Protocol of the Session on June 16, 2010

Daher ist es wenig verwunderlich, dass es keinerlei Zeichen seitens der Bundesregierung gibt, die Richtlinie deutlich vor dem letztmöglichen Termin am 5. Juni 2011 in nationales Recht umzusetzen. Darum ist der vorliegende Antrag der SPD zu begrüßen, weil er das Thema wiederbelebt und weil er dadurch mittelbar dafür sorgt, dass dieses auf Bun

(Björn Thoroe)

desebene auf die Tagesordnung gesetzt wird. Es steht Schleswig-Holstein gut zu Gesicht, der Umsetzung jetzt Beine zu machen. Deshalb werden wir als SSW dem Antrag der SPD zustimmen.

(Beifall bei SSW und SPD)

Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit, Herrn Dr. Heiner Garg, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe überhaupt keine Veranlassung oder irgendwelche Anzeichen aus dem BMAS, dass im Zuge von irgendwelchen Verschwörungstheorien irgendetwas nicht umgesetzt oder verschleppt umgesetzt werden soll. Der Kollege Kalinka hat zu den Daten alles gesagt. Wir reden über den 5. Juni 2011.

Bevor wir eine Richtlinie umsetzen und hinterher feststellen, dass die Umsetzung vielleicht etwas sorgfältiger hätte passieren müssen, bin ich, ganz wie der Kollege Kalinka, der Auffassung, man sollte sich die Zeit, die einem eingeräumt wurde, tatsächlich nehmen. Für permanente Wasserstandsmeldungen würde ich in der Tat zum Telefonhörer greifen. Wir alle haben die Möglichkeit, über Bundestagsabgeordnete nachzufragen, wie der aktuelle Stand ist, wenn man wirklich die Auffassung hat, hier solle zeitlich etwas verschleppt werden, Kollege Harms.

In der europäischen Integration der Wirtschaft ist unbestritten, dass der Anteil und die Bedeutung von gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen wachsen. Das soll auch so sein. Nicht nur Absatzmärkte befinden sich in verschiedenen Mitgliedstaaten, was im Übrigen - wenn Sie mir diesen saloppen Ausdruck gestatten - ein alter Hut ist, sondern auch Produktentwicklung, Planung, Produktion und Vertrieb werden in Unternehmen zu einer europäischen Gemeinschaftsleistung. Ich glaube, das ist rundum positiv. Das sollte so sein. Keine Frage, dass diese transnationale wirtschaftliche Integration fordert, dass die Form der Arbeitnehmerbeteiligung, die sich als essenzieller Bestandteil unserer freiheitlichen Wirtschaftsordnung bewährt hat, damit Schritt halten muss.

Mit zunehmender Marktintegration, also grenzüberschreitenden Fusionen und Umstrukturierungen von

Unternehmen werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer heutzutage häufiger von Entscheidungen betroffen, die außerhalb des Mitgliedstaates getroffen werden, in dem sie selbst beschäftigt sind. Die Beteiligung der Arbeitnehmer durch Unterrichtung und Anhörungen darf daher nicht an den nationalen Grenzen aufhören. Diesem Gedanken folgt die Europäische Betriebsräte-Richtlinie. Sie setzt den europäischen Rahmen für die grenzübergreifende Arbeit der Europäischen Betriebsräte. Das Modell der Europäischen Betriebsräte hat sich in rund 15 Jahren Praxis bewährt. Europäische Betriebsräte leisten einen ganz erheblichen Beitrag dazu, die wirtschaftlichen und sozialen Ziele im Binnenmarkt miteinander in Einklang zu bringen.

Nach dem Grundsatz der Autonomie der Sozialpartner sind es vorrangig Arbeitnehmervertretern und Unternehmensleitung, die die konkreten Modalitäten vereinbaren, und zwar miteinander, in der die Zusammenarbeit der beiden Seiten stattfinden soll. Die Neufassung dieser Richtlinie im letzten Jahr soll mehr Rechtsklarheit bringen und bisherige Praxisprobleme beseitigen. Das ist genau der Grund, warum ich so eingestiegen bin. Denken Sie doch einmal an die Probleme, die wir bei vielerlei Gesetzgebungen in den vergangenen fünf Jahren hier diskutiert haben. Wenn wir die Chance haben, Rechtsunklarheiten und Praxisprobleme zu beseitigen, insgesamt die Arbeitsgrundlagen der Betriebsräte in transnationalen europäischen Unternehmen zu verbessern, dann ist wie ich finde ein bisschen Gründlichkeit auch nicht gleich Anlass zu irgendwelchen dunklen Vermutungen.

Es ist am Bundesgesetzgeber, diese Novellierung in nationales Recht zu übersetzen. Die Neufassung der Richtlinie ist am 5. Juni 2009 in Kraft getreten. Die Frist zur Umsetzung läuft am 5. Juni 2011 ab. Es ist also noch fast ein Jahr Zeit, um ganz genau zu prüfen, welche konkreten Änderungen in unserem Europäischen Betriebsrätegesetz notwendig sind. Im Gegensatz zu den Vorrednern glaube ich nicht, dass die Bundesregierung die erforderlichen gesetzlichen Maßnahmen nicht rechtzeitig auf den Weg bringt. Ich bin davon überzeugt, die Bundesregierung bringt die erforderlichen Maßnahmen rechtzeitig und mit der gebotenen Sorgfalt auf den Weg.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Bera

(Lars Harms)

tung. Es ist beantragt worden, die Anträge Drucksachen 17/593 und 17/640 als selbstständige Anträge dem Europaausschuss und dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich will nur noch eine geschäftsleitende Bemerkung machen, weil eben die Frage nach Anwesenheit der Vertreter der Fraktion DIE LINKEN aufgetaucht ist. Aus meiner Sicht ist es eher ungewöhnlich, dass die Vertreter einer Fraktion, allemal, wenn sie einen eigenen Änderungsantrag eingebracht haben - ich formuliere einmal vorsichtig -, äußerst sporadisch anwesend sind. Das sollte hier bei uns keine Schule machen.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zurufe der Abgeordneten Rolf Fischer [SPD] und Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich denke, wir lassen diesen Schlagabtausch jetzt bitte.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Gesamtkonzept Elektromobilität in SchleswigHolstein

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/456 (neu)

Wirtschaftsmotor Elektromobilität in SchleswigHolstein

Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/547

Zukunft der Elektromobilität in Schleswig-Holstein

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/650

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich stelle fest, das ist nicht der Fall.

Damit es keinerlei Irritationen gibt, will ich mir zu dem eben Gesagten einige kurze Bemerkungen erlauben, bevor die Aussprache eröffnet wird. Ich setze Sie davon in Kenntnis - das war, soweit ich weiß, schon vorher bekannt -, dass der Ministerpräsident in der Tat aufgrund eines kurzfristig anbe

raumten Arztbesuchs für heute Nachmittag krank gemeldet ist.

(Zuruf von der SPD)

Ich bin davon ausgegangen, dass das vorhin schon berichtet worden ist.

Wir kommen zurück zum Tagesordnungspunkt 14. Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Dr. Andreas Tietze das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja heute Morgen über Einnahmeverbesserungen gesprochen. Dieser Beitrag meiner Fraktion zu diesem Tagesordnungspunkt ist ein echter Beitrag zu innovativer Wirtschaftspolitik für Schleswig-Holstein. Der nationale Entwicklungsplan Elektromobilität ist ebenfalls ein sehr ambitioniertes Ziel der Bundesregierung. Ziel ist: Deutschland als Exportland Nummer eins muss zum Leitmarkt für Elektromobilität werden. Expertinnen und Experten in Studien sind sich einig, Elektromobilität hat große Zukunftschancen. Allein das Weltmarktvolumen für Elektromobilität wird im Jahr 2020 auf 470 Milliarden € weltweit geschätzt. Elektromobilität ist somit ein wirtschaftlicher, verkehrlicher und klimapolitischer Megatrend. Die schleswig-holsteinische Wirtschaft darf diesen Megatrend nicht verpassen. Bis zum Jahr 2020 will die Bundesregierung eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straße bringen. Verschiedene Modellregionen soll zukunftsweisende ganzheitliche Verkehrskonzepte erproben. Dazu gehört auch und gerade der ländliche Raum. Dies ist ein Chancenpaket für das Flächenland Schleswig-Holstein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Realität sieht aber leider etwas anders aus. Die Elektromobilität ist nicht die erste Priorität, so, wie es angekündigt wird, im Gegenteil. Der Elektromobilitätsgipfel am 3. Mai 2010 bei der Kanzlerin hat für keine Aufbruchstimmung gesorgt. Es wurden keine zusätzlichen Forschungsmittel für Technologieinnovationen eingestellt, es gibt keine Kaufprämie oder andere Anreizsysteme für Elektroautos, keine Verpflichtung der deutschen Automobilindustrie, eine Million Elektroautos bis 2020 wirklich auf die Straße zu bringen.

Rückblende: Die Große Koalition hat vor nicht allzu langer Zeit 5 Millionen € für eine Abwrackprä

(Vizepräsidentin Herlich Marie Todsen-Reese)

mie bereitgestellt, um Kaufanreize für konventionelle Autos zu setzen ohne irgendeine Klimavorgabe. Dies war tatsächlich ökonomischer Unsinn.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des SSW)

Elektromobilität ist mehr als nur ein neuer Motor. Immerhin: Der Elektromotor ist schon sehr alt - das wissen wir -, aber er ist auch eine neue Antriebstechnik. Im postfossilen Zeitalter muss sich die Mobilität verändern. Wir brauchen mehr Mobilitätskonzepte statt Verkehrskonzepte. Wir müssen die Stärken der einzelnen Verkehrsträger mehr aufeinander abstimmen, und die Elektromobilität muss Teil eines umfassenden Mobilitätskonzeptes sein. Im Kern geht es darum, als Gesellschaft die Strategie einer CO2-freien Mobilität voranzubringen, Strom für diese Elektromobilität muss aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Da hat Schleswig-Holstein wiederum ein großes Potenzial. Unser Bundesland ist bestens geeignet. Ich frage Sie, wer, wenn nicht wir, wann, wenn nicht jetzt, wollen wir auf die Elektromobilität setzen als den Wirtschaftsmotor Nummer eins?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Doch ich frage auch sehr kritisch die Landesregierung: Wo sind die Zukunftsprojekte der Elektromobilität auf Straße und Schiene, wo ist Ihre Strategie zur Elektromobilität, wo sind die Bausteine, wo sind die Anreizsysteme für Innovation und Forschung, für intelligente Entwicklungen zum Beispiel auch und gerade für die Nutzung von Batterien in Elektrofahrzeugen als Stromspeicher?

Wir meinen, neue Speichermöglichkeiten von Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne müssen wir hier im Land als einen wichtigen Forschungsstandort sichern. Wir müssen die kreativen Köpfe - Ingenieure und Entwickler - in unser Land holen. Dann haben wir auch eine wichtige Vorrangstellung. Millionen von Elektrofahrzeugen könnten so Bestandteil eines optimierten Stromerzeugungs- und Stromverbrauchssystems sein. Die klimabilanziellen Vorteile von Elektrofahrzeugen hängen entscheidend vom Strom-Mix und vom Anteil der erneuerbaren Energien an diesem StromMix ab.

Ich möchte Sie, verehrte Damen und Herren von der Regierung, auch an Ihren Koalitionsvertrag für Schleswig-Holstein erinnern. Dort haben Sie immerhin vereinbart, dass Maßnahmen zur Entwicklung der Elektromobilität wichtig sind. Das liest man gern, aber wir fragen uns natürlich: Wo blei

ben die Taten? Hier haben Sie tatsächlich wenig vorzuweisen.

Wir verlangen daher von Ihnen keine Berichtsbögen - das ist das, was Sie beantragen; die Dinge werden auch alle in den Ausschuss gehen -, sondern wir sagen zeitnah, jetzt muss gearbeitet werden, wir brauchen ein Gesamtkonzept.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir brauchen ein Gesamtkonzept für den Wirtschaftsmotor Elektromobilität. Vor allen Dingen dann, wenn Sie Ihre ehrgeizigen Wachstumsziele in Schleswig-Holstein erreichen wollen, brauchen wir gerade dieses Cluster, um voranzukommen. Wir brauchen Projekte, mit denen sich das Land am nationalen Aktionsplan beteiligt. Im Grunde genommen geht es um die klassischen W-Fragen, die jetzt zu bearbeiten sind: Wer macht was bis wann? Das sind die konkreten Dinge, die jetzt endlich angegangen werden müssen. Im Übrigen finde ich auch, dass wir die guten Wissenschaftsorganisationen in unserem Land, die Universitäten, die Forschungsorganisationen nützen müssen. Gerade die Fachhochschule Kiel und andere Forschungseinrichtungen sind im Bereich der Elektromobilität führend.

Herr Abgeordneter, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit.

Wir brauchen einen Elektromobilität-Verbund, in den ÖPNV, Rad- und Fußverkehr einbezogen werden. Wir brauchen den auch für den Tourismus. Ich erinnere an Elektrofahrräder. All diese Dinge könnten in ein entsprechendes Konzept eingebracht werden.

Für uns gilt: All diese Dinge haben Zukunft, wenn sie mit den erneuerbaren Energien zusammenkommen. Wenn Sie als Landesregierung wirklich etwas drauf haben, müssen Sie nicht auf Kohle und Atom setzen. Diese Strategie ist von gestern.