Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Dr. Andreas Tietze das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir ist unklar, Herr Arp, wie Sie in Ihrem Antrag zu den Gigalinern aus Monstertrucks Ökoliner machen. Sie verballhornen den Ökobegriff und machen wieder einmal eindringlich deutlich, dass Sie von FDP und CDU mit Öko wirklich nichts im Sinn haben.
Gigaliner ziehen den Verkehr von der Schiene ab und zerstören die Straßeninfrastruktur. Ich bleibe dabei: Wer auf Giga setzt, ist gaga.
Das Gebot der Stunde für den Güterverkehr, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, ist der Güterverkehr auf der Schiene. Das ist die richtige Antwort in Zeiten des Klimawandels.
Wer wie Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, in Bund und Land Investitionen für den Ausbau des Schienenverkehrs zusammenkürzt, zaghaft ist und gleichzeitig Gigaliner und Monstertrucks auf deutschen Straßen fahren lassen will, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Diese überlan
gen Lkws werden die derzeitig erlaubte Maximallänge von 18,75 m überschreiten. Ich möchte nicht wissen, was die Deutschen davon halten werden, wenn sie jetzt auf den Autobahnen und auf den Landstraßen diese Monstertrucks sehen. Es werden auch nicht nur leichte Waren transportiert. Ein Gewicht bis zu 60 Tonnen ist möglich. Die Kosten dafür werden die Kommunen, werden die Gemeinden, werden wir, die Steuerzahler, tragen. Das wollen wir nicht mittragen.
In einer Studie von K+P Transport Consultants im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums ist darauf hingewiesen worden, dass es eine massive Verkehrsverlagerung und Verkehrssicherheitsgefährdung gibt. Die übergroßen Lkws ziehen neue Gefahren nach sich. Diese Gigaliner gefährden die Verkehrssicherheit. Sie erzeugen längere Überholvorgänge und Unsicherheiten im Straßenverkehr, die auch durch neue Sicherheitsvorkehrungen nicht vermeidbar sind.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie bringen leider immer das Falsche ins Rollen. Das zeigt dieser Antrag. Sie stellen die Weichen in der Verkehrspolitik falsch.
Neben der von uns nicht gewollten Verkehrsverlagerung sprechen auch, wie gesagt, die Folgekosten gegen die Zulassung. Die öffentliche Hand müsste für die Schäden aufkommen. Ein dauerhafter Einsatz von Gigalinern wird große Investitionen nach sich ziehen. Ich erinnere nur daran, dass Kreisverkehre, Kurven und Brücken angepasst werden müssten.
Herr Abgeordneter, einen kleinen Moment bitte! Es wäre ganz schön, wenn insbesondere auf der linken Seite des Hauses alle dem Kollegen doch ein bisschen mehr Aufmerksamkeit widmen würden.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die kennen die Rede wahrscheinlich! - Zuruf von der CDU: Nicht einmal die eigenen Leute hören zu!)
Den gleichen Duktus hat Ihr Antrag, mehr LkwPlätze an Autobahnen zu schaffen. Man muss sich fragen, warum die Raststätten denn so überfüllt
sind. Wenn Sie nun mehr Parkplätze für Lkws fordern, dann greift diese Strategie eben nur kurzfristig. Sie lösen ein kurzfristiges Problem, verpassen aber, auf die strategischen Herausforderungen zu antworten, wie denn die Güter im 21. Jahrhundert, dem Jahrhundert des Klimawandels, CO2-vermindernd transportiert werden sollen.
Für kurzfristige Probleme muss es natürlich auch Lösungen geben. Aber - das sagt unser Antrag- versiegeln Sie dazu nicht Flächen. Versuchen Sie zumindest, leere Gewerbeflächen mit einzubinden. Ihre Verkehrspolitik heißt: mehr Beton für mehr Lkws. Das ist am Ende eine verfehlte Politik.
Hinsichtlich der Schiene klafft in Schleswig-Holstein seit über 40 Jahren eine Lücke. Wir brauchen schnell eine moderne und leistungsfähige Schieneninfrastruktur, eine Elektrifizierung in ganz Schleswig-Holstein.
Wir Grünen fordern: Legen Sie endlich ein Konzept für eine moderne Schienennetzpolitik im Jahr 2025 vor. Beseitigen Sie die Engpässe in unserem Schienennetz. Sie hemmen das Wachstum und verlagern den Verkehr auf die Straße. Das ist das Grundproblem, das man zuerst lösen muss, bevor man hier über Lkw-Parkplätze und Gigaliner diskutiert.
Herr Kollege Tietze, verstehe ich Sie richtig: Sehe ich Sie jetzt an unserer Seite kämpfen für die Schienenhinterlandanbindung der Fehmarnbelt-Querung?
hundert bringen und die Schieneninfrastruktur modernisieren. Dafür brauchen wir keine neuen Verbindungen, sondern endlich einmal die Investitionen in das vorhandene Schienennetz. Das muss ausgebaut und modernisiert werden.
Herr Hamerich, ich weise darauf hin, dass die DB Netz hohe Gewinne einstreicht. Ich habe gelesen, dass allein im Jahr 2010 die Trassenentgelte für Schleswig-Holstein etwa 700 Millionen € betragen haben. Dieses Geld - das sage ich Ihnen klipp und klar - muss in unser Netz investiert und in der Region bleiben und darf nicht an den Mutterkonzern abgeführt werden, der dann in Stuttgart einen Bahnhof baut, den niemand haben will.
(Lachen des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU] - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])
Unser Bahnnetz, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss endlich betreiberneutral entwickelt und bewirtschaftet werden. Mein Fazit: Der Eisenbahn-, Güter- und Personenverkehr muss der klima- und verkehrspolitische Hoffnungsträger in SchleswigHolstein sein, nicht der Güterverkehr auf der Straße. Daher keine Gigaliner und auch nicht mehr Parkplätze. Wir brauchen endlich eine verkehrliche Investitionsentscheidung, die konsequent am verkehrlichen Bedarf und an den Zielen eines zukünftigen Umwelt- und Klimaschutzes ausgerichtet ist. Wir brauchen eine moderne Schieneninfrastrukturpolitik in Schleswig-Holstein. Seien Sie sicher, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP: Dafür werden wir auf allen politischen Ebenen streiten.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der LINKEN - Dr. Christi- an von Boetticher [CDU]: Ich verstehe nur Bahnhof! - Christopher Vogt [FDP]: Er hat zwar am Thema vorbei geredet, aber das macht ja nichts!)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verkehrsministerkonferenz hat sich 2007 mehrheitlich gegen die Zulassung von Gigalinern und gegen weitere Pilotversuche mit diesen
Lkw in Deutschland ausgesprochen. Laufende Modellversuche sollten demnach nur noch auslaufen und keine weiteren Versuche zugelassen werden. Die Beschlusslage ist also eindeutig. Daher stellt sich die Frage, warum es heute immer noch Bundesländer gibt, die Ausnahmegenehmigungen für Gigaliner erteilen?, und welchen Wert Beschlüsse von Verkehrsministerkonferenzen haben, wenn sich nicht alle dran halten.
Schleswig-Holstein zählt zu den Ausreißern, die sich nicht an die Beschlüsse von damals halten. Für drei Strecken wurden Ausnahmegenehmigungen hier im Land erteilt. Auf einer der drei Strecken fährt eine dänische Spedition mit Gigalinern. Dieser grenzüberschreitende Verkehr der Gigaliner verstößt sogar gegen EU-Recht und wird von uns abgelehnt.
Nun wurde von der Bundesrepublik angekündigt, ab 2011 bundesweite Feldversuche mit Gigalinern auf ausgewählten Autobahnen zu starten. Doch offenbar gibt es Pläne, dies am Bundesrat vorbei durchzusetzen, weil man Angst hat, keine Mehrheit zu bekommen. Nach Ankündigung werden aber nicht alle Bundesländer an diesem Feldversuch teilnehmen und einige Bundesländer erwägen, eine Klage gegen einen solchen Alleingang einzureichen. Ein solches Vorgehen der Bundesregierung ist in der Tat nicht akzeptabel und muss bekämpft werden.
Die ablehnende Haltung einiger Bundesländer ist durchaus begründet. Gigaliner stellen ein höheres Gefahrenpotential als normale Lkw dar. Die Aufprallenergie eines 60-t-Lkw ist nun einmal deutlich höher als die eines Zwanzig- oder Dreißigtonners, und auch das Überholen durch Personenkraftwagen ist problematischer.
- Kritisch zu sehen, lieber Kollege Kubicki, sind im Bereich der Verkehrsinfrastruktur auch das Durchfahren von Kreisverkehren oder von engen Ortsdurchfahrten sowie die größere Belastung der Brücken, deren Instandsetzung wir dann nämlich wieder zu bezahlen haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bund in die Bresche springen wird, wenn es darum geht, die Straßen für die Gigaliner anzupassen. Für Schleswig-Holstein kann ich sagen, dass wir nicht einmal heute das Geld haben, um die wichtigsten Verkehrsprojekte im Land umsetzen oder auch nur unsere Straßen flächendeckend instand zu halten. Gigaliner können wir uns auf jeden Fall nicht leisten.
Auch muss mit dem Märchen aufräumt werden, dass Gigaliner einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Diese werden auch noch fälschlicherweise Ökoliner genannt. Damit streut man der Bevölkerung absichtlich Sand in die Augen, um von der wirklichen Problematik abzulenken. Gigaliner leisten mittel- und langfristig keinen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz. Mit der Zulassung von Gigalinern ist davon auszugehen, dass eine weitere Verlagerung des Gütertransports auf die Straße stattfindet. Wegen der sinkenden Transportkosten werden Bahn und Schiffe wirtschaftlich unrentabel, und es wird zu einem Anstieg des Güterverkehrs auf der Straße kommen.
Erst ab einer Auslastung von mehr als 80 % stoßen Gigaliner weniger Luftschadstoffe pro Frachttonne als normale Lkws aus. Aber normale Lkws sind nicht einmal heute voll ausgelastet. Selbst bei theoretisch voller Auslastung der Gigaliner ist die Schadstoffbilanz des Schienengüterverkehrs immer noch wesentlich besser. Wer hier also von Ökolinern spricht, sagt nur die halbe Wahrheit. Gigaliner sind die falsche Antwort auf unsere Probleme. Wir müssen die Schiene stärken. Das ist der einzige Ausweg, den wir haben, meine Damen und Herren.
Abschließend möchte ich noch auf den Antrag bezüglich der Parkplatzproblematik für Lkws an den Autobahnen eingehen. Ich habe durchaus Verständnis für den vorliegenden Antrag;