Protocol of the Session on March 19, 2010

Die im Antrag dargestellten Ziele stimmen im Wesentlichen mit den Zielen der Landesregierung überein. Das gilt auch für den Bereich der Übergangssysteme. Auch wir möchten erreichen, dass die Zahl derjenigen steigt, die von der Schule direkt in eine Berufsausbildung übergehen. Ich möchte allerdings auf Folgendes hinweisen: Nicht jeder, der sich in einem Übergangssystem befindet, ist von vornherein unfreiwillig dort.

Eine berufsvorbereitende Maßnahme kann zum Beispiel für die Schulabgänger sinnvoll sein, die noch nicht genau wissen, welchen weiteren berufli

chen Weg sie einschlagen wollen. Sie haben noch Zeit, Klarheit zu gewinnen, und können dabei auch noch zusätzliche Qualifikationen erwerben. Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, dass sich viele Jugendliche zunächst bewusst für eine Alternative zur Ausbildung entscheiden, beispielsweise für einen Auslandsaufenthalt, die Ableistung des Wehr- oder Ersatzdienstes oder den Besuch einer berufsbildenden Schule, um einen höheren Schulabschluss zu erlangen.

Wenn sich dann jemand - das ist ein statistisches Problem - aus der eben genannten Gruppe oder den eben genannten Gruppen für einen Ausbildungsplatz bewirbt, gilt er nach den Statistiken der Arbeitsagentur als Altbewerber. Das ist aber eher ein statistisches als ein tatsächliches Problem. Insofern geht es nicht darum, dass wir die Gruppe der Altbewerber pauschal betrachten, sondern wir sollten sehen, dass wir vor allem für diejenigen Maßnahmen anbieten, die tatsächlich unfreiwillig in diesem Übergangssystem sind, und denjenigen, die sie als Chance nutzen, diese auch weiterhin eröffnen und zur Verfügung stellen. Gleichwohl ist es aber auch erfreulich, dass im Vorjahresvergleich die Zahl der Altbewerber zurückgegangen ist. Dennoch bleiben Anstrengungen erforderlich, um die Situation der echten - wie ich eben sagte - Altbewerber zu verbessern.

Ich stelle fest, dass vieles aus dem Antrag bereits im Bündnis 2009 vereinbart war und auch weiter verfolgt wird, da es sich um Ziele handelt, die nur mittelfristig umsetzbar sind, und ich stelle fest, dass manches, was die Bündnispartner schon umgesetzt haben, ebenfalls im Antrag aufgeführt ist. Die Landesregierung setzt zur Erreichung dieser Ziele verstärkt auf präventive Maßnahmen an den Schulen und in der Zusammenarbeit Schule und Wirtschaft. Prävention ist der richtige Ansatz. Wir sollten in einer sachlichen Auseinandersetzung - so habe ich die Debatte aber auch empfunden - im Ausschuss weiter über die richtigen Wege beraten.

(Beifall bei CDU und FDP sowie des Abge- ordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 17/401 an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!

(Minister Jost de Jager)

Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 35 auf:

Kündigung des Landesrahmenvertrags zur Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung zurücknehmen

Antrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/392

Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung erhalten und zielgenau weiterentwickeln

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/407

Interessen von Menschen mit Behinderung wahren

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/415 (neu)

Teilhabe von Menschen mit Behinderung stärken, nicht schwächen!

Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/423

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Ich schlage vor, die Anträge Drucksachen 17/392, 17/407, 17/415 (neu) und 17/423 dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist so einstimmig beschlossen worden.

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 38 und 56 zur gemeinsamen Beratung auf:

Gemeinsame Beratung

a) Europa-2020-Strategie

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/395 (neu)

Europa-2020-Strategie für ein nachhaltiges und soziales Europa

Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/421

b) Reform der EU-Strukturfonds

Bericht der Landesregierung Drucksache 17/341

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit Nummer 2 der Drucksache 17/395 (neu) wird ein mündlicher Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltung? - Das ist einstimmig so beschlossen. - Für die Landesregierung erteile ich Herrn Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich bedanke mich bei Ihnen für die beiden vorliegenden Anträge. Sie begleiten und unterstützen die Position der Landesregierung. Gleichwohl ist es schon eine gehörige Herausforderung, in fünf Minuten auf beide Themenkomplexe einzugehen. Ich bitte Sie daher, es mir nachzusehen, wenn ich etwas über die Zeit hinaus spreche.

Im vorliegenden Berichtsantrag geht es um die Kohäsionspolitik, also um die EU-Förderkulisse nach 2013. Darüber müssen wir uns frühzeitig Gedanken machen. Die Landesregierung tut das auch sehr gewissenhaft. Wir stehen allerdings erst am Beginn der Diskussion. Wir machen uns auch Gedanken darüber, wie wir mit den bis 2013 zur Verfügung stehenden EU-Mitteln umgehen. Auch das tut die Landesregierung sehr ernsthaft. Denn SchleswigHolsteins finanzielle Situation ist so besorgniserregend, dass wir nicht mehr jeden von der EU zur Verfügung gestellten Euro kofinanzieren können.

Ich habe das in meiner Regierungserklärung sehr klar gesagt und deshalb evaluieren wir die bis 2013 laufenden Programme. Dennoch können wir auf die Unterstützung durch die EU nicht verzichten. Allerdings werden die Vorzeichen nach 2013 sicher andere sein. Denn wir werden in den kommenden Förderperioden voraussichtlich weniger Geld aus Brüssel bekommen. Deswegen müssen wir schon heute mit der Diskussion über unsere Regionalpoli

(Vizepräsidentin Herlich Marie Todsen-Reese)

tik nach 2013 beginnen. Wir müssen entscheiden, wo eine Neuausrichtung nötig ist. Wir müssen entscheiden, wo mit diesem Geld am ehesten neue Arbeitsplätze entstehen, und wir müssen entscheiden, wo wir das Geld am effektivsten einsetzen, um Wachstum zu generieren. Das ist der Maßstab unseres Handelns.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir werden Konsequenzen ziehen. Wir werden künftig die Fördergelder aus Brüssel mit noch mehr Augenmaß und Weitsicht abrufen. Schwieriger als auszugeben, ist es nämlich, Einschränkungen zu machen. Wenn Sie beim Ausgeben einmal Fehler machen, haben Sie zumindest noch jemandem eine Freude gemacht. Wenn Sie beim Einschränken von Ausgaben Fehler machen, können Sie Fehler machen, die schwer wieder einzuholen sind.

Ich will nicht falsch verstanden werden. Natürlich stellen wir uns als Landesregierung in der jetzt beginnenden Diskussion nicht hin und sagen: Streicht uns von der Interessentenliste, wir können die Mittel nicht kofinanzieren. Ganz im Gegenteil. Die EU-Strukturfonds bleiben ein wichtiges Instrument, um Impulse für mehr Wachstum und mehr Beschäftigung zu setzen.

Die Landesregierung macht sich schon jetzt dafür stark, dass die bisherigen Ziel-2-Förderungen erhalten bleiben. Das Ergebnis der Diskussion um die Reform der Strukturfonds - da brauchen wir uns nichts vorzumachen - wird ein Kompromiss auf europäischer Ebene sein, und Schleswig-Holstein wird aus diesem Ergebnis das Beste machen.

Die europäische Strukturpolitik wird auch bei der Umsetzung der Europa-2020-Strategie eine zentrale Rolle spielen. Die EU-Kommission will den Schwerpunkt auf die Förderung der Europa-2020-Ziele legen, und wir müssen darauf achten, dass dabei eine flächendeckende und regional bestimmte Förderung übrig bleibt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Vorläufer der Europa-2020-Strategie, die Lissabon-Strategie, gilt als nicht besonders erfolgreich. In den Beratungen geht es nun darum, es für die Zukunft besser zu machen. Die Länder haben sich deshalb über den Bundesrat sowie dessen Europakammer intensiv an den Beratungen beteiligt. Ich freue mich darüber, dass sich auch das Parlament aktiv in diese Diskussion einbringt.

Einige Aspekte in der Mitteilung der Kommission sehen wir durchaus kritisch. Ich gehe kurz auf sie ein. Der Zeitplan, in dem über die Ausrichtung der

Strategie beraten werden soll, ist sehr eng bemessen. Die Regionen sollen die Strategie letztlich umsetzen, und es braucht mehr Zeit, um sie angemessen einzubeziehen.

Grundsätzlich zeigt die Strategie in die richtige Richtung, wenn das Subsidiaritätsprinzip beachtet wird. Hier sind zurzeit einige Zweifel angebracht. Zur Erinnerung: Der Vertrag von Lissabon wollte ja ganz bewusst dieses Mehr an Demokratie, und der Lissabon-Vertrag hat die Aufgabenverteilung zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten festgelegt. Zum Beispiel liegt die Zuständigkeit in der Bildungspolitik ganz eindeutig bei den Bundesländern.

Wenn die EU hier quantitative Zielvorgaben benennt, verletzt sie die Bildungshoheit der Länder. Gleiches gilt für die Beschäftigung und die Armutsbekämpfung. Eine derartige Eingriffskompetenz sieht der Vertrag von Lissabon nicht vor.

Meine Damen und Herren, die Europa-2020-Strategie soll eine wichtige Funktion erfüllen. Sie benennt wirtschaftliche, soziale und umweltpolitische Ziele für eine gute europäische Zukunft. Zu diesem Zweck darf es die EU-Kommission nicht bei hehren Zielen belassen. Sie muss auch die Machbarkeit im Blick behalten. Daher sollte zunächst geprüft werden, ob und wie die Mitgliedstaaten und Regionen diese Ziele erreichen können. Dafür müssen die Regionen partnerschaftlich in den Prozess mit eingebunden sein.

(Beifall bei CDU und FDP sowie vereinzelt bei der SPD)

Lassen Sie uns bitte nicht die gleichen Fehler machen wie bei der Lissabon-Strategie!. Wir sollten aus den Fehlern dieser Strategie lernen.

(Jürgen Weber [SPD]: Sehr richtig!)

Wir haben deshalb zur Mitteilung der Kommission intensiv in den Bundesratsausschüssen beraten. Unser Kabinett hat sich am Dienstag mit den Ausschussempfehlungen befasst. Die Europakammer des Bundesrates hat noch am selben Tag, also am Dienstag, die Position der Länder für die Sitzung des Europäischen Rates am 25. und 26. März 2010 beschlossen. Sie sehen: Wir haben Schleswig-Holsteins Interessen trotz des engen Zeitplans mit Nachdruck vertreten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, Wachstum und Beschäftigung, Wissen und Innovation, Klima und Umwelt - dafür steht die Europa-2020-Strategie, dafür stehen auch wir. Aber wir müssen uns dafür einsetzen,