Protocol of the Session on December 15, 2010

Ich sage Ihnen: In finanziell schwierigen Zeiten muss man auch bereit sein, Kompromisse zu machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein ist sehr, sehr weit entfernt von geordneten Finanzen. Frau Loedige stellt sich hier hin und sagt: Geordnete Finanzen. - Wir sind davon ziemlich weit entfernt, Frau Loedige. Das macht die Debatte so ernsthaft und so schwierig. Nach dem Haushaltsplan 2011 und 2012 werden wir eine Nettoneuverschuldung von 1,27 beziehungsweise von 1 Milliarde € haben. Das ist zwar irgendwie alles historisch, aber nicht im positiven Sinne. Wir waren in den Jahren 2007 und 2008 bei einer Nettoneuverschuldung von 500 Millionen €. Wir waren also schon einmal auf der Hälfte. - „Wir“, das Land Schleswig-Holstein, Herr Wiegard. Unter Rot-Grün waren wir auch schon einmal bei dieser Größenordnung. Schauen Sie in die Listen hinein!

In der mittelfristigen Finanzplanung des Finanzministers wird diese Höhe der Nettoneuverschuldung, 500 Millionen €, erst wieder im Jahre 2016

erreicht werden. Das ist doch erschreckend, Herr von Boetticher. Deshalb stellt sich doch die Frage über den Haushalt 2011 und 2012 hinaus: Wie kann die Schuldenbremse umgesetzt werden? Wie wollen wir denn jedes Jahr weiter 120 Millionen € sparen? Der Finanzminister hat in der mittelfristigen Finanzplanung eine weitere Einsparung von 500 Millionen € stehen, nach diesem großen Sparprozess und zusätzlich zu den Personaleinsparungen. Ich warte jetzt darauf, wenn Sie Ihr Wahlprogramm aufstellen, meine Damen und Herren von der CDU, was wollen Sie denn als Vorschläge dort hineinpacken.

Und auch um die großen Baustellen hat sich das Parlament noch nicht gekümmert. Aber es ist die kommunale Verwaltungsreform, die jetzt wieder geschoben wird und die so dringend notwendig ist. Es betrifft die gesamten Kommunalfinanzen. Meine Damen und Herren, gehen Sie zu Ihren Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, und diskutieren Sie mit denen über die Daseinsvorsorge!

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Wir haben welche, Sie nicht!)

- Die besuchen wir, und die sind zur Zeit sehr dankbar dafür, dass wir kommen, Herr von Boetticher, um uns ihr Herz auszuschütten.

Die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, aber auch die Gemeindevertreter beklagen sich zu Recht, dass der Gestaltungsspielraum in den Gemeindevertretungen, in den Stadtvertretungen kaum noch vorhanden ist, dass die kommunale Daseinsvorsorge kaum noch aufrechterhalten werden kann. Da geht es dann um die Frage: Schließe ich das Schwimmbad, oder erhöhe ich die Beiträge für die Kindertagesstätte, oder belaste ich die Bürgerinnen und Bürger an einer anderen Stelle? Deshalb ist das ganze Problem der Kommunalfinanzen und der Daseinsvorsorge noch nicht gelöst und eine riesengroße offene Baustelle.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der nächste Punkt ist angesichts der demografischen Entwicklung die soziale Infrastruktur. Mit diesem Haushalt wird es beim Ehrenamt sehr schwer gemacht, die ehrenamtliche Tätigkeit aufrechtzuerhalten. Es ist aber gerade das Ehrenamt, das wir angesichts der demografischen Entwicklung brauchen, weil es im ländlichen Bereich auch Strukturen aufrechterhält. Deshalb verdient das Ehrenamt unsere Unterstützung und nicht den letzten Euro aus der Tasche gezogen.

(Monika Heinold)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ein dritter großer Komplex ist die gesamte norddeutsche Zusammenarbeit. Ja, wir haben die Enquete eingerichtet auf Vorschlag der Grünen - gegen einige Widerstände hier im Parlament. Jetzt ist es aber unsere gemeinsame Pflicht, dass die Enquete so arbeitet, dass es Ergebnisse gibt und dass wir uns ernsthaft mit diesen Ergebnissen auseinandersetzen.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie haben hier im Parlament unser Bildungspaket kritisiert und lächerlich gemacht. Wir Grünen sagen, wir müssen in Bildung investieren. Auch deshalb hat es den Bildungsgipfel gegeben. Wir dürfen doch jetzt nicht die Schuldenbremse gegen die Ziele des Bildungsgipfels ausspielen,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern es ist die Pflicht dieser Landesregierung, in Berlin für die Ergebnisse des Bildungsgipfels zu streiten und dafür zu sorgen, dass unser Land Studienplätze finanzieren kann, dass wir Qualität in Kindertagesstätten und Schulen finanzieren können. Jeder, der heute glaubt, dass das Land seine Schularbeiten schon gemacht hat, irrt. Dieser Haushalt ist ein schwieriger Haushalt, aber er ist der Anfang auf dem Weg eingeschränkter Ausgaben.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ich bin nicht so vermessen, mich hier hinzustellen und zu sagen, meine Fraktion hat das Rezept für 2013, 2014, 2015. Nein, das haben wir nicht. Wir haben Vorstellungen davon, wie wir an der einen oder anderen Stelle Dinge verändern können. Wir haben einen Anspruch an Reformen. Wir sagen, wir wollen Verwaltung verändern. Aber wir sagen auch - das ist wichtig und zentral -, wir müssen alle Mittel zusammenkehren und zusammenkratzen, um in unsere Bildung zu investieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Tun wir auch!)

Ich möchte zum Schluss ganz kurz einen Gedanken zur ermäßigten Mehrwertsteuer loswerden, weil, egal wer in Berlin regiert, es immer schiefgeht und immer ganz unsinnige Tatbestände dazukommen, statt die 57 existierenden Begünstigungen zu bereinigen. Herr Finanzminister Wiegard, Ihr Vorschlag ist nicht populär, aber ich glaube, es lohnt, sich damit intensiv zu beschäftigen. Wir haben auch einen Vorschlag von Unternehmens Grün, der geht in eine ähnliche Richtung, mit einer einheitlichen Mehr

wertsteuer. Auch dies ist etwas, wo wir frühzeitig als Land Schleswig-Holstein einen Impuls setzen könnten, wo wir uns ernsthaft fachlich darüber austauschen müssen: Wie müsste eine soziale Komponente gestrickt werden, wenn man denn einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz wollte? Also eine Fragestellung, die auch dazu führen kann, dass Steuerbetrug verhindert und komplizierte Bürokratie entfrachtet wird.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam nach vorn blicken. Schwierige Aufgaben liegen vor uns. Dieser Haushalt ist nur ein kleiner Stein auf dem Weg, die Schuldenbremse einzuhalten. Unserer Grünen-Haushalt bietet eine Alternative, die natürlich besser ist. - Das kann ich Ihnen zum Schluss nicht ersparen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich erteile dem finanzpolitischen Sprecher der Fraktion DIE LINKE, dem Herrn Abgeordneten Ulrich Schippels, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Vielen Dank, Frau Heinold, auch wir wollen in Bildung investieren. Wir haben noch ein bisschen mehr Geld als Sie gefunden, aber ich denke, wenn wir gemeinsam graben, finden wir noch etwas mehr.

(Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der SPD)

Frau Loedige, ich möchte mich bedanken, dass Sie so ausgiebig auf die einzelnen Beiträge der anderen Fraktionen eingegangen sind. Ich bin wirklich glücklich, und mir fällt ein Stein vom Herzen, dass Sie bei uns offensichtlich keinen Rechenfehler gefunden haben. So blieb Ihnen nur übrig, generell abfällig zu unserem Haushaltsentwurf Stellung zu nehmen. Aber ich bin glücklich. Wir haben offensichtlich gar nicht schlecht gearbeitet.

Ich freue mich besonders, dass Sie, Herr Kubicki, auf unseren Haushaltsentwurf eingehen und ihn kritisieren. Das sagt mir, wir haben durchaus richtig gelegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor zwei Jahren, meine Damen und Herren, lag das strukturelle Defizit hier im Land bei 600 Millionen €. Ich habe vorhin schon gesehen, Herr Wie

(Monika Heinold)

gard, Sie haben den Kopf geschüttelt, als das meine Kollegin gesagt hat. Aber es war so. Ich habe mir die Protokolle der Haushaltsberatungen von vor zwei Jahren noch einmal durchgelesen, und genau das stand drin, das haben Sie und auch andere Rednerinnen und Redner dort gesagt. Herr Stegner hat ein Jahr vorher noch von 500 Millionen € geredet. Jetzt liegen wir nach Ihrer Rechnung bei 1,25 Milliarden € - eine Verdopplung in zwei Jahren.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal über das strukturelle Defizit reden. Es bedeutet, dass die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise in diesem Betrag gar nicht enthalten sind. Auch die zusätzlichen Belastungen des Landes durch das HSH-Nordbank-Debakel findet sich im Haushalt nicht wieder. Das haben Sie woanders zwischengeparkt. Das strukturelle Defizit hat sich verdoppelt, Herr Minister Wiegard. Nun gibt es genau zwei Möglichkeiten. Die eine ist, Sie sind dafür verantwortlich, dann müssten Sie schnellstmöglich den Hut nehmen und von dannen ziehen. Oder aber das Ganze liegt gar nicht in Ihrer Verantwortung, in der Verantwortung des Landes. Genauso ist es leider. Vielleicht sind es äußere Faktoren, die für das Anwachsen des strukturellen Defizits verantwortlich sind. Hat es vielleicht etwas mit der Steuerpolitik auf Bundesebene der letzten beiden Bundesregierungen zu tun, in denen neben der CDU leider auch die SPD gesessen hat? Auch die FDP hat Verantwortung getragen, beziehungsweise trägt jetzt Verantwortung. Wenn wir uns diese Veränderungen der Steuerpolitik von damals anschauen, dann ist es in der Tat so, dass unser strukturelles Defizit vor allem bundespolitisch begründet ist, einmal davon abgesehen, dass die Regierung im jeweiligen Land, wenn es eine Zustimmungspflicht im Bundesrat gegeben hat, meistens klein beigegeben hat und eben nicht die Interessen des Landes berücksichtigt hat.

Herr Wiegard, Sie haben in unseren Augen zwar keine wirklich gute Finanzpolitik gemacht, aber es war auch wirklich nicht so schlecht, dass Sie das strukturelle Defizit innerhalb von zwei Jahren auf 1,25 Milliarden € hinaufgejubelt haben. Sie selbst haben in ihrem Finanzplan auf Seite 27 darauf hingewiesen: 400 Millionen € zusätzliches strukturelles Defizit sind auf beschlossene Steuerrechtsänderungen auf Bundesebene in den Jahren 2008/2009 zurückzuführen.

Ich möchte sie nicht im Einzelnen aufführen. Aber um Herrn Kubicki noch einmal zu erfreuen: Dazu gehört auch das Mövenpick-Geschenkpaket zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung. Das hat das Land noch einmal 65 Millionen € Einnah

men gekostet und die Kommunen übrigens auch einen ordentlichen Batzen. Die Summe aller strukturell wirkenden Mindereinnahmen belaufen sich auf 400 Millionen €. Herr Minister, was Sie bezüglich der Haushaltslage und der Verantwortung von Rot-Grün sagen, entpuppt sich in unseren Augen als schlichter Unsinn. Ihre Partei auf Bundesebene hat das Desaster, mit dem wir hier umgehen müssen, zu verantworten.

Nun sind 600 Millionen € und 400 Millionen € zusammen 1 Milliarde €. Wo kommen die zusätzlichen 250 Millionen € her, die uns zu den magischen 1,25 Milliarden € führen, welche das Land in den nächsten zehn Jahren aufzubringen hat, um das Defizit auf Null zu bringen?

Herr Minister, wir können es uns nur so erklären, dass es sich um das Ergebnis Ihres Wirkens handelt, oder hat vielleicht Herr Professor Deubel recht, wenn er sagt, dass das strukturelle Defizit in Schleswig-Holstein lediglich bei gut 1 Milliarde € liegt? Wie dem auch sei, eines wird doch mehr als deutlich: Wir in Schleswig-Holstein, die hier im Land Verantwortung haben, sind in der Frage des strukturellen Defizits weitaus weniger Akteur, als Sie es uns weismachen wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Auswuchs des strukturellen Defizits hat in erster Linie mit den Berliner Entscheidungen der letzten beiden Bundesregierungen zu tun. Wir in Schleswig-Holstein können das gar nicht wegtragen. Wir können nicht auslöffeln, was uns die Bundesregierung eingeschenkt hat und auch noch einschenkt. Deshalb war es falsch - hier sind alle anderen Fraktionen genannt -, die sogenannte Schuldenbremse in die Landesverfassung aufzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir werden die dort vorgesehene Reduzierung des strukturellen Defizits nie und nimmer aus eigener Kraft einhalten können. Es ist schlicht unmöglich. Erst mit dem Doppelhaushalt für 2013/2014 ist es möglich. Wer rechnen kann, der weiß das. Herr von Boetticher, der jetzt leider irgendwo anders ist, hat es heute selbst in seiner Rede gesagt. Im Hinblick auf die Finanzierung der Studienplätze: Es müsse weitere Hilfen geben, sonst könnten wir die Schuldenbremse nicht einhalten.

Herr Habeck, zu Ihrem Vorwurf des kontrollierten Staatsbankrotts: Genau umgedreht wird ein Schuh daraus. Wenn Sie jedes Jahr 125 Millionen € aus dem Haushalt herauskürzen wollen und es gleichzeitig vom Bund keine Einnahmen gibt, ist das der

(Ulrich Schippels)

Weg zum strukturellen Bankrott. Diesen Weg gehen wir nicht mit Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Oder aber Sie machen es, wie der Kollege Tobias Koch das in seiner ersten Legislaturperiode gemacht hat, nämlich die Verfassung brechen. Das ist die zweite Möglichkeit.

Jetzt komme ich konkret zu dem Doppelhaushalt. Ihre sogenannten Konsolidierungsanstrengungen mit der Einhaltung der Schuldenbremse zu begründen, ist eine Farce. 2011 müssen wir laut Schuldenbremse 125 Millionen € strukturell einsparen. In 2012 250 Millionen €. Sie aber kürzen strukturell zumindest nach Ihren Ausführungen im Stabilitätsbericht - in 2011 um mindestens 290 Millionen € und in 2012 um 320 Millionen €, Herr Wiegard. Den jetzigen Sozialkahlschlag mit der Schuldenbremse zu rechtfertigen, ist eine Ihrer Nebelkerzen. Sie wissen das selbst. Um dies zu kaschieren, malen Sie Horrorgemälde an die Wand, die inzwischen leider auch schon von den Grünen aufgegriffen werden. Sie vergleichen Schleswig-Holstein mit Griechenland und verweisen auf Irland. Was soll denn dieser Unfug?

(Beifall bei der LINKEN)

Schleswig-Holstein hat wie Deutschland ein völlig anderes Standing in der Weltökonomie, ganz anders als Irland oder Griechenland. Wir haben eine viel geringere Verschuldung, und auch die Art der Verschuldung ist eine völlig andere als in Griechenland. Es ist durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen, Herr Habeck.