Protocol of the Session on March 18, 2010

teilt. Doch dieser Auftrag muss auch angenommen und das Problem der Kinderarmut in seinem vollen Umfang und als bedeutendes gesellschaftliches Problem behandelt werden.

Die aktuellen Zahlen zur Entwicklung der Kinderarmut sind erschreckend: Rund 2,4 Millionen Kinder in Deutschland sind armutsgefährdet - ein Wert, der einfach nur beschämend ist! Mag es nun jedes fünfte oder sechste Kind sein, das von einem Armutsrisiko betroffen ist: Es bedeutet ganz einfach, dass eine viel zu hohe Zahl von Kindern nicht die Möglichkeit hat, ein Leben zu führen und sich in dem Maße zu verwirklichen, wie sie es sich wünschen. Zur Bekämpfung dieses komplexen Problems reicht es ganz sicher nicht, geringfügige Erhöhungen des Kindergelds vorzunehmen, um letztlich nicht viel mehr als das körperliche Überleben der Bedürftigen zu sichern. Mit finanziellen Mitteln allein bekommen wir dieses Problem nicht in den Griff.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Hans Müller [SPD])

Nicht nur der Erhalt der physischen Existenz ist in diesem Zusammenhang maßgebend, auch und vor allem das soziokulturelle Existenzminimum, eine der Würde des Menschen entsprechende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, muss abgesichert sein. Wir müssen klare Ziele zur konkreten Umsetzung von Kinderrechten und zur Verminderung von Armutsrisiken formulieren und auch umsetzen.

Dort, wo es diese gibt, wie zum Beispiel im Bereich der kostenlosen gesundheitlichen Vorsorgeuntersuchungen für alle Kinder, gibt es ganz offensichtlich weiterhin Bedarf, diese Ziele auch mit Nachdruck zu verfolgen. Auch das Ziel einer echten Verbesserung im Bereich der Kinderbetreuungseinrichtungen möchte ich hier noch nennen. Denn insbesondere Alleinerziehende finden oftmals keine existenzsichernde Beschäftigung, und ihre Kinder sind in der Folge einem überproportionalen Armutsrisiko ausgesetzt.

Es muss allen klar sein, dass Kinderrechte nach wie vor mehr umfassen als den bloßen Schutz vor Armut, Gewalt und Vernachlässigung. Gerade, weil es bedauerlicherweise in vielen Fällen nicht einmal gelingt, diese grundlegenden Rechte sicherzustellen, müssen dieser Initiative dringend Handlungen folgen. Die Teilhabe der Kleinsten in unserer Gesellschaft muss ein ebenso wesentliches Gebot sein wie die stärkere Berücksichtigung des sozialen Existenzminimums. Sonst bleibt die Zustimmung zur

(Antje Jansen)

vorliegenden Gesetzesänderung nur ein rein symbolischer Akt ohne konkrete Verbesserungen für die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in unserem Land.

(Beifall bei SSW und SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich lasse zunächst über die Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses, Drucksache 17/360, abstimmen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Damit ist die Zulässigkeit der Volksinitiative einstimmig festgestellt.

Es ist weiter beantragt worden, den Gesetzentwurf der Volksinitiative „Kinderrechte stärken - Armut bekämpfen“, Drucksache 17/370, federführend dem Innen- und Rechtsausschuss, mitberatend dem Sozialausschuss und dem Petitionsausschuss zu überweisen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Somit ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Bericht - Kulturförderung des Landes Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/332

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse deshalb zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist dann einstimmig so beschlossen.

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister für Bildung und Kultur, Dr. Ekkehard Klug, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über staatliche Kulturförderung lässt sich immer trefflich streiten. In jedem kulturellen Bereich, ob Musik, Theater, Literatur, bildende Kunst, Film oder anderes, gibt es viele Beispiele, wo sich eine Förderung, auch eine höhere Förderung als bisher, gut begründen ließe. Das ist gerade das Kennzeichen einer le

bendigen Kultur, dass das Spektrum ständig in kreativer Bewegung ist und Neues entsteht, das auch Unterstützung verdient.

Das Land Schleswig-Holstein ist, und zwar nicht erst seit Beginn dieser Wahlperiode, weit davon entfernt, in diesem Konzert den Dirigenten zu spielen. Das entspräche übrigens auch nicht einer demokratischen Kulturpolitik. Unser kulturelles Leben wird von mehreren Säulen getragen, nicht nur vom Land, sondern auch von den Kommunen und natürlich von den Bürgerinnen und Bürgern, die auch als Mäzene durch Stiftungen oder als Sponsoren kulturelle Vorhaben unterstützen. Zudem kommt ein nennenswerter Teil des Kulturschaffens sogar ganz ohne Förderung aus.

Das kann aber nicht der Maßstab für alle sein. Die Finanzlage des Landes und die absehbaren weiteren Einschränkungen durch die Schuldenbremse erfordern nun Prioritätensetzungen darüber, wie wir unseren Verfassungsauftrag in der Kulturpolitik künftig erfüllen können. Die im Haushaltsführungserlass für das Jahr 2010 vom Finanzminister vorgegebene zehnprozentige Kürzung trifft grundsätzlich alle Zuwendungen und Zuschüsse, die das Land Schleswig-Holstein im Bereich der Kulturförderung aus dem Landeshaushalt gewährt. Einzelne Ausnahmen bedürfen der Zustimmung des Finanzministers.

Eine solche Ausnahme konnte ich für die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf erwirken. Andernfalls hätte der dort anfallende Kürzungsbetrag von 535.000 € dazu geführt, dass die Stiftung bereits Anfang März gezwungen gewesen wäre, zur Saisoneröffnung in der Osterwoche mehrere wichtige Museumsbereiche zu schließen. Dass dies vermieden werden konnte, ist meines Erachtens angesichts der Bedeutung der Landesmuseen für das Kulturangebot des Landes und auch für den Kulturtourismus in Schleswig-Holstein eine vernünftige und notwendige Entscheidung.

Darüber hinaus können einzelne Kürzungen vermieden oder abgemildert werden, sofern die nach dem Haushaltsführungserlass vorgeschriebenen Kürzungsbeträge durch Umschichtungen ersatzweise aus anderen Haushaltstiteln erbracht werden. Das Ministerium für Bildung und Kultur wird dazu eine Reihe entsprechender Anträge stellen. Auch hierfür bedarf es dann allerdings der Einwilligung des Finanzministers.

Ich beabsichtige, dabei nach folgenden Prioritäten vorzugehen: An erster Stelle möchte ich alles, was

(Flemming Meyer)

im engeren Sinne der kulturellen Bildung dient, möglichst von Kürzungen verschonen, zum Beispiel in der Musik- und Leseförderung für Kinder und Jugendliche, bei der Arbeit des Landesjugendorchesters, bei Kindertheaterprojekten, Jugendbuchwochen oder etwa bei der Gedenkstättenarbeit.

Nach meiner Überzeugung ist der Staat in besonderer Weise dazu verpflichtet, durch Förderung der kulturellen Bildung die stetig neue Aneignung von Kultur zu ermöglichen. Kulturelle Bildung ist die erste Voraussetzung sowohl für den Künstlernachwuchs als auch für ein breites kulturinteressiertes Publikum in Schleswig-Holstein.

Außerdem sollen Kürzungen in der Kulturarbeit der nationalen Minderheiten im Rahmen der von mir angesprochenen Umschichtung zumindest abgemildert werden.

Welche konkreten Gewichtungen es innerhalb der Landeshaushalte für die beiden kommenden Jahre 2011 und 2012 geben wird, hängt bekanntermaßen von den Ergebnissen der Arbeit der Haushaltsstrukturkommission ab. Weniger als 10 % der Zuwendungen im Kulturhaushalt sind Pflichtausgaben. Daher gilt es, die Perspektiven für die anderen 90 % besonders sorgfältig abzuwägen, immer auch im Hinblick auf unseren Verfassungsauftrag, die Entwicklung von Kunst und Kultur zu fördern.

Der Haushaltsaufstellungserlass für die Jahre 2011 und 2012 sieht in beiden Jahren in den Hauptgruppen 6 - Zuwendungen und Zuschüsse - Kürzungen von jeweils 15 % und für das Jahr 2012 bei Titeln der Hauptgruppe 8 - Investitionen - um 10 % vor. Insbesondere bei einer generellen Übertragung der zweimaligen 15-prozentigen Kürzung auf die einzelnen Zuwendungstitel käme es mit Sicherheit zu gravierenden Einschnitten in die kulturelle Infrastruktur des Landes.

In welchem Umfang dies vermieden werden kann, hängt davon ab, inwieweit Einsparungen statt durch generelle Kürzungen durch strukturelle Maßnahmen erbracht werden können. Gerade hierüber wird die Haushaltsstrukturkommission im Mai befinden, und wir werden in das Gespräch mit der Haushaltsstrukturkommission gerade zu diesem Thema eintreten.

Auch die vom Antragsteller angesprochene Kulturentwicklungsplanung wird sich erst dann, also nach diesem Klärungsprozess, für die kommenden Jahre konkretisieren lassen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die antragstellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Robert Habeck das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Klug, das Beste an Ihrem Bericht war der besonnene Tonfall, für den ich mich höflich bedanke. Ich weiß nicht, ob es mir gelingt, in diesem Tonfall zu antworten, denn Sie haben faktisch nichts gesagt, nur ein kulturelles Larifari.

Streicht man die schönen Worte heraus, bleibt die Tatsache, dass die Landesregierung schon längst dabei ist, Gelder zu streichen, ohne ein Bewusstsein davon, was sie damit anrichtet, und ohne Plan, wie und wohin die Kultur in diesem Land entwickelt werden soll. Obwohl das erst entwickelt werden soll, sind die Kürzungsbescheide faktisch schon eingetroffen. Da nützt es auch nichts, von kommenden Prioritäten zu reden, Musik, Kinderorchester und so weiter, wenn die Bildungszentren schon längst Zustellungsbescheide über Kürzungen haben. Die Arbeit ist eigentlich schon jetzt im Eimer.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD und der LINKEN)

Sie haben die Zahlen, die bekannt sind, umrissen, aber keine neuen geliefert und sind schon dabei, Fakten zu schaffen. Eigentlich müsste es doch genau umgekehrt sein: Man muss doch erst wissen, was man will, bevor man es dann tut.

Was sind denn die Kriterien, nach denen gespart werden soll? Wie passen die Kürzungsbescheide jetzt mit der Aufstellung des Doppelhaushalts zusammen? Können Sie ausschließen, dass Sie gerade das zerstören, was Sie später fördern wollen? Nein, das können Sie nicht, im Gegenteil, Sie sind dabei, das kaputt zu machen, was Sie gerade als wichtig dargestellt haben.

Sparen mit dem Rasenmäher ist immer das Einfachste, nur ist das nicht Gestalten, sondern sich um Gestaltung herummogeln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Hans Müller [SPD])

Am Ende hat man dann die gleichen Probleme, nur auf niedrigerem Niveau.

Ihnen fehlt ein Grundverständnis für die Bedeutung von weichen Standortfaktoren - das ist eben deut

(Minister Dr. Ekkehard Klug)

lich geworden - oder dafür, wie wichtig Kultur und Bildung für dieses Land sind. Ihre Kategorien - wir konnten es gestern bei der Diskussion über den Landesentwicklungsplan hören - sind Beton und Gewerbeparks. Breitspurplaner, Schmalspurdenker - das ist schwarz-gelbe Kulturpolitik.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe)

Herr von Boetticher, wenn ich es zwischen den Zeilen richtig gehört habe, dann sollen die Leuchttürme umso heller strahlen; Gottorf wurde genannt. Ich sage Ihnen: Nirgendwo ist es dunkler als unter einem Leuchtturm.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Martin Habersaat [SPD] - Zurufe)

Planlosigkeit ist das, was wir aus der Bildungsoder der Finanz- und Steuerpolitik schon kennen. Nur der Unterschied ist - deswegen muss ich jetzt etwas emotionaler werden -, dass Kultur Ihrer Willkür frei und schutzlos ausgeliefert ist, weil 90 % der frei verwendbaren Mittel freiwillige Leistungen sind. Das heißt für Sie übersetzt: Es sind kürzbare Leistungen.

75,5 Millionen € umfasst der Kulturhaushalt, 37 Millionen € davon sind FAG-Mittel, also kommunales Geld. Dann bekommen die Kirchen, gebunden durch den Staatsvertrag, einen zweistelligen Millionenbetrag. Netto bleiben für Schleswig-Holstein pro Jahr 19 Millionen € für die Kulturförderung. Damit lagen wir im Konzert der Länder Herr Klug, Sie sprechen von Dirigent, ich würde es mir gut überlegen, da noch von Dirigent zu sprechen - an vorletzter Stelle bei dem, was ein Land prozentual - gemessen an der Bevölkerungszahl für seine Kultur ausgibt. Das waren wir vor der schwarz-gelben Sparregierung. Setzen Sie Ihre Vorschläge um, sind wir in wenigen Monaten das Land in Deutschland, dem seine Kultur am wenigsten wert ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Böser, böser Sparer!)

10 % Kürzung ist jetzt die Vorgabe des Haushaltsführungserlasses für 2010. Sie soll dann - wir hörten es gerade, das ist ja auch bekannt - auf 15 % anwachsen, 2012 kommen noch einmal 15 % hinzu. Die 19 Millionen € sollen also in zwei Jahren um 30 % gekürzt werden.