Protocol of the Session on December 17, 2010

Wir begrüßen in diesem Sinne auch den Antrag der SPD. Aber in Ihrem Antrag legen Sie sich auf das Asylbewerberleistungsgesetz fest. Wir wollen es abschaffen, weil es ein diskriminierendes, menschenverachtendes Gesetz für Flüchtlinge ist, die ohne Aufenthaltsstatus hier leben. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort der Frau Abgeordneten Astrid Damerow.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE stellt einen Antrag, der darauf abzielt, dass das Land Schleswig-Holstein eine Bundesratsinitiative betreiben soll, um das Asylbewerberleistungsgesetz aufzuheben. Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren von der LINKEN, hätten Sie sich vielleicht einmal fragen sollen, was der Bundestag tut, wenn ihn dieses Anliegen erreicht. Spätestens dann hätten Sie bemerkt, dass Sie mit Ihrer Idee nicht ganz auf der Höhe der Zeit sind und zu spät kommen.

Die Grünen im Deutschen Bundestag sind Ihnen hier zuvorgekommen und haben bereits im April 2010 einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des Asylbewerberleistungsgesetzes in die parlamentarische Beratung eingebracht, der im Übrigen wesentlich konkreter ausgearbeitet ist als Ihr Antrag. Wie auch immer man inhaltlich im Einzelnen dazu stehen mag: Diesen Gesetzentwurf hat der deutsche Bundestag in seiner Sitzung im Juni 2010 in die Ausschussberatung überwiesen. Es befassen sich jetzt also unsere zuständigen Kollegen in Berlin damit, und zwar in folgenden Ausschüssen - nun hören Sie

genau zu! -: im Ausschuss für Arbeit und Soziales, im Innenausschuss, im Rechtsausschuss, im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, im Ausschuss für Gesundheit und im Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Er wird also in insgesamt sechs Bundestagsausschüssen behandelt, und auch die Abgeordneten der LinkenBundestagsfraktion haben die Gelegenheit, sich einzubringen.

Ich denke, damit wird deutlich, dass man sich in Berlin mit diesem Thema äußerst intensiv auseinandersetzt und hier bereits alles veranlasst ist. Wir brauchen dazu den Antrag der LINKEN nun wirklich nicht hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Sie verlangen von der Landesregierung eine Arbeit, die andere bereits erledigen. Man gewinnt im Übrigen angesichts der Fülle Ihrer derartigen Anträge ein bisschen den Eindruck, dass Sie Ihren Bundestagsabgeordneten nicht zutrauen, in Berlin ihre Arbeit zu verrichten.

(Vereinzelter Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Da dieses Thema bereits da beraten wird, wo es hingehört, nämlich im Deutschen Bundestag, bin ich nun wirklich nicht dafür zu haben, dass wir dieses zur jetzigen Zeit in unseren Ausschüssen nochmals diskutieren. Deshalb beantragen wir hier die Abstimmung in der Sache. Die CDU-Fraktion wird den Antrag der LINKEN ablehnen. Sie wird folgerichtig auch den Antrag der SPD, der etwas differenzierter ist und eine Überarbeitung fordert, ablehnen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Serpil Midyatli das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gerne einiges zum Sachverhalt sagen. Es gibt eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht vom Landesverfassungsgericht aus Nordrhein-Westfalen, das die Leistungen für Asylbewerber für verfassungswidrig hält. Ich möchte gerne zitieren, Frau Präsidentin: Das Landessozialgericht NRW hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das Landessozialgericht hält die Leistungen, die seit

(Antje Jansen)

Schaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes 1993 nicht angehoben worden sind, für verfassungswidrig. Sie reichen im Vergleich zu den Leistungen nach dem SGB II - Hartz IV - offensichtlich nicht aus, um eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten.

Dies dient der Verdeutlichung, dass dieses Thema im Bundestag und beim Bundesverfassungsgericht wunderbar aufgehoben ist. Mit Sicherheit werden wir hierzu auch ein Urteil bekommen. Dann werden wir uns in geeigneter Form damit auseinandersetzen.

Es ist richtig, dass dieses Gesetz überarbeitet werden muss. Denn seit 1993 ist dieses Gesetz nicht überarbeitet worden. Im Gesetz stehen sogar noch die DM-Zahlen. Damit es einfacher wird, habe ich es für Sie schon umgerechnet. Es ist so, dass ein Asylbewerber für seinen gesamten Bedarf, außerhalb von Unterkunft, Heizung und Hausrat, einen Betrag von monatlich 225 € erhält. Im gleichen Zeitraum betrugen Hartz IV oder Sozialhilfe für Alleinstehende monatlich 351 € zuzüglich Unterkunft und Heizung.

Ich möchte meine Kollegin, Frau Brand-Hückstädt, zitieren, die zu Tagesordnungspunkt 7 gesagt hat: „Die Würde des Menschen ist nicht teilbar.“ Im gleichen Zuge zitiere ich auch meinen Kollegen Klaus-Peter Puls, der des Öfteren gesagt hat: „Im Grundgesetz steht, die Würde des Menschen ist unantastbar. Dort steht nicht die ‚Würde des Deutschen’.“

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Es dürfte eigentlich keine Diskussion geben, wenn das Existenzminimum von Hartz IV bei 351 € liegt. Wir können nicht sagen, der- oder diejenige hat nicht den passenden Stempel im Pass und darum kann er oder sie auch ruhig etwas weniger bekommen. Das ist für mich eine Tatsache, die hier nicht großartig diskutiert werden müsste.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich gehe noch auf einige andere Punkte ein, die in diesem Zusammenhang auch sehr wichtig sind. Die Integrationsbeauftragte des Bundes, Professor Dr. Böhmer, spricht sich für Sprach- und Integrationskurse für Flüchtlinge aus. Es ist wichtig, dass dies gemacht wird. In der Theorie sagen wir zwar immer: Die Flüchtlinge kommen, das Asylbewerberverfahren läuft, in einigen Monaten, höchstens ein bis zwei Jahren ist dieses abgeschlossen, und

die Menschen werden dann gegebenenfalls wieder zurückgeschickt. - Dies ist nicht so.

Die Menschen leben hier jahrelang mit einem ungesicherten Aufenthalt, haben kein Recht auf Sprachund Integrationskurse, werden in Stadteilen untergebracht, in denen die Miete am günstigsten ist. Oftmals sind das Stadtteile, in denen bereits ein sehr, sehr hoher Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund lebt. Diese Menschen haben nicht die Chance, in der Nachbarschaft oder auf der Straße die deutsche Sprache zu erlernen. Irgendwann sind sechs, sieben, acht Jahre vergangen, und man stellt fest: Das kann doch nicht angehen, die Menschen leben schon seit acht Jahren hier, sprechen aber noch kein Wort deutsch. Das ist eine scheinheilige Debatte, und das müsste in diesem Zusammenhang geändert werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Neben den finanziellen Leistungen müssten auch die Sprach- und Integrationskurse zu den Leistungen hinzukommen. Wenn wir dann schon bei der Debatte sind, müsste man auch noch darüber nachdenken, ob diese Menschen nicht eine gestaffelte Arbeitserlaubnis erhalten sollten.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Wenn diese Menschen hier mehrere Jahre leben und irgendwann anerkannte Asylbewerber sind, dann stehen sie oft da und haben sich jahrelang darauf eingerichtet, von Sozialleistungen zu leben. Das ist doch auch klar. Der Mensch geht den Weg des geringsten Widerstandes. Von heute auf morgen ändern sich dann für sie die gesamten Spielregeln. Dann heißt es: „Jetzt Sprachkurs, jetzt Integrationskurs, jetzt Arbeitsplatz suchen!“, anstatt sich vorher einmal Gedanken darüber zu machen, diese Menschen von Anfang an in unser System zu integrieren. Dies gilt insbesondere für die Kinder. Oft werden ihnen nach der Schule Schwierigkeiten gemacht, einen Ausbildungsplatz zu finden. Das geht nicht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

In der Vergangenheit haben wir viele Sachen verkehrt gemacht, und mir ist es wirklich egal, ob die von rechts oder von links verkehrt gemacht worden sind. Wichtig ist, dass wir das jetzt endlich anerkennen und sagen: In der Vergangenheit haben wir keine richtigen Entscheidungen getroffen. Die meisten Menschen, die zu uns gekommen sind, sind

(Serpil Midyatli)

auch hier geblieben. Das müssen wir in unserem Handeln endlich umsetzen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Vorbemerkung möchte ich klarstellen, dass Asylbewerbern natürlich bestmöglich geholfen werden muss. Ihnen muss auch eine wirkliche Perspektive für ihr weiteres Leben eröffnet werden. Das hat auch die Kollegin Midyatli hier deutlich dargestellt. Uns allen ist auch klar, dass es in diesen Bereichen noch nicht optimal läuft. Es ist vernünftig, die in den Anträgen aufgeworfene Problematik auf zwei Ebenen zu betrachten, einerseits die Funktion des Asylbewerberleistungsgesetzes und andererseits die Höhe der gezahlten Leistungen.

Zur Funktion ist aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei zu entnehmen - ich zitiere mit Erlaubnis -:

„Das Asylbewerberleistungsgesetz setzt den sogenannten Asylkompromiss von Dezember 1992 in leistungsrechtlicher Sicht um. Es sollte 1993 das Leistungsrecht vereinfachen und auf die Bedürfnisse eines in aller Regel nur kurzem, vorübergehenden Aufenthaltes, beschränkt auf die Dauer der Durchführung des Asylverfahrens, abstellen. Es wurde weder sozialpolitisch noch ausländerpolitisch als sinnvoll angesehen, hilfebedürftigen Ausländerinnen und Ausländern Leistungen zur Integration in unsere Gesellschaft zu gewähren, bevor feststeht, ob diese Personen ein dauerhaftes Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland erhalten.“

Es geht also darum, die Sicherung des Lebensunterhaltes für Asylbewerber rechtlich festzuschreiben. Es geht natürlich aber auch darum, Missbrauch in unseren Sozialsystemen vorzubeugen. Zu diesen Grundprinzipien stehen wir weiterhin.

Punkt eins. Meine Damen und Herren, in ihrem Antrag beschreibt DIE LINKE die derzeitigen Rahmenbedingungen für die Versorgung von Asylbewerbern indirekt als menschenunwürdig. Dies ist

jedoch mitnichten der Fall. Dass derzeitige Asylbewerberleistungsgesetz stellt die Grundversorgung der betroffenen Personen sicher. Darin enthalten sind auch die notwendigen medizinischen Leistungen. Auch dazu möchte ich gern das Gesetz zitieren, § 4 Abs. 1 Satz 1:

„Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Verbesserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren.“

Tatsächlich ist es aber so, dass Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ganz ähnliche medizinische Leistungen erhalten wie nach den gesetzlichen Krankenversicherungen. Ausgeschlossen sind allerdings präventive Leistungen.

(Zuruf)

- Sie können gern sagen: Was? Unterhalten Sie sich mit einem Mediziner, ob er da unterscheiden kann.

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Haben wir!)

Ein Mediziner ist der Gesunderhaltung verpflichtet, nur das wird er tun, nichts anderes. Ich weiß nicht, was Sie diesen unterstellen wollen.

Es ist richtig, was gemacht wird. Der Aufenthaltsstatus in Deutschland für Asylbewerber ist ein zeitlich befristeter. Sobald sie als politisch Verfolgte anerkannt sind, erhalten sie die üblichen Leistungen nach der gesetzlichen Krankenkassenvereinbarungen. Den Leistungsempfängern nach dem Asylbewerberleistungsgesetz diese Leistungen zu gewähren, ist unsere moralische Pflicht und steht hier auch völlig außer Frage.

Punkt zwei. Frau Jansen, wir lesen auch. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelsätzen des Arbeitslosengeldes II aus Februar dieses Jahres hat Auswirkungen auf das Asylbewerberleistungsgesetz. Entsprechend plant die Bundesregierung eine Anpassung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Ziel ist es, die Leistungen genauso transparent und nachvollziehbar zu berechnen wie die Regelsätze des Arbeitslosengeldes II. Das ist eine Selbstverständlichkeit.

Hier sei der Hinweis erlaubt, dass keine Koalition der vergangenen Jahre irgendetwas am Asylbewerberleistungsgesetz verändert hat. Wenn ich es richtig weiß, gab es auch im Bund eine Zeitlang eine

(Serpil Midyatli)

Regierung, an der auch Rot und Grün beteiligt waren.

(Beifall der Abgeordneten Martin Habersaat [SPD] und Serpil Midyatli [SPD] - Zuruf des Abgeordneten Martin Habersaat [SPD])