Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich jetzt die Landesregierung um ihren Beitrag bitte, möchte ich Sie darüber informieren, dass sich die Parlamentarischen Geschäftsführer auf das weitere Verfahren mit Blick auf die schon fortgeschrittene Zeit wie folgt geeinigt haben: Wir werden den Tagesordnungspunkt 21 verbunden mit dem Tagesordnungs
punkt 22 sowie auch den Tagesordnungspunkt 23 morgen früh in dieser Reihenfolge aufrufen, und werden dann danach in der bisherigen Tagesordnung mit Tagesordnungspunkt 59 fortfahren. Am Ende dieses Tagesordnungspunktes rufe ich noch den Tagesordnungspunkt 12, Ersatzwahl eines ständigen richterlichen Mitgliedes des Richterwahlausschusses, auf. Dieser Tagesordnungspunkt ist ohne Aussprache geplant, bedarf aber - das war mir wichtig, Ihnen zu vermitteln - bei der Abstimmung einer Zweidrittelmehrheit. Ich glaube, es wäre klug, wenn diese dann auch gewährleistet wäre.
Ich erteile jetzt für die Landesregierung dem Minister für Justiz, Gleichstellung und Integration, Emil Schmalfuß, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und DIE LINKE deckt sich in weiten Teilen mit den Vorhaben der Landesregierung. Ja, kann ich nur sagen, die Landesregierung hält die Arbeit der Frauenberatungseinrichtungen, Frauennotrufe und Frauenhäuser in Schleswig-Holstein für notwendig und unverzichtbar. Ja, die Landesregierung ist der festen Überzeugung, dass diese Einrichtungen ein Mindestmaß an personeller, sächlicher und finanzieller Ausstattung benötigen, um Frauen in spezifischen Lebenssituationen und bei Notlagen landesweit angemessen unterstützen zu können. Und die Landesregierung bekräftigt, dass es auch in der öffentlichen Verantwortung liegt, dass entsprechende Angebote für Frauen landesweit vorhanden sind und neben Eigen- und Drittmitteln von Land und Kommunen Fördermittel in angemessener Höhe bereitgestellt werden müssen.
Als langjähriger Vorsitzender von Strafkammern in Verfahren, bei denen es darum ging, dass Gewalt gegen Frauen ausgeübt wurde, weiß ich in besondere Weise um die Notwendigkeit von entsprechenden Angeboten für Frauen.
Doch die Konsolidierung des Landeshaushalts wird auch die künftige Förderung der Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen nicht unberührt lassen können. Das Kabinett hat im August beschlossen, die Landesförderung der Frauenberatungsstellen mit der Förderung der Frauenhäuser zusammenzufassen und den so entstehenden Gesamtansatz um 550.000 € zu kürzen. Zugleich soll neben der För
derung der Frauenhäuser auch die Landesförderung der Beratungsstellen als Vorwegabzug im Finanzausgleichsgesetz verankert werden.
Die Bündelung der Förderung der Frauenhäuser und der Frauenberatungsstellen im FAG vollzieht auf finanzieller Ebene nach, was in der fachlichen Arbeit seit Langem Realität ist. Frauenhäuser und -beratungsstellen sind gleichermaßen Anlaufstellen für Opfer häuslicher und sexueller Gewalt. Vor 25 Jahren boten allein die Frauenhäuser bei häuslicher Gewalt Unterstützung für Frauen. Heute profitieren betroffene Frauen neben den Leistungen der Frauenhäuser auch von ambulanten Angeboten und einer Reihe von zwischenzeitlich entwickelter staatlicher Maßnahmen. Das sind vor allem gewaltpräventive Instrumente wie die polizeiliche Wegweisung sowie die Möglichkeit, zivilen Rechtschutz nach dem Gewaltschutzgesetz zu erhalten.
Die Zahl der Frauen, die allein wegen häuslicher Gewalt in den Frauenberatungsstellen Hilfe fand, ist seither kontinuierlich gestiegen. Allein 400 Frauen kommen jährlich nach einer polizeilichen Wegweisung in die Beratungsstellen. Aber auch bei den Frauenhäusern haben in den letzten Jahren zunehmend mehr Frauen um Beratung gebeten, ohne einen Aufenthalt dort in Erwägung zu ziehen. Parallel dazu sank die Zahl der Frauen und Kinder, die jährlich ein Frauenhaus in SchleswigHolstein aufsuchten, von 2.765 im Jahr 2001 auf 2.100 im letzten Jahr. Meine Damen und Herren, diese Zahlen stimmen. Darauf werde ich gleich im Einzelnen noch eingehen.
Dennoch bleiben Frauenhäuser trotz ihrer Hochschwelligkeit - das heißt, regelmäßig muss die eigene Wohnung aufgegeben werden, die Kinder müssen einen Schul- oder Kita-Wechsel in Kauf nehmen - auch künftig unverzichtbar. Insbesondere Migrantinnen können durch ambulante Angebote nicht ausreichend geschützt werden. Dies unterstreicht der hohe Anteil von Frauen mit Migrationshintergrund in den Frauenhäusern des Landes. Er betrug im Jahr 2009 40 %, aber nur 6 % der in Schleswig-Holstein lebenden Frauen haben einen Migrationshintergrund.
Um die Zukunftsfähigkeit der Einrichtungen zu sichern, müssen Frauenberatungsstellen und Frauenhäuser Kostensteigerungen in den kommenden Jahren auffangen können. Dafür soll bei den Frauenhäusern der Platzkostensatz von 10.500 € um 300 € auf 10.800 € und die Mindestgröße pro Einrichtung von 12 auf 15 Plätze angehoben werden.
Kleine Beratungsstellen sollen fusionieren. Die Aufgaben des Landesverbandes sollen ausgeweitet werden und neben der Koordinierung der Beratungsstellen auch die der Frauenhäuser umfassen. Zugleich - das ist heute schon gesagt worden - soll die Zahl der Frauenhäuser um zwei Einrichtungen verringert werden.
Vorgesehen ist, das Frauenhaus in Wedel und das Frauenhaus der Arbeiterwohlfahrt in Lübeck zu schließen. In Wedel kamen im letzten Jahr 75 % der Bewohnerinnen aus anderen Bundesländern, allein 47 % aus Hamburg. Im Frauenhaus der AWO in Lübeck lag die Auslastung in den vergangenen acht Jahren nur bei durchschnittlich 61,2 %, obwohl die Aufenthaltsdauer der dort lebenden Frauen und Kinder erheblich länger als in anderen Häusern war. In Schleswig-Holstein kommt derzeit auf 8.456 Einwohnerinnen und Einwohner ein Frauenhausplatz. Nach einer Reduzierung um 48 Plätze ist Schleswig-Holstein beim Verhältnis von Frauenhausplätzen zur Einwohnerzahl immer noch bundesweit führend aufgestellt.
Zurzeit kommen etwa 30 % der Frauen in Frauenhäusern in Schleswig-Holstein aus anderen Bundesländern. Bundesweit kommen circa 10 % der Frauen aus anderen Bundesländern. Wir wissen selbstverständlich, dass der Austausch zwischen den Bundesländern in dieser Frage oftmals notwendig ist, um eine ausreichende Entfernung zum Ort der Gefährdung zu schaffen. Diese Zahlen kann sich Schleswig-Holstein dennoch nicht leisten. Bei einem Anteil von circa 10 %, wie er bundesweit üblich ist, würden weitere 420 Frauen und Kinder in den Frauenhäusern Platz finden.
Lassen Sie mich an dieser Stelle eines betonen, was ich schon gesagt habe: Alle aus meinem Haus dazu vorgelegten Zahlen sind richtig.
Wenn einzelne Betroffene aus vordergründigen Motiven das Gegenteil glauben machen wollen, dann verweise ich auf mein gestriges Schreiben an den Sozialausschuss, das auch allen Abgeordneten zugeleitet worden ist. Die Richtigkeit dieser Angaben gilt auch für andere Bereiche meines Hauses. Ich will zu diesen untauglichen Versuchen nur sagen: Es ist eine Sache, wenn man in einem Punkt unterschiedlicher Meinung ist, es ist aber eine andere Sache, wenn meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die unter großem persönlichen Einsatz und
enormen Zeitdruck politische Einsparvorgaben in tragfähige Handlungskonzepte umsetzen müssen, dabei mitunter angefeindet werden und man uns vorwirft, weil politisch opportun, falsche Zahlen zu liefern. Das lasse ich nicht zu, und ich weise es mit Nachdruck zurück.
Mir kommt eine Frage in den Sinn, die folgendermaßen lautet: Heißt das, wenn ich Sie richtig verstanden habe, wenn jetzt Frauen aus dem Randgebiet von Hamburg nach SchleswigHolstein kommen - ich überspitze das einmal: grün und blau geschlagen -, dass die Frauenhäuser in Schleswig-Holstein sagen sollen: „Nein, wir nehmen keine weiteren auf”? Oder wie stellen Sie sich das vor? Die Frauenhausplätze sind dann ja nicht mehr vorhanden.
- Es ist hier schon gesagt worden, dass der Austausch bundesweit reguliert werden muss. Es kann nicht sein, dass Schleswig-Holstein als einziges Land in so hoher Zahl Frauen aus anderen Bundesländern aufnimmt und die Quote in anderen Bundesländern nur bei 10 % liegt.
- Wir gehen davon aus, dass eine Abweisung bei dem Konzept, das wir vorgelegt haben, nicht erfolgen wird.
Haben Sie, so wie die Bundesregierung es angeregt hat, Gespräche mit anderen Bundesländern darüber geführt, und teilen Sie meine Einschätzung, dass allen Fachfrauen bekannt ist, dass das Frauenhaus in Hamburg viel zu klein ist und gar nicht die Kapazitäten haben wird, um die von Ihnen statistisch signifikant berechneten Umleitungen durchzuführen?
- Ich glaube, dass es nicht nur eine Sache von Hamburg ist. Man muss auch die anderen Bundesländer in dieser Frage in Anspruch nehmen.
(Wolfgang Baasch [SPD]: Aber erst einmal Frauenhäuser dichtmachen! - Kirstin Funke [FDP]: Was hat Hamburg denn gemacht? - Weitere Zurufe - Glocke der Präsidentin)
Meine Damen und Herren, stellvertretend für den Herrn Sozialminister Dr. Garg darf ich nunmehr zur Situation der Mädchentreffs im Lande berichten. Die Finanzierung der vier aktuell von Kürzungen betroffenen Mädchentreffs wurde als Anschubfinanzierung begonnen, um modellhaft nach § 85 SGB zur Entwicklung der Mädchenarbeit in der Jugendhilfe beizutragen. Es ist schon gesagt worden: Eigentlich ist die Förderung solcher Angebote eine genuin kommunale Aufgabe. Anzumerken ist, dass Mädchentreffs primär auf ihr regionales Einzugseingebiet ausgerichtet sind und nur zu einem geringen Anteil überregionale Angebote machen. Das soll ihre Arbeit aber nicht abwerten. Nur waren gerade solch übergreifenden Angebote der Grund, warum das Land diese Treffs über die Modellphase hinaus weiter finanziert und unterstützt hat, obwohl
Im Rahmen der Haushaltskonsolidierung soll daher ab 2011 die Förderung der Mädchentreffs eingestellt werden. Es geht dabei um 144.500 €. So bedauerlich das ist: Das Land muss sich auf die Kernaufgaben als überregionaler Träger der Jugendhilfe konzentrieren und sich daher von diesen Leistungen verabschieden. Es ist aber keineswegs so, dass geschlechterbezogene Jugendarbeit in Schleswig-Holstein jetzt vor dem Nichts stünde. Um die Proportionen klarzustellen: Es gibt im Lande 250 Jugendtreffs, und in zahlreichen davon gibt es Angebote zur Mädchenarbeit.
Das zuständige Jugendministerium geht schätzungsweise davon aus, dass in etwa der Hälfte der Treffs regelmäßig Angebote zur Mädchenarbeit gemacht werden - sei es als reiner Mädchentreff an einem Wochentag oder in anderer Weise. Darüber hinaus existieren reine Mädchentreffs unabhängig von der Landesförderung wie zum Beispiel in Kiel der Mädchentreff Gaarden.
Aus den genannten Gründen ist der Antrag der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und SPD aus Sicht der Landesregierung abzulehnen. Mädchenarbeit ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil von geschlechtergerechter Jugendarbeit und wird durch die Landesregierung auch zukünftig unterstützt werden.