Protocol of the Session on September 10, 2010

Keine Entscheidung über eine materielle Privatisierung des Universitätsklinikums Lübeck vor dem 1. April 2015

Antrag der Fraktionen DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/706 (neu) - 2. Fassung

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und

erteile zunächst für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordneter Antje Jansen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Einleitung eines Interessenbekundungsverfahrens jetzt ist der Versuch der Landesregierung, ihre Entscheidung über die Privatisierung des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein vor dem April 2015 zur vollendeten Tatsache zu entwickeln. Auch die Umbenennung in ein Markterkundungsverfahren ändert daran nichts. Die Landesregierung will mit ihrem Vorgehen langfristig einen Druck des Faktischen aufbauen, an dessen Ende dann die Privatisierung des UK S-H stehen soll.

Inzwischen stellt sich heraus, dass der FDP-Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler den für 2015 geplanten Wegfall des bundeseinheitlichen Basiswerts für die Vergütung von Krankenhausleistungen wieder einkassiert hat. Das ist ein Tiefschlag gegen die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei der LINKEN sowie vereinzelt bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist insbesondere ein Tiefschlag gegen die Sanierungsbemühungen des UK S-H. Diese Maßnahme kann den Privatisierungsdruck auf das UK S-H mindestens in der Denklogik der schwarz-gelben Landesregierung natürlich nur anfeuern.

Die geht im Übrigen so: Im August 2008 setzt Herr Jost de Jager als Staatssekretär des Ministeriums für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr seine Unterschrift für das Land Schleswig-Holstein unter einen Vertrag.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich!)

Der legt fest - ich zitiere -:

„… bis zum 01.04.2015 keine Entscheidung für eine Ausgründung des Primärbereichs der Krankenversorgung des UK S-H im Wege einer materiellen Privatisierung zu treffen.“

Im Juli 2009 lässt sich Herr Jost de Jager, zu diesem Zeitpunkt noch immer Wissenschaftsstaatssekretär, in einer Erklärung zum baulichen Masterplan für das UK S-H noch so zitieren:

„Damit legt die Landesregierung ein weiteres Mal das klare Bekenntnis gegenüber den Beschäftigten ab, dass wir großes Potenzial... im UK S-H sehen und die Spitzenstellung der Universitätsmedizin ausbauen werden.“

(Minister Dr. Ekkehard Klug)

Im Mai 2010 legt sich die Haushaltsstrukturkommission auf die Privatisierung des Uni-Klinikums fest. Dabei sollen - und hier wird es frech - ich zitiere noch einmal -:

„Rationalisierungserfolge der Belegschaft erhalten und der von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getragene Reformkurs fortgesetzt werden.“

Schlichte Folgerung:

„Vor dem Hintergrund der geltenden Vereinbarung zwischen dem UK S-H, dem Land und ver.di werden die rechtlichen Möglichkeiten geprüft und eine materielle Privatisierung des UK S-H vorbereitet.“

Personalräte und Beschäftigte verteilen daraufhin ein Flugblatt vor den Türen des Landeshauses. Das Flugblatt besteht aus der tarifvertraglichen Vereinbarung. Darüber steht nur noch die fette Überschrift: „Wortbruch“. Mehr musste zum Vorgehen der schwarz-gelben Landesregierung auch gar nicht gesagt werden.

Am 22. Juni 2010 spricht Jost de Jager als Minister auf einer gemeinsamen Personalversammlung von Universität und UK S-H in Lübeck. Er bekräftigt dort den Privatisierungsplan. Und er bestätigt, dass die Landesregierung die Vereinbarung vom April 2008 rechtlich überprüfen will. Die Absicht ist klar. Es soll eine Lücke im Tarifvertrag gesucht werden, mit der das Privatisierungsverfahren vorzeitig in Gang gesetzt werden kann. Das ist dreist. Die Beschäftigten des UK S-H sind zu Recht über solches Verhalten eines Ministeriums entsetzt.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, was Sie hier vorhaben, das beabsichtigt einen Wort- und Vertragsbruch. Das, was im Papier der Haushaltsstrukturkommission als Rationalisierungserfolge der Belegschaft erhalten werden soll, das, was als ein von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getragener Reformkurs fortgesetzt werden soll, das ist zu nicht geringen Teilen Gegenstand der Vereinbarung gewesen, zu der eben auch das Zugeständnis der Landesregierung gehörte, vor April 2015 keine Entscheidung über eine Privatisierung zu treffen.

Die Beschäftigten haben mit Zugeständnissen zur wirtschaftlichen Sanierung des UK S-H beigetragen. Und nach der Unterschrift bekommen sie nun einen Fußtritt. Was wird das, Herr Minister? Der Kuchen interessiert Sie nicht mehr, Sie finden ihn vertrocknet, aber Sie beanspruchen die Rosinen, die die anderen hineingegeben haben.

(Beifall des Abgeordneten Heinz-Werner Je- zewski [DIE LINKE])

Verträge sind einzuhalten. Das ist ein sinnvoller Grundsatz, gerade in der Politik, wo es natürlich auch um die Gültigkeit von Vereinbarungen über Regierungswechsel hinaus gehen muss. Die Privatisierung des UK S-H hätte verheerende Folgen für die Beschäftigten, für die Krankenhausversorgung und auch für die Medizinerausbildung an den Standorten Kiel und Lübeck. Ganz Lübeck und auch die Region werden ihre erzwungene Privatisierung nicht akzeptieren, Herr Minister. Und sie haben doch schon bereits erfahren, zu welchem Einsatz jedenfalls die Hansestadt Lübeck fähig ist, wenn es um die Zukunft von Wissenschaft, Lehre und medizinischer Maximalversorgung geht.

(Beifall bei der LINKEN und der Abgeord- neten Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Daniel Günther das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf Antrag von LINKEN, SPD und Grünen beschäftigen wir uns heute erneut mit dem Thema Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Ich will an dieser Stelle keine langen Ausführungen über die Bedeutung machen, die das UK S-H für Schleswig-Holstein, insbesondere natürlich für die Standorte Kiel und Lübeck, hat. Das habe ich von diesem Rednerpult aus schon mehrfach in den vergangenen Monaten getan.

Aber ich denke, wir sind uns darin einig, dass wir als 100-prozentiger Eigentümer eine besondere Verpflichtung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben. Deshalb halte ich es auch für richtig, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen den politischen Weg fortsetzen, das Unternehmen durch eine Optimierung der Strukturen im Universitätsklinikum zukunftsfähig zu halten. Ich denke, dass es an dieser Stelle wichtig ist, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihren Einsatz zu danken, ihn zu würdigen und hier noch einmal gemeinsam festzustellen, dass nur durch die großen Zugeständnisse, die von der Belegschaft tatsächlich gemacht worden sind, dieses Ergebnis, zu dem wir heute gekommen sind, tatsächlich erreicht werden konnte.

(Antje Jansen)

(Vereinzelter Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Daneben waren es verschiedene Ausgründungen und die Gründung von Tochtergesellschaften mit privater Beteiligung - das möchte ich auch einmal sagen; keine Mehrheitsbeteiligung, aber eine private Beteiligung, die zum Teil hier auch mitgetragen worden ist, nicht nur von dem Regierungslager -, die auch dazu beigetragen haben, dass wir aller Voraussicht nach am Jahresende eine schwarze Null werden erreichen können.

Aber ein gut aufgestelltes Unternehmen braucht motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Steigerung der Patientenzahlen in den letzten Jahren - wir haben hier die Berichte miteinander diskutiert, dass die Patientenzahlen nach oben gegangen sind - erreicht man natürlich auch nur dadurch, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ihrem Unternehmen bekennen und der Motivationsgrad hoch bleibt.

Von daher bleibt es wichtig, dass wir den baulichen Masterplan, den wir verabschiedet haben, auch einhalten.

Wir reden hier über eine Investitionssumme von fast 1 Milliarde €. Ich sage an dieser Stelle ganz deutlich: Diese Verabredung gibt es, aber wir können dies angesichts der Haushaltslage, die wir in Schleswig-Holstein nun einmal haben, nicht allein vonseiten der öffentlichen Hand tätigen.

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Das ist ein Ver- trag und keine Verabredung! Das ist ein Un- terschied! - Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Das ist ein baulicher Masterplan. Wir reden hier über eine Anwendungsvereinbarung. Das ist etwas ganz anderes, über was wir hier miteinander sprechen. Darum geht es in der Tat überhaupt nicht.

Aber wir müssen den baulichen Masterplan umsetzen. Wir können natürlich lange darüber diskutieren, zu welchem Zeitpunkt man hätte miteinander feststellen müssen, dass hier privates Kapital notwendig ist. Spätestens heute müssen wir das miteinander feststellen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Das muss im Übrigen auch einmal von der Opposition beantwortet werden. Sich hier immer hinzustellen und zu sagen, ja, wir müssen investieren, reicht nicht, wenn keiner sagt, woher aus dem Landeshaushalt das Geld eigentlich herkommen soll.

(Zurufe von der SPD)

So leicht können Sie es sich in Zukunft nicht machen.

(Unruhe)

Wir brauchen diesen baulichen Masterplan deshalb, weil die dezentrale Struktur mit vielen sanierungsbedürftigen Einzelkliniken, insbesondere am Standort Kiel, diese Investitionen unabwendbar machen.

(Zurufe)

Mit diesen Maßnahmen werden wir auch zu einer qualifizierten Verbesserung der Arbeit für die Beschäftigten im Universitätsklinikum kommen.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Die Anwendungsvereinbarung mit ver.di gilt. Daran zweifelt niemand.

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Vertrag!)

- Ich benutze den rechtlichen Begriff, Frau Jansen, nun widersprechen Sie in dem Punkt nicht. Das ist einfach sachlich richtig. Daran gibt es am heutigen Tag auch keinen Grund zu zweifeln.