Protocol of the Session on October 7, 2010

(Beifall bei CDU, FDP sowie der Abgeord- neten Bernd Heinemann [SPD] und Anette Langner [SPD])

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf Wunsch des Landtages legt die Landesregierung im Zweijahresrhythmus einen Bericht über ihre Ostseeaktivitäten vor. Der Ostseebericht 2010, den ich Ihnen jetzt vorstellen möchte, diente bereits

(Lars Harms)

zur Vorbereitung der Ostseeparlamentarierkonferenz, die in diesem Jahr auf den Åland-Inseln stattgefunden hat.

(Zuruf)

Das Thema Ostseekooperation hat in den vergangenen Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Die EU-Ostseestrategie hat es sich auf die Fahnen geschrieben, die Wirtschaftskraft des Ostseeraums zu stärken, die Wettbewerbsfähigkeit der Region zu steigern und den Zustand der Ostsee zu verbessern. Das läuft parallel zu unseren Vorstellungen, und deswegen kann Schleswig-Holstein davon nur profitieren. Deswegen unterstützt die Landesregierung auch die Umsetzung der EU-Ostseestrategie.

Gerade die Wirtschaftskrise hat uns gezeigt: Der Ostseeraum ist eine wettbewerbsfähige Region. Wir Ostsee-Anrainer hatten der Krise etwas entgegenzusetzen: Erstens das hohe Qualifikationsniveau unserer Bürgerinnen und Bürger und zweitens die damit verbundene Innovationskraft.

Es wird erwartet, dass sich der Ostseeraum überdurchschnittlich schnell von der Krise erholt. Wir als Landesregierung von Schleswig-Holstein haben aktiv und erfolgreich den Konsultationsprozess der EU-Ostseestrategie mitgestaltet.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die eben genannten Stärken haben wir dabei im Blick behalten. Wir haben kluge Köpfe mit klugen Ideen. Die wollen wir möglichst gewinnbringend einsetzen.

Wir müssen die Kompetenzen bündeln, um gemeinsam davon zu profitieren. Die Ostseezusammenarbeit ist und bleibt ein wichtiges Instrument zur Stärkung der Ostseeregion und damit auch zur Stärkung des Standorts Schleswig-Holstein.

Im Zuge der Haushaltskonsolidierung muss auch der Bereich der Ostseeaktivitäten seinen Konsolidierungsbeitrag leisten. Wir haben das mit Augenmaß betrieben, aber zukünftig werden wir es uns nicht mehr leisten können, kleine Projekte mit Beträgen von 500 € bis knapp 5.000 € mit hohem Verwaltungsaufwand zu fördern. Stattdessen werden wir verstärkt auf die Inanspruchnahme von Drittmitteln hinwirken. Wir wollen größere Projekte mit Hilfe der INTERREG-Förderung anschieben.

Schon heute ist unsere Wirtschaft eng mit dem Ostseeraum verflochten - und das mit steigender Tendenz. Der Anteil der Importe und der Anteil der Exporte Schleswig-Holsteins in den und aus dem Ostseeraum haben sich in den letzten zehn Jahren

kontinuierlich erhöht. Auch im Krisenjahr 2009 ist der Binnenhandel im Ostseeraum trotz der Wirtschaftskrise weiter gewachsen. Mehr noch, Schleswig-Holstein hat sogar im vergangenen Jahr die höchsten Quoten der letzten zehn Jahre erreicht.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Unsere Importrate lag 2009 bei etwa 34 %, die Exportrate bei knapp über 20 %. Damit haben wir Beachtliches vorzuweisen. An diesem Kurs wollen wir auch festhalten.

Im Wesentlichen arbeitet die Landesregierung an fünf Schwerpunktthemen.

Erstens. Wir wollen im Verbund der Regionen auf politische Rahmenbedingungen Einfluss nehmen. Darum engagieren wir uns im Vorstand von BSSSC, dem Netzwerk der Subregionen des Ostseeraumes, und im Ausschuss der Regionen.

Zweitens. Wir wollen Einfluss auf Förderprioritäten und Inhalte nehmen. Darum ist es wichtig, dass wir bei der Nutzung des EU-Ostsee-Programms - besser bekannt als INTERREG - entscheidend mitwirken. Schleswig-Holstein hat den Vorsitz im deutschen Programmausschuss und einen der zwei deutschen Sitze im internationalen Begleitausschuss inne.

Drittens. Wir nehmen Einfluss auf die Entwicklung von INTERREG-Projekten. Das von uns initiierte und mitentwickelte Projekt „Clean Baltic Sea Shipping“ wurde im Juni genehmigt: 3 Millionen € EU-Mittel werden dafür bereitgehalten. Das gibt starken Rückenwind für die Entwicklung einer sauberen Ostseeschifffahrt.

(Beifall bei CDU und FDP sowie vereinzelt bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Viertens. Wir treten für die Verknüpfung von Ostsee- und Nordseeaktivitäten ein. Auch das Projekt „Clean North Sea Shipping“ hat im Juni grünes Licht für eine kräftige EU-Förderung erhalten. Auch hier ist die Landesregierung beteiligt. Als Land zwischen den Meeren gewinnen wir hier wirtschaftlich und ökologisch, denn es ist die Natur unmittelbar vor unserer Haustür, die von der Verringerung von Schiffsemissionen profitiert.

(Beifall bei CDU und FDP)

Fünftens und letztens. Wir konzentrieren unsere Partnerschaften auf Regionen mit dem größten ökonomischen Potenzial für Schleswig-Holstein. Deshalb haben wir die Zusammenarbeit mit Süddänemark, die Zusammenarbeit in der Fehmarnbelt

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

Region, mit Schweden und Polen und Nordwestrussland intensiviert.

Der Ostseebericht zieht eine Bilanz der Ostseeaktivitäten, die sich sehen lassen kann. Schleswig-Holstein ist ein Motor des EU-Ostseeprogramms. Wir gehören zu den Initiatoren zahlreicher Projekte, und wir bringen unser Know-how direkt bei der Umsetzung ein. Mit unserem Engagement für mehr Wachstum und Beschäftigung und einer ganzen Reihen von grünen Projekten setzen wir auf ein zukunftsfähiges Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU, FDP sowie der Abgeord- neten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Detlef Matthiessen [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich danke dem Herrn Ministerpräsidenten für den Bericht der Landesregierung. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Niclas Herbst.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal feststellen, dass die ebenso boshaften wie böswilligen Bemerkungen zu meinem Schlafverhalten zu Unrecht erfolgt sind. Ich war nämlich nicht dran. Es lag nicht an mir. Ich bin weiterhin nicht vom Ausschlafen bedroht. Es ist alles in Ordnung.

Ich möchte mich zunächst einmal herzlich für den Bericht bedanken. Ich denke, der Beitrag eines Regierungsmitgliedes kommt nicht ohne Dank für die Regierung aus. In der Tat ist der vorliegende Bericht ein wirklich gutes Nachschlagewerk für jeden, der sich für Ostseepolitik interessiert. Er liegt jetzt auch in Form einer Broschüre vor. Das ist wirklich sehr gut. Der Bericht ist für die nächsten zwei Jahre eine gute Grundlage. Auch wenn er natürlich ursprünglich als Vorbereitung für die Ostseeparlamentarierkonferenz gedacht war, geht er mittlerweile weit darüber hinaus.

Wenn er schon eine Vorbereitung der Ostseeparlamentarierkonferenz war, dann dürfen wir vielleicht zwei, drei oder vier Sätze zur Ostseeparlamentarierkonferenz verlieren.

(Jürgen Weber [SPD]: Eine Minute hast du schon geschafft! - Heiterkeit)

- Herr Kollege, bitte hören Sie zu: ich habe hier wirklich Wichtiges zu berichten. Ihre Kollegen aus

dem Europaausschuss werden das bestätigen, denn die Ostseeparlamentarierkonferenz war diesmal durchaus ein Erfolg, denn es gab, lieber Kollege Weber, eine Resolution - das ist nicht immer so mit einigen konkreten Punkten, zum Beispiel das Verbot von Einhüllentankern oder auch eine weitergehende Lotsenpflicht. Das sind konkrete Punkte, für die wir uns eingesetzt haben und die wir gemeinsam erreicht haben. Herr Weber, das ist wirklich einen Applaus wert.

(Beifall bei CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Ich will die verbleibenden drei Minuten dafür nutzen, auf einige Punkte einzugehen. Es ist wirklich schwierig - das muss man ganz ernsthaft sagen -, aus einem Bericht, der 120 Seiten umfasst und zu den verschiedensten Punkten Stellung nimmt, einzelne Punkte herauszugreifen.

Ich will, um die Debatte abzukürzen,

(Heiterkeit)

die Argumente vorwegnehmen, die vielleicht noch genannt werden. Ich vermute, dass die Kollegen der SPD-Fraktion - vielleicht wird Frau Langner oder der Kollege Fischer dazu reden - auch noch einmal auf den europäischen Mindestlohn zu sprechen kommen werden. - Ich wollte schon im Vorwege mein Argument der europäischen Arbeits- und Sozialbehörde nennen. Aber Sie haben gerade den Kopf geschüttelt. Also können wir das auch abhaken.

(Heiterkeit)

Genauso, lieber Herr Voß, das Thema Green New Deal. Das ist eine gute Sache. Aber wenn Sie den Ostseebericht gelesen haben, dann wissen Sie, dass wir in Zukunft vom Green Value of Europa sprechen wollen, und das kommt von dänischen Parteifreunden. Vielleicht sollten wir hier auch die Befindlichkeit ein bisschen ändern.

Aber ernsthaft: Zwei, drei Punkte sind für die zukünftige Ausrichtung der Ostseepolitk von entscheidendem Interesse.

Es ist richtig, dass wir uns bei der Zusammenarbeit auf wettbewerbsstarke Regionen konzentrieren. Das darf aber nicht heißen, dass wir andere Regionen vernachlässigen. In diesem Zusammenhang möchte ich insbesondere die kleinen baltischen Staaten nennen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

Ich will das auch begründen: Diese Staaten haben unter der Wirtschaftskrise überproportional stark zu leiden gehabt. Die nordischen Staaten und auch Deutschland haben die Krise ja relativ gut überstanden, Polen als eines der ganz wenigen Länder auf der Welt sogar fast ohne Auswirkungen. Aber gerade die kleinen baltischen Staaten waren immer so etwas wie junge Gesellschaften, wie Innovationsmotoren. Wir sollten das Augenmerk nicht von diesen Staaten lassen und gerade jetzt ist es Anspruch und Verpflichtung zugleich, dass wir diese Staaten im Blick behalten.

Darüber hinaus wird natürlich die Zusammenarbeit mit Russland weiterhin ein gewisses Konfliktpotenzial bergen. Aber wir haben auf der Ostseeparlamentarierkonferenz gelernt, dass man damit umgehen kann. Wenn man den richtigen Ton findet, kann man auch mit den russischen Kollegen sehr gut klarkommen. Nichtsdestotrotz muss auch hier die Zusammenarbeit stärker institutionalisiert werden. Ein Blick in die Häfen unseres Landes reicht aus, um auch die wirtschaftliche Bedeutung Russlands für uns klarzumachen.

Ich will aber auch gern einige kritische Punkte anmerken. Ostseezusammenarbeit - so habe ich auch den Zwischenruf des Kollegen Weber gedeutet - erstreckt sich manchmal nur auf Resolutionen, die gern auf Konferenzen gefasst werden, die leider oftmals auch Unkonkretes enthalten. Hier müssen wir ansetzen. Ich glaube, dass die zahlreichen Institutionen, die dort arbeiten, für sich genommen gute Arbeit leisten, aber dass die Zusammenarbeit dieser Institutionen noch verstärkt und verbessert werden muss. Wir alle fahren gern auf solche Konferenzen oder unterschreiben solche Resolutionen. Nichtsdestotrotz ist die Vielstimmigkeit dieses Konzerts durchaus problematisch, während jede Institution für sich genommen sicherlich gute Arbeit leistet.

Es muss eine bessere Abstimmung stattfinden, und wir müssen uns wirklich auch auf die Themen konzentrieren, die uns berühren und bei denen wir auch handeln können. Wir haben auf der Parlamentarierkonferenz auch globale Dinge besprochen, die wir als regionale Akteure, als die wir uns begreifen, eigentlich gar nicht behandeln können.

Meine Damen und Herren, da meine fünf Minuten Redezeit gleich vorbei sind, möchte ich damit schließen - das wird auch den Kollegen Stegner freuen -, dass Ostseepolitik in Schleswig-Holstein, auch über verschiedene Landesregierungen hinweg, eine gute Tradition hat. Sicherlich ist die Pionierarbeit, die gerade in den 90er-Jahren geleistet wur