Protocol of the Session on January 27, 2011

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Drittens. Die Landwirte in Schleswig-Holstein sind unabhängig davon, ob ihre Höfe gesperrt waren oder nicht, gleichfalls Opfer des Dioxinskandals. Sie sind angesichts des Preisverfalls für Schweinefleisch in wirtschaftliche Not gekommen. Nun habe ich auch zur Kenntnis genommen - ich lese ja am Wochenende auch das Bauernblatt -, dass der Schweinefleischpreis wieder nach oben gegangen ist. Er lag bei 1,12 €. Aus Angeln habe ich mitbekommen, dass er teilweise sogar unter 1 € abgerutscht ist. Wir müssen uns zur Erinnerung einmal ins Gedächtnis zurückrufen, dass man 1983 - damals gab es noch die D-Mark - umgerechnet 1,50 € für ein Kilogramm Schweinefleisch bekam. Wenn man heute 1,12 € oder 1,20 € bekommt, weiß man, was dort bei der Geldentwertung eigentlich passiert ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Schäden, die durch verunreinigte Futtermittel entstehen, brauchen wir eine finanziell ausreichend hoch angesetzte Haftpflichtversicherung, die zwingend von der Futtermittelindustrie und dem Handel abgeschlossen werden muss.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Wer an der Stelle immer wieder darauf hinweist, dass dies wahrscheinlich wegen der Risiken kaum möglich sei, dass hier mit Rückversicherungen gearbeitet werden muss, dem sage ich: Das ist in anderen Bereichen auch der Fall. Das ist dann teurer, und Rückversicherungen verdienen damit ihr Geld. Das ist aber machbar. Wir brauchen nur die entsprechenden Gesetze. Auch der von Ministerin Aigner angekündigte Weg, günstige Kredite der landwirtschaftlichen Rentenbank sinnvoll zu geben, um finanzielle Engpässe von verschiedenen Höfen zu überbrücken, halte ich für den richtigen Weg. Aber es geht in erster Linie darum, dass wir ein Haftpflichtsystem bei uns bekommen.

Viertens. Neben aktuellen schnellen Verbesserungen im System der Futtermittelkontrolle dürfen wir die übergeordnete Aufgabe nicht aus den Augen verlieren. Damit kommen wir sicherlich auch zu dem übernächsten Punkt. Wir müssen einen gesellschaftlichen Prozess zum Wert von Lebensmitteln und zum eigenständigen Wert gesunder Ernährung anstoßen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Nur das Wissen um und Bewusstsein für gesunde Lebensmittel kann die Verbraucherinnen und Verbraucher ermuntern, für qualitativ hochwertige Le

(Lothar Hay)

bensmittel den richtigen Preis an der Kasse zu zahlen. Dann kostet ein Hähnchen, 40 Tage Mast, 1,2 kg, eben nicht im Sonderangebot bei einer Firma, die zu Edeka gehört, 2,79 €, dann muss ich erheblich mehr dafür bezahlen. Dann kriege ich aber auch ein qualitativ hochwertiges Produkt. Dazu müssen wir aber auch selbst bereit sein, alle, die wir hier sitzen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Diese Aufgabe ist eine Aufgabe, die man nicht nur in der schulischen Bildung weiter stärker in den Fokus nehmen muss, sondern auch in der außerschulischen Bildung und Weiterbildung. Nur dann werden wir auf dem richtigen Weg sein, dass wir in Zukunft noch mehr gesunde Lebensmittel bekommen.

Lassen Sie mich abschließend noch einen Punkt ansprechen. Wir haben aus meiner Sicht noch viel zu tun in diesem Bereich. Ich verweise auf die Drucksache 17/1052. Da geht es um das Thema Hähnchenhaltung in Schleswig-Holstein. Da erklärt die Landesregierung, dass der landesweite Einsatz von Antibiotika in der Hähnchenhaltung von den Überwachungsbehörden nicht erfasst wird. Es ist also noch viel zu tun. Ich wünsche Ihnen zwar keinen guten Appetit, hoffe aber, dass der Antrag von SPD, der LINKEN und Grünen, weil darin viele Punkte enthalten sind, die ohnehin auf der Verbraucherministerkonferenz schon mitgetragen wurden, eine große Zustimmung im Landtag findet.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Das Wort für die FDP-Landtagsfraktion erteile ich dem Herrn Kollegen Carsten-Peter Brodersen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchten auch wir der Ministerin Frau Dr. Rumpf und ihren Mitarbeitern für die stetige ausführliche Informationsweitergabe und für das verantwortungsvolle Krisenmanagement der letzten Wochen unseren Dank aussprechen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Futtermittel sind Lebensmittel für Tiere. Abfallentsorgung durch den Tiermagen war und ist nicht akzeptabel. Ich denke, darüber können wir uns alle sehr schnell einig werden. Wer bewusst technische Fette mit überhöhten Dioxin-Grenzwerten als Fut

terfette vertreibt, handelt gegen das Gesetz und muss zur Rechenschaft gezogen werden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Darüber hinaus wird auf sträfliche Weise das Vertrauen des Handels, der Landwirte und der Verbraucher missbraucht.

Meine Damen und Herren, mit dem Berichtsantrag von CDU und FDP soll dem Parlament ein Überblick über das Krisenmanagement, die Information der Öffentlichkeit, die Gefährdung von Verbrauchern und die Zusammenarbeit zwischen Bundesund Landesministerien gegeben werden. Ziel ist es, dem gesamten Plenum das Ausmaß und auch die erforderlichen Konsequenzen zu verdeutlichen. Das hat Frau Dr. Rumpf heute gemacht. Auch dafür herzlichen Dank.

Nur dann, wenn man diesen Skandal in Gänze betrachtet, ist es möglich, die richtigen Entscheidungen in Bund und Land zu treffen. Bundesministerin Aigner hat am 18. Januar mit den verantwortlichen Landesministern ihren Aktionsplan erarbeitet einen Aktionsplan, den die FDP unterstützt. Der Aktionsplan „Unbedenkliche Futtermittel, sichere Lebensmittel, Transparenz für den Verbraucher“ enthält Maßnahmen, die von der FDP schon am 10. Januar auf Bundesebene vorgeschlagen worden sind, sowie die Vorschläge der schleswig-holsteinischen Ministerin Frau Dr. Rumpf.

Wichtig sind hierbei die Aspekte der Einführung einer Zulassungspflicht für Futtermittelbetriebe und einer Meldepflicht für Labore. Außerdem sollen Produktionsströme von Futtermitteln und technischen Stoffen konsequent getrennt sowie Kontrollen standardisiert und stetig verbessert werden. Zudem müssen Betriebe künftig verpflichtet werden, eine entsprechende Haftpflichtversicherung abzuschließen.

Die FDP wird sich deshalb für eine zügige Umsetzung des Aktionsplans einsetzen. Das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher muss wiederhergestellt werden. An dieser Stelle muss einmal deutlich gesagt werden, dass es einfach unredlich ist, die ökologische Landwirtschaft als Allheilmittel zu verkaufen und andererseits die konventionelle Landwirtschaft pauschal zu verteufeln. Beide haben ihre Daseinsberechtigung, und beide sorgen bei uns in Deutschland für eine ausreichende, günstige und gesunde Ernährung.

(Beifall bei FDP und CDU)

(Lothar Hay)

Herr Kollege Brodersen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Matthiessen?

Nein. Im Moment nicht.

Die Vorschläge aus dem Aktionsplan sind richtig und wichtig, um in Zukunft kriminelle Handlungen in der Futter- und Lebensmittelproduktion einzudämmen. Eine hundertprozentige Sicherheit werden wir aber auch in Zukunft nicht gewährleisten können.

Meine Damen und Herren, an erster Stelle des Aktionsplans steht die Initiative des Bundes zur Zulassungspflicht für Futtermittelbetriebe. Es steht außer Frage, dass Betriebe, die Futtermittel für lebensmittelliefernde Tiere herstellen, behandeln oder in den Verkehr bringen, einer grundsätzlichen Zulassungspflicht unterworfen werden müssen. Ein guter Ansatz ist auch, dass Futterfette und Futterfettsäuren nur in Anlagen hergestellt oder gehandelt werden dürfen, in denen ausschließlich Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt werden.

Der erste Punkt des Aktionsplans mit Länderbezug, der EU-weit umzusetzen ist, ist die Positivliste, die auflistet, welche Einzelfuttermittel, die an lebensmittelliefernde Tiere verfüttert beziehungsweise zu Mischfutter werden sollen, verarbeitet werden dürfen. Für eine solche verpflichtende Anwendung wird sich der Bund auf EU-Ebene einsetzen. In Schleswig-Holstein wird sie dann durch entsprechende Experten umzusetzen sein.

Einen weiteren wichtigen Punkt mit landespolitischer Relevanz stellt die Rückverfolgbarkeit dar, verehrte Kolleginnen und Kollegen. SchleswigHolstein wird in Abstimmung mit dem Bund Schwachstellen bei der Rückverfolgbarkeit von belasteten Futtermitteln analysieren, beseitigen und bei Bedarf Rechtsvorschriften erlassen. Die Verbesserung eines ländereinheitlichen Modells zur risikoorientierten Futtermittelkontrolle ist ebenso wie die Absicherung eines abgestimmten Qualitätsmanagements der Überwachung und ebenso wie das Dioxin-Monitoring wichtiger Bestandteil des erarbeiteten Aktionsplans.

Aus unserer Sicht ist das derzeit Mögliche bedacht. Doch wie schon gesagt: Kriminelle Handlungen wird man nicht gänzlich verhindern können. Wir schaffen aber Rahmenbedingungen, die sicherstellen, dass Fehlverhalten in Zukunft schneller erkannt und aufgedeckt werden kann.

Weiterhin muss im Fokus bleiben, dass Analysemethoden verbessert und beschleunigt werden. Außerdem müssen gemeinsam mit der Wirtschaft Strategien entwickelt werden, wie verhindert werden kann, dass Dioxine überhaupt in die Umwelt gelangen.

Sowohl der Bericht der Ministerin als auch die bisherigen Arbeitsergebnisse, die nur vier Wochen nach Bekanntwerden dieses Dioxinskandals vorliegen, zeigen, dass Schleswig-Holstein sowie der Bund effektiv und schnell auf die Krise reagiert haben. Jetzt gilt es, diesen Aktionsplan zeitnah umzusetzen. Unterstützen auch Sie diesen Aktionsplan!

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort hat die Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Frau Abgeordnete Ranka Prante.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die verunsicherten Verbraucher interessieren sich herzlich wenig für das Hin und Her zwischen Bund und Ländern. Sie wollen wissen, ob ihre Lebensmittel künftig sicher sind. Die Menschen wollen wissen, woher ihr Essen kommt und welche Inhaltsstoffe sich darin befinden. Diese Informationen werden ihnen aber als angebliche Betriebsgeheimnisse vorenthalten.

Schon im Mai 2010 hat der Landesrechnungshof in dem Bericht über die Landeshaushaltsrechnung festgestellt, dass die Lebensmittelüberwachung in Schleswig-Holstein nicht den rechtlichen Vorgaben entspricht. Ich zitiere aus diesem Bericht:

„Die meisten Veterinärämter haben bisher ihre Aufgaben nur unzureichend erfüllt. Das Landwirtschaftsministerium und die Veterinärämter müssen eine ordnungsgemäße Lebensmittelüberwachung sicherstellen.“

Das sagt in meinen Augen schon alles. Eine Verbesserung des Verbraucherinformationsgesetzes wird seit einem Jahr von der schwarz-gelben Bundesregierung blockiert.

Wir haben jetzt aber schon den sechsten Dioxinskandal seit 1999 in Deutschland. Wie viele solcher Skandale braucht es Ihrer Meinung nach noch, bis Sie endlich zugeben, dass die Verbraucher nicht ausreichend geschützt sind und endlich etwas dagegen getan werden muss? Es war doch eher Zufall, dass der heutige Dioxinskandal ans Licht gekom

men ist, weil das System der Lebensmittelkontrolle mangelhaft ist. Die Eigenkontrolle der Betriebe ist offensichtlich nicht ausreichend. Gepanschtes Tierfutter wurde an Geflügel und Schweine verfüttert. Es gelangte über Eier und Fleisch unentdeckt auf unsere Teller.

Wir fordern Sie auf, sich auf allen politischen Ebenen für einen verbesserten Verbraucherschutz einzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Landesregierung, Sie sind nämlich für die Lebensmittelsicherheit verantwortlich, und zwar vom Acker bis zum Teller.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie müssen im Dioxinskandal die Ursachen bekämpfen. Nur die Symptome zu behandeln, reicht nicht aus.

Wir fordern deshalb die Trennung von Produktionsströmen, eine Positivliste für Stoffe in der Tierfütterung, eine verpflichtende Haftpflichtversicherung für den gesamten Futtermittelhandel, eine behördliche Zulassungspflicht für Fett verarbeitende Betriebe, die Verdichtung von Eigenkontrollen, die Erhöhung von amtlichen Kontrollen, die Erleichterung von Verbraucherinformationen sowie die Verbesserung der Infrastruktur im Verbraucherschutz. Letztlich ist es aber auch wichtig, darauf hinzuarbeiten, dass ein gesellschaftlicher Prozess angestoßen wird, der den Wert von gesunden und nachhaltig produzierten Lebensmitteln in den Mittelpunkt stellt.

(Beifall bei der LINKEN)