Protocol of the Session on November 19, 2009

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern in ihrem Antrag, die Ausgaben für Bildung und Forschung bis 2015 auf 10 % des Bruttoinlandprodukts anzuheben. Das sieht auch unser Koalitionsvertrag im Bund vor. In diesem haben wir uns verpflichtet ich zitiere, „die Ausgaben des Bundes für Bildung und Forschung bis 2013 um insgesamt 12 Milliarden € zu erhöhen. Darüber hinaus werden wir Maßnahmen ergreifen, die es zudem Ländern, Wirtschaft und Privaten erleichtern, ihre jeweiligen Beiträge bis spätestens 2015 ebenfalls auf das 10-%-Niveau anzuheben.“

(Dr. Henning Höppner)

Bildung für junge Menschen hat jedoch nicht nur mit Kosten zu tun, sondern vielmehr mit qualifizierten Bildungskonzepten. Bildung zu finanzieren, ist daher kein Selbstzweck, sondern muss zu erheblichen Qualitätsverbesserungen und Effizienzsteigerungen in unseren Schulen und Hochschulen führen. Dazu ist Ihrem Antrag nur zu entnehmen, dass Sie auf den kraftvollen Schwung des neuen Bildungsministers setzen, einem Schwung, der den Grünen und besonders der SPD in der Vergangenheit offensichtlich gefehlt hat.

(Beifall bei FDP und CDU)

Was haben wir denn vorgefunden? - Ein chaotisches Schulsystem - hier spreche ich als Realschullehrerin aus Erfahrung -, das Eltern zur Verzweiflung treibt, Kinder überfordert - Stichwort: G8 und in dieser Form gar nicht mehr finanzierbar ist. Im Klartext: Wir müssen bei null anfangen. Von dieser Startposition aus wollen und werden wir vieles neu ordnen, so manches neu betrachten und neue Ideen umsetzen müssen.

Besonders in der Finanzierung wird uns bei der dramatischen Haushaltslage eine Menge an Ideenreichtum abverlangt werden. Aber eines kann ich Ihnen schon jetzt versichern: Für die FDP hat Bildung oberste Priorität!

(Beifall bei der FDP)

Eine gute Schulbildung ist der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe und die große Chance zukünftiger Generationen. Sie ist aber auch die Chance unseres Landes, für eine Dienstleistungsgesellschaft gewappnet zu sein. Wir brauchen wirtschaftliches Wachstum, um unsere Schuldenlast bewältigen zu können. Deswegen ist es überaus wichtig, dass wir auch in Zeiten knapper Kassen in Bildung investieren. Wirtschaftswachstum hängt sehr davon ab, wie schnell die Produktivität der Beschäftigten wächst. Deshalb tut es dringend Not, die Qualität unseres Bildungssystems weiter nachhaltig zu steigern.

Die sogenannte demografische Rendite, das heißt der bescheidene Rückgang der Schülerzahlen an allgemeinbildenden Schulen um insgesamt 5.200, hat nun wahrlich nicht zu mehr Qualität in unserem Bildungssystem geführt. Erfreulich ist, dass die Schülerzahlen in den Klassen, die ohnehin zu groß sind, im Vergleich zum letzten Schuljahr etwas kleiner geworden sind. Kurzfristig werden jedoch frei werdende Stellen benötigt, um Engpässe an den Schulen und Berufschulen zu überbrücken. Eine Rendite vermag ich noch lange nicht zu erkennen.

Meine Damen und Herren, es besteht Konsens, dass die Qualität des Bildungssystems Schleswig-Holsteins erheblich verbessert werden muss.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN sowie vereinzelt bei CDU und der LIN- KEN)

Das ist Chancengleichheit für unsere Kinder und Zukunftssicherung für unser Land. Wie schnell die Arbeitsproduktivität bei uns wächst, hängt ganz entscheidend davon ab, wie gut wir mit unserem Bildungswesen unsere jungen Menschen qualifizieren. Nur durch gute Bildung und ausreichende Bildungsfinanzierung werden wir die Herausforderungen der Zukunft bewältigen und unseren Lebensstandard langfristig sichern und wahren.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Sinne stimmen auch wir der Überweisung des Antrags in den Bildungsausschuss zu.

(Beifall bei FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat die Frau Abgeordnete Ellen Streitbörger für DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben ja bereits gestern im Zusammenhang mit dem Bildungsstreik der Schülerinnen und Schüler sowie der Studierenden hinreichend über die Probleme unseres deutlich unterfinanzierten Bildungssystems gesprochen. Auch gerade haben wir viel darüber gehört, wie wichtig Bildung für unser Land ist. Deswegen möchte ich an dieser Stelle nicht alles wiederholen; das möchte ich Ihnen und mir ersparen.

Wenn in Deutschland, dem Land der Dichter und Denker, wie es früher immer hieß, die Ausgaben für Bildung unter dem OECD-Durchschnitt liegen, dann ist das nur beschämend. Mit nur 4,6 % des Bruttoinlandsprodukts für unsere Bildung übertreffen uns die skandinavischen Länder und einige andere europäische Länder fast um das Doppelte. Es ist dringend geboten, dass der Bildungszwerg Deutschland sich auf den Weg zur propagierten Bildungsrepublik macht. Zu viel kostbare Zeit ist bereits mit hohlen Phrasen und leeren Versprechungen vergeudet worden.

(Cornelia Conrad)

Auch über die sogenannte demografische Rendite, die sich durch den Rückgang der Schülerzahlen bis 2020 ergeben wird, haben wir gestern ausführlich debattiert. Unser Appell an die Regierung war klar: Lasst uns diese Rendite nutzen, um unser schleswig-holsteinisches Bildungssystem auf dem Weg hin zu einem Bildungssystem der Zukunft zu führen, mit dem wir den Vergleich mit anderen Bundesländern nicht mehr scheuen müssen.

Frau Franzen hat uns gerade in dankenswerterweise vorgerechnet, wie viel Geld das Land SchleswigHolstein in die Bildung gesteckt hat. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass das trotz alledem nicht ausreichend ist. Ich bin wahrscheinlich nicht die Einzige, die den Bericht zur Unterrichtssituation im Schuljahr 2008/2009 gelesen hat. In diesem Bericht wird deutlich, dass Schleswig-Holstein im Vergleich zu anderen Bundesländern in der unteren Tabellenhälfte rangiert. Die Realschulen bilden die einzige Ausnahme. Das liegt sicherlich daran, dass sie als Auslaufmodell kaum noch Neuanmeldungen hatte und sich dadurch die Zahlenstatistik schönrechnet.

Aus den genannten Gründen werden wir - ursprünglich dachte ich, dass wir dem Antrag zustimmen - der Überweisung in den Ausschuss zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bevor ich das Wort der Abgeordneten Anke Spoorendonk vom SSW erteile, begrüße ich auf der Tribüne Mitglieder der Jungen Union Schleswig-Holstein. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Jahr nach dem Bildungsgipfel in Dresden sind die Versprechen der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten in weite Ferne gerückt. Die Finanzminister haben zwar bekannt gegeben, dass eine Steigerung der Bildungsausgaben auf 10 % des Bruttoinlandsprodukts rein rechnerisch schon geschehen ist. Auf eine verbesserte Bildungsfinanzierung hoffen wir aber vergeblich. Auch die Zahlenakrobatik der Finanzminister ändert nämlich nichts daran, dass es sowohl bei den Schulen wie auch im Hochschulbereich weitere große Baustellen gibt.

Die Erfolgsaussichten, beim Bildungsgipfel im letzten Jahr überhaupt etwas zu erreichen, waren insgesamt ziemlich durchwachsen. Auch dass die Bundeskanzlerin Bildung zur Chefsache erklärte, änderte nichts daran, dass der Bund sich bei der letzten Föderalismusreform aus der Zuständigkeit für den Bildungsbereich verabschiedet hat. Bildung ist Ländersache. Von vornherein war also klar, dass sämtliche Beschlüsse dieses Gipfels mehr symbolischen Wert hatten als alles andere.

Nur beim Hochschulpakt II gelang es ansatzweise, über das Unverbindliche hinauszukommen. Der SSW begrüßt die im Hochschulpakt II vorgesehene Erhöhung zur Finanzierung neuer Studienplätze. Sie liegt aber nach wie vor unter dem OECDDurchschnitt von 10.600 € pro Studienjahr. Hinzu kommt, dass aus schleswig-holsteinischer Sicht eine Laufzeit des neuen Hochschulpaktes bis 2015 reichlich wenig nützt, da die doppelten Abiturjahrgänge erst ab 2016 in die Hochschulen wollen. Wir brauchen also eine längere Laufzeit des Hochschulpakts, und wir brauchen auch eine Bilanz darüber, wie es mit der Umsetzung des Hochschulpaktes I bestellt ist.

Vor dem Hintergrund der gesamten Gemengelage begrüßen wir den vorliegenden Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Denn richtig ist, dass der nächste sogenannte Bildungsgipfel mehr bringen muss als nette Unterhaltung.

Bildungsfinanzierung ist in Deutschland ein prinzipielles Problem. Der politische Beitrag für ein besseres Bildungssystem beschränkt sich aber häufig auf rhetorische Plädoyers, in denen die Bedeutung von Humankapital für den Wirtschaftsstandort Deutschland hochgehalten wird. Darüber hinaus geschieht aber viel zu wenig, um die Missstände in unseren Bildungsinstitutionen aufzuheben. Damit meine ich nicht nur die Probleme an den Schulen, also Unterrichtsausfall, hohe Belastung von Lehrerinnen und Lehrern, zu große Klassenfrequenzen, marode Schulgebäude, zu wenig Schulsozialarbeit und ein mittlerweile völlig undurchschaubares Schulsystem. Viel zu häufig wird vergessen, dass wir auch eine bildungspolitische Verantwortung für den Vorschulbereich und für die Bildung aller Menschen nach der Schulzeit haben, also in der gesamten Erwachsenen- und Weiterbildung.

(Vereinzelter Beifall bei SSW und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher ist es aus Sicht des SSW ganz wesentlich, dass die im Bundestagswahlkampf angestoßene De

(Ellen Streitbörger)

batte über die Finanzierung von Bildungsaufgaben weitergeführt wird.

Die Grünen schlagen vor, den auslaufenden Solidaritätszuschlag für den Aufbau Ost in einen Bildungssoli umzuwidmen. Dieses Konzept wirkt, spontan gesehen, bestechend. Es kann leicht in existierende Systeme eingearbeitet und schnell umgesetzt werden. Ich gebe aber zu bedenken, dass es gesamtgesellschaftlich gesehen nicht angehen kann, dass auf der einen Seite Steuererleichterungen durchgewunken werden,

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

auf der anderen Seite aber diejenigen, die von den Steuererleichterungen am wenigsten profitieren, über einen „Bildungssoli“ für das Bildungssystem zahlen sollen.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es führt aus unserer Sicht kein Weg daran vorbei, endlich ein gerechtes Steuersystem einzuführen, das in sich konsistent ist und die starken Schultern am meisten tragen lässt - auch in Sachen Bildung.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

Bildungsausgaben sind eine Zukunftsinvestition das sagen wir ja oft und gern - und damit eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung. Konkret heißt das für uns, dass zum einen endlich die Ausgleichsfunktion des Bundes zum Tragen kommt, um in allen Bundesländern in etwa die gleichen Lebensverhältnisse und damit auch die gleichen Bildungschancen zu schaffen. Außerdem fordert der SSW zum anderen, dass die demografische Rendite im Bildungssystem bleibt. Die vom Landesrechnungshof im jüngsten Schulbericht veröffentlichten Sparvorschläge würden bei einer 100-prozentigen Umsetzung wohl dazu führen, dass es in SchleswigHolstein die billigsten Schulen Deutschlands gäbe.

Dem SSW geht es aber nicht um billige Bildung, sondern um gute Bildung. Daher sage ich noch einmal, dass wir die frei werdenden Mittel im Bildungsbereich nutzen müssen, um ein qualitativ wertvolles Bildungssystem zu schaffen, in dem die Bildung endlich an oberster Stelle steht.

(Beifall bei SSW, der LINKEN und verein- zelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte noch eine letzte Bemerkung zu dem machen, was immer wieder über die Verhältnisse in Schweden und in den skandinavischen Ländern ge

sagt wird. Ich habe das schon oft gesagt, möchte aber noch einmal in Erinnerung rufen, dass Schweden ein reicheres Land als die Bundesrepublik ist. Das heißt, dass wir eine Umverteilung brauchen. Wir brauchen die politische Einsicht, dass Bildung auch finanziell gesehen an oberster Stelle stehen muss.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN sowie vereinzelt bei SPD und FDP)

Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf bei all den Unterstellungen - nicht zuletzt den Finanzministern gegenüber - zunächst einmal klarstellen, dass die Qualifizierungsoffensive mit ihren vielfachen Ansätzen zum Thema Aufstieg durch Bildung, die sich durch alle Wissensbereiche ziehen soll, von der Landesregierung weiterhin als Ziel mitverfolgt wird. Wir wollen im Rahmen der Qualifizierungsoffensive - das ist vergangenes Jahr so verabredet worden - die Ausgaben für Bildung und Forschung, wenn möglich, auf 10 % des Bruttoinlandsprodukts steigern. Das Ziel einer Steigerung der Mittel für diese Zwecke tragen wir natürlich mit.

Nun ist der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN keine allgemeine Absichtserklärung, sondern ein Auftrag an den Ministerpräsidenten, im Gespräch mit der Bundeskanzlerin und den anderen Ministerpräsidenten am 16. Dezember 2009 dafür zu sorgen, dass diese Versprechen auch tatsächlich eingehalten werden. Damit wir wieder auf den Boden der Realität zurückkehren, möchte ich auf Folgendes hinweisen:

Wenn dieses 10-%-Ziel pauschal nach dem Prozentsatz, der üblicherweise für die Länder angewandt wird, berechnet wird, bedeutet das für uns in Schleswig-Holstein, dass wir im Landeshaushalt für frühkindliche Bildung, Schule und berufliche Bildung etwa 1,9 Milliarden € und für Hochschule und Durchlässigkeit etwa 1,3 Milliarden € zusätzlich ausweisen müssten. Das wäre eine Steigerung um 3,2 Milliarden € innerhalb von fünf Jahren. Mittel in dieser Größenordnung werden wir nicht annä