Protocol of the Session on July 7, 2010

- So ist es.

Die sich hartnäckig haltende Position, wonach die Kernenergie den Ausbau der erneuerbaren Energien behindert, ist schlicht und ergreifend falsch. Wind- und Solarenergie sind noch weit davon entfernt, grundlastfähig zu sein. Wir haben dafür einfach noch nicht die Netze und die nötigen Spei

(Jens-Christian Magnussen)

chertechnologien. Wir sind aber auf einem guten Weg. Das ist ein Faktum.

Die Diskussionen werden hierzulande überwiegend emotional und überhitzt geführt, ohne dabei sachliche Argumente vorurteilsfrei zu bewerten und zu berücksichtigen.

(Beifall von der CDU)

Hier kommt die Kernenergie als Brückentechnologie oder mehr ins Spiel. Sie sorgt dafür, dass die Grundlast abgedeckt wird, während der Ausbau der erneuerbaren Energien voranschreitet. Da das alles noch viele Jahre in Anspruch nehmen wird, ist die Ausweitung der Reststrommengen so wichtig.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Wer, um Himmels willen, hat Ihnen das aufgeschrieben?)

- Sie nicht, Herr Dr. Stegner. Das ist auch gut so.

Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Ich halte es mit Bundesumweltminister Röttgen. Er hat völlig zu Recht gesagt, dass bei der Ausweitung der Reststrommengen die Devise „so lange wie nötig“ und nicht „so lange wie möglich“ lauten muss.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme gleich zum Schluss. - Ich habe jedoch das Gefühl, dass der Zeithorizont von vielen bewusst oder unbewusst völlig falsch eingeschätzt wird. Die Länge der Brücke ist entscheidend, um das andere Ufer zu erreichen.

Leider habe ich noch etwas auf dem Zettel stehen. Aus zeitökonomischen Gründen möchte ich jetzt auf die Ausführungen zu den Stromenergiekosten nicht mehr eingehen, die die Verbraucher derzeit mit 7,5 Milliarden € belasten. Die Prognose vieler Fraunhofer-Institute läuft darauf hinaus, dass es innerhalb der nächsten sechs Jahre zu einer Verdopplung dieses Wertes kommt, wobei der Spitzenwert der Energiekosten zwischen den Jahren 2020 und 2030 erwartet wird. Ich hoffe nicht, dass die Akzeptanz der erneuerbaren Energien an der Preisexplosion scheitern wird.

(Beifall bei CDU und FDP)

Begrüßen Sie bitte mit mir die Schülerinnen und Schüler des Weber-Gymnasiums aus Eutin auf der Besuchertribüne. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die Fraktion der SPD hat Herr Abgeordneter Olaf Schulze das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich könnte ich die Rede vom Januar noch einmal halten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es ist fast der gleiche Antrag. Das erspare ich Ihnen aber.

(Zuruf von der SPD: Wir können es in der Zwischenzeit alle mitsingen! - Weitere Zuru- fe)

- Genau, wir können es alle mitsingen. Es sind immer wieder die gleichen Reden. Allerdings kann das ja nicht schaden. Wiederholungen können dazu beitragen, dass sich auch bei Ihnen etwas ein bisschen verfestigt. Von daher wollen wir hier natürlich wenigstens die Argumente austauschen.

(Beifall bei der SPD)

Ich verrate Ihnen nichts Neues, wenn ich sage, dass die SPD-Fraktion zum Atomkonsens von 2002 steht und eigentlich auch gar keinen Bedarf sieht, irgendetwas zu verändern.

(Beifall bei der SPD)

Insofern können Sie, wie ich glaube, hier heute auch locker zustimmen. Wenn ich mir vor Augen führe, was wir in den letzten Monaten - zunächst in der Plenarsitzung im Januar und dann im April auch im Ausschuss - gesagt und gehört haben, ergibt sich, dass wir mit unseren Positionen gar nicht so weit auseinanderliegen. Bei dem, was der Minister im Ausschuss gesagt hat, und auch bei dem, was Herr Kollege Kumbartzky von der FDP gesagt hat, kam immer wieder zum Ausdruck: Wir wollen keine pauschalen Laufzeitverlängerungen, sondern höchstens Laufzeitverlängerungen mit einer Verlagerung von älteren Kraftwerken auf neuere Kraftwerke. Das steht schon im Atomkonsens. Das können wir heute schon tun. Also brauchen wir gar keine Diskussion darüber, ob wir Laufzeitverlängerungen haben wollen.

(Jens-Christian Magnussen)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir brauchen den vorliegenden Antrag aber doch ich erkläre es Ihnen gern noch einmal -, weil Laufzeitverlängerungen um 7, 8, 10, 15 oder gar 20 Jahre im Gespräch sind. Das ist im Moment auf dem Basar der schwarz-gelben Koalition in Berlin auf dem Tisch. Keiner weiß eigentlich, wohin Sie wollen. Der Umweltminister spricht von sieben oder acht Jahren. Herr Brüderle sagt, es müssten schon 20 Jahre sein.

(Widerspruch bei der CDU)

- Was hat er denn gesagt?

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Er hat gar nichts gesagt!)

- Ich werde Ihnen gern beweisen, dass es anders ist. - Es fragt sich, wo der Führungsstil der Kanzlerin ist. Sie sollte wirklich einmal sagen, wo es entlanggeht. Im Moment haben wir es mit einem Chaoshaufen in Berlin zu tun, den man wirklich nicht anders darstellen kann. Deswegen hoffe ich natürlich auf unseren Minister und sage: Wir stehen voll hinter ihm.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sagen, es müsse im Bundesrat abgestimmt werden, so ist das richtig. Dabei haben Sie unsere volle Unterstützung. Das haben wir Ihnen auch schon im Ausschuss gesagt. Wir gehen davon aus, dass diese Landesregierung durchsetzen wird, dass es eine Mitbestimmung des Bundesrats geben wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man ist ja immer guter Hoffnung. Wir unterstützen gute Dinge. Herr Magnussen, Herr Dr. Habeck hat zu den Inhalten schon vieles gesagt. Zum Thema der Endlagerung fehlt mir allerdings etwas. Dazu hatten wir aber im Januar von Herrn Matthiessen schon etwas gehört. Insofern passt das alles.

Lassen Sie mich nun noch etwas zur Brückentechnologie sagen. Über Brückentechnologie wird emotional und ideologisch immer wieder diskutiert, und zwar meist von denen, die gegen die Atomkraft sind. Im Moment habe ich das Gefühl, dass darüber eher emotional und ideologisch von denen diskutiert wird, die pro Atomkraft sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Thema Brückentechnologie ist anzumerken, dass wir 20 Jahre Zeit haben. Davon sind mittler

weile nicht ganz 10 Jahre vergangen. Seit 2002 gibt es den Atomkonsens, der den Zeitraum bis etwa 2022 abdeckt. Dann soll das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet werden. Das bedeutet ganz klar, dass wir eine Brückentechnologie haben, bei der wir definiert haben, über welchen Zeitraum wir die Einspeisung von Atomstrom erwarten können. Wir erwarten von den großen Stromkonzernen dann allerdings auch, dass sie den erwähnten Zeitraum von 20 Jahren nutzen, um Alternativen aufzubauen, um in die regenerativen Energien zu investieren. Was tun Sie? Sie stellen sich hin und sagen, sie brauchen noch mehr Zeit, vielleicht noch 20 Jahre mehr, ohne das überhaupt begründen zu können. Es wird keine Begründung dafür gegeben, weswegen Atomkraftwerke länger im Betrieb sein dürfen. Es liegt der Verdacht nahe, dass Sie nur dazu beitragen wollen, dass die großen vier Konzerne, die Atomkraftwerke betreiben, weiterhin Millionen scheffeln können.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sagen weiterhin, Sie wollten Geld davon abzweigen und dieses Geld in die Entwicklung der regenerativen Energien stecken. Sie erwarten von den erwähnten Konzernen, dass sie diesbezüglich in Technologien investieren. Mein Gott, das hätten sie schon längst tun können. Warum tun sie es denn nicht? Sie haben es nicht getan, weil sie gehofft haben, dass Sie die Verlängerung der Laufzeiten durchsetzen werden. Sie haben allerdings etwas zu lange gewartet. Sie hatten nicht den Mumm, diese Verlängerung vor der Wahl in NRW durchzusetzen.

Ich lasse gern eine Zwischenfrage von Herrn von Boetticher zu.

Herzlichen Dank, Herr Kollege Schulze. - Herr Kollege Schulze, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass die Konzerne die Frage nach der Brücke ihrerseits unter einem SPD-Umweltminister damit beantwortet haben, dass sie massiv dazu übergegangen sind, neue Kohlekraftwerke zu planen? Wie erklären Sie sich diese Planung, wenn es gar keine zu füllende Lücke gibt?

(Zuruf von der SPD: RWE hat sich offiziell doch schon lange von der Kohle verabschie- det!)

- Lieber Kollege von Boetticher, ich habe sehr wohl zur Kenntnis genommen, dass neue Kohlekraftwerke geplant waren. Allerdings nehme ich auch zur Kenntnis, dass diese Planung zurückgezogen

(Olaf Schulze)

wird, und zwar nicht deshalb, weil die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert werden sollen, sondern deshalb, weil die regenerativen Energien sich erheblich schneller entwickeln, als man es gedacht hat.

Wir behandeln gleich noch den Tagesordnungspunkt „100 % Strom aus erneuerbaren Energien“. Herr Magnussen ist ja ein großer Fan von erneuerbaren Energien. Bei diesem Tagesordnungspunkt werden wir sehen, dass die erneuerbaren Energien erheblich schneller gewachsen sind, als man angenommen hatte. Sehen wir uns einmal an, wo die erneuerbaren Energien wachsen. Das ist in Schleswig-Holstein, in Niedersachsen, also im Norden der Fall. Im Süden, wo die Atomkraftwerke stehen, ist es so, dass verhindert wird, regenerative Energien voranzubringen. Wir haben es hier insofern nicht mit einem Problem der regenerativen Energien oder der Stromlücke zu tun, sondern es ist einfach ein Problem des Verdienstes, weil die großen Konzerne weiterhin auf Strom aus Kohle und Atomstrom setzen und in dieser Hinsicht eine Verfestigung für die nächsten 40, 50 Jahre anstreben. Es gibt keine Atomlücke.