Protocol of the Session on November 19, 2009

Wir müssten jetzt ein bisschen „Sendung mit der Maus“ für Parlamentarier machen. Wir stehen auf dem Boden, über uns ist die Luft, und unter uns ist die Erde. Wenn wir ungefähr 90 km nach Norden fahren, dann haben wir eine Grenze. Wenn Sie 10 m über oder 10 m unter der Erde sind, dann sehen Sie die Grenze nicht mehr. Da steht kein Schild „Dänemark“ oder „Bundesrepublik Deutschland Ende“. Wenn Sie die gleiche Strecke nach Süden fahren, dann sind Sie an der Grenze zu Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder Hamburg. Auch da sehen Sie die Grenze nicht mehr, wenn Sie 10 m weiter unten sind. Wenn Sie noch weiter herunter gehen, dann sehen Sie die Grenze gar nicht mehr.

Wo CO2 in die Erde gepresst wird, ist völlig egal. Das heißt, der Einleitungspunkt kann nicht entscheidend sein. Dann könnten wir ja sagen: Gar kein Problem, wir machen das außerhalb der Dreimeilenzone. Dort hat niemand Gesetzgebungskompetenz, dort leiten wir CCS ein. Das war es, wir brauchen überhaupt keine Gesetzgebung mehr. Das ist doch genauso schnell in Schleswig-Holstein, wie es in Dänemark, in Hamburg, in England oder in Niedersachsen ist. Das ist der Wahnsinn dabei. Wir müssen dazu kommen, dass wir sagen, wir finden einen Konsens innerhalb der Bundesländer. Eigentlich müssen wir auch innerhalb der EU einen Konsens finden.

(Zuruf von der CDU: Weltweit!)

- Natürlich, aber erst einmal innerhalb der EU. Sie wollen noch nicht einmal einen EU-Mindestlohn, geschweige denn das. Da arbeiten wir uns ganz langsam heran, Herr von Boetticher. Es stehen andere Interessen dahinter. Das sieht man doch. Das sind Milliardenprojekte. Es sind nicht nur die Kraftwerke und die Pipelines.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ja, natürlich. Darüber werden wir auch noch reden. Herr Kubicki, warten wir doch ab, wie es in Brandenburg weitergeht. Warten wir doch die Ge

(Dr. Christian von Boetticher)

spräche, die dort geführt werden, ab. Ich denke, dort werden Gespräche geführt.

Außerdem können wir aufhören, uns immer gegenseitig vorzuwerfen, was die anderen Landesverbände der Parteien falsch machen. Da kann ich Ihnen eine ganze Masse vorwerfen, da kann ich Herrn Stegner oder den Grünen etwas vorwerfen. Das nutzt uns in Schleswig-Holstein überhaupt nichts.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen doch gucken, dass wir die Scheiße – Entschuldigung -, den Dreck unter dem Boden wegkriegen.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Uner- hört!)

Es ist mir völlig egal, wo das Zeug eingeleitet wird. Ich möchte es nirgendwo in der Erde haben, es sei denn, irgendjemand kann abschließend sagen, dass diese Technik sicher ist. Das muss dann aber einen anderen Wahrheitsgehalt haben als zum Beispiel die Aussage, Atomkraftwerke sind sicher. Dann können wir weiter diskutieren. Deshalb unterstützen wir selbstverständlich den SSW-Antrag.

(Beifall bei der LINKEN und SSW)

Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedauere in der Tat, dass hier eine Reihe von Wortmeldungen versucht haben, das Bundesgesetz zum CCS zum Anlass zu nehmen, wieder in energieideologische Debatten zurückzukehren. Das trifft für den Antragsteller selbst zu, aber auch für andere. Das ist bedauerlich und wird den Bedürfnissen und den Anliegen der Menschen in den nördlichen Landesteilen überhaupt nicht gerecht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich glaube, dass der Beitrag eben der Tiefstpunkt dessen war, was wir bisher in diesem Parlament gehört haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich glaube, dass wir zu einer Debatte darüber zurückkehren sollten, wie wir in einer in der Tat gesetzgeberisch schwierigen Situation das hinbekom

men, was wir gemeinsam hinbekommen wollen. Der Grundkonsens ist, dass wir über ein bundesweites CCS-Gesetz, das wir in seiner Existenz nicht verhindern können, dafür Sorge tragen, dass es nicht zu einer CO2-Einlagerung in SchleswigHolstein kommt. Hier ist der Antrag des SSW kontraproduktiv. Wenn Sie hier einbringen, dass wir uns als Landesregierung im Bundesrat dafür verwenden sollen, dass es überhaupt kein CCS-Gesetz gibt, dann erreichen Sie zweierlei. Sie erreichen, dass wir die EU-Richtlinien nicht durchsetzen, und zwar mit all dem, was das bedeutet. Im Übrigen wissen Sie, dass wir für diese Position gar keine Mehrheit haben. Das führt dazu, dass wir unser eigentliches Anliegen gar nicht durchsetzen können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Insofern ist das, was Sie hier machen, eine riesige Nebelkerze oder ein Placebo. Das ist keine Politik für die Menschen hier in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich glaube, dass das Kernanliegen des Landes und der Landesregierung sein muss, dafür Sorge zu tragen, dass - wenn es ein bundesweites CCS-Gesetz gibt - den Ländern die Möglichkeit vorbehalten bleibt, auszuschließen, dass eine Speicherung in ihren Landesgrenzen erfolgt. Das ist auch die Position, die die schleswig-holsteinische Landesregierung in diesem Bundesratsverfahren einnehmen wird. Wir müssen am Ende zu einer Regionalisierung für die Zustimmung oder die Genehmigung der Erprobung und der Einspeicherung in den einzelnen Ländern kommen.

Das hat übrigens nichts mit dem Sankt-FloriansPrinzip zu tun, das der Abgeordnete Matthiessen hier wieder einmal eingeführt hat. Sankt-FloriansPrinzip wäre, wenn wir sagen würden, wir wollen es für Schleswig-Holstein ausschließen, und andere Bundesländer müssen es gegen ihren Willen machen. Das ist in der Bundesrepublik aber nicht die Lage. Es gibt Bundesländer, in denen es durchaus ein Interesse gibt, zu einer CO2-Einlagerung, zu einer Anwendung der CCS-Technologie zu kommen. Die sollen es dann in der Tat gern machen.

Das Versprechen, das wir alle dem nördlichen Landesteil gegenüber, den Wählern in Schleswig-Holstein gegenüber abgegeben haben, war: Wir wollen versuchen zu vermeiden - und wir werden es schaffen! -, dass es gegen den Willen der Menschen zu einer CO2-Einlagerung in Schleswig-Holstein kommt. Das bedeutet, wir müssen in besonderer Weise an dieses Gesetz herangehen.

(Heinz-Werner Jezewski)

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen?

Nein, erlaube ich nicht, weil ich nämlich so gut wie fertig bin.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unglaublich!)

Die Rückmeldung, die wir aus anderen Bundesländern haben, ist, dass dieser Ansatz der Landesregierung durchaus erfolgversprechend sein kann. Wir haben die Rückmeldung, dass es dafür tatsächlich Unterstützung durch andere Bundesländer geben kann. Insofern sollten wir uns auf dieses Ziel konzentrieren. Das wird richtigerweise beschrieben in dem Antrag von CDU und FDP. Deshalb ist es richtig, ihn weiterzuverfolgen.

Meine Damen und Herren, ersparen Sie es uns in den weiteren Sitzungen, und ersparen Sie es den Menschen im nördlichen Landesteil, hier ständig Scheindebatten zu führen.

(Anhaltender Beifall bei CDU und FDP)

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner das Wort.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da der Herr Minister gesagt hat, wenn man dem Antrag zustimme, sei das in der Sache kontraproduktiv, und das sei energieideologisch, will ich doch noch einmal gegenhalten. Wir werden nämlich dem Antrag zustimmen. Wir brauchen eigentlich kein CCS-Gesetz

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Lars Harms [SSW])

unabhängig davon, wie Sie die europäischen Vorgabe auslegen. Aber das kann doch nicht heißen, dass, wenn es dann doch kommt, man nicht doch dafür eintritt, dass zumindest die Länder darüber entscheiden. Die beste Lösung aber wäre, wenn es kein CCS-Gesetz gäbe. Das ist das Erste.

(Beifall bei SPD und SSW)

Das Zweite. Vorhin ist gefragt worden: Wie ist denn die Haltung der Sozialdemokratie insgesamt? - Ich will Ihnen sagen: Auf Veranlassung der schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten ist in den Beschluss unseres Bundesparteitags hingekommen, dass wir sagen: Wir wollen Wiederverwendung der Abfallprodukte, wir wollen nicht, dass es unter die Erde geschafft wird. Denn davon entstehen die Probleme. Dann sind wir davor überhaupt nicht geschützt. Wiederverwendung ist der richtige Weg.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das heißt zu- nächst einmal Ideologie!)

- Wenn Sie für Ihren sogenannten Energiemix eintreten, haben Sie immer die Position, das sei keine Ideologie. Dabei ist das, was Sie mit Ihren energiepolitischen Konzepten tun, Ideologie, den Menschen permanent Atomkraft verkaufen zu wollen.

Was wir tun müssen, ist nicht, dafür zu sorgen, dass das mit der Kohlekraft länger hält, sondern erstens die Menschen zu schützen - das geschieht hier - und zweitens durch Forschung, die in diese Richtung geht, dafür zu sorgen, dass das wiederverwendet wird.

(Hartmut Hamerich [CDU]: Sie müssen das unterbringen!)

Das müssen wir tun. Das ist übrigens auch die Haltung von Herrn Professor Hohmeyer, der hier zwar zitiert, aber falsch zitiert worden ist, weil Sie eben nicht richtig zuhören.

(Hartmut Hamerich [CDU]: Sie müssen doch einlagern!)

Professor Hohmeyer sagt: Wir brauchen das eigentlich nicht, weil wir bis 2020 unseren ganzen Strombedarf rein aus erneuerbaren Energien erzeugen können. Aber damit die Gefahren nicht bestehen, muss man die Wiederverwendung voranstellen.

Im Übrigen halte ich es auch für fahrlässig, weil wir überhaupt nicht wissen, wie Gesteinsschichten darauf reagieren. Kein Mensch weiß das. Der Einsatz kommt auch erst nach 2020. Das will heißen: All die Dinge, die da angeführt worden sind, stimmen gar nicht. Wir müssen für eine Veränderung in der Energiepolitik sorgen. Alles, was an Nebenprodukten herauskommt, muss wiederverwendet werden und darf nicht unter die Erde geschafft werden. Das ist pragmatisch und nicht Ideologie, Herr Minister. Deshalb sollten wir so verfahren.

Herr Dr. Stegner, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. von Abercron zu?

Mit dem größten Vergnügen.