Was dem Ganzen aber die Krone aufsetzt, ist die Tatsache, dass die Aufhebung des Pflichtstundenerlasses ein weiterer Beleg dafür ist, dass das gegliederte Schulsystem durch die Hintertür wieder eingeführt werden soll. Es kann doch nicht sein, dass schon wieder nach den Gemeinschaftsschulen getreten wird, obwohl die Schwächung dieses Schultyps bei der Landesregierung ja mittlerweile System hat.
Der Unterricht an den Gemeinschaftsschulen ist durch heterogene Schulklassen und ein Mehr an individueller Förderung sowieso schon schwierig. Aber statt dies zu honorieren, wird jetzt noch eins draufgesetzt. Die gymnasialen Fachkräfte der Gemeinschaftsschulen müssen zukünftig 1,5 Stunden mehr als an den Gymnasien unterrichten, und die Differenzierungsstunden wird es ab 2011 auch nicht mehr geben.
obwohl gerade diese Schulart durch den Einsatz der Schulleitungen, der Lehrer, der Eltern und auch der Schüler erfolgreich und nachgefragt ist. Das dürfen wir nicht vergessen.
Aus der Sicht des SSW brauchen wir langfristig ein völlig anderes Modell zur Berechnung der Lehrerarbeitszeit. Die Kopplung der Arbeitszeit an Schulformen, die es zum Teil schon nicht mehr gibt, ist veraltet und führt innerhalb der Lehrerschaft zu großer Unzufriedenheit.
Wir brauchen daher ein Modell, das die Arbeitszeit nach Aufwand und Einsatz individuell, transparent und nachvollziehbar darstellt.
Die umstrittene Verteilung von Unterrichtsstunden nach Schulformen muss abgeschafft und durch eine funktionale Differenzierung nach unterrichteten Fächern ersetzt werden. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel im Verständnis von Schule. Schule muss nämlich als Bildungsort verstanden werden, an dem 100 % der Arbeitszeit einer Lehrkraft wirkungsvoll eingesetzt werden soll. Somit verändern sich das Organisationsbewusstsein innerhalb der Schule und das Selbstverständnis der Schulleitungen und der Lehrerschaft.
Aus Sicht des SSW wäre eine solche Veränderung in Zeiten von Gemeinschafts- und Ganztagsschule zu begrüßen. Wir müssen aufräumen mit dem Bild vom Lehrer, der ein paar Stunden unterrichtet und die restliche Zeit mit Urlaub und Freizeit verbringt. Der Beruf von Lehrerinnen und Lehrern sieht schon lange anders aus. Es liegt an uns, die organisatorischen Rahmenbedingungen der veränderten Wirklichkeit anzupassen und die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer endlich angemessen zu honorieren. Das haben die Lehrerinnen und Lehrer verdient. Wir sollten endlich Ruhe einkehren lassen und allen Lehrerinnen und Lehrern die gleiche Stundenzahl zuweisen, den gleichen Lohn zahlen und selbstverständlich alle Schularten, die wir jetzt haben, gleich behandeln. Die Ungleichbehandlung, die wir jetzt haben, muss endlich ein Ende haben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin ein Freund des Hamburger Arbeitszeitmodells dazu bekenne ich mich -, und zwar nicht nur aus der Theorie heraus, sondern aus jahrelanger Praxis.
Was jetzt passiert - wir diskutieren ja heute etwas anderes -, entspricht eher einer Anekdote, die in den Lehrerzimmern in Hamburg und SchleswigHolstein bekannt ist. Da teilt ein Schulleiter seinen Lehrkräften mit: Verehrter Kollege, verehrte Kollegin, in Anerkennung Ihrer pädagogischen Kompetenz und Ihres vorbildlichen Einsatzes habe ich mir erlaubt, ihre Klasse um fünf Schüler aufzustocken.
Vor diesem Hintergrund sind momentan natürlich auch weitere „gute“ Nachrichten zu verkünden. Was uns die Regierung in den vergangenen Tagen präsentiert hat, lässt sich im Politikunterricht gut als Beispiel für machiavellistische Machtpolitik einsetzen: Verkündet dem Volk erst die größtmögliche Grausamkeit, und schmeißt dann ein kleines Stück Zucker hinterher, um es wieder zu beruhigen! Das haben wir gestern bei den Kitas erleben dürfen, und nichts anderes passiert jetzt mit der Stundenermäßigung für Kollegen kurz vor der Pensionierung.
Positiv zwei: Ich hatte bisher immer den leichten Verdacht, Herr Klug sei in seiner Politik Einflüsterungen des Philologen-Verbands unterlegen und hätte möglicherweise eine Beraterin aus diesem Bereich. Herr Klug, mit diesem Erlass haben Sie mir nun bewiesen, dass das natürlich völliger Quatsch ist.
Aber Scherz beiseite. Ich sitze jetzt ein halbes Jahr in diesem Hohen Hause, arbeite ein halbes Jahr in den Ausschüssen mit und hätte persönlich nicht für möglich gehalten, dass es im Bildungsausschuss eine Situation geben kann, in der der Minister in einer Debatte sagt: Es tut mir leid, aber die Haushaltsstrukturkommission hat gesagt, ich muss das tun. - Ich hätte nicht gedacht, dass das überhaupt geht.
Herr Minister Klug, außerdem bitte ich Sie inständig: Lassen Sie es nach, an allen möglichen Fronten die Gemeinschaftsschule in Ihrer Idee auszuhöhlen und die Gemeinschaftsschule in ihrer Arbeitsfä
higkeit zu gefährden, und fangen Sie endlich an, auch dieser Schulform die Chance zu geben, sich so zu entwickeln, wie sie es verdient!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Angesichts der finanziellen Möglichkeiten des Landes Schleswig-Holstein kann und darf verantwortungsbewusste Politik keinen Illusionen Vorschub leisten. In den kommenden Jahren führt kein Weg an empfindlichen Einschnitten vorbei, und dazu werden auch Personaleinsparungen gehören. In einer Woche wird die Koalition hierzu ihre Beschlüsse fassen. In diesem Zusammenhang ist auch unsere Entscheidung zur Unterrichtsverpflichtung der Lehrerinnen und Lehrer zu sehen.
Die Große Koalition hatte im Jahre 2007, also noch vor der Finanzkrise, verabredet, 300 zusätzliche Planstellen bereitzustellen, um an Regional- und Gemeinschaftsschulen eine einheitliche Pflichtstundenzahl von 26 Unterrichtsstunden zu ermöglichen. Nach den Beratungen, die am 30. März 2010 zur Erarbeitung der Sparvorschläge der Landesregierung in der Haushaltsstrukturkommission geführt haben, ist klar gewesen, dass dieses Vorhaben nicht realisiert werden kann, wenn unter dem Zwang zur Haushaltskonsolidierung gleichzeitig auch eine befriedigende Unterrichtsversorgung gewährleistet werden soll.
Deshalb haben wir den Pflichtstundenerlass, der die vorgesehne Absenkung zum kommenden Schuljahr umsetzen sollte, nicht in Kraft gesetzt und unverzüglich eine Neuregelung erarbeitet, die sich nun in der Anhörung befindet. Sie orientiert sich an der Vorgabe, dass die Pflichtstundenregelung für Lehrkräfte in Schleswig-Holstein nicht unter dem Durchschnitt der im Bundesvergleich üblichen Sätze liegen soll. Das ist auch deshalb wichtig, weil Schleswig-Holstein Finanzhilfen in Anspruch nehmen will, und aus Sicht der Bundesländer wäre es widersinnig, Finanzhilfen zu gewähren, wenn Schleswig-Holstein die allgemeinen Standards in einzelnen Bereichen überschreitet.
Darüber hinaus soll für die neuen Schularten eine einheitliche Pflichtstundenzahl unabhängig von der jeweiligen Laufbahn bestehen. Für Realschullehrer bedeutet dies, dass sie an Regional- und Gemeinschaftsschulen wie bisher 27 Wochenstunden unterrichten, Hauptschullehrer erhalten damit eine Ermäßigung um eine halbe Wochenstunde. Auch für sie gilt nach dem neuen Erlassentwurf die Pflichtstundenzahl 27. Das entspricht bei Schularten mit mehreren Bildungsgängen der Situation in den Ländern Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Saarland und dem Mittelwert in Niedersachsen.
Unsere Neufassung des Pflichtstundenerlasses sieht eine Wochenstunde mehr Unterricht für Gymnasiallehrer und für Studienräte der berufsbildenden Schulen vor. Dies entspricht in beiden Fällen beispielsweise der Unterrichtsverpflichtung in Nordrhein-Westfalen im Umgang von 25,5 Wochenstunden.
Wir verlangen unseren Lehrerinnen und Lehrern damit viel ab, und ich hoffe, dass dieser Beitrag von den Menschen in unserem Land gewürdigt werden wird.
Zum Ausgleich werden die älteren Lehrkräfte stärker als bisher entlastet. Künftig soll es nicht nur nach Vollendung des 58. Lebensjahrs eine Altersermäßigung von einer Stunde geben, sondern eine weitere nach Vollendung des 60. und eine dritte Stunde Ermäßigung nach Vollendung des 63. Lebensjahrs.
Auf der einen Seite ist die Neuregelung der Stundendeputate darauf ausgerichtet, die Ziele Unterrichtsversorgung und Haushaltskonsolidierung gleichermaßen zu erreichen. Der rechnerisch damit mögliche Stellenabbau soll nach unseren Vorstellungen unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung vom Schuljahr 2011/2012 an schrittweise erfolgen, das heißt, nicht sofort in vollem Umfang. Dies würde zugleich - wenn wir so verfahren - Jahr für Jahr eine große, ausreichende Zahl von Neueinstellungen ermöglichen, sodass wir Beschäftigungschancen für junge Lehrkräfte, einen ausgewogenen Altersaufbau der Lehrerkollegien und gezielte Einstellungen in Mangelfächern sichern können.
Auf der anderen Seite werden wir Entlastungen für die Lehrkräfte, wie sie zum Beispiel durch den Wegfall von EVIT erfolgt sind, nach der angestrebten Schulgesetzänderung etwa auch durch wesentlich einfachere Vorgaben für viele Prüfungen erreichen.
Einige Journalisten und natürlich Kolleginnen und Kollegen aus der Opposition haben nach der Veröffentlichung des neuen Erlassentwurfs einen Zusammenhang mit der geplanten Option zwischen G8 und G9 an Gymnasien konstruiert. Dies ist nicht zutreffend.
Tatsächlich ergibt sich in den kommenden Jahren ein personeller Mehrbedarf an den Gymnasien durch den Abbau der bisherigen Benachteiligung der Gymnasien bei der Personalzuweisung, durch den erhöhten Unterrichtsbedarf in den aufwachsenden G8-Jahrgängen, die im Durchschnitt 33 Wochenstunden Unterricht nach der Stundentafel haben, sowie durch die Ausstattung der G8-Jahrgänge mit Intensivierungsstunden, die der Wiederholung und Vertiefung des Unterrichtsstoffs dienen und damit die Unterrichtssituation der Schüler in der verkürzten Gymnasialzeit spürbar verbessern sollen. Im Rahmen dieser Zuweisungen können die Gymnasien, wenn sie die Option wahrnehmen wollen, nach der Schulgesetzänderung künftig wieder genauso mit den Personalressourcen einen neunjährigen gymnasialen Bildungsgang anbieten. Wie gesagt, auch wenn man landesweit ausschließlich bei G8 bliebe, bräuchten wir für eine vernünftige Personalausstattung gerade auch der G8-Bildungsgänge die gleiche Personalausstattung, wie wir sie in den kommenden Jahren für den Bereich der Gymnasien vorgesehen haben.
Abschließend noch eine Anmerkung zum Vorschlag der Grünen, ein völlig neues Arbeitszeitmodell einzuführen, bei dem auch alle außerunterrichtlichen Aufgaben zeitlich miteinander verrechnet werden. Ich glaube nicht, dass ein solches Verfahren wirklich sinnvoll wäre. Bei erheblichem Verwaltungsaufwand würde damit nur der Anschein von Gerechtigkeit erzeugt und Zwietracht in den Lehrerkollegien gesät. Der Aufwand für ein solches neues Verfahren wäre erheblich und spricht dagegen, so etwas in Angriff zu nehmen.
Eine noch größere Illusion liegt freilich jenen gewerkschaftlichen Forderungen zugrunde, die für alle Lehrkräfte eine Absenkung der Unterrichtsverpflichtung auf 24 Wochenstunden verlangen. Die gewerkschaftlichen Forderungen gibt es ja. Dies würde - wenn man das so erfüllen wollte - entweder 1.880 zusätzliche Lehrerstellen kosten
oder in entsprechendem Umfang die Unterrichtsversorgung schmälern. Beides ist auf keinen Fall tragbar und hinnehmbar. Deshalb sind diese
Herr Minister Dr. Klug hat seine Redezeit um 2 Minuten 5 Sekunden überschritten. Wollen die Fraktionen von der dadurch ihnen ebenfalls zusätzlich zustehenden Redezeit Gebrauch machen? - Das ist nicht der Fall.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, ich schließe die Beratung. Es ist Abstimmung in der Sache beantragt worden. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag, Drucksache 17/560, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag in der Drucksache 17/560 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW ohne Enthaltungen abgelehnt worden.
Ich lasse dann über den Antrag in der Drucksache 17/501 abstimmen. Das ist der Ursprungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.
- Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Antrag in der Drucksache 17/501 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW bei Enthaltung der Fraktion DIE LINKE abgelehnt worden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich mache Sie auf Folgendes aufmerksam. Alle am FC-Landtag Interessierten sollen sich bitte um 14:50 Uhr im Foyer des Plenums für ein Foto versammeln.