Protocol of the Session on September 9, 2010

Wir sollten hier heute noch einmal unmissverständlich deutlich machen, dass wir zu einem solchen Paragrafen im CCS-Gesetz keine Alternative sehen.

Meine Damen und Herren, bedanken möchte ich mich in diesem Zusammenhang ausdrücklich dafür, dass auch Minister de Jager in der Anhörung des Bundes ganz klar Stellung bezogen und eine Länderklausel gefordert hat.

Dies ist auch erforderlich, weil nach Ansicht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages der derzeitige Gesetzentwurf nicht die Möglichkeit einer Verhinderung durch die Länder vorsieht. Einen Änderungsvorschlag, wie ihn Herr Röttgen von uns fordert, wird die Landesregierung sicherlich einbringen, um so den Gesetzentwurf in unserem Sinn zu verändern. Ich nehme an, dass Minister de Jager nachher noch dazu Stellung nehmen wird.

Bestärkt werden wir in unserer Überzeugung darüber hinaus durch verschiedene Gutachten, die die Sinnhaftigkeit dieser Technologie in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht letztlich infrage stellen, wenn ich zum Beispiel an die Randlage Schles

(Marion Sellier)

wig-Holsteins in Deutschland denke, die den Transport des CO2 zum Beispiel aus Nordrhein-Westfalen in den Norden und den Osten unseres Landes unwirtschaftlich erscheinen lässt. Meine Damen und Herren, die FDP Schleswig-Holstein ist dabei keineswegs technologiefeindlich, aber die Risiken müssen klar erkannt und beherrschbar sein. Das ist hier nicht oder noch nicht der Fall.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber bei der Gentechnik!)

Wir dürfen aber nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten. Wenn in Schleswig-Holstein Erkundungen in Sachen Geothermie vorgenommen werden, darf es keinen Anlass geben, diese Untersuchungen zu verhindern. Denn die Untergrundformationen, die für die Einlagerung von CO2 geeignet sind, sind meistens auch für die Nutzung der Geothermie geeignet. Da wir aber auf dem Weg hin zu erneuerbaren Energien weitergehen wollen, dürfen wir die Chance, die Schleswig-Holstein im Bereich der Geothermie, aber auch zum Beispiel bei der Speicherung von durch Wind erzeugter Energie hat, nicht verhindern.

(Beifall des Abgeordneten Olaf Schulze [SPD])

Klar ist aber auch, dass wir den Föderalismus achten und deshalb natürlich nicht - wie es DIE LINKE und der SSW in ihrem Antrag fordern - versuchen werden, in diesem Gesetzentwurf ein Verbot in ganz Deutschland zu verankern. Jedes Bundesland soll selbstverständlich für sich die Möglichkeit haben, diese Technologie zu erproben und dann gegebenenfalls auch einzuführen.

Die SPD wiederum unterstützt uns mit ihrem Antrag in unserem Anliegen, die Einführung einer Länderklausel durchzusetzen. Jedoch halten wir in den weiteren Punkten die Einschränkung auf eine reine Erprobung der CCS-Technologie für nicht zielführend, denn es kann auch einmal sein, dass es positive Erprobungen gibt. Wenn dann schon gleich die Anwendung im Normalgebrauch verhindert wird, ist das meines Erachtens nicht schlüssig. Auch sollten für diese Erprobungen keine zu hohen Genehmigungshürden aufgebaut werden.

Danken möchte ich aber auch unserer Umweltministerin Frau Dr. Rumpf, die gerade auch in den letzten Wochen noch einmal mit Nachdruck unseren Standpunkt vertreten hat. Ich bin sehr zuversichtlich, dass der Gesetzentwurf zur CCS-Technik in unserem Sinne verändert wird, zumal natürlich auch meine Fraktion entsprechende Gespräche mit

dem Bundeswirtschaftsminister führen wird, der auch an diesem Verfahren beteiligt ist.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion der Grünen erteile ich Herrn Kollegen Detlef Matthiessen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zunächst einmal einige allgemeine Vorbemerkungen zur CCSTechnik, insbesondere energiewirtschaftlicher Art. Danach wollte ich auf die Anträge im Einzelnen eingehen.

CCS-Technik ist zunächst einmal noch nicht vorhanden. Sie soll erprobt werden und nach dem Bericht der Bundesregierung soll 2020 überhaupt erst die Entscheidungsreife erreicht sein, ob man den Weg gehen kann oder nicht. Erprobung heißt ja: Ich weiß heute noch nicht, ob ich den Weg gehen kann. Das kommt noch auf uns zu. Das heißt also, wir reden, wenn wir von CCS-Technik reden, über ungelegte Eier.

Das Zweite ist das, was wir von CCS-Technik heute wissen. Herr von Boetticher, Sie waren lange Zeit ein großer Befürworter der CCS-Technik genauso übrigens wie Herr Dr. Garg, der jetzige Minister, damals in seiner Funktion als Abgeordneter einen Antrag für die FDP-Fraktion zu CCS-Projekten in Brunsbüttel stellte, genauso wie der Ministerpräsident und der damalige Wirtschaftsminister Austermann, der alle energiepolitischen Sprecher in sein Wirtschaftsministerium eingeladen hat, um dann RWE Dea vortragen zu lassen, was die alles machen wollen. Bis die Bürgerinitiative die Schlagkraft, die wir erstaunt erlebt haben, entwickelt hatte, war die jetzige FDP/CDU-Koalition damals glühende Befürworterin der CCS-Technologie, und zwar in Schleswig-Holstein. Das nur zur Vergangenheitsbewältigung, was ein spezielles Hobby dieses Hohen Hauses ist.

CCS-Technik selbst braucht Energie, um den Prozess der Abtrennung von CO2 gewährleisten zu können. Nach dem, was bisher erforscht wird Post-Combustion-Technik - muss ich ungefähr 130 % Kohle einsetzen, um die nötige Energie aus dem Verbrennungsprozess zu gewinnen, um die CCS-Technik zur Anwendung zu bringen. Das

(Günther Hildebrand)

heißt, dass wir schon eine Sache wissen: Wir haben ein Klimaproblem, aber wir haben natürlich auch ein Problem abnehmender Ressourcen und Rohstoffverfügbarkeit. Dieses Problem wird durch die CCS-Technik verschärft.

Man kann zur CCS-Technik noch sehr viel sagen, aber sie hat politisch nur eine einzige Funktion: Wenn sie kommt, kommt sie wirklich viel zu spät, aber sie soll heute die Legitimation zum Bau neuer großer Kohlekraftwerke liefern. Das lehnen wir ab.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Das ist auch der einzige Grund, warum wir so intensiv über CCS reden. Da ist natürlich die Frage Frau Sellier hat das gesagt -, warum der Ministerpräsident nicht der Bundeskanzlerin oder dem Kollegen Röttgen im Vorfeld der CCS-Gesetzgebung einen Brief geschrieben und das Anliegen der Fraktionen und den Koalitionsvertrag dort vorgetragen hat, um für die Implementierung solch einer Länderklausel zu sorgen. Die Frage ist also: Hat der Bundesgesetzgeber beziehungsweise das Ministerium in seinem Entwurf diese Klausel nur vergessen und nicht daran gedacht, dass in Schleswig-Holstein solche Entscheidungsprozesse laufen? Ist es also Zufall? Ich warne davor anzunehmen, dass sich Herr Röttgen nur geirrt und das vergessen hat. Als Beleg weise ich auf den Bericht „Entwicklungsstand und Pespektiven von CCS-Technologien in Deutschland“ vom 19. September 2007 hin, in dem eindeutig steht:

„Die Sicherung der deutschen Energieversorgung und die Erreichung der Klimaschutzziele erfordern sowohl eine Forcierung der … Arbeiten zur Steigerung der Kraftwerkseffizienz als auch zur Entwicklung von CCSTechnologien.“

Wir haben eben gelernt: Die Effizienz wird durch den Mehrverbrauch von Kohle zerschlagen. Das ist also ein Widerspruch in sich.

„CCS ist eine neue Klimaschutz-Technologie, die in das Portfolio der CO2-Minderungs- und EnergieTechniken aufzunehmen ist.“ Soweit die Positionierung auf Bundesebene.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hildebrand zu?

Bitte sehr, Herr Kollege!

Lieber Kollege Matthiessen, Sie zitieren jetzt aus verschiedenen Berichten und so weiter. Könnten Sie uns auch darüber aufklären, wie der augenblickliche Standpunkt der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen zur Kohletechnologie ist und ob die möglicherweise nach wie vor die CCS-Technik favorisiert?

(Detlef Buder [SPD]: Ich denke, jedes Land kann machen, was es möchte! - Zurufe)

- Die Frage ist relativ einfach zu beantworten. Ich ziehe deswegen einmal vor vorzutragen, wie wir gedenken, mit der Antragstellung der SPD umzugehen. Was die CDU in Atom ist, ist die SPD in Kohle.

(Lachen bei CDU und FDP - Christopher Vogt [FDP]: Und die Grünen in NRW!)

Aber das, was ich eben aus dem Bericht von 2007 ausgeführt habe, spiegelt sich sofort in dem Bericht wider, den wir am letzten Sonntag entgegengenommen haben - in der berühmten Kanzlerrunde, in der die Atombeschlüsse eine Hauptrolle spielten. Aber dort steht - auf Seite 17 nachzulesen -, die Bundesregierung werde den Neubau solcher Kraftwerke, die CCS-fähig sind, fördern. Das ist dort Beschlusslage. Glauben Sie doch nicht, dass dort eine Ausstiegsklausel kommt. Es würde mich sehr wundern, wenn die zufällig vergessen worden wäre. Sie wollen solche Gesetze wie EEG und KWK als Klimaschutzinstrument auf den Prüfstand stellen. Das ist nicht zufällig vergessen worden. Der Neubau soll gefördert werden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Das ist eine Originalforderung von Herrn Gabriel aus der Zeit, als er noch Bundesumweltminister war. - Herr Kollege Hildebrand, ich beantworte Ihre Frage.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss!

Da hat er nämlich gesagt, die Emissionshandelsmittel sollen in die Förderung der CCS-Technologie, in

(Detlef Matthiessen)

den Neubau von Kohlekraftwerken, eingebaut werden. Das heißt wirklich, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, dass man ausgerechnet die Mittel, die zur Minderung führen sollen, nämlich die Emissionszertifikate, dazu verwenden will, neue Kohlekraftwerke zu bauen. Das ist original SPDKohlepolitik. Die lehnen wir scharf ab, genau wie Ihren Antrag.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Matthiessen, lassen Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. von Abercron zu?

Bitte gern! Bitte sehr, Herr Kollege!

Herr Kollege Matthiessen, Ihre Interpretation, was die Kohle angeht, ist sehr interessant. Deswegen hätte ich eine Frage: Wenn Sie unseren Antrag lesen, könnten Sie dem eigentlich zustimmen?

- Ja, ich wollte zu den Anträgen nachher noch Stellung nehmen.

(Dr. Michael von Abercron [CDU]: Sehr schön! Vielen Dank! - Beifall der Abgeord- neten Karsten Jasper [CDU] und Jens-Chri- stian Magnussen [CDU])

Da die Redezeit zu Ende geht, will ich noch kurz das Abstimmungsverhalten unserer Fraktion erläutern, Frau Präsidentin. Wir gehen davon aus, dass alle drei Anträge an den Wirtschaftsausschuss überwiesen werden. Wenn das nicht der Fall sein sollte, würde wir uns folgendermaßen positionieren: Wir stimmen dem Antrag der Regierungskoalitionen selbstverständlich zu.

Wir stimmen auch dem Antrag des SSW zu, dem die Fraktion DIE LINKE sich jetzt angeschlossen hat, nachdem das Wort „dauerhaft“ aus dem ursprünglichen Antrag verschwunden ist. Dauerhaft sieht unsere Rechtsordnung nicht vor, wir haben noch nicht einmal den Atomausstieg dauerhaft regeln können, wie sich jetzt zeigt. Daher fehlte uns die Fantasie, dem ursprünglichen SSW-Antrag zu folgen. Hier wollten wir uns enthalten. Es ist jetzt aber so, dass CCS in erster Priorität abgeschafft werden soll. Frau Präsidentin, um noch kurz auf eine Frage einzugehen: Die Frage ist, ob wir das dür

fen, weil wir eine EU-Vorgabe in nationale Gesetze umsetzen müssen.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Sie dürfen gern noch darauf eingehen, ob Sie gerade eine Ausschussüberweisung beantragt haben oder nicht. Sie haben gesagt, Sie gingen davon aus. Das ist nicht klar.

Rechtlich scheint es zumindest möglich zu sein, in Deutschland CCS gänzlich zu verbieten.