eingriffs in die Verfassung angemessen ein vernünftiges Gesetzgebungsverfahren durchzuführen.

,,Wir müssen die Welt in Schleswig-Holstein nicht neu erfinden“,

sekundierte Finanzminister Rainer Wiegard; schließlich habe man drei Jahre lang in der Föderalismuskommission intensiv darüber diskutiert.

Das war vor der Wahl. Nach den Ausführungen des Finanzministers wundere ich mich jetzt ein bisschen; offenbar gibt es da ein paar Differenzen zwischen dem Minister und den regierungstragenden Fraktionen. Denn dem Antrag der CDU - die FDP hat mit unterzeichnet - entnehme ich, dass es nach der Wahl offenkundig nicht mehr so schnell geht. Im Antrag von CDU und FDP erfahren wir, dass eine Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung ohnehin nicht ohne einen vorherigen sachgerechten Plan zur Haushaltskonsolidierung möglich ist. Diesen Plan hat der alte und neue Finanzminister trotz dreijähriger intensiver Diskussion nicht etwa bereits vorbereitet - zumindest entnehme ich das dem Antrag. Dem Redebeitrag war durchaus etwas anderes zu entnehmen, wobei das nur die Übernahme der grundgesetzlichen Regelung war. Allerdings ist das so auch in der Vergangenheit durchaus vorgetragen worden.

Wir haben in unserem Antrag konkrete Termine benannt. Das ist auch der Grund dafür, dass wir diesen Antrag eingebracht haben, zumal es ja - wie wir im letzten Finanzausschuss erfahren haben durchaus sehr unterschiedliche Auffassungen gibt, welche Beschlüsse der vergangenen Periode der Diskontinuität anheimfallen und welche nicht.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich kann nicht ganz verstehen, was in dem Antrag von CDU und FDP der eine Teil mit dem anderen zu tun haben soll. Wir werden ab 2011 hart konsolidieren müssen, und wir werden das auf Basis eines Neuverschuldungsverbots tun müssen. Am 15. Juli hat der Landtag beschlossen, dass die Neuverschuldung ab 2011 jährlich um 10 % gesenkt wird und dass spätestens ab 2020 auch ohne bundesgesetzlichen Zwang jeder Landeshaushalt in wirtschaftlichen Normallagen ohne die Aufnahme neuer Schulden auskommen soll.

Nun wollen CDU und FDP, dass erst einmal die Mai-Steuerschätzung abgewartet und dann ein langfristiger Abbaupfad vorgelegt werden soll. Konkrete Vorschläge sollen in einer Haushalts

strukturkommission beraten werden. Der Ministerpräsident hat harte Einschnitte angekündigt, ist Antworten auf die Frage, wie diese aussehen sollen, bislang jedoch schuldig geblieben. Er werbe um die Willenskraft der Abgeordneten, die diese Regierung tragen, sagte er am Mittwoch in der Regierungserklärung. Damit wird er gut beschäftigt sein, denn um die Willenskraft der CDU-Abgeordneten und Regierungsmitglieder war es bislang eher bescheiden bestellt, wenn es darum ging, Beschlüsse in den Wahlkreisen zu verantworten. Ich denke da beispielsweise an die Verwaltungsstrukturreform.

(Beifall bei der SPD)

Der Ministerpräsident formuliert, wo er eigentlich endlich Butter bei die Fische geben sollte, eher nebulös: Interessen einzelner Verbände müssen zurückstehen für das Gemeinwohl - also nicht näher benannte Naturschutzverbände, Sozialverbände, Sportverbände, aber auch Kammern und Stiftungen.

Und darüber wollen die CDU, die immerhin schon viereinhalb Jahre Zeit zum Üben hatte, und die FDP, die immer schon alles besser wusste, noch keine konkreten Vorstellungen haben? Das scheint mir doch sehr unwahrscheinlich. Eine Kommission soll es richten, aber noch nicht dieses Jahr, sondern nächstes. Das ist wenig glaubwürdig. Wir meinen, die Regierung soll die Karten jetzt auf den Tisch legen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Konsolidierungspfad wird sich an der Verfassung orientieren müssen, nicht umgekehrt. Was mehr braucht man, um einen Vorschlag für eine vernünftige Formulierung in der Verfassung vorzulegen? Einen Vorschlag, den der Landtag dann in seinen Ausschüssen berät und der letztlich in eine Entscheidung münden wird, die ein sorgfältig erarbeitetes und breit akzeptiertes Verschuldungsverbot in unserer Verfassung verankert. Denn eine Einschätzung des Kollegen Kubicki - wie auch viele andere - teile ich nicht: Keine Fraktion, sagte er im September, könne sich mit der politischen Ausrede aus der Affäre ziehen, dass noch großartiger Anhörungsbedarf zu einem Gesetzentwurf bestehe.

Wir meinen, dass eine Änderung der Verfassung, die künftige Generationen über viele Jahre bindet und die erhebliche Auswirkungen auf die langfristigen Finanzplanungen haben wird, auch der Mitwirkung breiter Teile der Gesellschaft bedarf.

(Beifall bei der SPD)

(Birgit Herdejürgen)

Wir wollen, wie wir es bei anderen Gesetzen auch unterhalb von einer Verfassungsänderung ebenfalls tun, ein vernünftiges Anhörungsverfahren durchführen.

Aus sozialdemokratischer Sicht - das möchte ich sehr deutlich sagen - sind Anhörungen nicht politische Ausreden, sondern wir schätzen sie als Instrument zur Beteiligung wichtiger gesellschaftlicher Gruppen. Das mag die FDP anders sehen.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist ja ganz neu!)

Gestern, am 19. November, haben sich die Fraktionen beim Landtagspräsidenten darauf verständigt, dass in Umsetzung des Landtagsbeschlusses bis zum 30. Januar 2010 die Klage gegen das Verschuldungsverbot im Grundgesetz eingereicht wird.

Wir wissen aber auch, Herr Wiegard, dass die Klage der Landesregierung der sicherere Weg wäre, weil keine eindeutige Rechtsauffassung darüber besteht, inwieweit das Klagerecht des Landtags Bestand hat. Nichtsdestotrotz wird der Beschluss umgesetzt.

Nicht akzeptabel wäre es für uns, wenn die CDU nun erst die Vorlage eines konkreten Vorschlags mit den erstaunlichsten Begründungen herauszögerte, um dann ein beschleunigtes Verfahren ohne Anhörung und Beteiligungsmöglichkeiten durchführen will. In einem Eilverfahren werden wir dieser Frage ebenso wenig zustimmen, wie wir es im September getan haben.

(Beifall bei SPD und SSW)

Wir sollten jetzt - damit ist es uns ernst - zügig und mit aller gebotenen Sorgfalt eine Schuldenregelung für unsere Landesverfassung beraten und deutlich machen, dass wir zu unseren Beschlüssen stehen. Wir fordern die Landesregierung deshalb auf, bis Januar einen Formulierungsvorschlag vorzulegen. Das kann durchaus der sein, der auch im Grundgesetz enthalten ist und was der Minister hier vorgetragen hat. Wir fordern, dass die Regierung endlich eine mittelfristige Finanzplanung vorlegt. Schließlich ist der Finanzminister nicht neu im Amt, und gerade der notwendige Konsolidierungspfad sollte im Parlament intensiv diskutiert werden.

Man kann nicht einerseits Verantwortung des gesamten Parlaments einfordern und es auf der anderen Seite möglichst lange aus den jeweiligen Entscheidungsprozessen heraushalten. Die Festlegung von Zeiträumen für die Konsolidierung, die Steuerungsinstrumente, der Umgang mit konjunkturellen