Protocol of the Session on October 7, 2010

Zeit mehr hatte. Das liegt mir am Herzen, weil der Antrag der CDU-Fraktion vorliegt und besonders lobend auf den Integrationsbeauftragten und den Herrn Minister eingegangen wurde.

Herr Lehnert, ich freue mich, dass Sie in dieser Debatte mitgewirkt haben. Allerdings möchte ich auf einen weiteren Menschen in Schleswig-Holstein hinweisen, und zwar unseren Zuwanderungsbeauftragten. Es laufen viele Dinge schief, aber wir sollten an dieser Stelle einmal lobend erwähnen, dass von dieser Seite aus sehr viel passiert. Es werden - um das Aufgabenfeld einmal kurz zu beschreiben - viele Schulungen und Beratungen für Migrationssozialberatungsstellen von dieser Seite aus unternommen, diverse Zusammenarbeiten mit NGOs, die hilfreich sind. Auch für uns sind sie immer wieder wesentliche Ansprechpartner bei der Informationsbeschaffung. Wir haben Stellungnahmen von unserem Zuwanderungsbeauftragten. Ich denke, an dieser Stelle sollten die vielen Veranstaltungen unter anderem zum Arbeitsmarktzugang und zum Integrationsmonitoring erwähnt werden. Diese sind gerade für uns Parlamentarier eine wesentliche Unterstützung. Dafür sollte an dieser Stelle Dank gesagt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelt bei der CDU)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Heinz-Werner Jezewski das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ist Ihnen aufgefallen, dass wir Migranten in diesem Land haben, mit denen wir nie Schwierigkeiten haben und über die wir nie diskutiert haben? - Sie heißen vielleicht Brown oder Leblanc oder auch Jespersen. Haben wir jemals über Migranten aus Norwegen, aus Schweden, aus Finnland, aus England, aus Frankreich oder aus den USA diskutiert? Stopp. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir vielleicht doch diskutieren. Aus den USA kommen manchmal Menschen, mit denen wir Schwierigkeiten haben. Sie glauben vielleicht etwas anderes als die meisten in diesem Hause und in diesem Land. Sie haben vielleicht eine andere Haarfarbe, sie haben vielleicht eine andere Haarform, eine andere Hautfarbe und eine andere Augenfarbe. Wir können hingucken: Es gibt unter den Menschen, die uns ähnlich sehen, keine Migranten, mit denen wir Pro

(Peter Lehnert)

bleme haben. Ich glaube, das ist der strukturelle Rassismus in der Migrationsdebatte.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Unglaublich!)

Ich höre sehr viele Lippenbekenntnisse. Ich höre von CDU und FDP vieles, das ich unterschreiben kann. Wenn wir uns aber so einig sind, dann frage ich: Wo liegt die Verantwortung für die Probleme, die wir unbestritten haben? - Ich glaube, sie liegt bei denjenigen, die nicht nur seit Jahren, sondern seit Jahrzehnten sparen und mittlerweile auch bei den entscheidenden Aufgaben kürzen, die die Migration betreffen. Ich will dies niemandem im Haus persönlich unterstellen, aber ich glaube, viele in diesem Haus verwechseln Migration und Integration mit Assimilation.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe, dass die Menschen, die zu uns kommen, sich gegen diese Assimilation wehren. Ich benutze den Ausdruck ungern, und ich setze ihn auch rhetorisch in Anführungsstriche: Wir müssen uns heute fragen, wer „ein guter Deutscher“ ist, und zwar nicht nur in diesem Haus, sondern in diesem Land. Das sind nicht nur die von Boettichers, sondern das sind auch die Kubickis, die Jezewskis und die Midyatlis. Ich bin froh darüber, dass ich heute von einer Midyatli den aus meiner Sicht besten deutschen Beitrag zur Migrationsdebatte gehört habe. Das macht mich froh.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen immer wieder danach gucken, woher die Probleme kommen. Wenn wir die Wurzeln nicht verstehen, dann können wir die Pflanzen auch nicht richtig behandeln. Max Frisch hat dazu einen bedeutenden und bedenkenswerten Satz gesagt, über den wir immer wieder nachdenken sollten. Mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitiere ich:

„Wir riefen Gastarbeiter, aber es kamen Menschen.“

(Beifall bei der LINKEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Zu einem weiteren Wortbeitrag erhält Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr von Boetticher, Sie haben mich noch einmal auf den Plan gerufen. Sie haben vorhin Aussagen zu Straftaten und Menschen mit Migrationshintergrund getroffen. Ich bedauere sehr, dass Sie einem Vorurteil unterliegen, zu dem insbesondere der Sicherheitsbericht des Landes Schleswig-Holstein Ausführungen enthält. Es gibt einen Bericht zur Jugendkriminalität. Bitte lesen Sie sich auch den einmal durch. Die Abnahme der Zahl der Täter mit nichtdeutschem Hintergrund ist signifikant. Daher verstehe ich nicht, wie Sie sich hier hinstellen und dieses Vorurteil wiederholen können, das ich immer wieder lese.

Ich muss dem widersprechen. In diesem Bericht steht, dass es auffallend ist, dass im Bereich der Jugendkriminalität eine Zunahme auch der deutschen Tatverdächtigen besteht, während es bei den nichtdeutschen Tatverdächtigen eine Abnahme gibt.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und vereinzelt bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

- Das ist gut, vielen Dank für das Stichwort. Hören Sie sich das an. Unter dem Punkt „1.2 Gewaltkriminalität“ steht Folgendes:

“Die Spitze in 2007 gilt auch für die Anzahl der ermittelten Tatverdächtigen, vornehmlich der Deutschen. 2007 wurden weniger nichtdeutsche Tatverdächtige ermittelt als in den Vorjahren sowie im Jahr 2008.“

So geht es weiter. In diesem gesamten Bericht gibt es nur einen Bereich, in dem es tatsächlich eine Zunahme gibt. Ich würde es wirklich begrüßen, wenn Sie - bevor Sie solche pauschalen Aussagen treffen - die vom Innenminister vorgelegten Berichte lesen. Sie sollten dies tun, bevor Sie so etwas behaupten.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Frau Abgeordneter Antje Jansen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lehnert, in meinem Redebeitrag habe ich von erwachsenen Migranten gesprochen. Die Sprachkurse für erwachsene Migranten kosten nämlich Geld.

(Heinz-Werner Jezewski)

Das können Migrationsfamilien, die vornehmlich von Hartz IV leben - es sind viele, viele Tausende -, auf gar keinen Fall bezahlen. Viele von denen, die keine Arbeit haben, müssen das bezahlen, aber sie können es nicht bezahlen. Erwachsene brauchen auch Sprachkurse. Unserer Meinung nach müssen diese kostenlos sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Für den Bereich der Kinder muss ich Sie halb loben. Sie haben hier keine Mittel eingespart, Sie haben den Betrag von 6 Millionen € gedeckelt. Es gibt mehr Kinder, der Betrag reicht beileibe nicht aus. Sehen Sie einmal die Praxis, sehen Sie, wie oft Kinder in den Kindergärten Sprachunterricht bekommen. Es gibt noch nicht einmal zweimal in der Woche für eine halbe bis eine Stunde Sprachunterricht. Das reicht nicht aus. Sprachunterricht muss in den Kindergärten kontinuierlich stattfinden. Die Kindergärten und die Schulen müssen mehr Mittel zur Verfügung gestellt bekommen, damit Kinder die deutsche Sprache besser lernen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu Herrn von Boetticher möchte ich sagen: Mit Ihrem Beitrag stehen Sie der Debatte, die in den letzten Monaten gelaufen ist, in nichts nach. Sie schüren Vorurteile und stehen in der Diskussion - Stichwort Sarrazin - in nichts nach.

(Beifall bei der LINKEN)

Zuerst sagen Sie mit erhobenem Zeigefinger: Wer nicht integrationswillig ist, der wird abgeschoben, der ist kriminell, der ist dies und das. Fangen Sie damit an, Integrationspolitik und Integrationsarbeit zu gestalten und zu machen. Da sind wir noch gar nicht weit.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich höre, dass erst im Jahr 2005 die ersten Sprachkurse stattfanden. Vor 50 Jahren kamen Einwanderer und Migranten in das Land. Das ist viel zu spät. Die Vorurteile sind meiner Meinung nach sehr gefährlich und schaden der Integrationspolitik gerade hier in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Frau Abgeordneter Astrid Damerow das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu einigen Beiträgen noch etwas sagen. Frau Midyali, Ihre Einlassungen zur Finanzierung von Integrationskursen und zur weiteren Sprachförderung rufen mich auf den Plan. Integrationskurse werden vom Bund bezahlt. Ist Ihnen bekannt, dass im letzten Jahr für diesen Bereich 233 Millionen € bereitgestellt wurden?

(Serpil Midyatli [SPD]: Das weiß ich!)

Diese Mittel sind im laufenden Haushalt aufgestockt worden. Für das kommende Jahr wird die Bundesfamilienministerin 400 Millionen € für frühkindliche Bildung erhalten, und zwar für die Jahre 2011 bis 2014. Im Übrigen läuft die Haushaltsdebatte auf Bundesebene, und es lohnt sich durchaus, diese Debatte über das Internet zu verfolgen.

Herr Jezewski, Sie sprechen hier von Assimilation. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir uns hier nicht bei Star Trek befinden. Wir sind auch nicht die Borg. Wir reden von Integration.

(Zuruf des Abgeordneten Heinz-Werner Je- zewski [DIE LINKE])

- Nein, das meinen wir nicht, Herr Jezewski. Wir meinen, dass wir als aufnehmende Gesellschaft eine Leistung erbringen. Wir meinen aber auch, dass die Menschen, die zu uns kommen oder schon seit Jahren hier leben und nicht integriert sind, ihre Leistung zu erbringen haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Im Übrigen haben Sie hier die These aufgestellt, es werde seit Jahrzehnten im Bereich der Integration gespart. Jetzt spreche ich einmal als Haushaltspolitikerin: Das ist eine ziemlich tollkühne Behauptung. Denn wenn das so gewesen wäre, hätten wir in dem Bereich weniger Haushaltsprobleme. Ganz im Gegenteil, man hat in den vergangenen Jahren viel, viel Geld in viele soziale Bereiche hineingesteckt. Wenn wir uns heute die Erfolge anschauen, müssen wir feststellen, dass wir nicht so weit sind, wie man eigentlich angesichts der Höhe der finanziellen Ausstattung annehmen sollte. Alles Weitere werden wir in den Haushaltsberatungen diskutieren.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Der Herr Minister bezog sich auf den Bundeshaushalt und die Bezahlung der Integrationskurse.

(Weitere Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Antje Jansen)

- Frau Hinrichsen, bei der Kriminalstatistik wird von abnehmender Gewaltbereitschaft und der abnehmenden Zahl an Straftaten von Ausländern gesprochen. Das mag sein. Wir müssen uns aber auch mit der Gewaltbereitschaft von hier lebenden Deutschen mit Migrationshintergrund auseinandersetzen. Die tauchen nämlich in dieser Kriminalstatistik in einer anderen Spalte auf. Ich denke, es hilft uns doch nicht weiter, wenn wir all diese Dinge immer unter einen großen Deckmantel schieben.

(Zurufe von der SPD)