Protocol of the Session on November 18, 2010

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Bernstein?

Geschätzter Kollege Habeck, hätten Sie die Freundlichkeit uns zu erklären, warum vor dem Hintergrund, dass nun auch durch die vergangenen Jahrzehnte bereits Reststoffe angefallen sind, die endgelagert werden müssen, Rot-Grün unter dem Vorzeichen der damaligen Regelung keine Alternativen zu Gorleben gesucht hat?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Neun Jahre lang!)

- Die Suche bezieht sich auf alle Standorte in Deutschland, und das ist verhindert worden.

(Peter Lehnert [CDU]: Sie hatten doch die Mehrheit! - Weitere Zurufe von CDU und FDP)

- Das können wir jederzeit machen. Aber genau das soll ja nicht passieren. Der Weg des Umweltministers ist doch jetzt, Gorleben festzuschreiben und damit in die Rechenschaft zu überführen, was an fachlichen Mängel begangen wurde, um dann erst organisatorisch die Brücke zu schlagen: Dann suchen wir noch einmal neu.

(Christopher Vogt [FDP]: Sie haben gar nichts gemacht!)

Das ist ein falscher Weg. Wir müssen eine ergebnisoffene Suche führen. Das war immer die Position der Grünen.

Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich vielleicht meine Frage undeutlich formuliert haben sollte. Ich wollte gern wissen, warum nach der Entscheidung, Gorleben nicht weiter zu erkunden, keine Suche nach Alternativen gestartet worden ist.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Von Rot-Grün!)

Der Herr Abgeordnete hat bereits geantwortet.

Ja. Ich kann es nur noch einmal wiederholen. Es ging darum, eine ergebnisoffene Suche durchzuführen, das ist gegen den Widerstand der süddeutschen Länder und der CDU nicht möglich gewesen.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zurufe von der CDU)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat jetzt der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin immer begeistert, wenn diejenigen, die hier mit der Polemik anfangen, dann darauf rekurieren, man sollte auf Polemik verzichten, Herr Kollege Habeck. Sie wissen, ich liebe das auch. Ich liebe auch das Wort. Sie haben mich ja aufgefordert, noch einmal konkret zu belegen, wo die Grünen den Ausbau der regenerativen Energien oder deren Speicherung verhindern.

(Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein!)

- Ich komme gleich noch dazu. Vorab möchte ich aber sagen, ich finde es sehr begeisternd, dass der Kollege Gabriel, der offensichtlich nach Auffassung des Herrn Stegner auch ein Politiker von gestern ist, beim Unternehmertag erklärt, die Kohleverstromung müsse sein. Ich bin begeistert, dass Frau Kraft - Kraft, nein Danke, könnte man ja auch sagen - in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit den Grünen die weitere Kohleförderung beschließt, möglichst bis über 2018 hinaus, für die Kohleverstromung wirbt und hier eine Philippika gegen Christdemokraten und Liberale gehalten wird.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Wir reden hier über Schleswig-Holstein!)

- Ja, wir reden auch über Schleswig-Holstein. Sagen Sie doch einmal, Herr Kollege Stegner, wo denn die Kohle hin soll, die Sie da fördern wollen. Ich bin ganz begeistert von Nordrhein-Westfalen. Wo soll sie denn hin? Soll sie ins Meer geschüttet werden, oder was soll mit der Kohle passieren? Sie müssen doch eine Antwort darauf geben, wenn Ihre Partei verantwortlich dazu beiträgt, dass so etwas

(Dr. Robert Habeck)

gefördert wird, wo man damit hin will. Ansonsten machen Sie sich insgesamt unglaubwürdig.

(Beifall bei FDP und CDU)

Nun komme ich zu meinen „Lieblings-Grünen“, die sich ja schon für die Mehrheit dieses Hauses halten. Das ist durch Wahlergebnisse bisher noch nicht unterlegt, möglicherweise durch Meinungsumfragen. Aber wir schauen uns das bei den Wahlergebnissen an. Die Menschen werden entscheiden, ob sie Ihren Vorstellungen folgen wollen, oder ob sie in diesem Land weiter glücklich leben wollen.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP)

„Der grüne Widerstand beißt sich in den eigenen Schwanz“, titelt die „Welt am Sonntag“ am 10. Oktober 2010. Ich würde empfehlen, das einmal nachzulesen. Ich nehme nur einmal einige Passagen daraus.

„Im Juli erst hat die Grünen-Fraktion im Regionalverband Hochrhein-Bodensee beantragt, dem geplanten Pumpspeicherwerk …, das im südlichen Schwarzwald mit 1.400 MW Leistung das größte seiner Art in Deutschland werden soll, die Zustimmung zu versagen.“

Sie taten das mit dem Hinweis darauf, in Schweden könne man ja auch Pumpspeicherwerke errichten.

„Gegen Überlandleitungen sind Grüne andernorts. So fordern sie in Brandenburg den Stopp für eine oberirdische 380-kV-Stromtrasse, die das UNESCO-Bisophärenreservat Schorfheide-Chorin beschädigen würde. In Thüringen wiederum mobilisieren Grüne seit Jahren gegen eine Hochspannungsleitung durch den Thüringer Wald.“

Können Sie mir sagen, wie der Strom abgeleitet werden soll, wenn nicht über Leitungen? - Und ich könnte hier noch weitermachen.

Der Kollege Matthiessen erklärt im Wirtschaftsausschuss, er sei dagegen, dass für die OffshoreWindanlagen die Vergütung nach dem EEG bezahlt wird, weil das Großkonzernen zugutekomme.

(Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat er nicht gesagt!)

- Das hat er gesagt.

(Christopher Vogt [FDP]: Aber Hallo!)

Man kann darüber natürlich nachdenken. Aber kann man sicher sagen, dass sich das Ding rentiert, wenn

die entsprechende Einspeisungsvergütung nicht gezahlt wird? Das wird dann natürlich nicht gebaut.

Man kann natürlich auch mit vielen Argumenten gegen etwas sein und etwas verhindern wollen, was man andernorts für herausragend erklärt.

Der Kollege Tietze ist gegen Windparks auf Sylt. Warum?

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Vor Sylt!)

- Vor oder auch auf Sylt. - Warum? Argument: Es würde die touristische Infrastruktur der schönsten Ferieninsel Schleswig-Holsteins zerstören. - Das mag ja sein. Aber sich hinzustellen und zu sagen: Überall woanders ja, nur bei uns nicht, bei allen Infrastrukturmaßnahmen, die wir haben, das geht so nicht. Das lassen Ihnen die Menschen im Zweifel auch nicht durchgehen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Habeck? - Nein.

(Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lassen Sie einmal eine Zwi- schenfrage zu, das wäre hilfreich! - Wolf- gang Kubicki [FDP]: Meine Antworten hel- fen Ihnen auch nicht weiter!)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Schippels das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kubicki, ich fürchte, wenn ich mir die Umfragewerte für die Grünen angucke, dann können sie machen, was sie wollen, sie werden trotzdem gute Wahlergebnisse haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist nicht un- bedingt so!)

Das ist auch so, selbst wenn sie wo auch immer in der Politik rumeiern. Die Umfragewerte der Grünen sprechen zurzeit dafür. Früher war das bei Ihnen so, aber da haben die Wählerinnen und Wähler inzwischen gelernt.

Ich möchte an der Stelle als Vertreter einer Fraktion sprechen, die mit dem Atomkonsens von Rot-Grün nichts zu tun hat. Wir haben das immer bekämpft, weil wir - wahrscheinlich ähnlich wie die Energiekonzerne - der Ansicht waren, dass Regierungen in

(Wolfgang Kubicki)

unserer Demokratie kommen und gehen und sich die Mehrheitsverhältnisse auch einmal ändern, dass wir dann vielleicht auch mal wieder eine andere Koalition in Berlin bekommen und dann eventuell dieser Atomkonsens nicht mehr das Papier wert ist, auf dem er geschrieben worden ist. Tatsächlich kam es so. Wie sollte das auch anders sein. Deshalb waren wir damals auch schon dafür, dass der Atomausstieg wirklich eingeleitet wird, was Sie leider versäumt haben.

(Beifall bei der LINKEN)