Unter Medienkompetenz verstehen wir die Fähigkeit, mit Medien und ihren Inhalten kompetent und selbstbestimmt umgehen zu können. Es sollen ihre Chancen und Möglichkeiten, aber auch die Grenzen und die Gefahren erkannt werden. Dies ist heute eine Schlüsselqualifikation in unserer Informationsgesellschaft. Es ist unzweifelhaft, dass diese Fähigkeiten zu einer zukunftsorientierten Persönlich
keitsbildung nicht nur von Kindern und Jugendlichen, sondern auch von Erwachsenen und älteren Menschen gehören.
Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zeigt neben vielen positiven Ansätzen auch gravierende Defizite und Lücken auf. Zentraler Punkt ist, dass eine Medienkompetenzstrategie der Landesregierung fehlt. Die Landesregierung definiert ihre Rolle vielmehr als die eines Koordinators zwischen den Ressorts.
Die Vermittlung von Medienkompetenz an Kindertageseinrichtungen wird bisher noch zu wenig unterstützt. Es bleibt den Einrichtungen weitgehend selbst überlassen, welche konkreten Angebote sie vorhalten.
Weiter heißt es in der Großen Anfrage, dass die Medienkompetenz an den Schulen bisher nur unzureichend vermittelt wird. So ist Medienkompetenz in der Sekundarstufe I im Bereich „Aufgabenfelder von allgemeiner pädagogischer Bedeutung“ verankert. Es gibt aber kein eigenes Fach, in dem Fragen der Prävention bei der Mediennutzung und der Datenschutz angesprochen werden sowie auf Gefahren hingewiesen und entsprechend sensibilisiert wird. In der Lehrerausbildung gibt es kein verpflichtendes Fach, in dem eine sachgerechte Vermittlung von Medienkompetenz angeboten wird.
Das Fazit: Die Landesregierung legt den Fokus auf das Kennenlernen der neuen Medien, hat aber bisher wenig Aufmerksamkeit auf die Prävention, die Vermittlung eines kritischen Umgangs mit den Medien sowie die Aufklärung über Gefahren und über den Datenschutz gerichtet. Eine über alle Instanzen hinweg vernetzte Medienkompetenzstrategie, die sich mit diesem Thema beschäftigt, gibt es in Schleswig-Holstein noch nicht. Es gibt positive Ansätze, die sich aber noch nicht in eine erkennbare Strategie einordnen lassen.
Insgesamt bringt die Antwort der Landesregierung zum Ausdruck, dass in Schleswig-Holstein eine Reihe von Projekten zur Medienkompetenzförderung auf den Weg gebracht worden ist. Diese reichen jedoch nicht aus, um die Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, zu bewältigen.
Die Ausstattung der Schulen mit entsprechender Hardware ist sehr unterschiedlich. In der Lehrerfortbildung werden noch bei weitem zu wenige Schulungen für Pädagogen angeboten. Außerdem ist es noch nicht ausreichend gelungen, ein ausgewogenes und in sich stimmiges Curriculum zu entwickeln, das die Vermittlung von Medienkompe
Es gibt aber auch durchaus Positives, was sich allerdings erst in jüngster Zeit entwickelt hat. Dazu gehören neben den Aktivitäten der Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein, des Offenen Kanals sowie des Instituts für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein die Initiativen und Angebote der verschiedenen Institute, Ministerien und Organisationen, die sich alle im Netzwerk Medienkompetenz Schleswig-Holstein zusammengefunden haben. Auch an der Universität Flensburg haben sich viele Fächer der Thematik angenommen und vermitteln Medienkompetenz.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich im Zusammenhang mit Medienkompetenzförderung noch einen Blick auf die Veränderungen werfen, die sich in der Lebenswelt von jungen Menschen durch die zunehmend intensive Nutzung des sogenannten Web 2.0 ergeben. Die neuen Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten werden bei Weitem nicht nur dazu genutzt, um Wissen abzufragen, zu sortieren und zu verwerten.
Facebook ist wohl das bekannteste Beispiel für diverse Netzwerke, die ihre Konzepte darauf ausgerichtet haben, möglichst viele Menschen mit zum Teil erheblichem sozialen Druck in die Netzwerke einzubinden und sie dort zu halten mit dem Ziel, über die Auswertung der gewonnenen Daten Nutzer- und Persönlichkeitsprofile zu erstellen und diese kommerziell zu verwerten. Daten- und Persönlichkeitsschutz sind in diesem Fall Fremdworte. Egal, was in Facebook kommuniziert wird - und das ist viel, weil vor allem Jugendliche, die nicht mitmachen, von vielen sozialen Kontakten abgekoppelt werden -, alles wird gespeichert und ausgewertet.
Gedankenlose Einträge bei SchülerVZ und Facebook führen zunehmend zu gravierenden Schwierigkeiten, in die meistens junge Menschen geraten. Jeden Tag sitzen Millionen Kinder und Jugendliche am Computer und chatten in sozialen Netzwerken, stellen Fotos ins Netz und sammeln Freunde, ohne an die Gefahren zu denken. Je mehr Kontakte man in sozialen Netzwerken hat, umso besser, so scheint es zumindest.
Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Um 11:28 Uhr hat mich auf meinem iPhone eine Anfrage erreicht: Thomas Rother möchte mit dir auf Facebook befreundet sein.
Nun ist es so, dass Thomas Rother sowieso mein Freund ist. Thomas, ich sage dir auf diesem Weg, dass ich das aber nicht möchte.
Ich soll hier ankreuzen, ob ich dein Freund sein will. Ja, aber ich würde weiterhin normal mit dir kommunizieren, aber nicht über dieses Gerät.
- Vielen Dank für den Hinweis. Ich könnte Thomas Rother aber auch anonym ignorieren. Das ist genau der spannende Punkt. Das bedeutet aber, dass meine Daten trotzdem übermittelt werden, wenn ich dies ankreuze.
Ich habe mich bei Facebook angemeldet und würde mich gern wieder abmelden. Das ist aber nicht so einfach. Es wird ein ungeheurer sozialer Druck erzeugt nach dem Motto: Was, du willst deine ganzen Freunde alleinlassen? Thomas Rother wartet doch auf dich. Überlege es dir doch noch einmal. Alle sind traurig. - Man kommt da nicht mehr heraus. Es gibt Foren, die sich nur damit beschäftigen, wie man bei Facebook wieder aussteigen kann. Das steht zwar alles nicht auf meinem Zettel, aber ich denke, es ist trotzdem wichtig. Viele Nutzer gehen sorglos mit persönlichen Daten um, Kollege Rother.
Unter Personalchefs ist es verbreitet, in sozialen Netzwerken zu recherchieren und nach Fotos zu suchen, um so das Bild von einem Bewerber beziehungsweise von einer Bewerberin für sich abzurunden.
- Auch dabei sollte man vorsichtig sein, selbst wenn man Fraktionsvorsitzender einer bedeutenden Fraktion ist. Man weiß nie, was kommt.
Nicht alle, die sich in sozialen Netzwerken bewegen, verfolgen freundschaftliche Motive. Jugendliche nutzen Webseiten und soziale Netzwerke, um sich selbst zu inszenieren, aber auch um andere niederzumachen. Diese Erfahrung macht bereits jeder vierte User. Er wird beleidigt oder gar bedroht. Cybermobbing ist ein vielen Jungen und Mädchen bekanntes Phänomen, oft zunächst als Scherz gemeint, aber mit gravierenden Folgen für die betroffenen Personen. Schilderungen über Morddrohungen, aber auch Selbstmorde aufgrund von Cybermobbing sind keine Seltenheit mehr.
Dabei handelt es sich keinesfalls um Randprobleme und gelegentliche Ereignisse. 68 % aller Deutschen zwischen 14 und 19 Jahren verbringen laut einer Studie der ZDF-Medienforschung regelmäßig Le
benszeit in solchen sozialen Netzwerken des Internets. Drei Viertel aller Jugendlichen haben bereits Fotos oder Filme von sich ins Netz gestellt. Jeder Vierte kennt Internetmobbing.
Ich bewege mich auf das Ende zu, aber bitte gestatten Sie mir noch einen Schlusssatz, Frau Präsidentin. - Eine Anhörung wird sicher nicht nur spannend sein, sondern kann auch Initialzündung für die Fortentwicklung der Medienkompetenz in unserem Land sein. Mit dieser Diskussion und entsprechenden Konsequenzen können wir sicher mehr erreichen als mit allen Regulierungen, Sperrungen und Kennzeichnungen, wie sie im Jugendmedienstaatsvertrag diskutiert werden.
Für die CDU-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Dr. Christian von Boetticher das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal einen herzlichen Dank an das federführende Bildungsministerium für die Beantwortung dieser Großen Anfrage. Der Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beteiligten Häuser.
Ich denke, diese Beantwortung ist eine hervorragende Grundlage für die weitere Diskussion, Herr Kollege Eichstädt. Darin finden wir eine ganze Menge Zahlen sowie Antworten auf Ihre guten Fragen. In meinen Dank beziehe ich ganz ausdrücklich auch die SPD-Fraktion und insbesondere Sie, Herr Eichstädt, ein, weil es meines Erachtens gute Fragen und gute Antworten waren. Ich glaube, wir können gemeinsam weiter an dieser Frage arbeiten.
Aus der Beantwortung wird deutlich, dass dies nicht nur eine Frage für junge Menschen ist. Es geht nicht nur um Bildung für junge Menschen, sondern es ist eine Frage, die in der Tat für Jung und Alt von Relevanz ist. Nur dann, wenn die Erwachsenen von heute wissen, was ihre Kinder be
wegt und mit welcher Technik man heute von Kindesbeinen an konfrontiert wird, können sich Eltern darum kümmern. Aber auch für Ältere ist es wichtig, an einer solchen Entwicklung teilnehmen zu können, weil dies das normale Umfeld im täglichen Leben ausmacht. Nur dann, wenn man diese Technik vernünftig und bewusst zu nutzen weiß, kann man an einer immer schneller fortschreitenden technischen Entwicklung partizipieren. Deshalb ist dies eine wichtige Bildungskomponente für Jung und Alt.
Ich finde es aber richtig, dass wir uns in diesem Bericht vor allem um die jüngere Generation kümmern. Das hat etwas damit zu tun, dass man in jungen Jahren am besten lernt. Wenn man etwas in jungen Jahren gelernt hat, so ist man auch in der Lage, etwas in späteren Jahren nachzuvollziehen.
Deshalb ist die Verzahnung der verschiedenen Angebote, die wir in diesem Bereich bereits heute haben, eine wichtige Aufgabe. Auch darüber gibt dieser Bericht ein umfangreiches Bild. Ich nenne hier ganz zuvorderst, weil ich finde, gerade dort ist das Verhältnis zwischen dem eigentlichen Auftrag und Jugendmedienbildung besonders erwähnenswert, den Offenen Kanal, der eine ganz tolle Arbeit leistet, der eine starke ehrenamtliche Komponente hat und heute eine Unmenge von Angeboten macht. 450 Seminare in diesem Bereich, ich finde, das gilt es besonders zu erwähnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich nenne aber natürlich auch die Landesmedienanstalt - das ist eben schon angesprochen worden mit einem Schwerpunkt auch auf der Online-Nutzung für 6- bis 13-Jährige. Sie sprachen das eben an. Das ist ein extrem wichtiger Bereich. Ich nenne auch das Wirtschaftsministerium beispielsweise mit der Weiterbildung von Medienqualifizierung für Erzieherinnen und Erzieher. Ich nenne aber auch den NDR, und da nicht zuletzt die Möglichkeit für Schülerpraktikanten - allein im letzten Jahr über 800 -, sich einmal Medienangebote anzugucken. Sie sehen also, eine ganze Menge von attraktiven Angeboten in diesem Land.
Nun ist es nicht Aufgabe der Regierung - ich glaube, das ist aus dem Bericht auch deutlich geworden -, überall das Rad neu zu erfinden, sondern wir haben viele verschiedene Akteure, die in dem Bereich tätig sind, die teilweise unterschiedliche, teilweise auch ähnliche Angebote haben. Das, was richtig ist - das kann und muss eine Landesregie
rung leisten -, ist die Verzahnung dieser verschiedenen Angebote, die Abstimmung. Dafür gibt es seit 2010 den Lenkungsausschuss mit einer Grundlage, nämlich dem Landesmedienkonzept. Und es gibt eine Koordinierung vom Institut von Qualitätsentwicklung an den Schulen IQSH. Ich glaube, auch da ist dieser Aufhänger weise genommen worden, weil die IQSH genau das Know-how hat, das man braucht, um diese Koordinierungsfunktion auch vernünftig leisten zu können.
Insofern, glaube ich, ist es eine gute Entwicklung, ein guter Aufschlag, nicht das Rad neu erfinden.
Ich sage aber auch ganz deutlich, dass wir uns um die neuen Medien kümmern müssen. Herr Kollege Eichstädt, ich glaube nicht, dass wir ein Fach an den Schulen brauchen. Wir neigen immer dazu, wenn wir ein Problem haben. Ich kenne es noch als Landwirtschaftsminister: gesunde Ernährung, lasst uns schnell ein Schulfach machen. Ich bin schon immer froh darüber, wenn die Kernfächer vernünftig unterrichtet werden und die Schulen gut ausgestattet sind.
Es ist aber richtig, als Querschnittsaufgabe ist das Thema soziale Netze natürlich deutlich zu vertiefen. Ich sage das als jemand, der selber daran teilnimmt, wie der Kollege Stegner auch. Jemand hat mal gesagt: Facebook ist wie Stasi, nur freiwillig. Ein bisschen Wahres ist daran. Das heißt nämlich, dass man sehr genau aufpassen muss, was man an Inhalten reinsteckt.
Da sind wir bei den letzten beiden und wichtigsten Fragen. Kein Staat, kein Medienschutzstaatsvertrag, keiner in diesem Bereich kann am Ende die notwendige Einflussnahme von Eltern ersetzen. Das müssen wir heute auch deutlich machen.