Protocol of the Session on November 18, 2009

Herr Dr. Klug, wenn jetzt Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und Eltern verprellt werden, die der Zusage von Herrn Carstensen geglaubt haben, an der Schulstruktur werde nicht herumgedoktert, und nun klammheimlich eine Wende eingeleitet werden soll, dann wird Sie das noch einholen.

Sie enttäuschen jene, die die Steuersenkungsversprechen der FDP geglaubt haben. Was man dazu sagen kann, haben die „Lübecker Nachrichten“ in einem wundervollen Kommentar vor wenigen Tagen geschrieben. Da nützen auch die lautstarken Einlassungen der beiden Parteichefs Carstensen und Koppelin gar nichts. Für so vergesslich sollten Sie die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes nicht halten. Es ist immer ein Fehler zu glauben, die Menschen könnten sich nicht an das erinnern, was Sie noch vor wenigen Tagen gesagt haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das gucken wir uns demnächst mal an!)

Bei Ihnen ist es so: Sie versprechen allen und jedem, der sich laut wehrt, die Lösung seiner Probleme. So eine Taktik mag für eine kleine Oppositionspartei gefahrlos sein, für eine Regierung ist das fahrlässig. Ihr Verständnis von Hilfe zur Selbsthilfe lautet: Derjenige, der am lautesten schreit und am meisten Geld in eine Kampagne stecken kann, der bekommt recht. So scheint das bei Ihnen zu sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zuge

(Dr. Ralf Stegner)

hört hat - wir haben das mit großer Aufmerksamkeit getan -, der stellt fest: Es ist weitgehend im Dunkeln, wohin die Reise gehen soll, doch die Zeichen, die zu sehen sind, verraten einen eindeutigen Kurs: Sie starten als eine schlecht verbrämte Rechtskoalition, und es spricht alles dafür, dass Sie eine Politik für die Besserverdienenden und Vermögenden in diesem Land machen werden.

Ich will an dieser Stelle deutlich sagen: Immer, wenn Sie etwas Vernünftiges für dieses Land und seine Menschen vorschlagen werden, wollen und werden wir das unterstützen. Eine Fundamentalopposition ist unsere Sache nicht. Aber meine Hoffnung, dass wir dazu oft Gelegenheit haben, ist trotz einiger positiver Passagen in Ihrer Regierungserklärung leider sehr begrenzt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Glücklicherweise brauchen wir Sie auch nicht!)

Ich habe in einer Zeitung einmal den Satz gelesen: Ich denke nicht an die Zukunft, sie kommt früh genug. - Herr Ministerpräsident, das wäre eine ehrliche Überschrift für Ihren Koalitionsvertrag und Ihre Regierungserklärung gewesen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Schöne Worte und die Verwendung schöner, aber falscher Überschriften verdecken vor allem die zwei zentralen Ziele Ihrer Regierung: den Rollback in vielen Politikbereichen und den Vorrang für den Eigennutz. Bei Ihnen weiß man ja nie, wie lange Legislaturperioden dauern. Ich fürchte, SchleswigHolstein steht vor fünf verlorenen Jahren. Leisten können wir uns das nicht.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst begrüßen wir in unserem Kreis Schülerinnen und Schüler der Ernst-Barlach-Regionalschule in Wedel und Schülerinnen und Schüler der Friedrich-Hebbel-Schule in Wesselburen.

(Beifall)

Außerdem begrüßen wir das Finanzministerium mit Jahrgangsbesten der Steuerverwaltung. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort hat nun der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Herr Dr. Christian von Boetticher.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 21 Jahre haben wir als CDU-Fraktion auf diese Koalition gewartet. Ich kann auch sagen: 21 Jahre habe ich, der ich 1988 in die CDU eingetreten bin, auf diese Koalition gewartet. - Herr Ministerpräsident, ich darf für die CDU-Fraktion sagen: Sie haben uns aus der Seele gesprochen, herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei CDU und FDP)

Vorbei die Zeit des Schönredens von Bilanzen, vorbei die Zeit des Bremsens und vor allem vorbei die Zeit egoistischer Eigendarstellung in der Politik. Wir haben stattdessen Schlüsselworte gehört, die für uns, für mich und gerade für eine jüngere Generation, die auch in diesem Parlament vertreten ist, ungeheuer wichtig sind. Das sind das Wort „Nachhaltigkeit“, und zwar gemeint in einer Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und Soziologie, das Wort „Generationengerechtigkeit“, auch ganz konkret belegt - ich komme gleich dazu -, aber auch die Worte, dass Marktwirtschaft nicht nur eine soziale, sondern auch eine ökologische Komponente hat. All das sind Dinge, die wichtig sind für die Politik der nächsten Jahre, für eine moderne Politik. Darum ist das eine gute Regierungserklärung gewesen, die deutlich macht, dass es Aufbruch nur mit Mut und Tatkraft geben kann.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Mühlstein, der um den Hals dieses Landes liegt, ist gigantisch. Wir haben 30 Jahre - ich spreche bewusst von 30 Jahren, weil wir alle ein Stück Anteil daran haben - hemmungslos über unsere Verhältnisse gelebt. Gerade weil dieser Staat ein Staat sein muss, der auch und vor allen Dingen für Schwache da ist, ist Verschuldungspolitik das Unsozialste, was wir tun können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich habe heute viele Worte darüber gehört, was man alles politisch gestalten möchte, viele richtige Ideen, auch vom Oppositionsführer. Nur das ist alles Makulatur vor dem Hintergrund dessen, was uns eine Generation Politik in diesem Haus als Parlament hinterlassen hat: 24 Milliarden €, die mittlerweile so schwer wiegen, dass wir in einen Strudel geraten, den wir allein durch Zins und Zinseszins, durch steigende Personalkosten überhaupt nicht mehr werden bewältigen können.

Interessanterweise wird der berühmte Wirtschaftstheoretiker Keynes immer nur in schlechten Zeiten zitiert, mit der Begründung, warum man gerade

(Dr. Ralf Stegner)

jetzt neue Schulden machen muss. Ich habe noch nie jemanden gehört, der Keynes in guten Zeiten zitiert hat, wenn es darum geht, Geld, das da ist, für schlechte Zeiten zurückzulegen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Darum war es richtig, dass wir mit einer neuen Finanzpolitik in der letzten Wahlperiode gestartet sind. Ich sage das bei all den Hämerufen, die ich eben gehört habe: Die Tatsache, dass wir zum ersten Mal seit 1992 wieder verfassungsmäßige Haushaltsabschlüsse gehabt haben, ist keinem Geringeren als dem Finanzminister Rainer Wiegard zu verdanken. Lieber Finanzminister Wiegard, Ihre CDU steht auch in den nächsten Jahren fest und geschlossen hinter Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Gerade die Tatsache, dass wir heute in der größten Wirtschafts- und Finanzkrise immer noch ein Drittel weniger Neuverschuldung haben als im Jahr 2005 zeigt, dass die „Unverantwortung“ immer noch in unseren Reihen unterwegs ist. Genauso wie Umweltsünder in der 80er-Jahren nur durch eine neue, harte Umweltgesetzgebung gestoppt werden konnten, können die Haushaltssünder von heute langfristig nur durch eine feste Schulenbremse im Grundgesetz oder - was uns lieber ist - in unserer Landesverfassung gestoppt werden.

(Beifall bei CDU, FDP und der Abgeordne- ten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Darum ist die Schuldenbremse nötig, und darum haben wir deutlich gemacht, dass wir uns gegen die Vorgaben aus dem Grundgesetz nicht deswegen wehren, weil wir sie für falsch halten, sondern weil wir das Grundgesetz für den falschen Ort dafür halten. Wir wollen sie in unserer Landesverfassung, und wir reichen jedem, der eine vernünftige, seriöse Haushaltspolitik in den nächsten Jahren vornehmen will, dazu die Hand. Wir brauchen die Schuldenbremse, wir brauchen eine Schuldenbremse, die nicht hinter den Vorgaben des Grundgesetzes zurückbleibt.

Wir kommen aus dieser Krise überhaupt nur durch drei Dinge heraus. Das Erste ist Sparen; ich sage gleich etwas dazu. Das Zweite ist aber auch wirtschaftlich Wachsen. Und das Dritte ist das Investieren in Köpfe, weil am Ende die nächste Generation, die Menschen in unserem Land, die Ideen, die wir haben, die einzigen Rohstoffe sind, auf die wir setzen und bauen können. Darum müssen wir in diesem Bereich etwas tun.

Ich nenne nur drei Zahlen, um Ihnen zu zeigen, wie schwierig die Situation ist. Nehmen wir einmal an, dass wir in den nächsten zehn Jahren ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 2,5 % haben, was nicht wenig ist. Das sind die fortgeschriebenen Zahlen der letzten 20 Jahre. Nehmen wir einmal an, wir hätten eine moderate Lohnpolitik mit 2 % Tarifsteigerungen in den nächsten Jahren. Und nehmen wir dann an, diese Regierung würde es schaffen, wozu wir uns verpflichtet haben und fest entschlossen sind, wirklich 10 % des Personals einzusparen. Bei diesen drei Parametern verdoppeln sich die Schulden annähernd in den nächsten zehn Jahren. Wir haben dann 43 Millionen € Schulden, und der Mühlstein um unseren Hals wird uns erdrücken. Dann ist all das Schöne, dann sind all die schönen Versprechungen, die wir gehört haben, auch heute wieder, reine Makulatur.

Damit das nicht der Fall ist, müssen wir heute in der Tat Weichen stellen. Das sind nicht schöne Weichen. Das ist nicht das politologische Schöngerede aus irgendeinem Lehrhandbuch, sondern es ist ganz konkrete Politik, die Antworten darauf geben muss, wie wir mit dieser Verschuldungskrise umgehen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Darum sage ich Ihnen: Ich habe das vier Jahre lang im Kabinett erlebt. Ich bin vielleicht in einer zu idealisierten Form darangegangen. Ich habe gedacht, es gäbe eine Gesamtverantwortung für einen Haushalt. Jeder guckt wirklich mit harter Hand bei sich, mit seinen Möglichkeiten nach, was er zu dieser wichtigen Aufgabe beitragen kann. Das, was ich erlebt habe, war vier Jahre lang das große Weggucken nach dem Motto: Es gibt ja einen Finanzminister, der soll es schon irgendwie richten. Alle Ressorts sollen bitte hart sparen, aber nur nicht das eigene. Das eigene ist immer das wichtigste, das eigene ist immer das, bei dem bloß nichts getan werden darf. Kollektive Unverantwortung über viele Jahrzehnte hinweg, die dazu geführt hat, dass wir heute dort stehen!

Und das hat System. Der Finanzminister hat bestimmte Steuerungsmechanismen, die man erwarten darf, beispielsweise bei den Personalkennzahlen, gar nicht mehr gehabt, weil sie schon in den 90erJahren dezentralisiert worden sind, weil man schon seit den 90er-Jahren eine ganz konkrete Politik dahin gehend gemacht hat, dass man am Ende wegschaut von diesen finanziellen Entwicklungen.

Damit, meine Damen und Herren, muss Schluss sein, und damit, meine Damen und Herren, wird

(Dr. Christian von Boetticher)

auch Schluss sein. Schluss mit Tricksen, Tarnen und Täuschen!

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich nenne Ihnen ein Beispiel, das ich in meiner kurzen Verantwortung trotzdem kennengelernt habe, ein Beispiel, das wichtig ist und zeigt, wie schwierig manchmal diese Verantwortung ist. Ich habe einen Freund, der ist schwerstbehindert. Den habe ich neulich gefragt: Was meinst du, was in diesem Land für die Eingliederung benachteiligter Menschen ausgegeben wird? Er hat geschätzt, was viele so sagen, 40 Millionen, 50 Millionen €. In Wahrheit sind es 500 Millionen €. Da hat er mich angeguckt und hat gesagt: Das kann doch gar nicht sein. Wo geht denn dieses Geld hin?

Diese Frage, was genau mit dem Geld geschieht, hat der Rechnungshof seit 2002 gestellt. Er hat die Frage gestellt, eine ganz simple Frage eigentlich: Wie werden diese Gelder auf die 600 Einrichtungen verteilt? Das Interessante ist, meine Damen und Herren: Das weiß am Ende niemand so genau. Wie viel Geld am Ende bei behinderten Menschen zur Eingliederung wirklich ankommt, wie viel für Maßnahmen ausgegeben wird, kann Ihnen keiner genau sagen, weil man es nicht wissen wollte, weil man kollektiv weggeguckt hat, weil von den 600 Einrichtungen, über die es verteilt wird, innerhalb von zwei Jahren konkret fünf geprüft worden sind. Lesen Sie die Rechnungshofberichte zu diesem Thema durch. Es steht alles schwarz auf weiß drin.

Darum, und nicht weil wir etwas gegen Integration machen, gegen Eingliederung, im Gegenteil, mir wäre es lieb, wenn am Ende mehr Geld unten ankommt, muss doch die Frage bei einem solchen Haushaltsposten erlaubt sein, wie viel Geld das System an sich kostet und wie viel Geld am Ende bei Menschen, die es nötig haben, wirklich ankommt. Meine Damen und Herren, diese Fragen werden wir stellen!

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich wollte gerade den Minister Garg ansprechen. Er ist jetzt draußen, aber er weiß, dass er bei diesen schwierigen Fragen die volle Unterstützung und den Rückhalt der CDU-Landtagsfraktion hat. Es ist eine große Aufgabe, aber er packt sie sehr mutig und tatentschlossen an. Dafür herzlichen Dank!

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir haben aber gesagt, wir wollen als Fraktion in einer Haushaltshaltsstrukturkommission mitgucken, in einer gemeinsamen Verantwortung, die dichter hergestellt werden muss, als das in den ver