Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt einen schönen Spruch von Karl Kraus zur Kultur, der da lautet: Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen sogar Zwerge lange Schatten. Die Schattenlänge dieser Landesregierung ist vermutlich mit herkömmlichen Maßbändern nicht mehr zu messen. Dabei war Schleswig-Holstein einmal ein Land, in dem nicht nur kulturell, sondern auch kulturpolitisch Akzente gesetzt wurden, die bundes-, europa- und sogar weltweit Beachtung fanden. Dabei will ich das überhaupt nicht
parteipolitisch bewerten. Der CDU-Ministerpräsident Uwe Barschel hat hier ebenso eine herausragende Rolle gespielt wie sein SPD-Nachfolger Björn Engholm oder dessen Parteikollegin Heide Simonis. Ich verzichte hier bewusst auf die Aufzählung der Namen der entsprechenden Minister, Staatssekretäre, Abgeordneten oder herausragenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus allen Parteien und aus der Verwaltung.
Was ist aber der Unterschied zwischen dieser Landesregierung und ihren zahlreichen Vorgängern? Zum ersten ist dieser Unterschied natürlich die Tatsache, dass es für die Obengenannten mehr an Kultur gab als Schützen- oder Heimatfeste, deren Bedeutung ich damit keinesfalls herabsetzen will. Zum anderen aber ist der Unterschied der, dass Kultur früher einmal als Wert an sich verstanden wurde, der zwar manchmal Kosten verursacht, aber stets auch Nutzen bringt, Nutzen für den Frieden, Nutzen für die Demokratie, Nutzen für das gesellschaftliche Miteinander, Nutzen auch für die Wirtschaft in unserem Land. Wo es eine lebendige Kulturlandschaft gibt, sind fremdenfeindliche Tendenzen geringer, ist die Wahlbeteiligung und die Partizipation an politischen Prozessen größer und ist die touristische Aktivität größer als anderswo.
Viel besser als ich in meinem Beitrag hat das der Volksmund ausgedrückt, der da sagt: „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen kennen keine Lieder.“ Nicht ohne Grund haben im Übrigen die alten Griechen die Olympischen Spiele erfunden, ursprünglich ein weit über den Sport hinausgehendes gesamtkulturelles Ereignis, das zumindest alle vier Jahre die andauernden Kriege zwischen den beteiligten Völkern unterbrach.
Zum Glück sind diese Tatsachen nicht überall in Vergessenheit geraten, sondern nur in der engstirnigen Weltsicht der schleswig-holsteinischen Landesregierung. Es gibt weiterhin hoch interessante Förderprogramme der Europäischen Union im Kulturbereich, und es gibt dankenwerterweise auch in diesem Hause Fraktionen, die nicht vergessen haben, welche Bedeutung Kultur und Kulturpolitik für unser Land haben. Wir danken der SPD dafür, dass sie wieder einmal dieses wichtige Thema auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gebracht hat.
Selbstverständlich unterstützen wir diesen Antrag und haben darüber hinaus die Hoffnung, dass es auch in allen anderen Fraktionen Abgeordnete gibt, denen die Bedeutung der Kultur ebenso am Herzen liegt wie uns und den Antragstellern.
Wir sprechen uns daher für eine weitere Diskussion des Antrages im Bildungs- und im Europaausschuss aus, weil wir hoffen, dass sich dort breite Mehrheiten dafür finden werden. Sollte das nicht der Fall sein und der Antrag in der Sache abgestimmt werden, werden wir ihm natürlich zustimmen. Vielleicht schaffen wir es ja gemeinsam, die Schatten der Zwerge in Schleswig-Holstein etwas kürzer werden zu lassen, und das auch schon vor den Neuwahlen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die sogenannte Europäische Kulturstrategie wurde 2007 durch die Europäische Kommission ins Leben gerufen. Sie schlug vor, diese neue Strategie auf der Grundlage der „offenen Koordinierungsmethode“ voranzubringen, einer Methode, die laut EU-Kommission bereits erfolgreich die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der EU in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sozialschutz strukturiert.
Für einen Zeitraum von 2007 bis 2013 wird die Europäische Gemeinschaft etwa 30 Millionen € zu dem Fonds beisteuern; die Mitgliedstaaten wurden gleich 2007 ersucht, weitere Beiträge zu leisten. Die Fortschritte bei der Umsetzung dieser Kulturstrategie sollen alle zwei Jahre von der Kommission und den Mitgliedstaaten überprüft werden. So weit, so gut.
Im Klartext heißt dies aber auch, dass eine solche Kulturinitiative nicht zu den Pflichtaufgaben der Europäischen Union zählt. Im Gegenteil, in Sachen Kultur haben die Mitgliedstaaten die Hoheit, wofür es, sage ich mal in Klammern, ja auch ganz viele gute Gründe gibt. Wir vom SSW wollen zumindest nicht, dass sich die Mitgliedstaaten aus ihren kulturellen Verpflichtungen zurückziehen. Die Kulturstrategie der EU kann daher nur eine Ergänzung sein. Doch wie in anderen Zusammenhängen steckt auch hier häufig der Teufel im Detail. Dazu zwei Anmerkungen.
Als erstes zu den Grundlagen: Die Kulturförderung der EU unterstützt Projekte, gibt Betriebskostenzuschüsse oder fördert Studien. Bei der Projekt
förderung sehen die Regelungen zwar eine mehrjährige Förderung vor, die Hälfte der Kosten müssen aber von den Projektträgern übernommen werden. Soll heißen, wir sind bei einem zentralen technischen Problem des Programms: Die meisten unserer Kultureinrichtungen können Eigenmittel kaum aufbringen. Für sie kommen solche Programme also nicht infrage.
Die Europäische Union verweist in allen Fällen, in denen mehr als eine hälftige Förderung notwendig ist, an das Deutsche Zentrum für Kulturförderung weiter. Dort werden interessierte Künstler flächendeckend über Stiftungen, Preise und Unterstützungsmöglichkeiten informiert. Für alle anderen Schritte sind professionelle Kulturmanager gefragt, um aus der Vielfalt das richtige Instrument zu finden.
Auch die Europäische Kulturstrategie richtet sich mitnichten an Einzelkünstler, wie der Antrag durch die Formulierung „Kulturschaffende“ nahelegt, sondern laut Programmleitfaden ausdrücklich an Theater, Museen und Universitäten, also an ausgewachsene Einrichtungen. Nur sie haben überhaupt die Möglichkeit, alle Förderbedingungen einzuhalten. Diese hohen Anforderungen erklären, warum die Europäische Kulturstrategie bisher kein Renner in Schleswig-Holstein gewesen ist.
Nun zu meiner zweiten Anmerkung. Was über die technischen Probleme weit hinausreicht, sind die zentralen inhaltlichen Probleme der Kulturstrategie. Die Europäische Kommission erklärt, dass sie mit ihrer Strategie die Vielfalt der kulturellen Ausdrucksformen unterstützen will, tatsächlich hantiert sie aber mit einem einheitlichen, nationalstaatlich basierten europäischen Kulturbegriff. Diese Kanonisierung der nationalstaatlichen Kultur zeigt sich beispielsweise in der Begrenzung der förderfähigen Sprachen auf die Amtssprachen. Der Programmleitfaden weist ausdrücklich darauf, dass Übersetzungen eines englischen Romanes eines irischen Autors ins Gälische nicht förderfähig sind. Da die Minderheiten- und Regionalsprachen nicht überall in Europa per Verfassung Amtssprachen sind, fallen deren belletristische Werke nicht unter die Fördergrundsätze der Kulturstrategie. In Deutschland sind weder Friesisch noch Romanes noch Sorbisch im Grundgesetz aufgeführt, wie es der Leitfaden verlangt; eine Übersetzung von Werken ist also nicht förderfähig.
Der Verdacht liegt nahe, dass die Europäische Kulturstrategie nicht den interkulturellen Dialog fördert, sondern an nationalen Konstruktionen kleben bleibt. In der Programmsprache heißt das Gan
ze dann „wirklicher, zusätzlicher europäischer Nutzen“. Das Programm zielt darauf ab, dass monolithische Staaten über ihre Grenzen hinweg Kultur austauschen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, da sind wir in Schleswig-Holstein sehr viel weiter. Daher begrüße ich, dass wir im Ausschuss noch einmal ausloten, was wir machen können.
Ich erinnere daran, dass wir uns in der Vergangenheit mehrfach darüber ausgetauscht haben, ob es auf EU-Ebene überhaupt Fördermöglichkeiten für Minderheiten- und Regionalsprachen gibt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der europäische Leitspruch der Einheit in Vielfalt weist schon auf das Spannungsverhältnis hin, in dem dieser Antrag steht. Die Einheit kann nur gelingen, wenn man die kulturelle Vielfalt in den Mitgliedstaaten respektiert. Daher ist den Akteuren in der Europäischen Union sehr wohl bewusst, dass eine Einheitskultur nicht das Ziel sein kann. Das gilt in ähnlicher Weise für unseren Umgang mit kultureller Vielfalt in Schleswig-Holstein.
Vieles, was Sie in dem Antrag ansprechen, entspricht einer gelebten Praxis in unserem Bundesland. Es ist für uns selbstverständlich, dass wir interkulturelle Kompetenzen und den interkulturellen Dialog fördern. Das können Sie zum Beispiel an den vielfältigen Angeboten der Volkshochschulen auf diesem Sektor erkennen.
Der internationale künstlerische und kulturelle Austausch ist in diesem Land allgegenwärtig. Ich nenne nur die Beispiele Kultursommer, SchleswigHolstein Musik Festival, Nordische Filmtage, Nord Art oder Ars Baltica. Viele andere Höhepunkte unseres Kulturlebens ließen sich nennen.
Das EU-Förderprogramm Kultur wird genutzt, allerdings nur in einem vergleichsweise überschaubaren Umfang und vor allem im wissenschaftlichen
Bereich, etwa von der Muthesius-Kunsthochschule oder von der Kieler Christian-Albrechts-Universität für ein Projekt zum Thema kulturelle und sprachliche Vielfalt entlang des Jakobswegs.
Die deutschen Bundesländer setzen sich in Brüssel dafür ein, dass das EU-Programm zur Kulturförderung noch besser als bisher auf den regionalen Bedarf zugeschnitten wird. Es liegt eben leider auch an der Konstruktion des Programms, dass sich die Mittel derzeit nicht so einsetzen lassen, wie man es sich wünscht.
Wenn man sich den Betrag anschaut, den Frau Kollegin Spoorendonk eben genannt hat, 30 Millionen € verteilt auf fünf Jahre, und die Einwohnerzahl der EU zugrunde legt, ist das ein Cent pro Jahr pro Einwohner. Dagegen beträgt allein die Kulturförderung unseres Bundeslandes im engeren Sinne in einer Größenordnung von rund 10 € pro Einwohner im Jahr. Wenn man die Theatermittel aus dem FAG dazu nimmt, sind wir schon bei 25 €, also in einer ganz anderen Dimension. Das einmal zu den finanziellen Rahmenbedingungen, die die EU in ihrer Förderpolitik den Mitgliedsländern einräumt.
Meine Damen und Herren, auch im täglichen Kulturbetrieb findet alles andere als eine norddeutsche Nabelschau statt. Ich bin allerdings auch davon überzeugt, dass interkultureller Austausch nur dann gelingt, wenn es eine klare Vorstellung von der eigenen kulturellen Identität gibt. Die Europäische Union ist eine große Chance, um regionale Verbundenheit und Weltoffenheit miteinander zu verbinden. Nur auf diesen beiden Beinen zusammen stehen wir wirklich sicher.
Mit Blick auf die europäische Kulturpolitik heißt das: Wir sollten uns nicht kleiner machen, als wir sind. Die deutschen Bundesländer verstehen sich nicht als reine Umsetzungsebene der Europäischen Kulturagenda, die der Europäische Rat im Mai 2007 beschlossen hat. Vielmehr bringen sie ihre Kulturpolitik in eine strukturierte Zusammenarbeit auf europäischer Ebene ein. Wir schon gesagt, die Einheit basiert auf Respekt vor der Vielfalt.
Noch ein weit über Landesgrenzen hinausreichendes Projekt sei erwähnt, nämlich unser Ziel, Haithabu und das Danewerk im Rahmen einer multinationalen Anmeldeinitiative zum UNESCO-Welterbe
Wie gesagt, die Einheit Europas basiert auf Respekt vor der Vielfalt, und das ist die große Stärke unseres Europa. Kulturelle und sprachliche Vielfalt ist ein Standortvorteil, wie wir zum Beispiel in der Kompetenzanalyse zur Situation der Minderheiten in der deutsch-dänischen Grenzregion nachlesen konnten, die der Landtag in Auftrag gegeben hat.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag trägt dem kulturpolitischen Selbstverständnis der deutschen Bundesländer aus meiner Sicht zu wenig Rechnung. Er ist in weiten Teilen unkonkret und lässt eine eigene Auseinandersetzung mit der europäischen Strategie vermissen. Sie weisen dem Land im Zusammenspiel mit Europa nur eine passive Rolle zu. Ich spreche nicht dagegen, dass man sich Forderungen aneignet, die von außen an uns gerichtet werden. Aneignen heißt aber, daraus etwas Eigenes zu machen. Die Auseinandersetzung mit der europäischen Kulturagenda ist sicher eine notwendige Diskussion, aber ohne konkrete Aussagen vor allem zur Finanzierung der einzelnen Maßnahmen wird ein großer konzeptioneller Entwurf letztlich folgenlos bleiben. Ich hoffe daher auf mehr Klarheit und präzisere Aussagen für die weitere Diskussion.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt, den Antrag Drucksache 17/670 federführend dem Europaausschuss und mitberatend dem Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Keine Entscheidung über eine materielle Privatisierung des Universitätsklinikums Lübeck vor dem 1. April 2015