Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits in der Dezember-Tagung haben wir hier im Landtag über ein Thema der politischen Bildung diskutiert. Dabei ist über alle Fraktionen hinweg sehr deutlich geworden, wie wichtig die Pflege unserer demokratischen Wurzeln ist. Ich spreche von dem Antrag für eine zeitgemäße Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte an den schleswig-holsteinischen Schulen. Die damaligen Redebeiträge haben in vielerlei Hinsicht für politische Bildung geworben.
Der heutige Bericht - er liegt schon seit einigen Monaten vor - beschreibt den übergreifenden Rahmen und stellt die verschiedenen Felder der politischen Bildung in Schleswig-Holstein vor. Er wird turnusgemäß einmal pro Wahlperiode vorgelegt. In der vergangenen Wahlperiode war das aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen allerdings nicht mehr möglich. Es lag also schon ein fertiges Papier seit einigen Monaten vor der letzten Landtagswahl in den Schubladen. Das ist der jetzt zu diskutierende Bericht.
Der Zeitpunkt heute für diese Debatte ist gleichwohl gut gewählt; denn vor uns liegt die abschließende Klärung der Frage, wo die Landeszentrale für politische Bildung in Zukunft angebunden sein wird. Ich kann Ihnen sozusagen in Aktualisierung des schriftlich vorliegenden Berichtes sagen, dass die Gespräche zwischen dem Ministerium für Bildung und Kultur und der Landtagsverwaltung in dieser Sache weit vorangeschritten sind. Es sind nur noch einige Details zu klären.
Nach meiner Kenntnis hat im Ältestenrat eine Aussprache über das Thema stattgefunden. Es besteht Einvernehmen zwischen den Fraktionen des Hauses über einen Transfer der Landeszentrale für politische Bildung an den Landtag. Hierüber werden wir in der Konkretisierung alsbald noch zu sprechen haben. Selbstverständlich wird das Kuratorium der Landeszentrale wie vorgesehen beteiligt.
Meine Damen und Herren, der Bericht spiegelt schon im Inhaltsverzeichnis wider, dass die politische Bildung breit aufgestellt ist. Sie ist natürlich in der Schule gegenwärtig, nämlich im Lehrplan, in den Schüler- und Elternvertretungen - in ihrer Teilhabe an Schulgestaltung und auch schulpolitischen Entwicklung - sowie in der Lehrerfortbildung durch das Institut für Qualitätssicherung an Schulen Schleswig-Holsteins. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Projekten, in denen sich Schülerinnen und Schüler außerhalb des Unterrichts für das Gemeinwohl engagieren; oft auch auf eigene Initiative hin, zum Beispiel in dem Projekt „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“, an dem 15 schleswig-holsteinische Schulen teilnehmen.
Die politische Bildung außerhalb der Schulen ist erfreulich vielgestaltig. Es würde den Rahmen sprengen, hier alle Bildungseinrichtungen und Träger zu nennen, die auf diesem Feld aktiv sind. Sie sind vorwiegend in der Jugendarbeit, in der Weiterbildung und im Bereich der Hochschulen tätig. In diesen Kontext gehören auch die Angebote des Landtags und der Landeszentrale für politische Bildung. Sie ermöglichen die direkte Begegnung mit der Politik, geben Hintergrundinformationen und regen dazu an, sich selbst in demokratische Prozesse einzubringen. Erlauben Sie mir dazu eine Bemerkung am Rande: Insofern dient jede Landtagsdebatte auch der politischen Bildung. Wir können hier in diesem Plenarsaal also ganz direkt zum Erfolg politischer Bildung beitragen.
Die thematischen Schwerpunkte in diesem Bericht sind zugleich die Themen, auf die sich die gesellschaftlich engagierten Gruppen konzentrieren. Zu nennen sind Umweltpolitik, Entwicklungspolitik
und die Integration von Zuwanderern. Eine besondere Stellung hat auch an den Schulen das Thema Europa. Hier besteht für die politische Bildung die große Herausforderung, innereuropäische Entscheidungsprozesse transparent darzustellen und die Einflussmöglichkeiten des Einzelnen in einem größeren Ganzen aufzuzeigen.
Meine Damen und Herren, im vergangenen Jahr haben wir uns an viele Meilensteine der demokratischen Entwicklung unseres Staates, unseres Landes und unseres Volkes erinnert: an die Gründung der Weimarer Republik vor 90 Jahren, an 60 Jahre Grundgesetz und schließlich an die friedliche Revolution in der DDR vor 20 Jahren. Wir haben also einen reichen Fundus für die politische Bildung. Es gilt, diesen selbstbewusst zu nutzen, denn Bildung und Demokratie hängen eng miteinander zusammen. Wer das erste vernachlässigt, der vernachlässigt letztlich auch das zweite.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! „Demokratie ist keine Glücksversicherung, sondern das Ergebnis politischer Bildung und demokratischer Gesinnung.“ Dieser Satz unseres ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss stammt aus dem uns hier vorliegenden Bericht zur politischen Bildung 2009. Er verdeutlicht uns die Notwendigkeit einer aktiven und verantwortungsvollen Beteiligung an Demokratie und Gesellschaft. Der ausführliche Bericht erläutert zum einen die Aufgaben und Ziele politischer Bildung. Zum anderen werden die Arbeitsschwerpunkte in verschiedenen Bereichen dargestellt. Im Folgenden möchte ich einige Themen des Berichts aufgreifen, die mir besonders wichtig erscheinen.
Dies ist zum einen die politische Bildung in der Schule. Beispielhaft seien hier die Einführung des Faches Wirtschaft/Politik und die Mitbestimmungsmöglichkeiten von Schülerinnen und Schülern genannt. Gerade für junge Menschen ist es wichtig, sich zu orientieren und die eigene Persönlichkeit zu entfalten. Durch aktives Engagement in der Gemeinschaft werden Kernkompetenzen wie Toleranz und Kritikfähigkeit gefördert. Ein hervorra
gendes Beispiel hierfür ist das Projekt „Schüler Helfen Leben“, welches mittlerweile deutschlandweit einmal jährlich Hunderttausende Schülerinnen und Schüler für einen guten Zweck mobilisiert.
Das Fach Wirtschaft/Politik in den Sekundarstufen I und II trägt zu einer vertieften Allgemeinbildung, aber auch zur Berufs- und Studienorientierung Heranwachsender bei. Insofern sind eine Weiterentwicklung des gesellschaftspolitischen Profils und auch eine damit einhergehende Anpassung der Lehrerausbildung wünschenswert. Politik hat auch zukünftig die Aufgabe, an unseren Schulen die entsprechenden Rahmenbedingungen zu sichern, damit junge Menschen das Rüstzeug für ein verantwortungsvolles und selbstbestimmtes Leben erhalten.
Während politische Bildung in der Schule überwiegend auf junge Menschen abzielt, sollen im Bereich der Weiterbildung Menschen aller Altersgruppen Lernmöglichkeiten angeboten werden. Politische, allgemeine und berufliche Weiterbildung sind eine Chance zur gesellschaftlichen Teilhabe, aber auch zur Verbesserung der beruflichen Situation des Einzelnen. Lebenslanges Lernen schafft die Flexibilität, die wir brauchen, um zum Beispiel den Herausforderungen der demografischen Entwicklung zu begegnen. Der Arbeitsmarkt profitiert von interessierten und qualifizierten Mitarbeitern, wirtschaftliches Wachstum wird gefördert. Der Nutzen erfolgreicher Weiterbildung kommt also nicht nur dem Einzelnen, sondern der gesamten Gesellschaft zugute. Der vorliegende Bericht weist insoweit völlig zu Recht auf die Bedeutung eines ausgewogenen Weiterbildungskonzeptes hin, welches aber auch in einem Spannungsverhältnis zu den begrenzten öffentlichen und privaten Haushalten steht.
Die CDU setzt sich dafür ein, die gute Infrastruktur der Weiterbildung in Schleswig-Holstein zu erhalten, denn gerade auch die Volkshochschulen in unserem Land leisten einen wichtigen Beitrag zu Bildung und Integration.
- Ich finde, das ist einen Applaus wert. Sie tun dies unter anderem durch nachgeholte Schulabschlüsse, durch Einbürgerungstests oder durch Orientierungskurse für Zuwanderer. Wer staatliche Aufgaben übernimmt oder durch verantwortungsvolle Tätigkeit zum Gemeinwohl beiträgt, der verdient auch eine entsprechende Anerkennung und Förderung.
Weiterhin ist die Landeszentrale für politische Bildung zu erwähnen. Als unabhängige und überparteiliche Einrichtung hat sie seit ihrer Gründung eine wechselvolle Geschichte erlebt. Wir haben ge
rade erfahren, dass entsprechende Vorgänge laufen und dass die Landeszentrale in eine kontinuierliche Arbeit überführt wird. Ich begrüße die Umstrukturierung in diese Richtung. Hier sollten wir aber weiter im Gespräch bleiben.
Meine Damen und Herren, ein für mich wichtiger Gedanke zieht sich durch weite Teile des hier vorliegenden Berichts, nämlich Politikverdrossenheit vorzubeugen beziehungsweise abzubauen. Was dazu getan worden ist und auch zukünftig getan werden kann, lesen wir anschaulich auf 70 Seiten dieser Abhandlung. Gerade eine politisch gebildete Gesellschaft ist motiviert, interessiert und beteiligt sich am politischen Leben. Ganz entscheidend ist: Sie ist gegen Extremismus gewappnet - sei es von Rechts oder von Links. Demokratie ist eben in der Tat keine Glückssache, die uns nur so zufällt. Sie muss vielmehr immer wieder erarbeitet werden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Eigentlich sollte es in diesem Hause müßig sein, über die Wichtigkeit politischer Bildung zu philosophieren. Dass es mit den Kenntnissen über Zeitgeschichte, über Fragen politischer Strukturen und Inhalte, über das Parteiensystem, über die deutsche Teilung und Wiedervereinigung oder über Europa mehr als bescheiden bestellt ist, kann man nahezu täglich in den verschiedenen Quizshows im Fernsehen sehen. Fragen zur Sportgeschichte, zu Unterhaltsmusik oder zu Wer-mit-wem-Schlagzeilen aus der Yellow Press werden problemlos beantwortet, aber relativ simple Fragen zur Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sind Klippen, bei denen die meisten Kandidaten ins Trudeln geraten. Viele scheitern endgültig.
Ich finde es sehr gut, dass der Bericht sehr weit gefasst ist und dass auch der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, die wir ja gesetzlich geregelt haben, ein angemessener Raum gewidmet wird. Diese Beteiligung von Kindern und Jugendlichen umfasst die Medienkompetenz, die Mädchenarbeit und Maßnahmen zum Abbau der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen.
Ich will auf einige Punkte eingehen. Der Bericht zitiert die Erhebungen im Rahmen von „Evaluation im Team“ (EVIT), wonach sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Eltern mit der Schule insgesamt zufrieden sind und wonach die Kooperation von Lehrkräften und Eltern als gut eingeschätzt wird, allerdings mit erheblichen Unterschieden in der Bewertung zwischen Lehrern und Eltern. Das sind durchaus gewichtige Anhaltspunkte und Daten. Ich begrüße es sehr, dass sie in diesen Bericht einbezogen wurden. Mir stellt sich allerdings die Frage, warum Sie ausgerechnet EVIT, also den Schul-TÜV, für entbehrlich halten und diesen für die sogenannten Entbürokratisierung opfern wollen.
Es hat mich und die Jugendpolitikerinnen und -politiker meiner Fraktion sehr gefreut, dass sich die Landesregierung in ihrem Bericht, der auch Teil des Kinder- und Jugendaktionsplans des Landes ist, ausdrücklich zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bekennt. Ich stelle mit Befriedigung fest, dass zwischen allen Fraktionen des Hauses Einigkeit darüber besteht, dass wenigstens dieses Markenzeichen der schleswig-holsteinischen Jugendpolitik nicht hinter der Tünche der Entbürokratisierung und der Entlastung der Kommunen verschwinden darf.
Für den Landtag besteht die wichtigste Aufgabe der nächsten Zeit darin, einen Grundsatzbeschluss über die Zukunft der Landeszentrale für politische Bildung zu fassen. Wir haben mit der Anhörung des Bildungsausschusses in der 16. Legislaturperiode die Grundlage dafür geschaffen, und wir müssen mit Rücksicht auf die Beschäftigten - da haben wir die Beschäftigen wieder! - bald sagen, wohin die Reise geht, insbesondere, ob die Landeszentrale was wir auch wollen - als unabhängige und selbstständige Einheit unter das Dach des Landtages kommt. Über diese gewichtigen Einzelheiten ist aber noch zu reden. Wir wissen, der Teufel steckt im Detail. Wir wollen unseren konstruktiven Beitrag hierzu leisten, und wir schlagen vor, dass dieser Bericht abschließend im Bildungsausschuss behandelt wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir haben den Bericht zur politischen Bildung 2009 mit Freude entgegengenommen, dies insbesondere, weil er deutlich macht, dass politische Bildung in Schleswig-Holstein institutionell durchaus fest verwurzelt ist und auch tagtäglich einen wertvollen Beitrag zu einem besseren Miteinander liefert. Politische Bildung - das gilt es gesondert zu unterstreichen - ist ein integraler Bestandteil unserer Demokratie. Nur mit politischer Bildung können wir den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Schleswig-Holsteins unsere demokratischen Werte, Toleranz und Mitmenschlichkeit, unser gesellschaftliches Fundament und unsere von Höhen und katastrophalen Tiefen gezeichnete Geschichte vermitteln. Politische Bildung ist und bleibt für die Festigung unserer demokratischen Kultur daher unerlässlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Bericht zeigt es deutlich: Die politische Bildung ist in Schleswig-Holstein breit aufgestellt. Neben vielen schulischen und Hochschul-Angeboten sowie Angeboten aus der Erwachsenenbildung kann auch der Sport für die politische Bildung - für integrative und präventive Maßnahmen - genutzt werden.
Inhaltlich ist die politische Bildung ebenfalls variationenreich: Die Landeszentrale für politische Bildung zum Beispiel bietet - so ist es ihrem Internetangebot zu entnehmen - in diesem Jahr eine Fülle unterschiedlicher Veranstaltungen, so etwa zu Themen wie Doping, Extremismus, Klimawandel oder Sicherheitspolitik, an.
Natürlich dürfen historische Themen hier nicht fehlen. Im letzten Jahr gab es eine Vielzahl von Daten, die von der politischen Bildung aufgearbeitet werden konnten und mussten: 90 Jahre Weimarer Republik, der Beginn des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren, Gründung der Bundesrepublik und der DDR vor 60 Jahren oder 20 Jahre Fall der Mauer alles Daten, die einer angemessenen Einordnung bedürfen, alles Ereignisse, die unser heutiges gesellschaftlich-demokratisches Gefüge erkennbar beeinflusst haben. Dies zu erkennen und entsprechend aufzubereiten, ist die ureigenste Aufgabe politischer Bildung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum kommenden Bericht zur politischen Bildung möchte ich aber den kleinen Wunsch äußern, dass die Frage des Extremismus eine bessere Ausgewogenheit bekommt. Wie das Innenministerium in dieser Woche berichtete, hat die Zahl linksextremistischer Straftaten in
Schleswig-Holstein stark zugenommen. Bei den extremistischen Gewalttaten haben die linksextremistischen die rechtsextremistischen sogar überflügelt. Was ich als eine kleine Schwäche des Berichtes bemängeln muss, ist, dass, wenn über Extremismus in diesem Bericht gesprochen wurde, stets der Rechtsextremismus gemeint ist. Die Gefahren des Linksextremismus wurden im Bereich der politischen Bildung in den letzten Jahren meiner Ansicht nach viel zu wenig behandelt.
Ich möchte also dazu aufrufen, dass wir die Gefahren, die vom Extremismus im Allgemeinen ausgehen, stärker zum Gegenstand der politischen Bildung machen. Dies - da bin ich mir ganz sicher wird auch das Anliegen von Minister Dr. Klug sein.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, der SchleswigHolsteinische Landtag hat in der letzten Legislaturperiode beschlossen, dass eine Neuausrichtung der Landeszentrale für politische Bildung in Angriff genommen werden muss.