Protocol of the Session on February 26, 2010

Liebe Kollegen und Kolleginnen, der SchleswigHolsteinische Landtag hat in der letzten Legislaturperiode beschlossen, dass eine Neuausrichtung der Landeszentrale für politische Bildung in Angriff genommen werden muss.

(Beifall der Abgeordneten Katharina Loedige [FDP])

Wir waren uns weitgehend darüber einig, dass eine Neuordnung in Form eines Dienstleistungszentrums vonnöten sei. Soll auch künftig qualitativ hochwertige Bildungsarbeit geleistet werden, müssen nun die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um Klarheit über die Zukunft der Landeszentrale für politische Bildung zu bekommen.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich denke, darüber sind wir uns alle einig: Wir brauchen eine gute und fundierte Versorgung mit Angeboten aus der politischen Bildung. Politische Bildung ist ein unerlässlicher Bestandteil unserer Demokratie. Daher ist es wichtig, dass politische Bildung in SchleswigHolstein weiterhin so groß geschrieben wird wie bisher.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Kollegin Ines Strehlau das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht zur politischen Bildung gibt einen guten Überblick darüber, welche Institutionen, Programme und Projekte es gibt, um Kindern und Ju

gendlichen wie auch Erwachsenen Kenntnisse über das demokratische System und die demokratischen Spielregeln zu vermitteln. Wir lernen, dass die Entwicklung politischer Kompetenz, von Urteilsfähigkeit und Selbstverantwortung, von Toleranz und Kritikfähigkeit im Vordergrund steht. So wird die Entwicklung der Beteiligten hin zu toleranten und demokratischen Menschen gefördert.

Schülerinnen und Schüler lernen in der Schule unser demokratisches System kennen, sie lernen, sich als Klassen- oder Schülersprecherinnen und Schülersprecher einzubringen, in Schulkonferenzen ihre Meinung zu vertreten und lernen auch außerhalb der Schule Team- und Konfliktfähigkeit.

Es gibt Europaprojekte, Maßnahmen gegen Rassismus und Gewalt und für Toleranz, Vielfalt und Demokratie. An Volkshochschulen, Heimvolkshochschulen und Bildungsstätten gibt es Kurse und Seminare für Jung und Alt in vielen Bereichen der politischen Bildung. Politische Bildung begegnet uns also fast überall. So weit, so gut, könnte man sagen. Warum, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir dann aber Schwierigkeiten, junge Menschen für einen Jugendbeirat zu finden? Warum bringen sich so wenig Menschen – jung wie alt - bei politischen Parteien ein, und warum ist unsere Wahlbeteiligung teilweise dramatisch niedrig?

Eine Erklärung dafür ist meines Erachtens, dass wir Kinder und Jugendliche noch immer nicht genug in Entscheidungen einbeziehen, die sie betreffen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es gibt zwar § 47 f der Gemeindeordnung, der besagt, dass die Gemeinde bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen muss. Das muss aber konkret angewandt werden; denn nur, wenn ich merke, dass meine Ideen auch gehört werden, bringe ich mich das nächste Mal wieder ein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es gibt dazu positive Beispiele wie Zukunftswerkstätten, in denen Kinder und Jugendliche ihre Schule oder ein Schwimmbad mitplanen oder die von Kindern erstellte Liste vom Zustand ihrer Spielplätze, die sie an die Kommunalpolitiker und Kommunalpolitikerinnen weiterleiten. Wenn die Kinder und Jugendlichen mit ihren Vorschlägen Gehör finden, erleben sie unsere Demokratie nicht als „die Politiker machen doch, was sie wollen“,

sondern sie fühlen sich ernst genommen und bringen sich auch in Zukunft weiter ein.

Ein anderer Grund für die Politikverdrossenheit könnte sein, dass politische Bildung eben noch über ganz andere Kanäle als die genannten läuft. Menschen lernen viel am Beispiel. Die Beispiele liefern unter anderem wir als Politikerinnen. Aber machen wir unsere Sache gut?

Wenn hier Besuchergruppen hier im Landtag sind, dann wird uns häufig gesagt, dass wir Politikerinnen und Politiker einander nicht mit Respekt begegnen, dass wir unsachlich und persönlich diffamierend argumentieren und nicht die Sache, sondern den vermeintlichen persönlichen Erfolg in den Mittelpunkt stellen. Wie oft haben wir dort gehört, dass wir uns nicht mit Schlamm bewerfen, sondern die Probleme des Landes lösen sollen.

All diese Besucherinnen und Besucher sind Multiplikatoren. Sie berichten zu Hause, ob wir unsere Arbeit sachgerecht und gut machen oder auch nicht. Da müssen wir noch viel besser werden. In der Debatte gestern Abend zur Abschaffung des Optionszwangs waren wir schon gar nicht schlecht. Auch populistische Debatten, wie die um die Auswirkungen des Verfassungsgerichtsurteils zu den HartzIV-Sätzen, sind einer höheren Wahlbeteiligung sicherlich nicht dienlich und schaden unserer Demokratie.

Ein letzter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Landeszentrale für politische Bildung. Der Landesrechungshof fällt ein hartes Urteil:

„Die Landeszentrale für politische Bildung hat keine klaren Ziele und handelt unwirtschaftlich. … Seit 2003 ist die Landeszentrale ein Landesbetrieb. Landesbetriebe erfordern erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Tätigkeiten. Diese Voraussetzung erfüllt die Landeszentrale nicht. Der Landesbetrieb ist aufzulösen.“

Die Landeszentrale erfüllt aber mit der Vermittlung überparteilicher politischer Bildungsangebote eine wichtige Aufgabe. Meine Fraktion will die Landeszentrale deshalb erhalten und hatte im Mai 2009 den Antrag gestellt, sie dem Landtag anzugliedern. Dort könnte sie gemeinsam mit der bestehenden Öffentlichkeitsarbeit des Landtages politische Bildungsarbeit leisten. Beide Bereiche könnten sich ergänzen und so das Angebot für die Bürgerinnen erweitern und mit anderen Institutionen vernetzen.

(Ines Strehlau)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Über dieses Thema werden wir aber sicherlich in einer der nächsten Tagungen noch vertieft diskutieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich dem Herrn Kollegen Ulrich Schippels das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zweimal nun haben wir die Debatte um den Bericht zur politischen Bildung verschoben. Ich bin froh, dass es heute nicht das dritte Mal passiert ist, dass wir heute doch noch zu einer Aussprache gekommen sind. Ich bin auch froh, dass wir heute durchaus auch unterschiedliche Positionen hören. Frau Funke hat uns in ihrer Darstellung erzählt, was sie meint, was extremistisch sei. Ich denke, da gibt es noch viel zu diskutieren. Ich zum Beispiel finde es sehr extremistisch, wenn das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes zur Disposition gestellt wird. Da ist eben auch eine Partei beteiligt, die hier im Landtag ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Bericht zur politischen Bildung belegt die vielfältigen Aktivitäten von Schule über die Volkshochschulen, von der Landeszentrale für politische Bildung bis hin zu den Parteienanstiftungen, zumindest die, die bisher aus dem Landeshaushalt Fördermittel erhalten. Der Bericht legt die Aktivitäten, die hier im Land unternommen werden, um.

Ich zitiere mit Erlaubnis aus dem Bericht:

„… sich in einer sich schnell verändernden Gesellschaft zurechtzufinden sowie selbstbewusst und selbstorganisiert politisch zu denken und zu handeln.“

Weiter heißt es dort richtig - ich darf noch einmal zitieren -:

„Im Vordergrund der politischen Bildung steht die Entwicklung politischer Kompetenz im Sinne von Urteilsfähigkeit und Selbstverantwortung, von Toleranz und Kritikfähigkeit.“

Dazu kann ich nur eines sagen: Das unterstützen wir ohne Wenn und Aber. Ich gehe davon aus, da sind wir uns auch alle einig.

Es ist schon vieles auf dem Weg gebracht worden. Von der Partizipation in der Schule wird berichtet, über Modellprojekte und Modellversuche zur Entwicklung einer demokratischen Schulkultur, die Veränderung der Lehrpläne.

Meine Damen und Herren, die politische Bildung hat zu Recht einen Schwerpunkt bei der Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Dies ergibt sich schon aus dem Ziel, Toleranz und Kritikfähigkeit vermitteln zu wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Offensichtlich müssen wir aber auch mit Blick auf Lübeck in diesem Bereich unsere Anstrengungen noch verstärken. Dafür werden wir uns als Fraktion DIE LINKE hier im Parlament auch einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bildung fängt nicht erst in der Schule an. Interessant und bemerkenswert sind für mich, teilweise auch neu, die Projekte im Rahmen der frühkindlichen Erziehung. Bildung hört auch nicht nach der Schule auf.

Leider haben sich die Rahmenbedingungen an den Volkshochschulen in den letzten Jahren eher verschlechtert als verbessert, und die enge Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung ist ja auch nicht immer von Erfolg gekrönt. Auf jeden Fall - da sind wir uns wahrscheinlich nicht einig, aber dafür stehen wir ein - ist es so, dass wir meinen, dass die Zuschüsse für die wichtigen gesellschaftspolitischen Aufgaben der politischen Bildung nicht gesenkt werden dürfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Entwicklung an den Universitäten - auch darauf wird in dem Bericht eingegangen - lehnen wir ab. Die Verschulung des Studiums, die zunehmende Konzentration auf kapitalverwertbare Studiengänge, der Aderlass bei den gesellschaftskritischen, den geisteswissenschaftlichen Studiengängen, diese verringern langfristig die intellektuelle Qualität der für jede Gesellschaft notwendigen kritischen Intelligenz.

Auf zwei Aspekte möchte ich heute noch eingehen. Das Freiwillige Ökologische und das Freiwillige Soziale Jahr werden auch in dem Bericht erwähnt. Wir schließen uns den Ausführungen an. Kürzungen in diesem Bereich lehnen wir ab.

(Ines Strehlau)

(Beifall bei der LINKEN)

Die entsprechende Kritik des Landesrechnungshofs teilen wir auch nicht in Bezug auf die Landeszentrale für politische Bildung, zumindest nicht in ihrer Rigorosität. In der aktuellen Debatte, wo denn nun die Landeszentrale angedockt werden soll, haben ich jetzt mit Erstaunen vom Minister gehört, wie wir dazu stehen. Wir wollten eigentlich erst einmal schauen, was aus dem Ministerium kommt, aber der vorgeschlagene Weg ist wohl nicht der schlechteste, Herr Dr. Klug.

Die Landeszentrale sollte unserer Meinung nach nicht nur ein Dienstleistungszentrum für politische Bildung sein, sondern ein wenig mehr, auch wenn wir als Linke in der Vergangenheit nicht immer glücklich mit der Veranstaltungsausrichtung gewesen sind. Aber die Landeszentrale ist ja nun auch nicht dazu da, uns glücklich zu machen.

Langer Rede kurzer Sinn: Wir lehnen Kürzungen die Papiere liegen wohl schon in den entsprechenden Schubladen - in diesem wichtigen Bereich, im Bereich der politischen Bildung, ab. Es ist nun einmal so, dass präventive Ausgaben in der Regel günstiger sind als Reparaturkosten. Aufgeklärte, kritikfähige Menschen erzeugen keine Kosten, Dummheit und Ignoranz dagegen sehr wohl.

(Beifall bei der LINKEN)