Protocol of the Session on September 8, 2010

nennen, diese Lücke nicht ausfüllen können. Es bleibt also nichts anderes übrig, als sich auch um die Einnahmeseite zu kümmern. Das stelle ich leidenschaftslos fest, das ist so.

Es gibt zwei Möglichkeiten, neben Einnahmeverbesserungen etwas zu unternehmen. Die eine Möglichkeit sind die Sparmaßnahmen. Hier wird man aber nicht viel reißen können. Es gilt immer noch, an die Strukturen heranzugehen, damit wir überhaupt in der Lage sind, Einsparleistungen wirklich erbringen zu können.

Es stellt sich die Frage, wie die zukünftige Kommunalstruktur aussehen soll. Von der Landesregierung höre ich in dieser Frage nichts. Von den Grünen höre ich, dass sie sagen, sie möchten gern ein neues Kreiskonzept haben. Das teile ich nicht, aber es ist ein Konzept. Wir haben vorgeschlagen, wir möchten größere Kommunen haben. Wir haben auch gesagt, dass die Frage der Amtsordnung eine Sache ist, die sich bald überholt haben wird. Vor Gericht haben wir auch Recht bekommen. Von Ihnen hören wir nichts. Das ist aber entscheidend. Wenn es darum geht, gemeinsam mit den Kommunen Geld sparen zu können, dann brauchen wir eine Struktur, damit sie auch wirklich sinnvoll und zielorientiert arbeiten können. Da hören wir nichts von Ihnen. Das ist das, was wir hier bemängeln.

Herr Abgeordneter Harms, lassen Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Klaus Schlie zu?

Selbstverständlich.

Sehr geehrter Herr Harms, können Sie mir denn mal sagen - was der Kollege Stegner ja bisher nicht gemacht hat -, ob Sie dieses Geld, von dem Sie virtuell glauben, dass es eingespart werden könnte, durch welche auch immer geartete Strukturreform im kommunalen Bereich, dazu verwenden wollen, um es dann in den Landeshaushalt zu überführen und damit die Schulden im Landeshaushalt weiter zu senken? Ist das die Absicht?

- Die Absicht ist, den Schuldenstand sowohl bei uns als auch bei den Kommunen zu senken, denn wir haben auch eine Verantwortung gegenüber den Kommunen, lieber Herr Innenminister. Deswegen geht es erst einmal darum, mit den Kommunen ge

meinsam zu gucken, wie man Strukturen aufbauen kann, von denen beide einen Vorteil haben. Es geht nicht immer nur darum, dass Sie als Land einen Vorteil haben. Es ist auch kein Selbstzweck, Personal beim Land abzubauen, sondern Selbstzweck ist zu gucken, ob man eine Aufgabe einigermaßen kostengünstig und vor allen Dingen für die Bürger zufriedenstellend lösen kann. So muss die Struktur aufgebaut werden. Wir müssen vom anderen Ende her denken. Dann werden wir auch Einsparungen erreichen können.

Zu einem anderen Bereich, der Verkehrspolitik: Wenn ich in der Zeitung lese, dass wir nicht einmal mehr in der Lage sind, einen Tunnel unter die Elbe hinzubekommen - wir bauen unsere A 20, die endet in Schleswig-Holstein, und auf niedersächsischer Seite baut man weiter, aber das Verbindungsstück dazwischen ist nicht finanzierbar -, dann ist das, egal wie man dazu steht, eine katastrophale Meldung. Das zeigt, dass Landespolitik darauf nicht reagiert hat, dass wir nicht in der Lage sind, Visionen zu entwickeln und dann auch politisch umzusetzen, die da heißen: Wir machen eine Verkehrspolitik. Das einzige, was wir machen, ist willfährig in irgendeiner Art und Weise einer Bundespolitik zu folgen, die Fehmarnbelt-Querung zu finanzieren und uns danach darüber zu mokieren, dass auf einmal kein Geld mehr da ist.

Dass kein Geld mehr da ist, hat seine Gründe, und zwar natürlich explizit auch in Beschlüssen der Landesregierung, wenn man solche Beschlüsse fasst. Wenn eine Fehmarnbelt-Querung gebaut wird und jedes Jahr 1 Million € dafür ausgegeben wird, dann fehlt die - das ist hoffentlich klar - in allen Bereichen, insbesondere auch in der Verkehrspolitik, auch im ÖPNV, in vielen Bereichen, in denen wir wirkliche Arbeitsplätze vor Ort schaffen könnten. Das sind Dinge, bei denen ich mir denke, das hat etwas mit Struktur zu tun, das hat etwas mit Vision zu tun. Diese Vision gibt es bei der Landesregierung nicht.

Die Kollegin Loedige hat gerade Offshore angesprochen. Richtig, genau, da bestehen große Chancen. Dass sich die Häfen und die Orte an der Westküste geeinigt haben und ein Konzept aufgestellt haben, ist auch richtig und auch wichtig. Das Merkwürdige ist nur, das findet sich alles im Landeshaushalt nicht wieder. Die Kommunen vor Ort wissen nicht, wie das Land irgendwann einmal reagieren wird und ob es überhaupt reagieren wird. Das ist die eigentliche Katastrophe. Wenn Sie jetzt sagen, Sie wollen etwas dafür tun, dann erwarte ich mindestens in der zweiten Lesung, dass sich dieses

(Lars Harms)

dann auch entsprechend im Haushalt widerspiegelt. Bisher tut es das nämlich nicht.

Ein weiterer Bereich: Wenn es schon darum geht, politische Visionen zu entwickeln, dann sage ich ganz deutlich: Steuereinnahmen kann ich nur dann generieren, wenn ich Menschen habe, die Steuern zahlen. Menschen zahlen aber nur dann Steuern, wenn sie einen vernünftigen Lohn erhalten. Da sind wir dann sehr, sehr schnell bei einer hochpolitischen Diskussion über einen Mindestlohn. Meine Damen und Herren, auch das ist ein Beitrag, um den Landeshaushalt zu sanieren, wenn man so will. Es nützt nichts, dass wir Aufstockerlöhne und mit staatlichen Geldern Unternehmen subventionieren, die Leute für billig Geld einstellen,

(Beifall bei der LINKEN)

sondern dann geht es auch darum, dass die Leute einen vernünftigen Lohn erhalten. Auch das bringt uns weiter.

Liebe Kollegin Frau Loedige, Sie haben noch etwas gesagt, was mich ein bisschen gewundert hat. Sie haben gesagt, Ökolandbauförderung bauen wir ab, weil Ökolandbau jetzt mindestens auf dem gleichen Niveau ist wie die Landwirtschaft, und die verdienen genauso viel Geld wie die konventionellen Landwirte. Dann ist für mich ganz klar der Schluss, dann dürfen die konventionellen Landwirte natürlich auch keine Unterstützung mehr bekommen, weil die ja auch viel Geld verdienen. Wenn ich dieses Argument bringe, dann müssen Sie Ihren Haushalt richtig aufbauen, und dann bleibt bei der Landwirtschaft nicht mehr so fürchterlich viel übrig. Ich wäre mit dieser Argumentation vorsichtig.

Dritter Punkt: Es wurde vom Ministerpräsidenten gesagt - ich weiß gar nicht, ob er noch im Raum ist -, innovative Wirtschaftssektoren sollten unbedingt gefördert werden. Einer der innovativsten und vor allem arbeitsplatzstärksten, insbesondere bei mir an der Westküste, aber auch in vielen Städten, vor allem zum Beispiel in Lübeck, Timmendorf und Travemünde, ist der Tourismus. Dass wir die TASH wegrationalisieren, dass nichts mehr übrig bleibt von einer landesweiten Werbung, von einem landesweiten Marketing, ist eine Katastrophe für dieses Land.

(Zuruf von Minister Rainer Wiegard)

- Lieber Herr Finanzminister, wir haben ja alle die Äußerungen der Tourismusverantwortlichen bekommen. Ich bezweifle gar nicht, dass man vielleicht mit den Verantwortlichen darüber reden muss, wie man es besser machen kann. Das Pro

blem ist aber: Die kriegen immer nur Haushaltsstellen um die Ohren geschlagen und merken, dass nicht mit ihnen geredet wird, dass kein Konzept dahinter steht. Das ist, wie gesagt, immer wieder das Problem: Ich komme an das strukturelle Defizit nicht heran, wenn ich mir nicht auch die Strukturen genau ansehe und dann entsprechend darauf reagiere. Reine Sprache, reines Buchhaltertum, reicht hier eben nicht, meine Damen und Herren.

Das Gleiche gilt im Übrigen auch für die Energiewende. Wir werden am Freitag über diesen sogenannten Atomkompromiss oder wie man das immer nennen will, sprechen. Dass, was da auf Bundesebene beschlossen worden ist, ohne auf den exzessiven Widerstand unserer Landesregierung zu stoßen, was ich überhaupt nicht verstehen kann, bedeutet für uns und insbesondere vor Ort in den Regionen massive Steuereinbrüche, massive Einkommenseinbrüche und vor allen Dingen eine massive Bedrohung von Arbeitsplätzen. Erneuerbare Energien sind die Energien, die wirklich viele Arbeitsplätze vor Ort schaffen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es sind nicht Kohlekraftwerke mit ein paar Leuten darin, und es ist auch nicht ein Atomkraftwerk. Das dient nur dazu, damit die großen Atomkonzerne wirklich richtig Kohle abschöpfen können, im wahrsten Sinne des Wortes. Hier vor Ort arbeitsplatzrelevant ist das, was in den letzten 20 Jahren entwickelt wurde, und das ist die Windenergie, das ist die Solarenergie, das sind erneuerbare Energien. Darauf müssen wir setzen. Ihr politisches Handeln zeigt, dass Sie an dieser Struktur nicht interessiert sind. Das ist die eigentliche Katastrophe, und das wird uns in ein paar Jahren massiv einholen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Nun wurde ja vom Ministerpräsidenten auch moniert, wir als Opposition machten keine Vorschläge. Ich sehe das natürlich völlig anders. Wir reden ja nicht nur von diesen Steinen in der Mauer, die man da reinschiebt und rausnimmt, sondern wenn man uns genau zugehört hat, dann weiß man, dass wir nicht nur gesagt haben, wie man Steine herausnimmt, sondern wie man das Haus isoliert, wie man diesem Haus eine Solaranlage aufs Dach schraubt und wie man dem Haus nebenan auch noch eine Windenergieanlage hinstellt und damit richtig Knete verdient. Insofern kann man uns das nicht vorwerfen. Wir wollen nicht nur die Einnahmen ver

(Lars Harms)

bessern, sondern wir investieren diese dann auch in vernünftige Sachen.

Über Friedrichskoog reden wir noch einmal. Gestern hat der Ministerpräsident ja einen Beschluss gefasst. Er hat also einen Stein herausgenommen. Eigentlich wollte ich ihn gerne fragen, welchen Stein er dann wieder reinschiebt beziehungsweise wann er sagt, wie er einsparen will. Aber er nimmt sich das Recht heraus, so etwas zu machen, zu sagen, ich schmeiße mit Kohle um mich und sage: Mensch, da sind wieder Proteste, da gehe ich mal hin, weil das bei mir an der Westküste ist, und das ärgert mich. Aber wenn von uns Vorschläge kommen, wird uns immer knallhart gesagt: Kommt doch mit Gegenvorschlägen, finanziert das gegen, macht doch, macht doch, macht doch. Das ist ein richtig schönes Totschlagargument. Aber der Ministerpräsident nimmt sich das Recht heraus, genau danach nicht zu handeln. Das finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Deshalb, meine Damen und Herren, wer an der Struktur nichts ändern will, wer nicht den Mut hat der Kollege Stegner zum Beispiel hat ja gerade deutlich gemacht, dass auch er bereit ist, an die Strukturen heranzugehen -, der wird in diesem Land nichts verändern. Reine Sparpolitik im Haushalt bringt uns nicht weiter. Das mag vielleicht die Regierung die nächsten zwei Jahre noch erfreuen, aber spätestens nach zwei Jahren stehen wir vor noch größeren Problemen, als wir jetzt schon stehen, und haben wieder zwei Jahre verschenkt. Zwei Jahre verschenkte Zeit mit der schwarz-gelben Koalition ist wirklich für dieses Land nicht zu ertragen. Lasst uns bloß blitzschnell wählen, damit wir dieses Elend endlich hinter uns bringen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt im Rahmen der noch zur Verfügung stehenden ordentlichen Redezeit die Wortmeldungen von dem Abgeordneten Peter Sönnichsen und von dem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki. Ich will einmal zwischendurch sagen: Der CDU-Fraktion stehen noch 30 Minuten zur Verfügung, der SPD 22 Minuten, der FDP 30 Minuten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22 Minuten, der Fraktion DIE LINKE 31 Minuten und dem SSW 24,5, fast 25 Minuten. Das nur, damit jeder das so etwa einschätzen kann. Es

ist nicht zwingend geboten, diese Zeit auch auszunutzen.

Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Peter Sönnichsen für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei diesen Tagesordnungspunkten, die ja zusammengefasst wurden, gebührt dem Haushaltsplanentwurf und dem Finanzplan selbstverständlich der absolute Vorrang. Aber auch der Gesetzentwurf zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes und die beiden Anträge „Zukunft finanzieren - Steuereinnahmen steigern“ sowie der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE gehören ganz einfach mit dazu; sie sind bisher sehr kurz gekommen.

Ich habe für meine Fraktion noch im Juni dieses Jahres zu diesen Vorlagen gesprochen und will dies auch heute tun. Ich will dabei den gleichen Einstieg finden, wie ich ihn auch im Juni gewählt habe.

Ausgabenkürzungen werden auf unserem schweren Weg insgesamt nicht ausreichen. Wir müssen immer wieder auch daran denken, die Einnahmen zu steigern. Zu allererst jedoch wollen wir bitte schön aber doch über die Kostenreduzierung reden und nicht gleich durch Steuererhöhungen das zarte Pflänzchen Wachstum, das sich gerade gebildet hat, wieder vernichten.

(Beifall bei der CDU)

Vielfach beklagt wird die nicht sofortige Änderung des Grunderwerbsteuersatzes hier und heute. Ich will es noch einmal ausdrücklich als richtig bezeichnen. Es ist wichtig, wenn schon Steuern erhöht werden, dass ein vernünftiger zeitlicher Vorlauf da ist, dass sich jeder darauf einstellen kann, dass nicht kurzfristige Kaufentscheidungen, die jetzt getroffen werden sollen, dadurch behindert werden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Ich will aber auch ausdrücklich an die Erfahrungen erinnern, die wir bei der letzten Mehrwertsteuererhöhung gemacht haben. Diese Erhöhung hat noch vor ihrer Umsetzung zu einem kleinen Wachstum geführt.

Den Antrag „Zukunft finanzieren - Steuereinnahmen steigern“ will ich nur in der Fassung ansprechen, in der ihn die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebracht hat. Denn der fast wortgleiche Antrag der LINKEN war lediglich mit höheren Prozentwerten und Ähnlichem versehen. Hier sollte

(Lars Harms)

also noch mehr an Steuern generiert werden - so heißt das ja immer so schön -; die Steuer sollte also erhöht werden.

Wir haben die Ablehnung dieses Antrags - hierüber wird nachher noch abzustimmen sein - nach den Beratungen im Ausschuss empfohlen. Natürlich gehörte wieder das Wachstumsbeschleunigungsgesetz und seine Rücknahme dazu; natürlich sollten wieder die Reduzierung des Spitzensteuersatzes durch Rot-Grün von der jetzigen Regierung in Berlin eingefordert werden.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

- Natürlich klatschst du dabei, Lars! Aber wir wollen doch nicht das wegräumen, was andere da hinterlassen haben. Natürlich gehören dazu auch Dinge wie die Bankenabgabe, Finanztransaktionssteuern und Ähnliches, Themen, die noch nicht einmal in Berlin, sondern in Brüssel entschieden werden und insofern auch eines entsprechenden Antrags in diesem Landtag gar nicht bedürfen.

Ich will aber auch sagen: In anderen Punkten sind die Anträge ganz einfach überholt, weil über die darin gestellten Forderungen bereits entschieden ist. Überholt sind diese Anträge aber auch deshalb - das sage ich in aller Deutlichkeit; alle hören zu -, weil der Haushaltsentwurf, der heute hier eingebracht wird, schon umfangreich diskutiert worden ist, sowie auch durch das Haushaltsbegleitgesetz.

Der Kollege Dr. Habeck hat vorhin gesagt, er vermisse heute eine politische Schwerpunktbildung. Haushalt und Finanzen sind politische Schwerpunktbildungen, wenn nicht überhaupt die politischen Schwerpunktbildungen, auf die es in unserem Land zurzeit ankommt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)