Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der SPD-Antrag, unterstützt von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ist nicht zielführend und bestenfalls geeignet, die Diskussion um eine sogenannte Kopfpauschale und einen solidarischen Ausgleich zwischen Arm und Reich über das Steuersystem im Keim zu ersticken. Er lässt die alte gesundheitspolitische Debatte vor der Wahl 2005 wieder aufleben, als die SPD mit der Bürgereinheitsversicherung in Richtung Staatsmedizin drängte, was nach der Wahl von der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt forciert wurde und viele Baustellen hinterlassen hat.
Eine Großbaustelle ist die Finanzierung der gesetzlichen Kassen. Eine weitere Baustelle ist die Finanzierung des Leistungskatalogs. Es reicht nicht, sich hier für den Erhalt der solidarischen Kranken- und Pflegeversicherung einzusetzen und dies mit Schlagworten und bereits bekannten Parolen wie der, der Bankdirektor zahle den gleichen Betrag wie eine Busfahrerin, zu untermauern. Solidarität bedeutet mehr.
Solidarität ist eine Herausforderung für alle gesundheitspolitischen Akteure, die Wahrheit zu sagen. Wir dürfen den Menschen nicht weiter vorgaukeln, dass alle gleichermaßen alle verfügbaren medizinischen Leistungen in jeder Form in Anspruch nehmen werden. Solidarität heißt für mich nicht, an der jetzigen Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung um jeden Preis festzuhalten und keine anders Denkmodelle zuzulassen, sondern auch neue
Wegen zu suchen. Es muss unser Ziel sein, unter Berücksichtigung der problematischen Ausgangslage, dass immer weniger Menschen in sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen stehen und auch dank des medizinischen Fortschritts immer mehr Menschen älter werden, eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung und Pflege gewährleisten zu können. Wer dieses Ziel vor Augen hat, muss weiter denken und nach Lösungsmöglichkeiten suchen, die über den SPD-Antrag hinausgehen.
Das bedeutet nicht, sich von der Solidarität verabschieden zu müssen. Grundsätzlich ist der Gedanke, Arbeitgeber, wie durch die Festschreibung des Arbeitgeberanteils geschehen, zu entlasten, nichts Verwerfliches, da so der Anreiz geschaffen wird, mehr Arbeitnehmer zu beschäftigen und das Beitragsaufkommen zur Sozialversicherung zu steigern. Die Finanzierung des Gesundheitssystems krankt, wie eingangs schon gesagt, daran, dass bei der geringen Zahl der Erwerbstätigen im Vergleich zur großen Zahl der Sozialhilfeempfänger und Rentner der Leistungsbedarf aus Sozialversicherungsbeiträgen nicht mehr ausgeglichen werden kann. Daher muss es erlaubt sein, über eine Gesundheitsfinanzierung nachzudenken, die eine möglichst weitgehende Abkopplung der Gesundheitskosten von den Lohnnebenkosten erreicht,
die niemanden überlastet und die solidarische Gerechtigkeit für Geringverdiener und Sozialschwache gewährleistet.
Es muss auch künftig einen sozialen Ausgleich zwischen gesunden und kranken Menschen, Beziehern höherer und niedrigerer Einkommen sowie zwischen Alleinstehenden und Familien geben. Solidarität heißt daher auch, dass die sogenannten Besserverdiener im angemessenen Rahmen an der Finanzierung des Gesundheitssystems beteiligt werden. Dabei ist die Frage, ob dies über den Versicherungsbeitrag oder aus Steuermitteln geschieht, für mich zweitrangig. Wichtig ist, dass wir alle zu einer zukunftsfähigen Finanzierung des Gesundheitswesens beitragen müssen, damit für uns alle eine ausreichende medizinische Versorgung möglich ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Fraktion hat ganz bewusst auf einen eigenen Antrag verzichtet. Die Begründung ist einfach: Wir wollen offen sein für die Ergebnisse der geplanten Regierungskommission zur Reform des Gesundheitswesens. Es ist niemanden damit geholfen, jetzt schon Denkverbote zu formulieren. Außerdem haben wir
Vertrauen in die schwarz-gelbe Koalition im Bund. Daher bin ich zuversichtlich, dass es sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene nicht zu gesundheitspolitischen Schnellschüssen kommt, sondern eine sensible Justierung des Systems erfolgen wird, die nicht von ideologischer Sichtweise geprägt ist, sondern Wirtschaftskraft, den Sachverstand der Akteure im Gesundheitswesen, die demografische Entwicklung und die Möglichkeiten der Finanzierung aller erforderlichen medizinischen Leistungen gleichermaßen berücksichtigt.
Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Menschen haben die Sozialdemokraten abgewählt, damit sich etwas ändert. Wir wollen, dass es langfristig einen wirksamen Krankenversicherungsschutz für alle gibt. Das gelingt nur mit einem Neuanfang im Gesundheitssystem, nicht mit stümperhaften Reparaturen oder mit dem vorliegenden rot-grünen Antrag unter dem Motto „Alles bleibt, wie es früher einmal war“, quasi zurück in die Vergangenheit.
Das Gesundheitssystem muss fortentwickelt und nicht zurückgedreht werden. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir Konzepte für die Zukunft und holen nicht irgendwelche Rezepte aus der verstaubten Schublade, deren Haltbarkeitsdatum schon lange abgelaufen ist.
In der Zeit, in der Sie im Bund Regierungsverantwortung getragen haben, ist die Gesundheitsversorgung teurer, aber nicht besser geworden. Wenn wir hier nichts ändern, dann haben die Menschen wieder das Gefühl, dass Krankheit und Gesundheit immer teurer wird, dass es aber nicht besser wird.
Derzeit, meine Damen und Herren, wird für die Krankenkassen ein prozentualer Anteil vom Monatseinkommen abgezogen. Von den insgesamt
14,9 Prozent tragen die Arbeitgeber sieben Prozent. Weil wir eine Entkoppelung der Gesundheitskosten von den Lohnzusatzkosten wollen, bleibt der Arbeitgeberanteil fest. Die Bundesregierung hat jetzt einen ersten richtigen und wichtigen Schritt gemacht. Die vom Kabinett eingesetzte Kommission unter Leitung von FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler soll Wege zur Einführung eines einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeitrags zur Krankenversicherung erarbeiten. Die FDP hält weiter an dem Plan fest, die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen von 2011 an schrittweise auf Pauschalbeträge umzustellen, die jeder Versicherte unabhängig von seinem Einkommen zu zahlen hat. Für Geringverdiener soll und muss es selbstverständlich einen Sozialausgleich geben
Meine Damen und Herren, mit jedem Tag, der vergeht, ohne dass eine Umstellung auf eine nachhaltige Finanzierung erfolgt, verschärft sich das Finanzierungsproblem des Gesundheitssektors.
Die FDP will vielmehr ein grundlegendes Umsteuern in ein freiheitliches System, das Solidarität und Eigenverantwortung in Einklang bringt, das Schluss macht mit einer zentral gesteuerten Staatsmedizin und der sozialen Bevormundung der Patienten und den Bürgern den notwendigen Gestaltungsspielraum für ihre Versicherungs- und ihre Therapieentscheidungen gibt.
In der Krankenversicherung muss der Weg wegführen von der Lohnbezogenheit der Beiträge und vom Umlageverfahren hin zu einem leistungsgerechten Prämiensystem, das über Kapitaldeckung
eine sichere Grundlage für eine generationengerechte Verteilung der Lasten schafft und gleichzeitig dafür sorgt, dass jeder Bürger so weit wie möglich selbst bestimmen kann, wie er sich absichern möchte.
Der soziale Ausgleich zwischen Einkommensstarken und Einkommensschwachen soll nicht mehr innerhalb der Krankenversicherung stattfinden, wo er zum Teil zu Ungereimtheiten oder sogar Ungerechtigkeiten führt und jegliches Kostenbewusstsein außer Kraft setzt.
Frau Kollegin, Sie tragen ja mutige Thesen vor. Darf ich Sie fragen, warum Sie sich nicht dazu haben durchringen können, mit Ihren Freunden von der Union einen entsprechenden Antrag zu stellen oder einen Änderungsantrag zu unserem Antrag oder einen Gegenantrag vorzulegen? Könnte es vielleicht sein, dass Sie sich so einig nicht sind?
Wenn Sie gestatten, darf ich weiter fortfahren. - Er gehört vielmehr in das Steuer- und Transfersystem, wo jeder nach seiner Leistungsfähigkeit herangezogen wird. Die Kosten für die Krankenversicherung der Kinder sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und daher aus Steuermitteln zu finanzieren. Durch Wettbewerb auf allen Ebenen - sowohl aufseiten der Versicherer als auch aufseiten derjenigen, die für die Gesundheitsversorgung verantwortlich sind - muss dafür gesorgt werden, dass die Bürger nicht mehr als notwendig für ihren Versicherungsschutz bezahlen müssen und dass sie ihn nach ihren eigenen Bedürfnissen gestalten können.
Es ist ein Mythos, dass die aktuelle Finanzierung der Krankenkassen sozial gerecht ist und der Logik der Sozialversicherung entspricht. Der von uns vorgeschlagene Sozialausgleich ist zielgenauer und gerechter, weil er eben nicht über Krankenversicherung läuft, sondern über das Steuersystem.
Unser Sozialausgleich lässt niemanden zurück. Kein Bedürftiger würde durch das Kopfpauschalensystem schlechter gestellt, und die Leistungsfähigen würden an den Kosten der Finanzierung des Gesundheitswesens gerechter beteiligt werden.
Meine Damen und Herren von der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der von Ihnen vorgelegte Antrag dagegen ist dermaßen rückwärtsgewandt, dass wir ihn ablehnen.
Bevor ich die Frau Abgeordnete Dr. Marret Bohn von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an das Rednerpult bitte, möchte ich darauf hinweisen, dass diese Debatte bitte etwas sachlicher zu führen ist.
- Ich habe ausdrücklich um eine sachlichere Auseinandersetzung gebeten, und ich bitte alle Fraktionen, sich daran zu halten.