Unklar ist noch, ob auch die pharmazeutische Industrie wie der Handel ein ausgeprägtes wirtschaftliches Interesse an geeigneten und vor allen Dingen effektiven Sammelsystemen der beschriebenen Art wirklich haben wird. Die um die Zukunft einer gesicherten Gesundheitsversorgung besorgten Bürgerinnen und Bürger haben jedenfalls ein ebenso großes Interesse an zielführenden Ergebnissen geregelter Sonderabfallentsorgung wie an der Entwicklung einer qualifizierten Versorgung mit Arzneimitteln.
Wir werden diesem Antrag zustimmen und freuen uns darüber, dass er überwiesen wird, denn er muss fachlich sehr viel umfassender diskutiert werden, wie mein Beitrag gezeigt hat. Ich freue mich auf die Diskussion über ein effektives Sammelsystem.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Antrag des SSW entspricht grundsätzlich dem Anspruch der Richtlinie des Europäischen Rates. Aktueller Anlass zu diesem Antrag erscheinen mir aber eher die gescheiterten Verhandlungen zwischen der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und den Pharmaherstellern zur Finanzierung des 4 Millionen € teuren Systems zur Entsorgung von Arzneimitteln zu sein.
Bis Mitte des letzten Jahres haben Apotheken die Altarzneien entgegengenommen. Die fachgerechte Entsorgung war, durch REMEDICA der Vfw GmbH mit Sitz in Köln geregelt. Finanziert wurde dieser Service von Unternehmen der pharmazeutischen Industrie und aus Einnahmen von wiederverwertbaren Stoffen. Deshalb mussten Apotheken für die Abholung nichts zahlen.
Für den Verbraucher war dies ein angenehmer Service. Eine ebenfalls mögliche Entsorgung über kommunale Schadstoffsammelannahmestellen ist in der Regel mit viel Aufwand verbunden. Dazu brauchte sich der Verbraucher nicht damit auseinanderzusetzen, wie er gefährliche oder nicht gefähr
liche Medikamente fachgerecht zu entsorgen hatte. Zum anderen war der Schutz vor Medikamentenmissbrauch insbesondere durch Kinder sichergestellt. Der Bürger weiß, dass er in Fragen der Arzneimittelsicherheit und des Verbraucherschutzes bei den Apotheken in sehr guten Händen ist.
Mit Änderung der Verpackungsordnung in 2009 hat sich das geändert. Pappschachteln und Plastikreste müssen nun getrennt gesammelt werden. Eine Quersubvention ist damit nicht mehr möglich, und die Pharmazieunternehmen geben keinen Zuschuss zur Entsorgung mehr, denn die 2005 verschärften Bestimmungen für den Umgang mit Restmüll erlauben zwischenzeitlich, Arzneien mit dem Hausmüll zu entsorgen. Betrachtet man die Internetseiten der Vfw zu REMEDICA, so lässt sich feststellen, dass die Altarzneien grundsätzlich der Verbrennung zugeführt werden, sodass eine Entsorgung über den Restmüll, der ebenfalls grundsätzlich verbrannt wird, ausreichen könnte. Wir sehen das allerdings kritisch. Aus verschiedenen Umfrageergebnissen lässt sich erkennen, dass viele Verbraucher aus Unkenntnis heraus abgelaufene oder nicht mehr benötigte Medikamente unsachgemäß entsorgen. Gerade flüssige Arzneimittel werden häufig gedankenlos in den Ausguss geschüttet.
Im Sinne einer sachgerechten Entscheidung sollten wir uns eigene Erkenntnisse verschaffen. Dazu ist es notwendig, belastbare Daten über die tatsächlichen Mengen von Altarzneien und der vorhandenen Entsorgungsmöglichkeiten zu erhalten. Es ist zu klären, wie bei der Entsorgung der Schutz vor unsachgemäßer Verwendung - insbesondere durch Kinder - gewährleistet und wie Belange der Umwelt berücksichtigt werden könnten.
Wir müssen im Bereich des Verbraucherschutzes einen klaren Kurs fahren. Es reicht nicht aus, dies verbraucherschutzgesetzlich festzuschreiben. Allein Verbraucher, die umfassend informiert sind, können selbstbestimmt entscheiden. Allein die Verbraucher sind die besten Garanten für ein hohes Niveau im Verbraucherschutz. Allein eine vernünftige Aufklärung der Verbraucher kann in diesem Fall der richtige Ansatzpunkt sein. Bundesweit einheitliche gesetzliche Regelungen sind nicht der richtige Weg. Diese bürgerliche Regierung will umfassende Verbraucherbildung und keine unnötigen gesetzlichen Regelungen, die nichts schaffen außer Bürokratie und keinen Mehrwert für den Verbraucher haben. Ich beantrage, die Anträge an den Sozialausschuss zu überweisen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Medikamente retten täglich Menschenleben. Dosis und Indikation müssen in der Medizin allerdings stimmen, sonst kann es gefährlich werden. Alte Medikamente sind potenziell gefährlich; gefährlich für die Patientinnen und Patienten, wenn sie nach Ablauf des Verfallsdatums eingenommen werden, gefährlich für die Umwelt, wenn die bunten Pillen oder Tropfen im Hausmüll landen, und gefährlich für uns alle, wenn die Hormonrückstände aus Tabletten im Trinkwasser landen. Das müssen wir verhindern. All diese Risiken sprechen für eine sichere, koordinierte und für Bürgerinnen und Bürger kostenfreie Entsorgung nicht verbrauchter Arzneimittel. Das ist der richtige Weg, um Schaden für Mensch und Umwelt zu verhindern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bislang konnten Patientinnen und Patienten ihre alten Medikamente in jeder Apotheke abgeben, das haben wir eben schon von der Kollegin gehört. Der Apothekerverband hatte einen Vertrag mit der Firma Vfw, die die alten Arzneimittel über das Rückholsystem REMEDICA sicher entsorgte. Der Apothekerverband zahlte dafür, die Pharmafirmen auch. Das war für alle Seiten eine gute Lösung. Jetzt hat eine Änderung der Verpackungsmittelverordnung dazu geführt, dass sich die Pharmafirmen bei der Entsorgung des Verpackungsmaterials am dualen System beteiligen müssen. Das bedeutet, sie können Pappschachteln, Beipackzettel und Plastikträger nicht mehr gewinnbringend auf dem Altpapier- und Wertstoffmarkt verschachern. Damit wird die Entsorgung von Altmedikamenten zu einer teuren Angelegenheit. Die Einkünfte aus dem Wertstoffverkauf können die eigentliche Entsorgung der Medikamente nicht mehr ausreichend subventionieren. Kein Gewinn mehr für das System REMEDICA, also Schluss mit lustig.
Einige Apotheken handeln sehr verantwortungsbewusst und nehmen die alten Medikamente weiterhin entgegen. Andere verweigern jedoch die Annahme. Der Apothekerverband möchte die deutliche Kostensteigerung für die fachgerechte Entsorgung nicht übernehmen.
Was bedeutet das für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Schleswig-Holstein? - Erstens. Alte Arzneimittel sind unverändert potenziell gefährlich. Sie gehören nicht in den Hausmüll. Zweitens. Eine Verpflichtung der Apotheken, die Medikamente zurückzunehmen, gibt es nicht. Drittens. Der Besuch einer Schadstoffsammelstelle lohnt sich. Hier müssen auch alte Medikamente angenommen werden; übrigens kostenlos. Besser ist es aus Sicht meiner Fraktion, das alte, gewohnte und bewährte Verfahren wiederzubeleben. Kostenfreie Rücknahme in jeder Apotheke, Zusammenführung der Altmedikamente aus den Apotheken, gebündelte Entsorgung durch ein Fachunternehmen. Das ist einfach, bürgerfreundlich und sicher.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das war schon immer so!)
Wir Grüne halten es daher für sinnvoll, dass die Landesregierung versucht, den Einigungsprozess zu unterstützen. Verpflichtet sind die Länder dazu nicht, denn im Grunde wäre die europäische Anforderung eines geeigneten Sammelsystems auch durch die Entsorgung über die Schadstoffsammelstellen erfüllt. Bürgerfreundlich ist die derzeitige Lösung jedoch nicht, und sie bürdet die Kosten der öffentlichen Hand auf. Das ist ungerecht, und das akzeptieren wir nicht. Aus unserer Sicht hat die Pharmaindustrie eine Verpflichtung
und auch ein eigenes Interesse daran, sich an einer Lösung zu beteiligen. Denn eines sage ich ganz deutlich: Ein Kleinkind, das im Hausmüll den Betablocker der Großmutter findet und ihn für ein Bonbon hält, kann nach der Einnahme sterben. Ein Unglück dieser Art wollen wir ebenso verhindern wie eine Hormonbelastung unseres Trinkwassers. Aus unserer Sicht besteht hier Handlungsbedarf. Deshalb stimmen wir dem Antrag des SSW zu.
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! In der Werbung heißt es: Manche Dinge müssen bis zu 20-mal wiederholt werden, bevor sie verstanden
werden. Insofern ist es nicht schlimm, wenn ich als letzter Redner das eine oder andere von der Parlamentsseite wiederhole, bevor die Regierung spricht.
Im Juni 2009 hat die Vfw die kostenfreie Abholung und Entsorgung von Altmedikamenten aus Apotheken über das Rückholsystem REMEDICA eingestellt. Herr Garg, wir haben es gehört. Die Auswirkungen sind nicht sehr schön. Wir sind dankbar, dass der SSW dieses Thema aufgegriffen hat, um es in die politische Debatte zu bringen. Schade finden wir, dass die Landesregierung dies nicht von sich aus gemacht hat. Sie hätte es eigentlich schon längst tun sollen. Viele alte Arzneimittel werden nun nicht mehr sachgerecht entsorgt. Sie landen zum Beispiel im Hausmüll oder im Abwasser. Die Apotheken - auch hier in Kiel - wissen nicht, wohin sie mit den alten Medikamenten sollen.
Inzwischen ist aufgrund der fehlenden fachgerechten Entsorgungsmöglichkeiten von Medikamenten zum Beispiel ein Schmerzmittel - Diclofenac im Abwasser nachgewiesen worden. Dieses Schmerzmittel kann bei Fischen zu Nierenschäden führen. Ich überlege gerade, was es heute zum Mittagessen gab. Ich glaube, es war Scholle. Andere im Abwasser nachgewiesene Mittel sind zum Beispiel Hormone aus Antibabypillen. Diese lassen Wassertiere das Geschlecht wechseln.
Herr Garg, selbst im Trinkwasser wurden inzwischen schon Spuren von Medikamenten gefunden, bei einer Probe aus dem Reichstag beispielsweise ein Mittel für Epileptikerinnen und Epileptiker. Offensichtlich gibt es noch keine Probe aus dem Schleswig-Holsteinischen Landtag. An anderen Stellen ist das Schmerzmittel, von dem ich gesprochen habe, nachgewiesen worden, vereinzelt auch Clofibrinsäure, allerdings in so winzigen Mengen, dass Expertinnen und Experten darin zum Glück noch kein Risiko sehen.
Herr Abgeordneter Schippels, bitte warten Sie einen Moment. - Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit!
Noch mehr? Okay. - Im rot-rot geführten Berlin gibt es inzwischen ein Projekt, mit dem alte Arzneimittel über den regionalen Abfallentsorger eingesammelt werden sollen.
Eine Lösung für Schleswig-Holstein, ich denke sogar, für die gesamte Bundesrepublik, muss her. Ich bin also für eine Bundesregelung, die FDP ist das offensichtlich nicht. Aber zumindest sollte eine Landesregelung angegangen werden.
In der Pflicht sind unserer Meinung nach in erster Linie die Hersteller der Medikamente. Sie müssen nach der jüngsten Novelle der Verpackungsverordnung für das duale System bezahlen. Als „Nebenwirkung“ dieser Rechtsänderung weigern sie sich jetzt, die alten Arzneimittel entgegenzunehmen.
Das mag für ihr Geschäft gut sein. Denn die Krankheiten, die unter Umständen dadurch entstehen, dass die alten Arzneimittel nicht sachgerecht entsorgt werden, müssen dann vielleicht auch medikamentös behandelt werden. Für die Menschen allerdings ist das eine Gefahr.
Aus Berlin - ich meine hier die Bundesregierung und den größten Lobbyisten der Pharmaindustrie, den sogenannten Gesundheitsminister - kommt zu diesem Thema nichts, nicht einmal heiße Luft. Es gibt ja auch nichts zu verdienen.
Wie ich schon sagte: In der Verantwortung steht die Pharmaindustrie. Ein Blick auf deren wirtschaftliche Lage dürfte so manchen vor Neid erblassen lassen. Selbst im globalen Krisenjahr 2009 gelang es den Branchenvertreterinnen und Branchenvertretern, ihre Gewinne stabil zu halten. Zweistellige Nettoumsatzrenditen sind keineswegs Ausreißer, sondern eher die Regel. Da sollten doch 4 Millionen € für dieses notwendige System zur Verfügung stehen.
Aber die Pharmaindustrie tanzt der Politik, Gesundheitsminister Rösler, auf der Nase herum. - Eigentlich muss es anders heißen: Herr Rösler tanzt uns mit der Pharmaindustrie auf der Nase herum. Die Industrie muss endlich gesetzlich verpflichtet werden, die Arzneimittel zurückzunehmen. Zusätzlich aber das ist ein anderes Thema - bedarf es endlich einer Positivliste für Arzneien. Denn die jetzige Gesundheitspolitik ist eine Gelddruckmaschine für die Pharmariesen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf Frau Rumpf vertreten und für die Regierung sagen, dass wir dem SSW zustimmen, dass geeignete Sammelsysteme für nicht verwendete oder abgelaufene Arzneimittel zur Verfügung stehen müssen. Aus unserer Sicht ist allerdings eine Gesetzesinitiative Schleswig-Holsteins nicht erforderlich, und das aus einem einfachen Grund, dass es bereits ein geeignetes Sammelsystem gibt.
Genau genommen haben wir in unseren Gebietskörperschaften sogar mehrere Möglichkeiten, solche Arzneimittel einer zulässigen Abfallentsorgung zuzuführen: Erstens. Die kommunalen Abfallentsorger nehmen üblicherweise Altmedikamente im Rahmen der Schadstoffsammlung entgegen. Zweitens. Viele Apotheken nehmen auch heute noch Arzneimittel von ihren Kunden zurück. Drittens. Die Bürgerinnen und Bürger können nicht mehr benötigte Arzneimittel in der grauen Tonne gemeinsam mit dem übrigen Hausmüll entsorgen.
Worin liegt also die Initiative des SSW begründet? Wie so oft geht es ums Geld. Sie haben das im Verlauf der Debatte schon gehört. Bis Mitte des letzten Jahres wurden die von den Apotheken zurückgenommenen Arzneimittel bundesweit durch ein von der Pharmaindustrie initiiertes Selbstentsorgungssystem kostenfrei zurückgenommen. Änderungen in der Verpackungsverordnung haben 2009 dazu geführt, dass sich dieses System wirtschaftlich nicht mehr selbst trägt; denn zusätzlich zu den Sammlungs- und Entsorgungskosten sind jetzt die Zinsentgelte für die Verpackungsentsorgung beim dualen System zu entrichten.
Nach Erkenntnissen des Umweltministeriums hat der Betreiber Vfw-REMEDIKA den Apotheken angeboten, das System gegen geringe jährliche Kosten weiterzuführen. Damit ist ein Betrag von 200 € pro Jahr gemeint. Parallel hat der Apothekerverband Schleswig-Holstein bei den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern angefragt, ob sie die von den Apotheken zurückgenommenen Altmedikamente kostenlos abholen und entsorgen würden. Hierzu gab es bislang bei den Entsorgungsträgern keine einheitliche Linie.
Aber auch wenn wir in Schleswig-Holstein kein einheitliches System für die Rücknahme und Einsammlung von Altmedikamenten bekommen, hält dies das Ministerium nicht für problematisch. Im Vordergrund sollen sichere, umweltverträgliche und praxisgerechte Entsorgungswege stehen. Diese
sind durch drei Möglichkeiten der Abfallentsorgung gegeben. Sie sind dann sicher, wenn der Schutz vor unbefugten Zugriffen gewährleistet ist. Hier bietet kein System per se Vorteile. Der Schutz ist von den privaten Haushalten für viele Stoffe, zum Beispiel für Putzmittel, Rasierklingen oder eben auch für nicht verwendete Medikamente sowie auch für andere Abfälle, zu gewährleisten. Diese Systeme sind umweltverträglich, da die Deponierung von unbehandelten Siedlungsabfällen seit Juni 2005 verboten ist. Die Medikamente werden daher in der Regel zusammen mit dem Hausmüll verbrannt. Das heißt, unter dem Strich wird so oder so verbrannt. Insofern ist meiner Meinung nach eine einheitliche Form der Entsorgung tatsächlich gewährleistet.
Meine Damen und Herren, das Fazit lautet daher: Die freiwillige Rücknahme von nicht verwendeten oder abgelaufenen Arzneimitteln über die Apotheken ist als eine Möglichkeit der Einsammlung zu begrüßen. Wir danken allen Apotheken, die bereit sind, diesen Service auch weiterhin anzubieten, auch wenn dies für sie nicht mehr kostenlos möglich ist. Es gibt allerdings keine Gründe dafür, auf Bund-Länder-Ebene, zum Beispiel durch eine weitere abfallrechtliche Verordnung zur Produktverantwortung oder dergleichen, für ein bundeseinheitlich vorgegebenes Sammelsystem einzutreten. Eine schadlose Beseitigung ist auf jeden Fall möglich. Deshalb ist es nicht erforderlich, eine neue Bürokratie aufzubauen.